Blut an meinen Händen von astala7 (Was bleibt, wenn nichts mehr da ist?) ================================================================================ Kapitel 5: Wind --------------- Fünftes Kapitel – Wind Ein schwarzes Loch in meiner Seele Weil alles dort verloren geht Und nur die Stille, sie wird bleiben Und alles überleben Bis es verloren geht Aus: "Schwarz Loch" von Black Heaven „Das muss das Dorf sein, von dem ich gehört habe...“ murmelte Tesaki. Zusammen mit Kohaku versteckte er sich am Waldrand und beobachtete gerade das Markttreiben der Siedlung. „Warte, das werde ich nachprüfen.“ Der Hanyou wollte loslaufen, doch Kohaku hielt ihn am Handgelenk zurück. „Ich glaube es ist keine gute Idee, wenn du alleine gehst.“ beschwor er ihn. „Ach was!“, erwiderte Tesaki nur, während er sich losriss. „Du bist hier bestimmt sehr bekannt, aber ich sehe nicht besonders gefährlich aus. Außerdem hab ich ja meinen Speer dabei.“ Bei diesen Worten tippte er gegen den länglichen Griff, der hinter seinem Rücken gerade noch so zu erkennen war. Der Halbdämon winkte noch zum Abschied, dann trat er aus dem Schatten der Bäume heraus. Er marschierte geradewegs ins Dorf hinein und missachte gekonnt die vielen Blicke, die er aufgrund seiner kurzen, weißen Haare auf sich zog. Doch er spürte das Missfallen und so setzte er ein Lächeln auf und sprach einen der Dorfbewohner an: „Entschuldigen sie bitte, können sie mir sagen wo ich die Miko dieses Dorfes finden kann? Ich würde gern um eine Segen für eine gefahrlose Weiterreise bitten.“ Zum Glück sah er alt genug aus, um als allein reisender Mensch durchzugehen. Indem er nach einer Miko fragte, hoffte er den Verdacht auf eine dämonische Herkunft seinerseits auszumerzen und gleichzeitig beruhigte es den Anderen sicher, dass er nicht vor hatte zu bleiben. Außerdem wusste eine Dorfpriesterin oft am meisten über ungewöhnliche Vorfälle in der Nähe. „Ihr wollt zu Kaede-sama?“, fragte der Bauer und sah tatsächlich erleichtert aus. „Ihre Hütte steht am anderen Ende des Dorfes, dort entlang!“ Er wies ihm die Richtung und Tesaki bedankte sich mit einer Verbeugung. „He, Junge! Was tust du da?“ ertönte eine Stimme und Tesaki, der tat als hätte er die Alte eben erst bemerkt, sprang gespielt überrascht auf. Er hatte sich über den reglosen Körper des schwarzhaarigen Mädchens gebeugt, die in der bescheidenen Behausung auf Stroh gebettet lag. „Oh, entschuldigen sie bitte vielmals. Ich bin auf der Durchreise und wollte fragen, ob der Weg nach Norden denn sicher sei, oder ich lieber den Wald umgehen sollte...“, erfand er rasch und ohne rot zu werden. „Oh... Zur Zeit gibt es schon hin und wieder Dämonen im Wald, wenn sie allein reisen, sollten sie sich am Rand halten.“ erwiderte Kaede und lehnte ihren Bogen, den sie über der Schulter getragen hatte, an die Bretterwand. Auf ihrem Gesicht sah der Hanyou zwar Misstrauen, doch sie ahnte nicht im Ansatz, wem sie gegenüberstand. Das ließ ihn unwirkürlich schmunzeln. „Vielen Dank für ihren Rat.“, sagte Tesaki und verbeugte sich erneut. „Wurde auch dieses Mädchen“, dabei deutete er auf die tote Kagome, deren glasige Augen leblos zur Decke starrten, „von diesen Dämonen angefallen? Bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich fragte aus reiner Neugierde.“ Obwohl er die Antwort natürlich selbst wusste. „Hm... Nein, das war eher ein Unfall. Doch ihre Freunde sind unterwegs etwas zu besorgen, das ihr vielleicht noch helfen kann.“, meinte die Miko und ein trauriger Schleier legte sich über ihr Gesicht. „Oh... Nun, ich möchte ihre Ruhe nicht weiter stören. Auf Wiedersehen!“, sagte Tesaki. „Gute Reise!“, wünschte ihm Kaede noch, dann verschwand er aus der Hütte Rasch zog sich der Halbdämon zum Waldrand zurück und hielt sich dort verborgen. Etwas holen, was ihr vielleicht noch helfen konnte? Was sollte das heißen? Konnte man die junge Priesterin etwa noch wiederbeleben!? Das wäre überhaupt nicht gut für ihn. Naraku-sama war doch so stolz auf ihn gewesen, als er vom Tod der Miko berichtete. Diesen Ruhm würde er sich jetzt nicht mehr nehmen lassen! Tesaki hatte furchtbare Angst, sein Meister könnte ihn für nutzlos erklären. Er war das erste Lebewesen überhaupt gewesen, das auf Anhieb freundlich zu ihm war. Er wollte diese, ihm wichtige, Person um keinen Preis verlieren! Nie hatte er eine engere Verbundenheit zu jemanden verspürt als zu Naraku-sama, der ein Halbdämon war, genau wie er. Tesaki bewunderte ihn für seine Ziele, dafür das er sich so große Dinge traute. An seiner Seite rückten Dinge in greifbare Nähe, an die er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen zu denken gewagt hatte. Alles schien ihm möglich. Nie war er glücklicher gewesen als bei seinem Retter, der ihm vom Joch der Hikari no Youkai befreit hatte. Diese Tat sollte nicht umsonst gewesen sein! Tesaki wollte dem Schwarzhaarigen mit all seinen Fähigkeiten zur Seite stehen, ihm beweisen, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Wenn es jemand schaffte diese Miko ins Leben zurück zu rufen, sie, sein erstes Opfer, würde er vielleicht Naraku-samas Vertrauen verlieren und von ihm verstoßen werden. Er musste dafür sorgen, dass dieses Mädchen tot blieb! ~Miroku~ Hunderte von Dämonen stürmten auf Miroku zu, doch nicht weil sie angriffen, sondern weil sie von dem unheimlich starken Sog des Kazaanas erfasst worden waren. Ihre Leiber schienen für Bruchteile von Sekunden zusammen zu schrumpfen, bis sie vollständig in seiner Hand verschwanden. Hoch über seinem Kopf stieß Kagura einen entsetzen Schrei aus, als auch sie vom Wind erfasst wurde. Irgendwo hinter sich hörte er Sango seinen Namen rufen, doch er schloss das Loch nicht. Bis- Ein Summen ertönte, aus dem Wald, dessen Bäume schon bedenklich schwankten, stieg ein Schwarm kleiner Gestalten auf. Mirokus Augen weiteten sich, er wollte den Arm senken, doch der Druck mit dem das Kazaana ihn selbst fast nach hinten schob, war zu stark. Die Saimyosho, Insekten der Hölle, waren pfeilschnell heran und schon verschwanden die ersten in dem schwarzen Loch. Fast augenblicklich durchzuckte ihn ein furchtbarer Schmerz, dicht gefolgt von einer lähmenden Wirkung, die seinen Körper ergriff. Dennoch schaffte er es unter Aufbringung seiner letzten Kraft, seine zerstörerische Handfläche gen Boden zu richten und den Rosenkranz herum zu schlingen. Sofort war der Sog verschwunden, aber die Dämonen – tot wie sie waren konnten sie keine Angst verspüren - stürzten sich, diese Schwäche ausnutzend, sofort erneut auf ihn. Der Mönch sah sein Ende schon kommen, doch da ertönte ein lautes Zischen und die Youkai fielen in dutzende ihrer Einzelteile zerfetzt vor seine Füße. Müde hob er den Kopf und sah gerade noch Sangos Hiraikotsu, der gerade mitten in der Luft kehrt machte um zu seiner Besitzerin zurückzukehren. Mühsam richtete er sich auf, Sango und Shippou brauchten ihn! Er musste sie beschützen... Selbst wenn er das Kazaana noch einmal einsetzen musste! Er musste nur irgendwie aus dieser Meute raus, um alle mit einmal einsaugen zu können. „Hrng!“ stieß er hervor und kam, sich auf seinen Stab stützend, keuchend wieder auf die Beine. Er durfte sich nicht ausruhen! Kagura beobachtete die, ihrer Meinung nach vergeblichen Mühen des Mönches und wurde plötzlich ein wenig traurig. Doch der Tod dieser Personen war ihr Auftrag und sie würde ihn ausführen. „Tanz des Drachens!“, rief sie laut und ließ ihre Fächer niedersausen. Ihre Attacke schuf eine Furche in die Menge der toten Youkai, irgendwo am anderen Ende der Wolke aus böser Energie kämpfte die Dämonenjägerin auf Kirara um ihr Leben. Gerade riss einer der Youkai der Dämonenkatze eine schwere Wunde. Die Katze fauchte, ihre Beine zitterten und sie verwandelte sich zurück. Doch plötzlich stürmte Miroku vor, es war deutlich zu sehen wie sehr ihm das Gift zu schaffen machte. Aber er schaffte es, rannte den Pfad entlang den Kagura eigens mit ihrem Angriff geschaffen hatte, und kam so aus der Menge heraus. Am Rand der Gefahr angekommen verließ ihn jedoch jede Energie und er brach auf die Knie. Die Windherrscherin verspürte fast so etwas wie Mitleid, als sie sich mit ihrer Feder sinken ließ. Doch der Mensch hob den Kopf, seine Augen starrten ihr entschlossen und erbittert entgegen. Und obwohl die vielen Dämonen und auch Kagura selbst von einem Schwarm Saimyosho umgeben waren, hob er erneut die Hand, entfernte den Rosenkranz. „KAZAANA!“ Kagura machte auf der Stelle kehrt, verzweifelt versuchte sie dem plötzlich aufkommenden Sog zu entkommen. Was sollte das!? Da waren so viele Insekten, warum öffnete er dennoch das Windloch?! Das war doch Selbstmord! Aber eigentlich konnte sie sich die Frage selbst beantworten. Sie hätte ihn getötet, ganz sicher, warum sollte er nicht noch seine letzten Kräfte aufbringen? „Tanz des Windes!“ schrie sie, schleuderte dem Mönch ihre Attacke entgegen, in der Hoffnung er würde noch einen Rückzieher machen. Aber das tat er nicht, er blieb standhaft, all die toten Dämonen die von ihrem Totentanz kontrolliert worden waren, fanden das Ende ihrer Existenz in dem schwarzen Loch des Buddhisten. Kaguras Feder wurde wie von unsichtbaren Armen immer weiter zurückgezogen, Bäume entwurzelten, Teile des Erdreichs brachen weg... Etliche Insekten verbreiteten ihr Gift im Körper des Mannes, doch dieser blieb standhaft. Nie hatte die Youkai eine derartige Éntschlossenheit im Blick eines Menschen gesehen. Doch nicht umsonst nannte man sie die Windherrscherin, nicht umsonst hatte Tesaki gerade sie für diesen Auftrag abgestellt. Der Mönch konnte das Kazaana nicht ewig offen lassen, schon jetzt troff Blut aus seinen Augenwinkeln. Die Geschwindigkeit mit der die Feder zum schwarzen Loch gezogen wurde, verringerte sich wieder. Kagura schwang ihren Fächer: „Tanz des Drachens!“ Die Wirbelstürme waren kleiner als sonst, doch sie schnitten breite Pfade in das Meer der Dämonen, die sich verzweifelt dem Sog entgegen stemmten und verschafften ihr so ein größeres Sichtfeld. Plötzlich ertönten zwei helle Schreie. Kagura sah sich um und erkannte die Dämonenjägerin mit dem Kitsune und der Youkaikatze auf der Schulter, die durch die Luft gewirbelt wurden. Mit ihrer Attacke musste sie ihnen den Halt geraubt haben – Mirokus Windloch hatten auch sie nichts entgegen zu setzten. Miroku hatte die Augen zusammengekniffen, aus seinen Ohren, den Nasenlöchern und den Augen floss sein Blut, der Druck presste es aus seinem Körper hinaus, er war kurz davor zu platzen. Aber noch immer waren nicht alle Dämonen verschwunden, er musste durchhalten... Doch da hörte er die Schreie, das war Sango! Er zwang seine Augenlider sich zu öffnen, der Strom aus Farben und Leibern, die in dem Loch seiner Hand verschwanden, verwirrte seinen Geist. Doch dann, ganz deutlich, erkannte er in diesem Strom die Dämonenjägerin mit die beiden kleinen Youkai auf ihrer Schulter. Vor Angst weit aufgerissene Augen blickten ihm für den Bruchteil einer Sekunde entgegen. So ein kurzer Augenblick, und er fühlte nichts. Sah wie in Trance, wie die drei in seiner Hand verschwanden. Er konnte das Loch nicht schließen. Er konnte nicht einmal seinen Arm bewegen. Er hatte das Loch zu lange geöffnet, hatte es nicht mehr unter Kontrolle. Und hatte nun eine geliebte Person getötet... Der Schmerz des Giftes der Hölleninsekten, die Anstrengung des Kampfes, die Entschlossenheit unbedingt gewinnen zu müssen, all das war auf einmal weg. Sein Kopf fühlte sich leer an und ihm war auf einmal nach lachen zumute. Und dann spürte er es. Ein Ziehen, ganz leicht nur. Wind. Er kam aus dem Kazaana und Miroku wusste, was das bedeutete. Der Sog des Windloches begann sich nun auch in die entgegengesetzte Richtung auszubreiten. Es würde ihn verschlingen, ihn töten, wie es auch seinen Vater und seinen Großvater getötet hatte. Das Loch wurde immer größer, der Sog stärker. Er würde sterben. Und es war ihm scheißegal. ~Kohaku~ „Weg hier!“ Kohaku wurde herumgerissen und stolperte zurück. „Tesaki-san, was soll das?“, fragte er verwirrt, und befreite sich aus seinem Griff. „Wir müssen verschwinden, komm schon!“, rief der Weißhaarige nur und sprintete auch schon los. Kohaku sah über die Schulter zurück zum Dorf, folgte dann jedoch dem Halbdämon. „Was ist los!?“ „Erklär ich dir, wenn wir aus der Gefahrenzone sind!“, war die Antwort. Also liefen sie, nahmen die Beine in die Hand und flohen. Nicht in die Richtung des Flusses, wo etliche Dämonenauren zu spüren waren und ein unheimliches Licht den Horizont dunkel färbte, sondern tiefer in den Wald hinein. „Stopp!“, befahl der Junge und Kohaku folgte blind dem Befehl, noch immer verwirrt. „So. Und jetzt guck mal nach hinten!“, meinte Tesaki fast stolz und sie drehten sich um. Einen Weile passierte gar nichts, doch gerade als Kohaku fragen wollte was denn los sei, ertönte ein ohrenbetäubener Knall. Eine riesige Wolke aus Feuer und Asche stieg über dem Dorf auf und er glaubte die Hitzewelle bis zu ihnen hin zu spüren. In der pilzförmigen Wolke zuckten vereinzelte Blitze. Doch als wäre das noch nicht genug, begann auf einmal auch links von ihnen, aus der Richtung wo der Fluss lag, ein unheimliches Glühen auszugehen. Schwarzem Licht gleich breitete es sich aus und mit einem Mal kam ein ungeheurer Wind auf. Er zerrte an Kohakus Kleidern und nur mit Mühe konnte er sein Gleichgewicht halten, indem er sich in den Windschatten eines großen Baumes rettete. Doch so schnell wie alles begonnen hatte, war es auch schon wieder vorbei. Die Wolke löste sich auf, der Wind legte sich und Ruhe kehrte ein. Fast ehrfürchtig ließ Kohaku die Arme sinken, die er schützend vor sein Gesicht gehalten hatte. Plötzlich war da eine Leere in ihm, als würde etwas Wichtiges fehlen. Er spürte, dass da etwas Schlechtes passiert war. Diese Energien waren zu gewaltig... „Tesaki-san...“, sagte er leise und sah den Halbdämonen an, „Was war das?“ „Tja...“, machte Tesaki und kratzte sich nachdenklich am Kopf, „Ich hab die Hütte der alten Miko in Brandt gesetzt, da war nämlich die Leiche dieser jungen Priesterin drin. Die Miko erwähnte, man könne sie vielleicht noch wiederbeleben, deswegen habe ich ihren Körper zerstört. Aber was dieser Wind zu bedeuten hat, weiß ich nicht. Möglicherweise war das Kagura... Lass uns nachsehen!“ „Ja...“, meinte Kohaku leise. Er wusste nicht warum, doch auf einmal verspürte er Abneigung gegenüber Tesaki. „Lass uns nachsehen...“ Als sie den Fluss erreichten, blickten sie auf ein Schlachtfeld. Das Flussbett war zertrümmert, das Wasser breitete sich ungehindert über die Wiesen aus. Eine Lichtung gab es nicht mehr, die Erde war umgepflügt, als wären unzählige Bäume aus ihr gerissen worden. Doch das Beeindruckenste von allem war ein riesiger Krater, gut einhundert Meter im Durchmesser. Er besaß eine dunkle Aura, man konnte noch die Reste dämonischer Energie spüren. Doch nirgendwo war auch nur das kleinste Anzeichen von Leben zu sehen. „Was... ist hier nur passiert?“, fragte Kohaku und seine Stimme zitterte. „Nun... Naraku-sama sagte, dieser Mönch, Miroku, hätte ein schwarzes Loch in seiner Hand. Vermutlich hat er hier gegen Kagura-san gekämpft.“, sagte Tesaki. „Aber... Wo sind sie? Wo sind alle!? Wo ist Sango!“, Sango! Warum fiel ihm gerade dieser Name ein? Der Name der Dämonenjägerin, die den Mönch ständig begleitet hatte. Sie war immer sehr seltsam gewesen, hatte ihn immer so traurig angesehen... Was war mit dieser Frau? Da war etwas, er wusste es! Aber was? Was nur?! „Sango? Die Youkaijägerin? Sie wird vermutlich tot sein, genau wie der Rest von Inu Yashas Anhang. Der Mönch muss sie, sich selbst und auch Kagura-san eingesaugt haben... Arme Kagura-san.“, Tesaki senkte traurig den Kopf, doch Kohaku verspürte auf einmal den unbändigen Wunsch, ihm eine reinzuhauen. Wen interessierte schon Kagura!? Sango war tot! TOT! Alle Kraft wich aus seinen Beinen und er stürzte zu Boden. Sie war tot... na und? Warum berührte ihn das so sehr? Was war mit dieser Frau?! Bilder jagten durch seinen Kopf, schreckliche Bilder. Er selbst, wie er tötete. Männer lagen da, in ihrem eigenen Blut, tiefe Schnittwunden übersähten ihre Körper. Da war er, mit seiner Kettensichel in der Hand... Er hatte sie getötet. Doch wer waren sie? Was kümmerte es ihn? Manchmal sah er diese Bilder, in seinen Träumen. Doch was sollte es, er hatte doch schon oft in Narakus Auftrag getötet. Doch etwas war da anders... Eine Erinnerung? Eine Erinnerung aus vergangenen Tagen? Wieder das Bild, diesmal erkannte er in dem Meer aus Leichen auch Sango. Seine Waffe steckte in ihrem Rücken, aus anklagenden, ungläubigen Augen sah sie ihn an. Und ihre Kleidung... Wie die seine. All diese Männer, sie waren Dämonenjäger. Er war ein Dämonenjäger! Er gehörte zu ihnen, er- Schmerz. Ein kleiner, scheinbar unbedeutender Stich. Winzige, behaarte Füße in seinem Nacken. „Was tust du!? Lass Kohaku in Ruhe!“ Tesakis Stimme drang wie durch Watte zu ihm durch, aber es war zu spät. Der Saimyosho hatte ihm den Splitter genommen. Und Kohaku fiel vornüber. „Onee-san...“ Große Schwester... ~Inu Yasha~ Inu Yashas Instinkt warnte ihn, bevor einer seiner anderen Sinne einen Reiz aufnehmen konnte. Während er durch den Wald auf das Dorf zueilte, in dem er seine Freunde zurückgelassen hatte, breitete sich ein unangenehmes Kribbeln in seinem Bauch aus und ein Gefühl der Übelkeit ergriff ihn. Er versuchte die finsteren Gedanken die Besitz von ihm ergreifen wollten, zurückzudrängen, doch so ganz klappte das nicht. Noch schlimmer wurde es, als der Geruch von kalter Asche und verbranntem Fleisch seine Nase kitzelte. Sofort schlugen Sorgen über dem Halbdämonen zusammen. War etwa das Dorf angegriffen worden? Wenn ja, dann von wem? Feuerdämonen? Narakus Schergen? Oder einfach nur ein paar Banditen? Aber vielleicht, dachte sich Inu Yasha, sind es auch nur einige Dorfbewohner die ein großes Lagerfeuer gemacht haben und deren Essen angebrannt ist? Doch nein, ihm wurde bald klar, dass der Geruch dafür zu stark war. Etwas an der Sache stank wortwörtlich bis zum Himmel. Soweit das noch möglich war steigerten sich seine Sorgen noch, als er den Rauch über den ersten Hütten sah. Er erhöhte sein Tempo ein letztes Mal, sprang kräftig ab und passierte die Baumgrenze, sodass das Dorf nun voll in seinem Blickfeld lag. Einige Bauern, von denen überall welche herumzulaufen schienen, wichen erschrocken vor ihm zurück. Er achtete nicht auf sie, lief weiter in die Richtung, in der Kaedes Hütte stand, welche seit jeher eine Art Treffpunkt für seine Gruppe geworden war, aufgrund der Nähe zum Knochenfressenden Brunnen. Der Brunnen, der seine Zeit mit der von Kagome verband. Kagome... Wenn es ihm nicht gelang, sie zurückzuholen, müsste er vielleicht ihre Familie sagen, dass... Nein. Nicht daran denken. „Sango!“, rief er laut, während er von Dach zu Dach sprang, „Miroku!“ Sogar nach Shippou rief er, doch niemand antwortete. Als er bei Kaedes Heim angekommen war, stockte er mitten im Lauf und blieb wie angewurzelt stehen. Da war keine Hütte mehr. Unter den uralten Laubbäumen, deren äußerste Blätter noch vor sich hin schwelten, sah man nur noch einen riesigen, vom Ruß schwarz gefärbten, kahlen Brandfleck. Der Finsternis der Hölle gleich, hatte sich die Schwärze strahlenförmig ausgebreitet als wäre sie das Werk eines grausigen Teufels, der Rache an der Welt nehmen wollte und die Zeit wäre für einen Moment stehen geblieben. An den Rändern konnte man noch einige, verkohlte Holzreste erkennen, doch ansonsten deutete nichts mehr darauf hin, dass hier einmal ein Haus gestanden hatte. Die Explosion, die hier stattgefunden haben musste, hatte sogar einige der umliegenden Hütten in Brand gesetzt, welchen die eifrig umherlaufenden Menschen zu löschen versuchten. Nur mit Mühe wandte sich Inu Yasha von diesem Bild der absoluten Vernichtung ab und packte einen der vorbeirennenden Bauern am Kragen, welcher vor Schreck seinen Wassereimer fallen ließ. „Wo finde ich Kaede!? Sag schon, oder du wirst deines Lebens nicht mehr glücklich werden!“ Der arme Mann zitterte vor Angst, deutete dann jedoch auf ein nahes Haus, dessen Strohdach lediglich etwas angesengt war. Inu Yasha ließ sein Opfer los und stürmte darauf zu. Er riss die Tür mit solcher Wucht auf, das sie beinahe aus den Angeln geflogen wäre. Drinnen wurde er von einer Reihe erschrockener Aufschreie begrüßt und eine Gruppe von Männern und Frauen stob auseinander. Zwischen ihnen lag eine provisorische, etwas höher gelegene Trage und darauf die alte Miko, dick in Verbände eingepackt, die doch nicht alle Verbrennungen und Prellungen ihres Körpers verbergen konnten. „Es ist schon in Ordnung, lasst mich kurz mit ihm allein.“, sagte die Priesterin, als sie ihn erblickte. „Aber Kaede-sama, ihr-“ „Nein, mir kann ohnehin niemand mehr helfen.“ Inu Yasha stockte bei Kaedes Worten, doch er trat näher heran, als sich die Menschen verzogen hatten. „Kaede, was zum Teufel ist hier passiert? Wo sind meine Freunde?“, fragte er dann auch sofort. Die Alte schwieg kurz, atmete einmal rasselnd ein und erwiderte dann traurig: „Es tut mir Leid, Inu Yasha. Ich sehe, du hast Tensaiga nicht bei dir, aber das spielt nun auch keine Rolle mehr.“ Die Augen des Halbdämons zuckten kurz, als er an sein Versagen erinnert wurde, doch sie sprach bereits weiter: „Es ist kein Körper mehr da, den man wiederbeleben könnte. Kagome... Sie war in meiner Hütte aufgebahrt, ich wollte sie mit einem Kräuterbad behandeln Doch als ich ankam...“ Ihre Stimme wurde immer schwächer, doch seinetwegen brauchte sie den Satz nicht zuende führen. Er konnte es sich auch so lebhaft vorstellen, wie die Explosion sie zurückschleuderte, brennenden Holzstücke sie trafen... Und mitten in dem Inferno seine Kagome, schutz- und hilflos, ihr Körper unwiderruflich verloren... Er wusste, sie war schon tot gewesen, dennoch traf ihn die Nachricht. Tensaiga war seine Hoffnung gewesen, wenn auch nur eine vage. Nun vor der kompletten Zerstörung zu stehen war so demotivierend, das die Beine unter dem Hanyou wegbrachen und er sich auf den harten Boden vor der Trage setzen musste. Vor seinen Augen tropften sanft einige rote Perlen herunter, woraufhin er kurz den Blick hob. Der Verband an Kaedes Seite hatte sich rot gefärbt, eine Wunde – die sie sich vielleicht bei dem Sturz zugezogen hatte – musste aufgebrochen sein. Die Miko gab ein langgezogenes Stöhnen von sich und schlagartig wurde Inu Yasha bewusst, wie alt in Menschenmaßstäben sie eigentlich war. Und jetzt, mit diesen Verletzungen... Vermutlich würde er der Letzte sein, der ihre Stimme hörte. „Wir wissen nicht, wer der Angreifer war... Eine riesige Horde Dämonen zog auf, einige Mutige wollten sich ihnen schon entgegen stellen, aber sie wollen wohl zum Fluss... Es kam ein gewaltige Wind auf...“ Sie wandte ihr runzeliges Gesicht ihm zu, in dem Auge das nicht von ihrer schwarzen Augenklappe bedeckt war, schimmerte eine Träne. „Ich habe keinen deiner Freunde seit dem gesehen.“ Inu Yashas Kopf ruckte nach oben, entsetzt starrte er sie an. „Sango... Miroku...!?“, hauchte er, seine Hände zitterten. Sanft schüttelte die Alte den Kopf. „Ich konnte die Seele meiner Schwester in ihrer Wiedergeburt nicht retten... Und nun habe ich auch für die Anderen nichts tun können. Verzeih mir...“ Dann schloss sich ihr Auge und ein langer, fast zufriedener Seufzer entwich ihr. Die Miko Kaede, Kikyous Schwester, hatte ihren letzten Atemzug getan. Als Inu Yasha zum zweiten mal aus dem Wald stürmte, traf ihn erneut ein Schock. Seine Nase hatte ihn vor einer Unmenge von Dämonen gewarnt, doch sie alle waren bereits tot, überall lagen einzelne Leichteile. Eingenommen wurde das Gebiet jedoch von einem riesigen Krater. Das Flussufer war zerfetzt worden und Wasser begann sich darin zu sammeln. Am Rand des verlassenen Schauplatztes entdeckte Inu Yasha eine leblose Gestalt und stürmte darauf zu. Er ließ sich zu Boden fallen und drehte den Körper herum. „Oh nein...“ Es war Kohaku, Sangos kleiner Bruder, der so lange unter Narakus Kontrolle gestanden hatte. Er war tot, leer starrten seine Augen ihn an. Langsam dämmerte es dem Hanyou, was hier geschehen sein musste und ihm wurde schlecht. Er erinnerte sich daran, wie sie Miroku einmal zu seinem Meister, Mushin-sama, gefolgt waren. Sie hatten einen Blick auf das Grab seines Vaters werfen können, welches in einem großen Krater lag. Ähnlich sah es auch hier aus. Miroku musste das Kazaana zu lange geöffnet haben. Die vielen Leichen deuteten auf Kagura mit ihrem Totentanz als Gegner hin. Auch Sango musste in den Windsog geraten sein, nur so ließ sich Kohakus Tod erklären: Er wurde nicht mehr als Geisel benötigt. Da Inu Yasha sowohl Shippous als auch Kiraras Witterung nur bis zum Rand des Kraters verfolgen konnte, musste er auch in ihrem Fall wohl vom Schlimmsten ausgehen. Damit lebte keiner seiner Freunde mehr und das offenbar auch Kagura hier den Tod gefunden hatte, tröstete ihn nicht im Mindesten. In diesem Moment brach für ihn die Welt zusammen. Seine Knie wurden weich, er sackte zusammen, als die Informationen die seine Sinne ihm zutrugen, langsam sein Hirn erreichten und er die Bedeutung erfassen konnte. Seine Freunde. Fort. Für immer. Er war wieder allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)