Liebe und Schmerz unter Engeln - Hazus Geschichte von Cynjya (Schwarz und Weiß) ================================================================================ Kapitel 2: Flucht ----------------- Teil 2 – Flucht Wild peitschend schlug der Wind gegen die Fenster. Der Regen hinterließ schmale Streifen aus Wasser auf dem Glas. Hazu wachte gerade auf und streckte sich in seinem Bett. Er hatte gut geschlafen. Gähnend stand er auf und ging ins Badezimmer. Sein Spiegelbild hatte sich verändert. Er hatte das Aussehen eines 16-Jährigen, doch eigentlich lebte er jetzt schon 100 Jahre in der Engelswelt. Und fast die ganze Zeit seines Lebens bei Zoku. Die Gedanken an seine leiblichen Eltern hatte er schon lange aus seinem Leben verbannt und er verbot sich auch nur eine Erinnerung an sie wach zu rufen. Zoku war jetzt seine Familie. Zoku, Jinan und Shisuta. „Bist du wach?“, rief eine freundliche Mädchenstimme von außen. Shisuta war also auch schon wach und hatte keine Lust mehr den Morgen allein zu verbringen. „Ja, ich bin wach, komm ruhig rein!“, rief Hazu ihr entgegen, während er sich sein Oberteil über den Kopf zog. Noch einmal sah er in den Spiegel, wuschelte durch seine Haare und ging dann zurück in sein Schlafzimmer. Shisuta war in der Zwischenzeit schon hereingekommen und hatte es sich auf seinem Bett bequem gemacht. „Na, mal wieder früher wach als der Rest der Unterwelt?“, scherzte Hazu und setzte sich dann zu ihr. Darauf hin fing er gleich einen lieb gemeinten Knuff von ihr ein. Er ärgerte sie gern ein wenig, denn sie regte sich immer so schön darüber auf. „Was soll das denn heißen? Nur weil Jinan immer bis in die Puppen schläft heißt das ja nicht, dass ich auch nicht vorher aufstehen darf.“ „Das meinte ich damit ja auch nicht, Dummerchen. Aber wo du grad von ihm sprichst, vielleicht sollten wir ihn wecken gehen.“ Hazu wusste, dass das nur Stress und Streit geben würde, trotzdem wollte er sich den Spaß nicht entgehen lassen. Auch Shisuta war wie immer begeistert von der Idee und schon waren sie zusammen auf den Weg Richtung Jinans Zimmer. Vor der Tür angekommen klopften sie gar nicht erst, sondern stürmten gleich ins Zimmer. Hazu blieb etwas zurück, denn er wusste schon, was jetzt kommen würde. Shisuta sprang zu dem schlafenden Jinan auf das Bett und weckte ihn somit ziemlich unsanft. „Hey, aufstehen du Schlafmütze!“, schrie sie ihm dann auch noch ins Ohr. Jinan schreckte zusammen und stand augenblicklich fast senkrecht in seinem Bett. Sein Blick glitt erschrocken durch den Raum und als er merkte, dass Hazu und Shisuta sich nur wieder einen Scherz mit ihm erlaubt hatten, wanderte sein Blick wütend zu Hazu. „Verdammt, was soll das schon wieder!“, schrie er ihn an und sprang aus dem Bett. Er packte Hazu am Kragen und schlug ihn gegen die Wand. Shisuta stieß einen erschrockenen Schrei aus und zuckte bei dem Geräusch des Aufpralls zusammen. Hazu nahm das Ganze recht gelassen. Er hatte schließlich gewusst, dass Jinan wieder ungehalten reagieren würde. „Bleib mal ganz ruhig.“, versuchte er Jinan wieder auf den Boden der Tatsache zu bringen. „Ich hab dir nichts getan und Shisuta auch nicht. Nimm das nicht so ernst. Wir wollen dir nur was Gutes tun. Wenn wir dich nicht wecken würden, würdest du ja den ganzen Tag verschlafen.“ Hazu versuchte mit möglichst ruhiger Stimme zu reden um Jinan nicht noch wütender zu machen. „Halt die Klappe. Halt einfach nur die Klappe, kleiner Bruder. Nur weil Vater dich wie einen streunenden Köter bei uns aufgenommen hat, musst du nicht denken, dass du dir alles erlauben kannst. Irgendwo hast auch du deine Grenzen und wenn Vater die dir nicht zeigt, dann tu ich es eben.“ Jinans Stimme war eiskalt, genau, wie die seines Vaters, wenn dieser wütend war. Dann schlug er zu. Völlig überrascht von der Aktion ging Hazu mit blutender Lippe zu Boden. Shisuta schrie auf und rannte aus dem Zimmer. „Was soll das?!“, schrie nun auch Hazu den Älteren an. Mit so einer heftigen Reaktion hatte er nun nicht gerechnet. Normalerweise beließ es Jinan bei Beleidigungen und Flüchen. Dann kam er wieder runter, doch dieses Mal schien es ihm zu viel geworden zu sein. „Was das soll? Ganz einfach, du scheinst den Ernst der Lage nicht zu begreifen. Du bist nur ein dummes kleines Waisenkind und Vater hatte Mitleid mit dir. Sonst wärst du nicht hier und würdest so ein Leben führen können. Du wärst irgendwo auf der Straße verreckt und niemand hätte sich auch nur einen Teufel um dich geschert.“ „Und was zum Henker hat das damit zu tun, dass Shisu und ich dich geweckt haben? Verdammt noch mal, das war nur ein Scherz. Was tickst du hier so aus?“ Hazu rappelte sich wieder hoch, doch sofort wurde er von Jinan wieder zu Boden gedrückt. Der saß auf seinem Bauch und schlug noch einmal auf der Gesicht des Jüngeren ein. Hazu versuchte eine Faust davon abzuhalten, dass sie erneut ihr Ziel traf, doch er war viel zu schwach gegenüber Jinan. Sein Bruder war zwar nicht kräftig gebaut, doch er war stark, hatte viel mehr Erfahrung im Kampf und war viel trainierter als er. „Hör auf hier den Großen zu markieren, Vater mag dich genauso wenig wie ich. Bild dir nichts darauf ein, dass du hier bleiben darfst. Du bist nicht mein Bruder. Guck dir doch allein schon deine Flügel an. Was ist das. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Grau.“, stellte Jinan mit Abscheu in der Stimme fest. Hazu war geschockt. So hatte er seinen Bruder noch nie reden hören. Es traf ihn tief, was dieser gerade behauptet hatte. Mit ziemlichem Kraftaufwand schaffte Hazu es, Jinan von sich herunter zu drücken und eilte zur Tür. Doch dann besann er sich eines besseren und drehte sich noch mal um. „Du lügst…“, sagte er nur mit gebrochener Stimme, denn er war den Tränen nahe. „Du lügst. Vater hasst mich nicht. Er liebt dich vielleicht mehr als mich, aber er hasst mich nicht.“ Hazu sah verzweifelt zu Jinan, der auf dem Boden saß. Doch der lachte nur. „Da muss ich dich enttäuschen. Er hasst dich.“, sagte er mit einem gefrorenem Lächeln auf den Lippen. Das war zu viel für den Jüngeren der beiden Brüder. Hazu rannte aus dem Zimmer und steuerte sein eigenes an. Jinan hatte ihm eben eine Tatsache an den Kopf geworfen, die nicht von der Hand zu weisen war. Er sah Zoku als seinen Vater an, doch Zoku hatte ihn von Anfang an nicht als Sohn gesehen. Er war für ihn nichts weiter als ein Teil seines Clans – ein Teil der Engel mit dunklen Schwingen. Er hatte das zwar nie so direkt gesagt, aber Hazu hatte es immer wieder gesehen. Als Jinan alt genug war Aufträge zu übernehmen, war Zoku jedes Mal stolz und hat ihn mit Lob überhäuft. Ein paar Jahre später war auch Hazu alt genug. Doch hatte er kaum Aufträge erhalten und wenn dann nur sehr einfache, leicht zu erfüllen. Dementsprechend mager war auch das Lob von Zoku ausgefallen. Aber nie hatte er Hazu gesagt, war Jinan mehr Aufträge bekam und auch schwierigere als Hazu. Bis zu dem Zeitpunkt hatte er gedacht, dass Jinan und er für Zoku gleichberechtigt waren, doch seit dieser Zeit war klar, dass er Hazu anscheinend weniger mochte. Hazu war es anscheinend nicht wert, die Aufträge zu übernehmen und im Namen der Schwarzgeflügelten zu agieren. Doch bis jetzt war Hazu das nicht so wichtig gewesen. Er hat sein Schicksal so genommen und war einfach nur dankbar eine liebe Schwester zu haben und ein sicheres Zuhause. Doch Jinans Äußerung zerstörte alles. Er war sich sicher gewesen, dass Zoku ihn aufgenommen hatte, weil er ihn liebte. Wenn es auch jetzt nicht mehr so ist, so dachte er wenigstens, dass es damals so war. Doch wieder hatte er sich geirrt. Als er in seinem Zimmer angekommen war, legte er sich erst einmal auf sein Bett und ließ die Tränen heraus, die er bis eben unterdrückt hatte. Sein Körper schüttelte sich vor Trauer. Es dauerte einige Minuten, bis seine Tränen versiegt waren und er anfing seine Sachen wahllos in eine Tasche zu werfen. Er wollte einfach nur noch weg. Weg von Jinan, weg von Zoku, weg aus der ganzen Unterwelt. Er fühlte sich nicht gewollte. Eigentlich noch mehr als dass, denn insgeheim fühlte er sich behandelt wie einen Aussätzigen – ein Verstoßener unter Verstoßenen. Als Hazu fertig war, schnappte er sich die Tasche und rannte so schnell er konnte Richtung Ausgang. Er wollte niemanden begegnen, vor allem nicht Zoku. Aber das war eh ziemlich unwahrscheinlich, da der sich nur selten in seiner Residenz aufhielt. Meistens war er irgendwo unterwegs und hatte nie Zeit. „Hazu!“, rief auf einmal eine Mädchenstimme hinter ihm. Shisuta. Hazu überlegte eine Sekunde lang, ob er nicht einfach weiter laufen sollte, doch dann blieb er stehen. Seine Schwester war die einzige, die immer nett zu ihm gewesen war und ihn sofort als Mitglied der Familie akzeptiert hatte. Seufzend drehte er sich zu ihr um und sah ihr in die rot geweinten Augen. „Shisu…“, fing er mit ruhiger Stimme an, doch sie unterbrach ihn sofort, indem sie sich in seine Arme warf. „Shisu bitte… mach es mir nicht noch schwerer als es eh schon ist!“ Hazu fasste sie bei den Schultern und drückte sie etwas von sich weg. Sie weinte wieder. „Ich kann nicht bleiben, versteh das doch.“ „Was soll ich verstehen?“ Sie schrie und trommelte wild gegen seine Brust, bevor sie sich wieder ihm entgegen warf. „Du darfst nicht gehen. Jinan hat das nicht ernst gemeint. Wir lieben dich…“ Shisuta stand vorhin draußen an der Tür und hatte alles gehört, was Jinan ihrem Bruder an den Kopf geworfen hatte. Doch sie war zu aufgelöst gewesen, als dass sie ihn in dem Moment davon abhalten hätte können. Hazu drückte sie wieder etwas von sich weg. „Schwesterherz. Du liebst mich vielleicht, aber Zoku und Jinan werden mich nie als Familienmitglied akzeptieren. Ich bin alt genug um endlich auf meinen eigenen Beinen stehen zu können.“ Er gab ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, dann nahm er seine Tasche wieder und wandte sich zum Gehen. „Werden wir uns wieder sehen?“, fragte Shisuta flehend. „Ich weiß es nicht…“, meinte Hazu resigniert. Er wusste wirklich nicht, ob er da draußen überhaupt überleben konnte. Vielleicht würde er auch ganz aus der Stadt verschwinden. Er sah etwas betreten zu Boden und richtete dann noch mal den Blick zurück zu ihr. Sie kam langsam auf ihn zu und öffnete ihre Kette, die sie um den Hals trug. An ihr hin ein kleiner blauer Kristall. „Nimm ihn bitte mit und gib ihn mir wieder, wenn wir uns wieder sehen, ja?“ Sie legte den Anhänger in seine geöffnete Handfläche und schloss seine Finger darum. Doch Hazu schüttelte den Kopf. „Nein, ich nehme ihn nicht mit. Du hast ihn von Vater zu deinem Geburtstag bekommen. Ich möchte in an dir wissen. Wenn wir uns wieder sehen, dann will ich, dass du ihn immer noch trägst. Als Zeichen unserer Familie, ja?“ Er streichelte ihr sanft über den Kopf und gab ihr die Kette zurück. Dann drehte er sich, ohne eine Erwiderung von ihr abzuwarten, um und ging eiligen Schrittes in Richtung Ausgang. Als der draußen auf der Straße angekommen war, fühlte er sich frei, erleichtert, hatte gleichzeitig aber auch Angst. Seine Entscheidung zu gehen war so kurzfristig gewesen, dass er sich über die weiteren Konsequenzen gar keine Gedanken gemacht hatte. Er hatte jetzt keine Unterkunft mehr, keine Nahrung und auch kein Geld, mit dem er sich Unterkunft und Essen erkaufen hätte können. Er seufzte und ging einfach erst einmal die Straße hinunter und aus dem Untergrund heraus. Hier wollte er nicht bleiben, denn jeder erkannte ihn als Zokus Ziehsohn. Und seinem Vater wollte er nicht mehr über den Weg laufen. Falls dieser ihn überhaupt suchen lies. Vielleicht merkte er ja nicht mal, dass Hazu weg war. Er hatte es ja auch so gut wie nie gemerkt, wenn er da war, warum sollte ihn sein Verschwinden auffallen. Hazu wurde traurig. Er wollte Zoku nicht verlassen. Schließlich war dieser der erste Mensch, der ihn so akzeptiert hatte, wie er war. Doch das war jetzt vorbei – ein für alle mal. Die aufkommenden Tränen unterdrückte Hazu und bog in eine schmale Seitengasse ab. Hier setzte er sich in einen Hauseingang und wartete die Dunkelheit ab. Die Zeit, in der weniger Weißflügler auf den Straßen unterwegs waren und er ungesehen durch die Straßen gehen konnte. Als die letzten Sonnenstrahlen endlich hinter den Häusern verschwanden, machte er sich auf und ging in Richtung Stadtmauer. Hier war der Stadtteil, in dem man die meisten schwarzgeflügelten Engel antraf, außerhalb des Untergrundes. Es dauerte nicht lange und er fiel auf. Schließlich war er jung, ein Mann und allein unterwegs. Also potentielles Frischfleisch. Hazu war sich der Gefahr bewusst, der er sich gerade aussetzte, doch so wollte er es. Es war die einigste Möglichkeit schnell an viel Geld zu kommen, damit er aus der Stadt fliehen konnte und sich irgendwo ein anderes Leben auf dem Land aufbauen konnte. „Na, ganz allein unterwegs, Süßer?“ Eine Gruppe junger Engel, alle mit schwarzen Flügeln, hatte Hazu verfolgt. Es waren 3 Leute. Hazu drehte sich um und musterte die Engel ihm gegenüber genauer. Es war zwar dunkel, aber im schwachen Schein der Straßenlaterne konnte man trotzdem was erkennen. Der Anführer, ein schmaler Kerl mit längeren schwarzen Haaren und süffisanten Grinsen auf den Lippen hatte ihn angesprochen. Er trug eng anliegende schwarze Kleidung und hatte die Arme vor dem Körper verschränkt. Die anderen beiden waren recht unscheinbar. Sicher waren sie nur bei dem Größeren, weil sie so sicherer waren, als allein auf der Straße. Beide hatten schmutziges blondes Haar, waren recht klein und sahen sich ähnlich. Vielleicht waren sie sogar Zwillinge. Hazus Blick wendete sich aber wieder zu dem Sprecher zurück. „Und was wäre wenn?“, stellte er recht angriffslustig eine Gegenfrage. Er wusste, dass er sich besser nicht mit den Engeln anlegen sollte, doch ein Funken Reststolz besaß er doch noch und ganz ohne Gegenwehr würde er sich nicht unterwerfen lassen. Der Schwarzhaarige grinste ihn an. „Dann wärst du jetzt nicht mehr allein. Du weißt doch, also einer von uns solltest du nicht allein durch die Straßen dieser Stadt gehen.“ „Da hast du wohl recht, aber warum sollte ich ausgerechnet bei euch sicherer sein?“ Hazu ging langsam einen Schritt zurück. Das selbstsichere Lächeln des Schwarzhaarigen und die durch Geilheit aufblitzenden Blicke seiner Anhängsel machte ihm die ganze Situation unheimlich. Er wusste, dass er eine Gruppe brauchte, allein war man in der Stadt so gut wie tot. Aber vielleicht sollte er sich von einer anderen finden lassen. „Du weißt doch genauso gut wie ich, dass du dich ohne Gruppe gleich auf den Friedhof begeben kannst. Komm mit mir. Ich hab eine Wohnung, kann dir was zu Essen geben…“ Er lächelte immer noch und kam etwas näher, während Hazu im gleichen Atemzug wieder einen Schritt vor ihm zurückwich. „Und was willst du dafür von mir?“, kam Hazu dann schnell zur alles entscheidenden Frage. Schutz war niemals umsonst. Das wusste selbst Hazu und trotz seiner mangelnden Erfahrung in den gesetzlosen Gebieten der Stadt hatte er den Erzählungen von Jinan entnehmen können, dass es meistens um körperliche Bezahlung ging, statt um normales Schutzgeld. Und das war etwas, was Hazu nur im äußersten Notfall tun wollte. Jetzt kam der Anführer mit langen Schritten näher und packte Hazu unterm Kinn. „Na, was denkst du denn, was ich will?“ Hazu entzog sich dem Griff wieder und streckte seine Flügel aus. Er wollte weg. Hatte er es doch gewusst. Der Kerl wollte ihn wahrscheinlich als seinen kleinen Sexsklaven missbrauchen. Aber da würde er nicht mitmachen. Er erhob sich einige Zentimeter in die Luft, wurde dann aber brutal an den Flügeln wieder zu Boden gezogen. Er landete unsanft auf dem Bauch, wurde dann sofort herumgedreht und spürte, wie sich die beiden anderen Jungs links und rechts auf seine ausgebreiteten Flügel setzten. „Lass mich gehen!“, schrie er den älteren Jungen an, der immer noch grinsend über ihm stand. „Ich denke nicht. So ein kleiner süßer widerspenstiger Engel hat mir in meiner Sammlung noch gefehlt.“ Er lies sich auf die Knie sinken und beugte sich über Hazu. Der versuchte sich noch immer zu wehren, doch wenn er nicht riskieren wollte sich selbst Federn auszureißen, musste er seine Fluchtversuche wohl oder übel aufgeben. „Wir glaubst du eigentlich wer du bist, so mit mir umzuspringen!“ „Ich bin stärker als du, dass sollte dir schon als Erklärung reichen. Du musst schon damit rechnen, dass jemand Anspruch auf dich erhebt, wenn du hier nachts so allein herumstromerst. Zu meiner Person… nenn mich doch einfach Thais.“ Er beugte sich zu Hazu herunter und stich ihm über die malträtierten Flügel. „So schön…“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu jemand anderem. „Du kommst jetzt erst mal mit mir. Jasko, Arto, geht weg von ihm.“ Die beiden Jungs folgen aufs Wort und gingen von hazu herunter. Dieser wollte sofort aufspringen, doch da wurde er schon hochgezogen und wieder an den Flügeln festgehalten. „Lasst mich endlich los!“, schrie er noch einmal, doch diese Gegend schien taub für Hilferufe jeglicher Art zu sein. Er versuchte sich noch einmal aus dem griff der beiden zu befreien, doch wieder vergebens. Thais bemerkte das ganze nur mit einem selbstsicheren blick und ging dann voraus. Schon nach ein paar Minuten Fußmarsch kamen sie vor einem Gebäude zum Stehen. Es war schäbig und heruntergekommen wie die ganze Gegend. Die Fassade starrte vor Schmutz und die Fenster waren fast alle mit Brettern vernagelt. Alles in allem sah es um einiges schlimmer aus als im Untergrund. Er hatte es mittlerweile auch aufgegeben sich zu wehren. Die beiden Jungs hielten ihn zu fest und waren jeder für sich allein schon stärker als er selbst. Er hatte im Moment bloß große Angst davor, was Thais mit ihm machen würde. Im Inneren wünschte er sich gerade nichts mehr als zu seinem Zuhause zurück zu kehren – zu zoku und Jinan. Die beiden zu ertragen war immer noch besser, als das zu erleiden, was jetzt unausweichlich folgen würde. „Ihr bleibt hier stehen und lasst gefälligst niemanden rein, ist das klar soweit?“, knurrte Thais die beiden Jungs an, die daraufhin kräftig nickten und sich links und rechts neben der Eingangstür platzierten. Er nahm Hazu bei den Haaren und zog ihn, ohne auf die Protest- und Schmerzensschreie des Kleinen zu hören, hinter sich her ins Haus. „Halt doch mal endlich die Klappe, Kleiner“, meinte er dann mit einem ungeduldigen Unterton in der Stimme und stieß Hazu unsanft auf eine am Boden liegende Matratze. „Willst du was trinken?“ „Was?“ Hazu sah Thais perplex an. Was sollte plötzlich diese freundliche Geste. „Hast du mich nicht verstanden?“ Thais lehnte ungeduldig am Türrahmen zur Küche und sah auf ihn runter. „Doch… aber…“ „Was fragst du dann so dumm. Willst du was oder nicht?“ Ungeduldig tippte sein Zeigefinger am Holz der Tür auf und ab. „Ja…“, meinte Hazu nur leise. Er fragte sich jetzt noch mehr, was dieser Kerl vorhatte. Diese Frage klang fast besorgt und doch wollte er doch sicher nur das eine von ihm. Thais verschwand in der Küche und lies Hazu allein in dem Zimmer sitzen. Darin befand sich nichts weiter als ein Bett, das ziemlich klapperig aussah und eine Kommode, in der Hazu Thais Klamotten vermutete. Außerdem dann noch die dreckige alte Matratze, auf der er gerade saß. Es roch etwas muffig, was wahrscheinlich daran lag, dass die Fenster halb zugenagelt waren und so kaum frische Luft hereinkam. Das einzige Licht im Zimmer war das der Straßenlaternen von draußen, was durch die Bretterritzen schien. „Hier.“ Plötzlich stand Thais wieder vor ihm und hielt ihm ein Glas Wasser entgegen. Hazu erschreckte erst und wich zurück, nahm dann aber dankend das Glas an. Er hatte den ganzen Tag noch nicht viel getrunken, geschweige denn gegessen. In dem Moment knurrte auch schon protestierend sein Magen. Hazu sah erschrocken auf. Er wollte nicht, dass Thais sich um ihn kümmerte. Schließlich war der Kerl doch unheimlich und gemein. Thais hatte das Magenknurren aber gehört und seufzte ausgiebig. „Hunger hast du auch noch? Heute kannst du was haben. Demnächst wirst du dir dein Essen, Trinken und die Unterkunft hier aber gefälligst erarbeiten.“ „Warum sollte ich! Ich will doch nicht mal hier bleiben!“ Hazu stellte das leere Glas ab und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Am liebsten wurde er sofort abhauen. Und wenn er eben auf der Straße schlafen müsste, dann sollte es so sein. Thais sah ihn daraufhin wütend an, beugte sich zu ihm herunter und zog ihn am Haarschopf nach vorn. „Hör mal zu kleiner Engel. Wenn ich dich da draußen lasse, dann kommen irgendwelche alten Säcke, die dich vergewaltigen, töten oder noch schlimmeres. Wenn du darauf Bock hast, dann verpiss dich und lauf mir nie wieder über den Weg!“ Er ließ den Kleineren los und ging wieder in die Küche. Sollte der undankbare Bengel doch sehen, wo er bleibt. Hazu zitterte am ganzen Körper. So cool er auch manchmal tat, so schwach und zerbrechlich war er im Innersten. Er lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Zwar quälte ihn der Hunger weiterhin, doch die Müdigkeit war in diesem Moment stärker. Nach ein paar Augenblicken schlief er ein. Als Thais aus der Küche wieder kam, sah er den schlafenden Hazu an der Wand. „Dummer kleiner Engel.“, meinte er nur mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Er ging zu der Matratze rüber und legte Hazu vorsichtig auf den Rücken. Irgendwo fand er noch eine Decke und legte diese über den kleinen Körper. Hazu war vom Anschein her gar nicht so viel jünger als er selbst, doch sein Körper war so zart wie der eines Mädchens in seinem Alter. Vorsichtig strich er ihm über die Haare und gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. Der Kleine sollte sich ruhig erstmal ausschlafen. Er selbst ging noch einmal raus und erklärte den beiden Jungs draußen, dass sie heute die ganze Nacht Wache halten sollten. Obwohl er Hazu nicht zutraute abzuhauen, wollte er auf Nummer sicher gehen. Dann ging auch Thais ins Bett. Es war noch sehr früh, als Thais wieder erwachte. Der erste Blick, nachdem er sich dazu entschlossen hatte endlich die Augen zu öffnen glitt zu der alten Matratze am Boden. Zu seiner Erleichterung schlief der Kleine noch tief und fest. Nachdem er sich im Bad frisch gemacht hatte, ging Thais in die Stadt und kaufte einige Lebensmittel ein. Er wollte seinen neuen ‚Freund’ ja schließlich nicht hungern lassen. Der Kleine würde seine Kräfte noch brauchen. „Aufstehen du Schlafmütze!“ rief er dem Jungen entgegen, als er wieder in die Wohnung kam. Hazu schreckte sofort hoch. Er brauchte erstmal ein paar Sekunden, um sich zu orientieren. Verwirrt blickte er sich um und fragte sich, warum er nicht in seinem Bett lag. Währendessen ging Thais in die Küche und stellte die Einkäufe ab. Er hatte nicht viel bekommen, denn als Schwarzgeflügelter war er schwer überhaupt Lebensmittel in der Stadt zu kaufen. Die meisten Sachen musste er klauen. „Was…wo….“ „Man, du hast aber auch ein Kurzzeitgedächtnis.“, Thais stand wie gestern Abend in der Küchetür und trommelte mit seinen Fingern ungeduldig auf dem Holz herum. Hazu blickte sich erschrocken um, als er Thais Stimme vernahm. Sofort realisierte er, was passiert war, wo er sich befand und wer ihm da gegenüber stand. „Du…!“, knurrte er dem Älteren nur entgegen und starrte ihn böse an. „Ja, ich?“, fragte Thais mit süffisant hochnäsiger Stimme zurück. „…“ Ohne Vorwarnung sprang Hazu auf und ging auf Thais los. Dieser reagierte jedoch schneller, als Hazu angenommen hatte, kam ihm schon einige Schritte entgegen und warf ihn zurück auf die Matratze. Sofort war Thais über dem Kleineren und hielt dessen Arme über seinem Kopf zusammen. Siegessicher grinste er auf Hazu hinab. „Was willst du? Ich hab dir gesagt, es steht dir frei zu gehen, allerdings wirst du es nirgends so gut haben wie jetzt bei mir, vergiss das nicht.“ Hazu überlegte. Er wusste zwar nicht wirklich, ob er es hier bei Thais ‚gut’ haben würde, aber immerhin hatte der ihn nicht gleich verprügelt oder vergewaltigt oder anderweitig geschadet. Von daher hatte er vielleicht wirklich Glück gehabt, denn er hatte mit Schlimmerem gerechnet. Er hörte auf sich zu wehren und starrte den schwarzhaarigen Engel über ihm an. „Was willst du von mir?“ „Dich. Ich will erstmal nur dich. Alles weiter kommt dann.“, meinte er emotionslos, als würde er ein Geschäft abschließen. „Was genau?“, präzisierte Hazu seine Frage, auch wenn er die Antwort eigentlich schon kannte. „Ganz einfach. Du willst was von mir, Essen, Schutz, was auch immer. Und ich will was von dir. Deine Loyalität und deinen Körper, alles klar? Gibst du mir etwas von dir, bekommst du etwas von mir, ganz einfach.“ Hazu seufzte leise. Er wusste, dass es darauf hinaus lief. Er würde wohl oder übel seinen Körper an diesen Engel verkaufen müssen. Aber vielleicht hatte er es damit doch gar nicht so schlecht getroffen. Also nickte er stumm. „Ich wusste, dass du einwilligst…“, meinte Thais wieder grinsend. „Hatte ich eine Wahl?“ „Nein.“ Thais beugte sich zu Hazu herunter und küsste ihn sanft auf die Lippen. Er strich dem Kleinen ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und streichelte dessen Hals entlang. „Wenn du artig bist, bekommst du gleich etwas zu essen.“, nuschelte er in den leichten Kuss hinein, bevor der die Lippen wieder von Hazus löste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)