Grüner Drache und Roter Tiger von RaoulVegas (Lee und Gaara) ================================================================================ Wenn man Tiger und Drache mischt... ----------------------------------- Fast ein Jahr ist seit dieser schicksalhaften Nacht vergangen und der Friede ist wieder in das Wüstenreich eingekehrt. Gaara und Lee sind sehr glücklich zusammen und gemeinsam ist es ihnen immer wieder gelungen, Shuukaku in die Flucht zu schlagen. Aber das gefürchtete Sandmonster schien in den letzten Monaten an Kraft verloren zu haben. Seltsam schwach und ohne jegliche Ausdauer hat es sich schnell vertreiben lassen. Lange haben Gaara und Lee darüber nachgedacht, was der Grund dafür sein könnte, doch sie sind zu keinem Ergebnis gekommen. Irgendwann haben sie dann aufgehört, sich darüber Gedanken zu machen – auch ein Monster wie Shuukaku kann ja mal ein paar schlechte Tage haben! Aber einen Vorteil hat Shuukaku´s schlechte Laune – Gaara hat wieder richtig angefangen zu essen und scheint auch viel entspannter und ausgeglichener zu sein! Durch die Tatsache, dass Shuukaku mehr und mehr unter Kontrolle zu seinen scheint, haben die Dorfbewohner den größten Teil ihrer Ängste und Befürchtungen Lebe wohl gesagt und vertrauen Gaara mittlerweile. Sie jubeln ihm zu und lauschen aufmerksam, wen er etwas zu sagen hat. Zwar mag Gaara den ganzen Rummel um sich nicht besonders, doch es ist ein weit aus schöneres Gefühl, als von ihnen gehasst und gemieden zu werden. Auch Lee macht seine Sache gut. Inzwischen haben sich die Sunageschwister und auch Baki an seine stürmische Art gewöhnt und solang es Gaara mit Lee aushält, werden sie das wohl auch noch schaffen. Dennoch grenzt es fast an ein Wunder, dass die Dorfbewohner und die Ratsmitglieder bisher nichts von dieser speziellen Beziehung der beiden Jungs mitbekommen haben. Die zwei geben sich auch alle Mühe es geheim zu halten. Es steht vollkommen außer Frage, dass es ein totales Chaos geben würde, wenn das rauskommt. Schließlich ist der Kazekage ein Vorbild, besonders für die heranwachsende Generation, da kann man so etwas nicht dulden! Doch die Geheimhaltung klappt prima und außer diesen fünf Menschen weiß es niemand hier in Suna. Vor ein paar Monaten wurde Lee sogar zu Gaara´s persönlichem Leibwächter und Berater ernannt, was das Ganze noch etwas leichter macht. Am Nachmittag… Mitten in der Wüste, in der Oase, wo Gaara Ryoujiroe damals gerettet hat, hat sich Lee einen Trainingsplatz eingerichtet. So oft es geht ist er hier und trainiert sein Taijutsu, oftmals bis in die Nacht hinein oder bis er völlig erschöpft aufhören muss. Die Hitze macht das Training noch viel härter, weswegen Lee doch ziemlich froh ist, dass es hier Wasser gibt. Bei Gaara… Der Tag war lang und ansträngend gewesen. Schon beim ersten Sonnenstrahl war Gaara auf den Beinen und hat sich um die Unmengen Papierkram gekümmert. Nun ist er ganz schön erledigt, doch immerhin ist jetzt alles fertig und er hat etwas Ruhe. Müde macht er die Tür zum Schlafzimmer auf und langsam trottet der Hund hinter ihm her. Sie streckt sich ausgiebig, während Gaara seinen Kürbis in die Ecke neben der Tür stellt. Schon halb schlafend reibt er sich die Augen und wankt zum Bett hinüber. Ryoujiroe liegt schon auf ihrem Kissen neben dem Bett und hat es sich gemütlich gemacht. Mit halbgeschlossenen Augen lächelt er ihr zu. Der Rothaarige will gerade aufs Bett krabbeln, als ein unsagbar heftiger Schmerz sich in seinem Bauch ausbreitet und seinen ganzen Körper zu lähmen scheint. Erschrocken reißt er die Augen auf, nur um sie im nächsten Moment ganz fest zusammenzupressen. Kraftlos sinkt er vor dem Bett auf die Knie. Er legt die Hände um den Bauch und krümmt sich vor Schmerz. Wie von einer Biene gestochen springt der Hund von seinem Kissen auf und stürzt zu Gaara hinüber. Erschrocken und ratlos läuft sie um ihr Herrchen herum und winselt. Langsam und stockend blickt Gaara zu ihr auf. Sie drückt sich an ihn und er legt einen Arm um sie. „Du musst Lee herholen! – Beeil dich!“, kommt es nur noch flüsternd von ihm, bevor er sich unter einer neuen Schmerzwelle zusammenkrümmt. Den Ernst der Situation begreifend springt der Hund auf und rennt aus dem Zimmer. Gaara bleibt allein zurück und versucht eine Erklärung für den immer wiederkehrenden Schmerz zu finden. Ryoujiroe rennt derweilen durch das ganze Dorf. Es dauert nicht lange, da ist sie auch schon in der weiten Wüste. Sie weiß genau, wo Lee sich gerade aufhält und nach kurzer Zeit erreicht sie auch die Oase, in der alles angefangen hat. Hechelnd hält sie die Nase in den Wind und spitzt die Ohren. Ein paar hundert Meter weiter hört sie Lee´s erschöpftes Keuchen. Kurz wedelt sie mit dem Schwanz, bevor sie wieder losrennt. Erschöpft lässt sich Lee auf die Knie sinken und wischt sich den Schweiß aus den Augen. Als er sie wieder öffnet, sieht er, wie sich schnell etwas nähert. ‚Ryoujiroe?‘, fragt er sich verwundert. Was sollte sie auch bei ihm wollen und dann auch noch in so einem Tempo? Wenige Augenblicke später sitzt sie vor ihm und bellt ihn an. *Die alte Hündin hechelt kurzatmig. Speichel tropft von ihrer hängenden Zunge und bildet eine dunkle Pfütze auf dem Sandboden zwischen ihren Pfoten. Ihr Fell klebt in feuchten Strähnen zusammen, als wäre sie den ganzen Weg gerannt und das rotkarierte Tuch um ihren Hals scheint im Rhythmus ihres hechelnden Atems zu beben. Als Lee sie ansieht, stößt sie wieder ein Bellen aus, diesmal aber mehr ein Winseln… Verwundert legt Lee die Stirn in Falten. Was hat sie nur? Ungeduldig steht die Hündin auf und läuft aufgeregt bellend um ihn herum. Doch noch immer scheint Lee nicht zu wissen, was sie damit bezwecken will. „Was hast du denn nur?“, kommt es schon fast genervt von ihm. Entnervt verdreht das Tier die Augen, was sie sehr menschlich wirken lässt. Schließlich bleibt sie vor Lee stehen und schnappt nach seinem Arm. Erschrocken zieht er die Hand zurück. „Spinnst du, verdammt?“ Aber noch ehe er sie richtig zurechtweisen kann, erwischt sie ihn dann doch. Geschockt betrachtet der Schwarzhaarige seinen Arm in ihrem Maul – doch es tut gar nicht weh! Irritiert betrachtet er das Tier, das ihn schwanzwedelnd anblickt. Vorsichtig zieht sie an seinem Arm und winselt. „Was ist denn nur los mit dir?“, langsam macht sich Verzweiflung in seiner Stimme breit. Doch dann scheint es endlich ‚Klick‘ bei ihm zu machen. „Ist etwa Etwas mit Gaara?“ Er will es selbst nicht so ganz glauben, aber der Hund lässt seinen Arm los und geht bellend ein paar Schritte Richtung Dorf. Geschockt blickt er sie an, aber als sie ihn das nächste Mal anbellt, setzt er sich endlich in Bewegung. Nach kurzer Zeit erreichen sie dann das Tor des Dorfes. Verwundert blicken die Leute ihnen nach und versuchen ihnen möglichst schnell aus dem Weg zu gehen, was gar nicht so einfach ist, da die beiden ein ziemliches Tempo drauf haben. Kurze Zeit später sprinten die beiden die vielen Treppen des Kazegaketurms hinauf. Schwer atmend stoppen sie an der Schlafzimmertür. Schockiert sieht Lee, wie Gaara auf den Knien vor dem Bett hockt und sich vor Schmerzen krümmt. Ryoujiroe läuft winselnd zu ihrem Herrchen und stupst ihn vorsichtig mit der Nase an. Kraftlos sieht Gaara zu ihr auf. Einen Augenblick später spürt er Lee´s Hand sanft auf seinem Rücken. „Gaara, was hast du denn nur?“, fragt Lee vorsichtig. Langsam blickt der Rothaarige zu ihm, Tränen stehen in seinen Augen. Mitfühlend und besorgt mustert ihn der Tai-Ninja. „Ich weiß es nicht. – Es fing ganz plötzlich an…“ Vorsichtig packt Lee ihn unter den Armen und zieht ihn aufs Bett. Erschöpft lässt Gaara es mit sich machen und versucht etwas Ruhe zu bekommen, wo der Schmerz gerade einmal nachlässt. Einen Moment später kommt der Schmerz allerdings schon wieder und Gaara klammert sich an Lee´s Arm fest. „Warte Gaara, ich hol einen Arzt…“ Schnell versucht Lee sich aus seinem Griff zu befreien, doch der Rothaarige klammert sich noch heftiger an ihn. Flehend blickt er den Tai-Ninja an. „Nein, keinen Arzt! Du darfst mich nicht allein lassen!“, Tränen schwingen in seiner Stimme mit und kullern langsam seine geröteten Wangen hinab. Einen Moment hält Lee inne und betrachtet ihn. Eine erneute Schmerzwelle jagt durch Gaara´s zierlichen Körper und in diesem Moment weiß Lee, dass er nicht weggehen darf, ehe es Gaara nicht besser geht! Mit leicht aufkommender Verzweiflung hält Lee seine Hand, streicht ihm sanft über die schweißnasse Stirn. Vorsichtig legt der Tai-Ninja seine Wange gegen die des Rothaarigen, um ihn etwas zu beruhigen. Keuchend atmet Gaara gegen seinen Hals – ein Gefühl, dass Lee zu anderen Zeiten sehr gut gefallen würde. Langsam legt er die Hände in Lee´s Nacken und klammert sich an ihn, als eine neue Welle aus Schmerz seinen Körper durchbricht. Ein unterdrückter Schrei dringt an Lee´s Ohr und er hält den rothaarigen Jungen noch fester im Arm. ‚Was hat er denn nur? Wo kommt dieser komische Schmerz nur her?‘, Lee versteht es einfach nicht. Die Schmerzen treten in immer kürzeren Abständen auf und scheinen auch immer heftiger zu werden. Ryoujiroe beobachtet das ganze Geschehen voller Angst und Skepsis. Sie macht sich große Sorgen um ihren Herren. Sie kommt sich furchtbar machtlos und klein vor. Sie würde ihm so gern helfen, doch sie weiß einfach nicht wie. Winselnd sitzt sie auf ihrem Kissen und rutscht darauf herum. Ihr Vertrauen in Lee ist in all der Zeit noch viel größer geworden und sie würde jetzt niemand anderen als Lee in seine Nähe lassen. Ängstlich legt sie den Kopf auf die Decke und beobachtet die beiden mit großen Augen. Alle sind so auf Gaara konzentriert, dass sie gar nicht bemerken, wie der Kürbis in der Ecke zu wackeln beginnt. Der Korken ruckelt und zuckelt und fällt schließlich leise zu Boden. Sand strömt durch die Öffnung nach Draußen und umgibt den Kürbis. Er wackelt hin und her und scheint sich langsam aufzulösen – durchsichtig zu werden. Er verliert seine Form und ballt sich dann zu einer Kugel zusammen. Mit jeder neuen Schmerzwelle scheint sich die Kugel zusammenzuziehen und zu entfalten. Man könnte fast meinen, dass sich darin etwas bewegt. Eine heftige Schmerzwelle durchzieht Gaara´s Körper, sein Schrei hallt durch das ansonsten stille Zimmer. Keiner sieht, wie langsam Blut durch die Sandkugel sickert und sich mit dem Sand am Boden vermischt. Der Schmerz wird immer heftiger und legt auch keine Pausen mehr ein. Gaara klammert sich verzweifelt an seinem Freund fest, während Tränen über seine geröteten Wangen laufen. Lee erwidert die Umarmung mindestens genauso verzweifelt und auch ihm kommen langsam die Tränen, weil er einfach nicht weiß, was hier passiert. Immer mehr Blut fließt aus der Sandkugel hinaus und verteilt sich auf dem Boden. Die Kugel bewegt sich jetzt auch viel stärker als zuvor und die Stabilität nimmt immer mehr ab. Sie wackelt und zuckt herum und ist zeitweise nicht mehr als Kugel erkennbar. Schließlich scheint sie völlig in sich zusammenzufallen und liegt nur noch als blutiger Sandhaufen in der Ecke neben der Tür. Langsam weicht der Sand zurück und zerfließt in sich, allmählich gibt er etwas in seiner Mitte preis… Nach und nach klingt der Schmerz in Gaara´s Körper ab, erschöpf sinkt der Junge in die Kissen zurück. Besorgt sieht Lee ihn an. Sanft tätschelt er Gaara´s Wange. Es dauert einen Moment bis Gaara die Augen einen Spalt öffnet und ihm erschöpft entgegenblickt. „Was ist los, Gaara?“, fragt Lee verwirrt. Einen Moment ringt Gaara noch mit sich und schnappt nach Luft. „Ich – glaube, es ist vorbei…“, flüstert er schon fast. Langsam, in gebückter Haltung, krabbelt Ryoujiroe aufs Bett und kuschelt sich an ihren erschöpften Herren. Es dauert einen Augenblick, bis Gaara die Augen wieder öffnet und ihr schwach über den Kopf streichelt. Allmählig entspannt sich auch Lee wieder. Er hatte schon das Gefühl, dass es nie wieder aufhören würde. Als er nun abwesend zum Fenster hinaussieht, merkt er, dass es schon längst dunkel geworden ist. Verwundert sieht er auf die Uhr an der Wand. Seit Ryoujiroe ihn geholt hat, sind fast vier Stunden vergangen! Ungläubig starrt er die Uhr an. Es ist ihm gar nicht aufgefallen, er war so sehr auf Gaara konzentriert, dass er völlig sein Zeitgefühl verloren hat… Sanft blickt er Gaara an, auch wenn er noch nicht ganz verstanden hat, wie Gaara diesen merkwürdigen Schmerz so lange aushalten konnte. Lee weiß von sich selbst, dass er so etwas kann, weil er ein außergewöhnliches Durchhaltevermögen hat und schon immer sein Training danach ausgerichtet hat. Doch Gaara sieht so zierlich und zerbrechlich aus und bewegt sich unter normalen Umständen auch nur, wenn es wirklich nötig ist, allein schon weil Shuukaku alles abfängt. Apropos Shuukaku! Warum hat das Monster Gaara nicht vor diesen Schmerzen bewahrt? Oder konnte Shuukaku das gar nicht, weil der Schmerz innerlich war und Gaara dadurch nicht verletzt wurde? Aber vielleicht war es auch das Monster selbst, das seinem Wirt diesen merkwürdigen Schmerz zugefügt hat! Lee kann es nicht sagen und Gaara scheint da genauso ratlos zu sein. Doch plötzlich wird die, gerade eingekehrte, Stille von einem markerschütternden Schrei durchbrochen! Erschrocken zuckt Ryoujiroe zusammen und springt vom Bett, ihr Nackenfell stellt sich auf und sie gibt ein nervöses Knurren von sich. Auch Lee und Gaara schrecken zusammen und sehen sich im Zimmer um. Eigentlich sind sie ja ganz allein und normalerweise gibt Shuukaku nicht solche Geräusche von sich. Es hört sich irgendwie an, wie das Geschrei eines kleinen Kindes. Das Geschrei wird immer lauter und deutlicher. Ryoujiroe wird nervös und weiß nicht recht, was sie damit anfangen soll und so zieht sie sich gebückt auf ihr Kissen zurück. Leicht zittrig greift Gaara nach Lee´s Hand und die beiden umarmen sich beunruhigt. Unmengen Sand strömen aus der Ecke neben der Tür in die Höhe und bewegen sich bedrohlich auf die drei zu. Es hört sich so an, als würden die Schreie direkt aus dem Inneren dieser Sandmassen kommen. Ist es doch Shuukaku? Verängstigt rücken die beiden Ninjas noch dichter zusammen und schließen die Augen. Der Sand hat ein Eigenleben entwickelt, das Gaara nicht kontrollieren kann! Plötzlich hören die beiden, wie der Sand über die Laken kratzt und das Geschrei unerträglich lauter wird. Einen Augenblick später legt sich der Sand als schwere Kugel auf Gaara´s Schoß. Dann scheint der Spuck vorbei zu sein, nur das Geschrei bleibt. Vorsichtig öffnen die beiden Ninjas die Augen und betrachten die Sandkugel mit einem mulmigen Gefühl. Erst jetzt bemerken die beiden, dass das ganze Bettlaken voller Blut ist und auch der Sand an vielen Stellen rotgefärbt ist. Erschrocken blicken sie sich an. Ratlosigkeit legt sich auf ihre Gesichter. Was ist hier nur los und was hat das Ganze zu bedeuten? Gerade als die beiden versuchen, sich einen Reim auf das alles zu machen, bewegt sich die Kugel wieder. Sie ruckelt auf Gaara´s Schoß herum und zerfließt schließlich. Sie können nicht glauben, was darin zum Vorschein kommt – ein kleines Baby! Völlig perplex starren sie auf das kleine, schreiende Häufchen Mensch. Neugierig schaut nun auch Ryoujiroe über die Bettkante. Sie dreht den Kopf hin und her und scheint so gar nichts mit diesem viel zu lauten Etwas anfangen zu können. Sie beginnt heftig zu schnüffeln und sieht dabei immer ratloser aus. Der viel zu vertraute Geruch nach Gaara und Shuukaku bringt sie nur noch mehr durcheinander. Leise fängt sie an zu winseln, doch niemand beachtet sie. Total überfordert blickt Lee zu seinem Freund, doch Gaara starrt nur unentwegt dieses Kind an, das auf seinem Schoß liegt. Als Lee gerade etwas sagen will, sieht er, wie Gaara ganz vorsichtig die Hand auf die Wange des Babies legt. Zärtlich streicht er darüber und nach und nach beruhigt sich das Kind. Völlig vor den Kopf gestoßen beobachtet Lee das Ganze. Selten hat er Gaara so zärtlich erlebt und diesen undefinierbaren Blick, den der Rothaarige dabei hat, hat er bisher bei ihm noch nie gesehen… Als das Baby sich schließlich ganz beruhigt hat, versucht es mit seinen winzigen Händchen nach Gaara´s Hand zu greifen. Diese niedliche Geste bringt Gaara zum Lächeln und auch Lee muss kurz schmunzel, weil ihn Gaara´s Anblick an eine junge Mutter erinnert, die er als Kind mal auf einer Wiese sitzen gesehen hat. Sie hatte dasselbe Lächeln auf den Lippen, als ihr Kind nach ihren Fingern greifen wollte. Doch irgendwie beunruhig Lee das jetzt – Gaara ist doch keine Mutter! Oder etwa doch? Irgendwo muss das Kind ja hergekommen sein… Lee kriegt das Alles einfach nicht zusammen. Gaara ist ein Mann und kann keine Kinder bekommen! Doch wenn er sieht, wie Gaara das Baby in den Armen hält und es mit diesem mütterlichen Blick betrachtet, scheint kein Zweifel zu bestehen. Die Ähnlichkeit zwischen Gaara und dem Baby ist auch ziemlich eindeutig. Ein zarter roter Haarflaum bedeckt den kleinen Kopf des Kindes und schon jetzt kann man erahnen, dass das Kind mindestens genauso blass ist, wie sein Vater. Oder doch Mutter? Lee ist zu tiefst verwirrt. ‚Wie konnte das überhaupt passieren? Wir haben doch immer verhütet…‘, grübelt Lee, wobei er sich anhört, wie in einer billigen Talkshow. Nachdenklich kratzt er sich am Kopf. Doch dann trifft es ihn wie der Schlag! ‚In dieser Nacht!‘, wenn er genau nachdenkt, liegt diese Nacht auch etwa neun Monate zurück! Ihm wird ganz schwindelig bei dem Gedanken daran. Und dann wird ihm etwas noch viel wichtigeres klar: ER ist der Vater!! Auf wackeligen Beinen lässt sich der sonst so standhafte Lotuskrieger gegen die Wand fallen. Das kann alles nicht in seinen Kopf hinein… Er ist doch gerade mal 18 Jahre alt und soll schon Vater eines Kindes sein? Und Gaara, der noch nicht einmal 18 ist und ein ganzes Dorf leiten muss, soll sich jetzt auch noch um ein Kind kümmern? Irgendwie ist das hier der schlechteste Zeitpunkt um eine Familie zu gründen, aber das ist ja immer so. Auch wenn Lee nie dem Gedanken abgeneigt war, mit Gaara mal eine eigene Familie zu haben. Aber er dachte da eher an Adoption oder eine Leihmutter… Zwei Wochen später… Mittlerweile haben sich die zwei Ninjas mit dem Gedanken angefreundet, die Väter des kleinen Jungen zu sein. Die Tatsache, dass ein Baby im Kazekageturm lebt, ließ sich allerdings auch keinen Tag verheimlichen. Schon am nächsten Morgen haben Temari und Kankuro das Geschrei im Turm gehört, als sie auf dem Weg zu Gaara waren. Ihnen und Baki zu erklären, wo das Kind herkommt, war auch noch eine ziemlich leichte Aufgabe gewesen. Weitaus schwieriger war es da, den Dorfbewohnern das Ganze zu erklären. Doch die Wahrheit kam natürlich nicht in Frage. Also haben sie ihnen erzählt, dass Gaara schon in Konoha eine Freundin gefunden hat und diese heimlich im Turm gelebt hat. Um Gaara keine Schwierigkeiten zu machen und den Mädchen des Dorfes die Hoffnung nicht zu nehmen und somit Gaara´s Unnahbarkeit zu wahren, hat sie sich immer versteckt. Allerdings war sie ein ziemlich zierliches und schwaches Persönchen und war oft krank. Dies führte auch dazu, dass sie die Geburt von Gaara´s Sohn nicht überstanden hat und kurz darauf starb. Gaara fiel es ziemlich schwer so etwas über die Lippen zu bekommen, da es ihn doch sehr an seine tote Mutter und seine eigene Geburt erinnert hat. Doch Gaara sieht dies als einen Neuanfang, um alles besser zu machen, als sein eigener Vater. Und so ziehen Gaara, Lee und die Geschwister das Kind gemeinsam groß. Glücklicherweise scheinen die Dorfbewohner das Ganze geglaubt zu haben, auch wenn es sich merkwürdig anhört und nie jemand auch nur ansatzweise etwas von diesem geheimnisvollen Mädchen bemerkt hat, das Gaara diesen Sohn gebar. Viele Dorfbewohner gehen sogar soweit, dass sie Gaara fast täglich Beileids- und Glückwunschbriefe schicken, die meistens aber ungeöffnet im Mülleimer landen… Fast genauso schwierig wie sich die Lüge für die Dorfbewohner auszudenken, war es, einen Namen für den kleinen Jungen zu finden. Tagelang haben sie überlegt, doch irgendwie schien keiner zu passen. Als sie schon fast am verzweifeln waren, hat Gaara in einem Buch den Namen eines bekannten, aber schon lange verstorbenen Künstlers aus Suna entdeckt. Der Name gefiel allen auf Anhieb und so heißt der kleine Junge mit den roten Haaren nun Taiyō, was soviel heißt wie Sonne. Allerdings ist es noch viel schwieriger sich um ein Kind zu kümmern, als die beiden Ninjas es sich vorgestellt haben. Gaara ist von Natur aus schon nicht der Geduldigste und das dauernde Geschrei des Babies bringt ihn fast um den Verstand. So haben sie sich schnell dafür entschieden, dass sich Lee tagsüber um das Kind kümmert, vorausgesetzt er muss zu keiner Mission. Temari steht ihm dabei so oft wie möglich mit ihrem mütterlichen Instinkt zur Seite, auch wenn sie mindestens genauso genervt ist von dem Geschrei, wie Gaara. Aber auch Ryoujiroe hat immer ein Auge auf den Kleinen. Sie hat sich so richtig in ihn verliebt, wie es scheint und lässt niemanden, außer der Familie, in die Nähe des Kindes. So kann sich Gaara wenigstens auf seine Aufgaben als Kazekage konzentrieren, auch wenn er ständig an seinen kleinen Sohn denken muss. Und nachts, wenn Lee völlig erschöpft ins Bett fällt und ganz bewusst das Geschrei überhört, sitzt Gaara die ganze Zeit am Kinderbett. Er braucht ja dank Shuukaku so gut wie keinen Schlaf und kann nebenbei, wenn der Junge doch mal schläft, noch ein paar Akten durchsehen. Alles in allem ist es aber ein schönes Gefühl, für so ein kleines Wesen sorgen zu können. Besonders für Gaara, der damit so gar keine Erfahrung hat und eigentlich nie gedacht hätte, sie mal machen zu müssen oder zu wollen… Am Abend… Als Lee an diesem Abend von seinem Training zurück in den Kazekageturm kommt, ahnt er noch nicht, was sich hinter verschlossener Tür abspielt. Erschöpft und durchgeschwitzt erklimmt er die zahlreichen Stufen bis hinauf zum Schlafzimmer. Mit müdem Blick nimmt er war, dass Ryoujiroe vor der Schlafzimmertür liegt. Ein wenig wundert er sich schon darüber, da sie sonst so gut wie nie draußen liegt – erst recht nicht, seitdem Taiyō da ist. Als er näher kommt, sieht er, dass die Tür verschlossen ist und der Hund sie mit traurigem Blick ansieht. „Hast du etwa was angestellt und er hat dich ausgesperrt?“, versucht er den Hund etwas zu necken. Doch Ryoujiroe blickt ihn noch viel trauriger an und irgendwie liegt auch Angst in ihrem Blick. Lee schreckt innerlich etwas zusammen. Vielleicht stimmt ja etwas mit Gaara und dem Baby nicht… Vorsichtig nähert sich Lee der Tür und legt sein Ohr ans Holz. Von drinnen ist nichts zu hören, außer einem seltsamen Rauschen, bei dem er gleich an Gaara´s Sand denken muss. Der Schwarzhaarige schluckt schwer und blickt zu dem leicht verstörten Hund hinunter, der zu winseln begonnen hat. Was macht Gaara da drin bloß? Lee schluckt wieder und blickt die Tür fest an. Als er die Hand langsam auf die Klinke legt, hört er das Rauschen des Sandes noch deutlicher als eben. Es beunruhigt ihn, dennoch nimmt er all seinen Mut zusammen und drückt die Klinke herunter. Wie die Tentakeln eines Kraken umspielt ihn der ausströmende Sand und scheint ihn schon fast ins Schlafzimmer zu ziehen. Lee hofft inständig, dass der Sand ihm nichts tut und das es sowohl Gaara als auch dem Baby gutgeht. Sollte es möglich sein, dass Shuukaku wieder gekommen ist? Eigentlich nicht! Vollmond war erst und seit Taiyō da ist, scheint Shuukaku viel ruhiger geworden zu sein. Gaara hat die ganze Zeit schon Angst, dass das Monster auf den Jungen übergesprungen ist – es weiß ja niemand, ob so etwas nicht möglich ist… Lee sieht dem ganzen eher optimistisch entgegen. Er glaubt nicht, dass so ein Austausch möglich ist und außerdem zeigt der Junge keinerlei Anzeichen dafür, wenn man das in dem Alter überhaupt schon sagen kann, denn schließlich schreit das Kind sowieso die halbe Nacht, weil es Hunger hat oder eine neue Windel braucht… Vorsichtig geht Lee ein paar Schritte in den Raum hinein und sieht sich um, doch vor lauter Sand kann er nichts erkennen. Plötzlich hört er hinter sich ein gedämpftes Knallen, als der Sand die Tür wieder verschließt und den verunsicherten Hund erneut aussperrt. Erschrocken zuckt Lee zusammen. Dann tut sich der Sand langsam vor ihm auf, die tentakelähnlichen Sandsäulen werden dünner und allmählig kann Lee die Umrisse des Bettes erkennen. Er geht ein paar Schritte weiter und der Sand weicht widerwillig vor ihm zurück. Nach und nach entdeckt er auch seinen Freund mit dem Baby im Arm. Langsam geht er weiter auf das Bett zu, während der Sand wie eine Schlange um seine Beine streicht. Lee muss sich auf die Lippen beißen, damit er nicht plötzlich losschreit, weil er die ganze Zeit das Gefühl hat, dass der Sand ihn jeden Moment packt und gegen die nächste Wand schleudert. Er bekommt eine Gänsehaut, dennoch geht er weiter, bis er mit dem Fuß gegen das Bett stößt. Nun scheint auch Gaara endlich mitbekommen zu haben, dass noch jemand im Zimmer ist. Etwas irritiert hebt der Rothaarige den Kopf und blickt Lee eine ganze Weile an, bevor der Sand lautstark zu Boden fällt, als hätte jemand die Seile eines schweren Vorhangs durchtrennt. Fast schon müde zieht sich der Sand in seine Flasche zurück und erlöst Lee von dieser quälenden Ungewissheit. Doch schon einen Augenblick später steigt die Sorge erneut in ihm auf, als er sieht, dass sowohl auf Taiyō´s Sachen als auch auf dem Lacken Blut ist, das eindeutig von dem Kind stammt. Hell und dünn fließt es vom Hals des Babies hinab und durchnässt sein kleines Hemdchen. Lee blickt wie erstarrt auf das zarte Rot. Doch das Kind liegt völlig ruhig und reglos in Gaara´s Armen, seine Augen sind geschlossen, doch man sieht, dass es geweint hat. Als Gaara nun wieder zu ihm blickt und Lee´s Starre sich allmählig löst, sieht der Lotuskrieger, dass auch Gaara weint. Eine Tatsache, die Lee sich bei Gaara noch immer nicht wirklich vorstellen kann, wenn er es nicht selbst sehen würde… Vorsichtig geht der Schwarzhaarige um das Ende des Bettes herum und nähert sich etwas unsicher dem Rothaarigen. Dieser blickt ihn nur weiterhin aus tränenfeuchten Augen an, aber seltsamerweise liegt eine Art Erleichterung in den türkisblauen Seen. „Gaara…?“, setzt Lee leise an. Der Sandbändiger sieht ihm direkt in die Augen und erkennt darin mindestens zweitausend Fragen und alle scheinen seinem Tun mit dem Kind gewidmet zu sein. Vorsichtig kommt Lee noch ein Stück näher, um zu erkennen, woher das Blut am Hals des Kindes genau kommt. Es dauert auch nur eine Sekunde, dann sieht er die seltsam geformte Wunde auf der weißen Haut. Verwundert legt er die Stirn in Falten – die Wunde sieht irgendwie aus wie ein Schriftzeichen! Er betrachtet es noch genauer und entziffert das Kanji für Tod – shi – am Hals seines Sohnes. Augenblicklich schaut er auf zu Gaara, der sich als kleines Kind das Kanji für Liebe mit Sand auf die Stirn tätowiert hat. „Was hast du mit ihm gemacht, Gaara?“, fragt er unsicher. Gaara schaut ihn einen Moment lang mit seinen, immer noch feuchten, Augen an, dann lächelt er unsicher. „Ich – ich wollte ihn doch nur beschützen…“, kommt es ungewohnt zögerlich von dem Sandbändiger. Langsam glaubt Lee das Ganze zu verstehen. Gaara hat ihm mal erzählt, dass er sich das Kanji damals auf die Stirn gebrannt hat, weil er sich selbst vor der Liebe beschützen wollte. Er hatte Angst, dass ihn wieder jemand hintergeht, der ihm nahe steht. Er wollte die Liebe aus seinem Leben verbannen, um nicht wieder verletzt zu werden und Shuukaku hat jedes positive Gefühl von ihm abgewendet. Da Gaara schon die ganze Zeit Angst hat, dass ein Teil von Shuukaku in dem Jungen ist und ihn irgendwann zu kontrollieren versucht, will er Shuukaku mit diesem Zeichen klarmachen, dass er alles daran setzen muss, um das Kind vor dem Tod zu bewahren… Einen Moment herrscht Schweigen zwischen ihnen, während Lee versucht zu verstehen. Dann senkt Gaara den Kopf und fängt wieder an zu weinen. Vorsichtig setzt Lee sich zu ihm und nimmt ihn in den Arm. „Ich will nicht, dass ihm etwas passiert…“, presst Gaara hervor. Sanft streicht Lee ihm über den Rücken. „Ich glaube, ich weiß was du meinst und es ist in Ordnung!“ Unsicher blickt Gaara zu ihm auf. „Wirklich?“ „Natürlich!“, lächelt Lee ihn zu. Daraufhin lächelt auch der Rothaarige ein wenig, während er sich die Tränen wegwischt. Sanft küsst Lee ihn auf die Wange: „Ich liebe dich, Gaara!“ Der Rothaarige legt den Kopf auf Lee´s Brust und schließt die Augen: „Ich liebe dich auch, Lee!“, haucht er leise, bevor er einschläft. Vorsichtig entfernt sich Lee von seinem Freund und seinem Kind, um den nunmehr winselnden Hund hineinzulassen. Etwas unsicher betritt Ryoujiroe das Zimmer, doch sie merkt schnell, dass alles wieder in Ordnung ist. Keine Minute später liegen die zwei bei Gaara und Taiyō im Bett und schlafen tief und fest ein… *Die alte Hündin hechelt kurzatmig. Speichel tropft von ihrer hängenden Zunge und bildet eine dunkle Pfütze auf dem Sandboden zwischen ihren Pfoten. Ihr Fell klebt in feuchten Strähnen zusammen, als wäre sie gerannt und das rotkarierte Tuch um ihren Hals scheint im Rhythmus ihres hechelnden Atems zu beben. Als Lee sie ansieht, stößt sie wieder ein Bellen aus, diesmal aber mehr ein Winseln… Stephen King´s „Schlaflos“, 1993 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)