Néko und Tora 1.1 von igorrrr ================================================================================ Kapitel 9: Die Daito- Insel --------------------------- In den nächsten drei ein halb Monaten hing Misaki an Gato wie ein Klette. Er überwachte ihn, sprach mit Angestellten und mit den Geschäftspartnern, die zu erreichen waren. Seine Aktivitäten blieben natürlich nicht unbemerkt. Die Leute begannen über Umino zu reden und das war für die sensiblen Geschäfte, die er außerdem führte, sehr schlecht. Er versuchte Crowfort immer wieder unter Druck zu setzen, damit er Misaki aus dem Weg räumt, aber der ließ sich nicht erpressen. Gato bekam an diesem Tag einen unschönen Anruf: „Hier Kyro, WAS ZUM HAGETAKA IST BEI IHNEN LOS?!!! WISSEN SIE NICHT WAS ES BEDEUTET DISKRET ZU SEIN?!!!“, brüllte der in den Hörer. „Was soll ich bitteschön tun? Der Bulle stellt fragen und Crowford weigert sich ihn umzubringen!“, schrie Umino zurück. „Das gehört nicht zu seinen Aufgaben. Sorgen sie gefälligst dafür, dass ihre Leute die Klappe halten, sonst...“ Er hörte, dass das Telefon auf der anderen Seite der Leitung auf die Gabel geschmissen wurde: „Verflucht!“, meckerte Gato und legte ebenfalls auf: - Am besten ich ziehe mich für eine Weile zurück. Bis sich die Wogen etwas geglättet haben. -, überlegte er. Enni stand im Trainingsraum und vermöbelte die Sandsäcke. Der Schweiß rann ihr schon übers Gesicht. Mit Fäusten und Füßen hielt sie sich das schwingende Etwas vom Leib. Dann hielt sie den Sack fest, ging von den Matten, schnappte sich ein Handtuch und verließ den Trainingsraum. Tora saß schon seit Tagen am Schreibtisch und bereitete einen Auftrag vor. Sie hatte sich See- und Landkarten von einer Insel besorgt: „Wo geht es dieses Mal hin?“, fragte Néko von der Seite. Tina blickte sie aus den Augenwinkeln an: „Ich habe noch nicht entschieden ob du mitkommst.“, sagte sie. „Bist du immer noch sauer, wegen der Sache mit Neo?“ „Nur ein wenig, aber das ist nicht der Grund. Der erster Bodyguard des Opfers ist es. Dieser ist kreuzgefährlich. Er konnte bisher alle auf Gato verübten Anschläge so vereiteln, dass sein Boss nicht mal eine Schramme abbekam. Der Kerl wittert alles Verdächtige auf zehn Kilometer gegen den Wind.“ „Komm schon, ich kann auf mich aufpassen. Tora setzte die Ellenbogen auf den Tisch, wischte sich mit den Händen übers Gesicht und atmete tief durch: „Also gut, aber du tust genau das, was ich sage. Ein winziger Fehler ist bei dem Kerl tödlich.“, sagte Tora, die von Crowfort schon gehört hatte, deutlich. „In Ordnung.“, freute sich Néko, endlich mal wieder raus zu kommen. „Gut, wir haben wenig Zeit. Ich weiß nämlich nicht wie lange Gato sich noch auf Daito aufhält. Ich habe uns ein Boot gechatert. Du bist seefest?“ „Beim letzten mal auf einem Schiff war ich es noch.“ Enni wurde um drei Uhr nachts aus dem Bett geschmissen: „Beweg dich, wir müssen unser „Handwerkszeug“ zum Hafen und dann aufs Boot bringen.“, sagte Tina. Néko gähnte: „Komm schon!“ Sie quälte sich hoch, ging sich waschen und zog sich an. Zusammen brauchten sie drei Stunden, um ihre Sachen vom Bunker ins Auto, zum Hafen zu fahren und dann vom Wagen in das Schiff zu packen, das den deutschen Namen „Löwe“ trug. Ein Großteil von den Kisten waren Lebensmittel und Getränke. Um halb sieben verließen sie mit dem weiß- blauen Boot den Hafen und fuhren Richtung Süden. Als sie hundertzwanzig Minuten später nur noch Salzwasser um sich hatten, drängte sich Enni eine Frage auf. Sie wusste allerdings nicht, ob sie, sie stellen konnte, ohne unwiederbringlich im Meer versenkt zu werden. Sie sah ihre Mentorin immer wieder an: „Was ist?“, fragte diese schließlich genervt. „Kann ich dich was fragen, ohne dass ich gleich im Pazifik lande?“ Tina sah aus den Augenwinkeln nach steuerbord achtern und zu Néko: „Frag schon.“ „Wie... Wie bist du zu einer Killerin geworden?“ Die Tigerin richtete ihren Blick zurück aufs Meer: „Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen möchte.“, sagte sie. „Du traust mir also nicht.“, schloss ihre Schülerin traurig daraus. Tora schaltete den Motor des Schiffes aus, ging nach hinten und setzte sich ihr gegenüber: „So ist es wirklich nicht, aber...!“ „Was aber?“, sah sie, sie unverwandt an. „Enni...“, die Tigerin machte eine Pause, sie hatte lange nicht daran denken müssen. Es schmerzte aber immer noch sehr: „... Es ist schon eine Weile her. Damals ging ich in die zehnte Klasse, war gerade mal siebzehn. Meine Eltern haben sich sehr für Politik interessiert. Mir war das in dem Alter ziemlich schnuppe. An einem Samstag morgen gingen sie mit meinem kleinen Bruder zu einer Wahlveranstaltung. Ich blieb zu hause... Es gab Zeiten da habe ich mir gewünscht ich wäre mitgegangen. Denn an diesem Tag wurde meine Familie ausradiert.“, sie schwieg einen Moment: „Ich bekam raus, dass Holger Schmitt, ein Politiker, den Überfall auf die Wahlkampagne seines politischen Gegners in Auftrag gegeben hatten. Danach war nur noch für Hass und Trauer platz in meinem Leben. Ich lernte Kampfsport, ging in einen Schützenverein und sann auf Rache. Nie wieder sollte dieser Kerl die Möglichkeit bekommen, jemanden wegen seiner Überzeugungen zu ermorden. Ich trainierte und trainierte, aber das Schießen bereitete mir große Schwierigkeiten.“ Enni sah Tora ungläubig an: „Aber du schießt doch eins A.“, fragte sie eher, als dass sie es sagte. Die Tigerin gab ein Lachen von sich und nickte: „Schon, aber ohne die Hilfe von Ken, hätte ich das nicht geschafft. An dem Tag stand er auf der Nebenbahn und sagte, nachdem ich ein paar mal geschossen hatte: „Sie halten die Pistole als wollen sie jemanden damit erschlagen und nicht damit schießen.“. Ich war zu diesem Zeitpunkt dem Verzweifeln nahe, weil ich nicht mehr daran glaubte meiner Familie Gerechtigkeit bringen zu können. Also unternahm ich einen erneuten Versuch. Ich überredete Ken mir das Schießen beizubringen. Als ich ihm schließlich sagte, wozu ich das bräuchte, bot er mir an seine Partnerin zu werden. Na ja...“, sie legte den Kopf in den Nacken und lächelte. „Wo ist er jetzt?“, fragte Néko unbedacht. Toras lächeln verschwand sofort und sie sah auf den Boden: „Tot... Er verlor das Leben vor meinen Augen.“ Tina stand auf und hob den Kopf. Sie sah direkt gen Himmel und kurzzeitig sein Gesicht in den Wolken, dann senkte sie die Lider: „Übrigens fängst du morgen an zu kellnern.“ „Wieso? Brauchen wir Geld?“, fragte Sakada ironisch. „Das nicht gerade, aber mindestens einmal, wenn er auf Daito ist, geht er in ein bestimmtes Restaurant. Er mietet es komplett für sich.“ Néko stand auf, stellte sich neben sie und blickte auf die langsam in Sicht gekommene Insel. Tora wandte sich zu ihr: „Du wirst als Bedienung da anfangen und bescheid sagen, wenn er kommt.“, sagte sie, ihre Schülerin sah sie wenig begeistert an. „Wenn dieser Crowfort wirklich so gut ist, wie du sagst. Meinst du nicht, dass der merkt wer bzw. was ich bin?“, fragte sie. „Wenn du dich auffällig benimmst schon. Du darfst nicht denken...“, sie verstellte die Stimme: „In ein paar Minuten lege ich dich um.“ Néko lachte: „Nein denke ans Kellnern, an das richtige Halten der Teller und so weiter. Denke nicht an den Mord.“ Zur selben Zeit in Tokio. Neo saß vor seinem Computer, um nach weiteren Ungereimtheiten in Gatos Lebenslauf zu suchen. Er schob auch zum Observieren des Firmensitzes immer wieder Extraschichten ein. Ihm fiel dabei ein Mann auf. Obwohl er erst Ende zwanzig war, hatte er schütteres Haar, seine Kleider waren abgetragen. Seine Haare waren dünn und an manchen Stellen schon recht licht. Er wirkte wie der typisch windige Kleinkriminelle, der sich für die Großen die Finger schmutzig macht und sie sich sicherlich auch schon oft genug verbrannt hat. Dieser Mann tauchte auch am nächsten und übernächsten Abend auf. An Hand des Nummernschildes seines mindestens fünfundzwanzig Jahre alten Autos, fand Misaki Name und Adresse des Mannes heraus. Neo fuhr am Donnerstag Vormittag in das heruntergekommenste Viertel Tokios. Die Häuser dort waren groß, grau und an vielen Stellen fehlten Teile des Putzes. Neo kannte die Gegend. Er war in diesem Stadtteil als Jungpolizist Streife gelaufen. Hier gab es die höchste Kriminalitätsrate, von Drogendelikten über Diebstahl bis zum Mord. Vor einem zwölfstöckigen Haus blieb er mit seinem Fahrzeug stehen. Als er ausstieg wurde er von allen Leuten misstrauisch angesehen. Er wusste, dass die Menschen in dieser Gegend einen siebten Sinn für Polizisten hatten. Er warf noch mehrere Blicke über die Schulter und ging dann zum Haus. Er sah die Unmengen von Klingelschildern: - Konakamei Saito. -, las er auf einem Schild und drückte den daneben liegenden Knopf. „Hallo!“, schallte es aus der rostigen Gegensprechanlage: „Hier ist Detektiv Misaki. Ich würde gerne mit ihnen reden?“ „Was wollen sie von mir?“, fragte eine bereits nervöse Stimme. „Ich möchte sie gerne etwas fragen. Sie...“ Neo hörte durch die Sprechanlage wie Saito die Tür aufriss. Der Polizist lief so schnell wie irgend möglich auf die Rückseite des Gebäudes. Gerade noch rechtzeitig erwischte Misaki Konakamei an der Kellertreppe. Der Verdächtige hatte sie bereits halb erklommen, als er den Detektiv sah. Neo legte ihm Handschellen an. Saito sah sich furchtsam um, er geriet fast in Panik. Er versuchte sich aus dem Griff des Polizisten zu winden, doch zwecklos: „Du wirst mir auf dem Revier ein paar Fragen beantworten.“, sagte Misaki. „Wenn sie mich da hinbringen, können sie mich auch gleich erschießen!“, sagte Konakamei. „Dann biete ich dir noch etwas an: Wir unterhalten uns kurz und dann tue ich nachher so als seiest du mir entwischt.“ Er nickte kurz und hektisch. „Was wollen sie wissen?“, fragte Saito noch immer nervös. „Was wolltest du bei Gato?“ Neo sah ihm in die überraschten Augen. „Woher wissen sie, dass ich dort war?“ „Was wolltest du da?!“, antwortete er gar nicht auf seine Frage. „Ich soll... sollte ihm... ihm was bringen.“, stotterte der schlaksige Mann. „Von wem? Und was?“ „Das kann ich ihnen nicht sagen, sonst bin ich so gut wie tot.“ Misaki zog ihn an sich ran: „Raus mit der Sprache oder du kommst doch noch mit.“, wurde er laut und begann ihn mit sich zu ziehen: „Warten sie! Warten sie!“, schrie Saito: „Es war von Omoko.“ „Der Waffenhändler?“, der Gefesselte sah sich um und nickte kaum merklich: „Was solltest du Gato übergeben?“, fragte Neo weiter. „Ei... Einen Brief.“, sagte Konakamei als hätte er aufgegeben aus dieser Situation zu entkommen. „Was steht in dem Brief? „Denken sie ich bin so blöd und lese diese Briefe?“ „Allerdings! Was steht drin?!, wurde Misaki wieder lauter. „Omoko will Toras Tod und den seiner Partnerin.“ Enni hatte jetzt schon zwei Tage im Restaurant „Sakana“ gearbeitet. Sie half in der Küche und im Servicebereich. Die Arbeit war nicht unbedingt ihr Fall. Sie hatte zwar schon öfter gekellnert, aber der Oberkellner ging ihr mächtig auf die Nerven. Er war ständig hinter ihr und kontrollierte sie. Néko hoffte das Umino bald auftauchen würde. An diesem Abend kam der Restaurantchef auf sie zu: „Néko- san, können sie morgen Abend?“, fragte er. „Ja, warum?“ „Wir erwarten einen speziellen Gast, der wünscht immer eine weibliche Bedienung für sich und da meine Kellnerinnen beide krank sind, nun ja. Könnten sie?“ „Natürlich Taki- san.“, sagte sie, erleichtert, dass es endlich soweit war. Nachts kam Enni zurück an Bord: „Tora!“, rief sie leise unter Deck. Nichts regte sich oder antwortete. Das einzige was sie hörte, war das Klatschen der Wellen an das Heck. - Wo steckt die Frau? -, machte sie sich Gedanken und ging runter. Sie sah in Tinas Kabine nach, wo diese auch tatsächlich schlafend in der Koje lag. Sakada war überrascht, nie hatte sie ihre Mentorin richtig schlafend gesehen. Sie war normalerweise immer hellwach, sobald sich auch nur etwas regte. Die Katze schloss die Tür und verzog sich in die Buckkabine. Sie bemerkte, dass sich Tora in ihrem schmalen Bett in der Nacht hin- und herdrehte und am später mit einem: „Ken!“, erwachte. Sie orientierte sich hastig, indem sie mehrmals den Kopf drehte. Tina schloss die Augen und legte ihre Hände an die Stirn: „Ken.“, flüsterte sie noch mal, stand auf und ging an Deck. Sie betrachtete die Sterne, die gut am klaren Himmel zu erkennen waren. Der große Wagen, Orion und auch die Venus, die gerade aufging. Vom inneren des Schiffes waren plötzlich Geräusche zu vernehmen: „Tora?“, rief Enni mit etwas verschlafener Stimme. Diese sah auf die Luke, wo ihre Schülerin gerade den Kopf raus steckte: „Und hast du was neues?“, fragte Tina. „Ja, heute Abend kommt wohl Gato. Jemand hat das komplette Restaurant gemietet und verlangt eine weibliche Bedienung.“, Néko machte eine Pause: „Wie willst du vorgehen, wenn er es ist?“ „Wenn, dann gibst du mir per Knopfdruck auf deine Uhr ein Signal. Anschließend gehst du in die Küche und setzt den Koch außer Gefecht. Du lässt mich rein, wir nehmen unsere Kanonen und schießen ihn und seinen Bodyguard übern Haufen.“ Néko sah sie etwas skeptisch an. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es so einfach werden würde, aber sie sagte nichts dazu: „Ich lege mich jetzt wieder hin.“, meinte sie und ging zurück in ihre Koje. Kaum lag sie, schlief sie auch fast augenblicklich ein. Vor ihrem geistigen Auge liefen Bilder und Erinnerungen ab. Sie sah ihre beste Freundin Ayjana vor sich, die sagte: „Dein Vater bringt dich noch mal um. Bitte lasse dir helfen.“ Ihre Mutter erschien: „Ich habe dich lieb mein Kind und ich werde dich beschützen.“ „Komm her! Du brauchst ´ne Lektion.“, hörte sie die grobe Stimme ihres Vaters, der das Bild ihrer Mutter zerriss. „PENG“ Enni erwachte schweißgebadet. Sie wusste nicht ob es wirklich geknallt oder ob sie es nur geträumt hatte. Sie spürte die leichten Wellen unter sich, die Auf- und Ab- Bewegung des Schiffes. Néko hörte sie gegen den Buck schlagen. Sie hob ihren Oberkörper, wobei ein Schweißtropfen über ihr Gesicht rann. Sie wischte ihn weg und stand auf. Die Uhr zeigte vierzehn Uhr an: - Ein verrückter Traum. -, dachte sie und wollte sich strecken. Doch bevor sie dies vollenden konnte, stieß sie mit den Händen an die Kojendecke: „Dreckskahn!“, schimpfte sie innerlich, obwohl sie das Boot angenehmer fand, als den Bunker. Enni zog sich an und ging an Deck, wo sich Tora gerade im Bikini sonnte: „Na, aufgewacht?“, fragte die „Sonnenanbeterin“. „Wie du siehst.“ Tina richtete sich auf: „Was geht dir durch den Kopf?“, fragte die Mentorin. Néko fühlte sich ertappt: „Nichts, ich hatte nur einen merkwürdigen Traum.“, wich sie aus. „Lasse dich von so was nicht ablenken, dazu ist der Auftrag viel zu gefährlich.“, sah Tina sie kritisch an und machte es ihr wieder bewusst. Um sechzehn Uhr war Sakada im Restaurant. Taki- san scheuchte seine Angestellten hin und her. Die Putzkolonne machte den Boden sauber, wischte Staub und brachte das gesamte Innenleben auf Hochglanz. Die Köche bereiteten schon Soßen und sämtliche Menüs vor. Enni brach unterdessen Servietten und deckte einen Tisch ein: „Nein! Nein! Nein! Bereiten sie einen großen Tisch vor. Der Gast hat bestimmt Bedürfnisse!“, rief der Restaurantbesitzer. Sie musste die ganze Prozedur noch einmal machen, weil sich Größe und Form des Tisches geändert hatten. Sie war erst dreiviertel acht mit allem fertig. Alle die nicht für Gatos Dinner gebraucht wurden gingen, so dass nur noch der Koch, Taki- san und Néko dort waren. Sie war äußerst erleichtert darüber. Gegen zwanzig Uhr dreißig öffnete sich die Tür und ein unangenehm dicker Mann in einem limettengrünen Anzug betrat die Lokalität. Der Chef ging in gebeugter Haltung auf ihn zu: „Gato- san, es ist mir eine Ehre, sie wieder hier begrüßen zu dürfen.“, küsste er ihm fast die Füße. Umino sah auf Enni, die hinter Taki stand: „Gato- san, das ist Néko Kioko, ihre Bedienung heute Abend.“ Sie trat vor und verbeugte sich ebenfalls und dann sah sie ihn. Der grässliche Anzug hatte ihn die ganze Zeit verdeckt, Crowfort. Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann, mit harten Gesichtszügen. Er hatte einen schwarzen Anzug an, mit dem er seinen Boss glatt in den Schatten stellte. Enni richtete sich auf, sah aber keinen von ihnen an: „Guten Abend.“, sagte sie schüchtern. Gato schien vorerst von ihr keine Notiz zu nehmen. Umino wurde an den Tisch geführt. Sein Bodyguard stellte sich seitlich hinter seinen Chef und warf kritische Blicke ins Restaurant, auch auf Néko. Seine Augen blieben fast auf ihr haften und durchleuchteten sie. Enni mochte ihn nicht und es wurde ihr bewusst was Tora gesagt hatte: „Konzentriere dich aufs kellnern.“ Genau das tat sie jetzt. Sie nahm ihren Spezialkugelschreiber, der, wenn die Miene rausgedrückt wurde, ein Signal an Tora gab. Sakada ging zu Gatos Tisch, der gerade seine Karte weglegte. „Sie wünschen?“, fragte Enni. „Ich will das Fischmenü Okinawa!“, schnauzte Gato. „Aber... das ist für vier Personen.“, meinte sie erstaunt. Crowfort fing an zu grinsen. Umino plusterte sich auf, als wolle er jeden Moment explodieren: „HÄLTST DU MICH FÜR BESCHEUERT, DASS WEIß ICH!!!“, polterte er. „Entschuldigen sie meine unbedachte Frage.“, verbeugte sie sich tief. - Die Kleine hat entweder einen klugen Kopf oder verdammt viel Glück. -, dachte Crowfort. Taki- san kam sofort an den Tisch: „Die Getränke gehen aufs Haus, Gato- san.“, meinte er besänftigend. Enni ging in die Küche und gab die Bestellung ab: „Sagen sie, läuft das jedes Mal so, wenn der da ist?“, fragte sie den Koch. „Letztes Mal hat er mit Essen und Geschirr geworfen und verpasste der Kellnerin eine Ohrfeige“ Sie kam an ihn ran: „Ist nicht ihr ernst.“ „Doch, er hat...“ Mit einem gezielten Schlag setzte sie ihn außer Gefecht. Sie fing ihn ab und ließ ihn lautlos zu Boden gleiten. Enni öffnete die Küchentür, die nach draußen führte. Ihre Partnerin wartete schon, diese fragte per Handzeichen: „Wo sitzt er?“ „Hinten rechts, an einem breiten Tisch. Sein Bodyguard steht links von ihm.“, deutete Sakada. Plötzlich hörten sie die Eingangstür. Néko sah um die Ecke. Sie entdeckte Taki- san, ohne Regung am Boden liegen, der Tisch war verlassen: „Tora! Gato ist raus!“, rief sie. „Scheiße, komm mit!“, stürmte Tina vor und rannte raus in die Dunkelheit. Die Straßenlaterne flackerte nur noch mit wenigen Licht. Hinter der Gaststätte lag ein Mischwald: „Wo sind sie?“, fragte die Schülerin. Ihr Gegenüber deutete auf die Bäume und lief los.“, Enni folgte ihr. Ihre Mentorin durchquerte schnell und mit viel Geschick das Gestrüpp. Néko war, entgegen ihren Decknahmen, nicht so fix. Sie entdeckten ihr Ziel: „Stehen bleiben, Gato!“, forderte Tina. Der Fettwanst verkroch sich hinter einem Baum, der ihm nicht mal zur Hälfte verdeckte. Sein Kopf wurde vom Stamm geschützt. Doch zu beiden Seiten lugte sein enormer Bauch und Hintern hervor: „Crowfort!“, rief er zittrig. Sein Bodyguard trat seitlich hinter ihn. Die Augen der Tigerin weiteten sich und völlig geschockt, war nur ein leises: „Wie?“, war von ihr zu hören. Néko zog und entsicherte ihre New Nambu, aber Tora hielt sie vom Schießen ab. Mit einem Mal brach jemand durch das Gebüsch. Néko und Crowfort richteten kurz die Waffe auf die Person, die jetzt ebenfalls fassungslos den Bodyguard anblickte: „Ken.“, sagte Neo. „Ken.“, dann auch Tora. „Ken?“, schließlich Néko. „Crowfort, erledige sie endlich, mach schon!“ „Sie verlangen, dass ich auf meinen eigenen Bruder schieße?“, fragte dieser. Enni erhob erneut die Waffe. Die Tigerin wollte sie davon abhalten: „Bevor er Neo erschießt, lege ich ihn um!“, sagte Néko laut. „Crowfort, worauf wartest du?!“, schrie Gato. Kens Blick war auf Tora gerichtet und legte den Lauf seiner Pistole an Uminos Kopf: „Auf deine letzten Worte.“, sagte Neos Bruder und drückte ab. Durch das Aufsetzen des Laufes wurde der Knall leicht gedämpft und Tora hatte es endlich geschafft ihrer Partnerin die New Nambu abzunehmen. Sie zielte jetzt selbst auf Misaki Ken. Diesmal wollte sich Neo dazwischen drängen, doch Enni stellte sich ihm in den Weg: „Nein!“ „Soll ich etwa zusehen, wie sie ihn erschießt?“, fragte er aufgebracht. „Hätte sie gewollt, hätte sie ihm längst eine Kugel verpasst.“ Sie sah ihre Mentorin an und sagte ziemlich nüchtern: „Neo, lass uns gehen.“ Mit kritischen Blicken auf die Situation verließen die beiden Ken und Tina. Sie waren bereits ein paar hundert Meter gegangen: „Ken ist dein Bruder. Das hätte mir aber auch einer sagen können.“, meinte Néko. Neo der neben ihr ging, war kreidebleich: „Was ist? Du bist so blass.“, fragte sie. „Ich habe geglaubt er sei tot und jetzt taucht er so mir nichts dir nichts wieder auf. Als Bodyguard eines Verbrechers!“, wurde er wütender, ging an Enni vorbei und setzte sich auf einen Baumstamm. Néko sah wie verwirrt er war und setzte sich neben ihn. Misaki fuhr sich mit der Hand durch die Haare und hielt sie einen Moment fest: „Ich begreife das nicht.“, meinte er. „Lass es dir von ihm erklären, vielleicht hat alles einen guten Grund. Wenn dir seine Begründungen nicht gefallen, kannst ihn immer noch übern Jordan schicken.“, scherzte sie ein wenig. Er sah sie nicht an: „Es tut mir leid.“, sagte sie. Die Leiche von Gato lag noch immer vor Kens Füßen. Auch Tina hatte sich kein Stück bewegt und zielte weiterhin mit Nékos Waffe auf ihn: „Soweit ich mich erinnere, mochtest du diese Pistole nicht. Dir liegt die Walther PKK besser.“, sagte er und wollte auf sie zugehen. „Bleib stehen!“, spannte sie den Hahn: „Wieso?!“, brüllte sie ihm nun entgegen. „Weil ich es musste. Wäre ich einfach so verschwunden, hättest du nichts unversucht gelassen mich zu finden. Dann wärst du jetzt bei deiner Familie.“, sagte er ruhig. Sie nahm die Waffe runter: „Was immer du hier tun musstest, ich hätte es verstanden. Hättest du mir ein Wort gesagt, wäre mir vieles erspart geblieben. Unter anderem das schlechte Gewissen wegen der Geschichte mit André.“ Sie sah ihn schmerzvoll an: „Ich nehme an du weißt was passiert ist?“ „Ja.“, sagte er mit einem Augenrollen. „Was hast du jetzt vor? Wie soll es weitergehen?“, wollte sie wissen. „Ich weiß es nicht.“ „Hör auf mit deinen Ausflüchten und sei endlich mal ehrlich zu mir!“, sagte sie so laut, dass das Echo wiederhallte. „Ich würde gerne wieder mit dir zusammen arbeiten. Willst du das hören?“ „Du hast dich überhaupt nicht verändert.“, sagte sie enttäuscht, drehte sich zu den Bäumen und wollte gehen: „Warte! Du willst es wirklich von mir hören, oder?“, fragte Misaki. Sie blieb stehen und warf einen Blick über die Schulter: „Es tut mir leid, Tora.“, sagte er. Sie wandte den Kopf zum Wald und ging. Sie war wütend, enttäuscht, dennoch froh, dass Ken lebte. Sie kämpfte sich durchs Dickicht und sah dann ihre Partnerin mit dem Polizisten auf dem Baumstamm sitzen. Diese legte gerade ihren Arm um ihn: „Néko!“, sagte Tina barsch. Sofort nahm Enni die Hand von seiner Schulter und stand auf. Ihre Mentorin ging an ihnen vorbei und deutete ihr an mitzukommen, als Neo hinterher wollte: „Du nicht, Detektiv!“, fauchte die Tigerin und sie gingen weiter. Er sah ihnen nach, als hinter ihm die Büsche raschelten. Er drehte sich um und sah Ken auf sich zukommen: „Würdest du mir jetzt bitte mal erklären, was hier eigentlich los ist?!“, fuhr er seinen Bruder an. Ken fasste sich auf die gleiche Weise durchs Haar, wie vorher Neo. Er merkte, dass er jetzt um die Wahrheit nicht mehr herum kam, wenn er Neo nicht endgültig verlieren wollte: „Setz dich.“, bat Ken. Sein jüngerer Bruder nahm auf dem Stamm erneut platz. Er räusperte sich und begann zu erzählen: „Du weißt, dass unser Vater schwer krank war?“, der jüngere nickte: „Was du vielleicht nicht mehr weißt ist, dass er keine Krankenversicherung hatte. Mutter bekam von keiner Bank einen Kredit. Mit der Zeit ging es Vater immer schlechter und ich habe mich nach Möglichkeiten umgesehen, wie ich schnell an viel Geld kommen konnte. Zuerst habe ich uns mit ein paar Straßenkämpfen über Wasser gehalten, dann kam Inato auf mich zu. Er hatte mich bei ein/ zwei Kämpfen gesehen und fragte, ob ich als Bodyguard bei ihm anfangen will. Ich tat es, aber die Schulden rissen mich immer weiter rein und als ich Inato nach mehr Geld fragte, sagte er, er wäre bereit Vaters Arztkosten zu übernehmen, wenn...“ „Wenn du anfängst als Killer zu arbeiten?“, unterbrach ihn Neo: „Und warum hast du uns glauben lassen du seist tot?“ „Als ich etwa zwei drittel der Schulden abgearbeitet hatte, wollte Inato, dass ich für einen Geschäftspartner den Bodyguard spiele. Ich war in Tokio, aber ständig unter Beobachtung. Ich war ein enormes Risiko für dich und Tora geworden. Ihr hättet nachgefragt und wärt mir gefolgt, dass hätte keiner von euch überlebt.“ „Wie wäre es mit der Wahrheit gewesen?!“ „Was habt ihr nur immer mit der Wahrheit?“, fluchte Ken. „Dann könnte man wenigstens feststellen, ob du mit einem spielst oder ob du nur dich liebst.“, meinte Neo. Tora und Néko lichteten in dem Augenblick den Anker und setzten Kurs auf Tokio. Während der ganzen zweitägigen Rückfahrt sprach Tina nicht mehr als dreißig Worte. Das war für Enni sehr belastend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)