You confuse me in a way I've never known von Jilienemily ================================================================================ Kapitel 4: Reunited ------------------- Kai Teil 2 In den folgenden Tagen dachte Kai des öfteren über den schüchternen, schmalen Jungen den er da gefunden hatte nach. Er geisterte in seinen Gedanken herum und hin und wieder tauchte er aus diesen auf, wenn er am Profil seiner neuesten Romanfigur arbeitete, wenn er über Begegnungsszenen nachdachte..oder einfach wenn er durch die Innenstadt schlenderte auf der Suche nach Ideen und an jenem Zebrastreifen vorbei kam. Er vermachte ihm sogar eine Nebenrolle. Sebastian, doch als was? Als den leichenblassen, ewig jungen Toten? Gefroren für immer in seiner Jugend und Schönheit? Nachdenklich stützte Kai das Kinn auf die Hände und trommelte mit den Fingern der linken Hand auf seinem rechten Handrücken im Takt der leise im Hintergrund laufenden Beethoven „Für Elise“ CD.„Sebastian..“ murmelte er und seine Brillengläser spiegelten sich auf dem Bildschirm im Kerzenlicht. Seit gut acht Stunden saß er nun schon vor seinem Sekretär und tippte, ließ immer wieder den Blick schweifen, aus dem Fenster, durch den Raum. Die Rotweinflasche neben ihm war fast leer und die Kerzen beinahe herunter gebrannt. Sich räkelnd und streckend erhob er sich, das Rotweinglas in der Hand und ging auf seinen warmen Wollsocken zur Balkontür und sah in den Schnee hinaus. Endlich ein wirklich schöner Winter. Es schneite sanft und leise ohne drückend zu wirken. Es war ein wunderschöner Abend. Eigentlich viel zu schön um ihn vorm Laptop zu verbringen. Er leerte den Rest seines Rotweins und tappste in den Flur, wo er sich dick einpackte, mit Schal, warmen Lederstiefeln, seinem Dufflecoat und schwarzen, mit Cashmere gefütterten Handschuhen. So verpackt schob er sich nur noch das Notizbuch in die Tasche und verließ das Haus. Überall kamen ihm Paare entgegen, Arm in Arm oder Händchen halten. Lächelnd beobachtete er sie, wie sie lachten und sich verliebte Blicke zuwarfen. Das war es was er am liebsten tat und worauf all seine Romane basierten. Dem was er an solchen Abenden sah und in sich aufnahm. Die Hände in den Taschen vergraben schlenderte er durch die Einkaufsmeile und bummelte die Schaufenster ab. Weihnachten stand kurz bevor und alles war so festlich, gerade die Zeit um Weihnachten war eine von Kais lieblings Zeiten. Es schien einem immer als falle zu dieser Zeit all den Menschen wieder ein wie schön es war einander zu haben und zu lieben. Aber nicht auf die kitschige Valentinstagsart, sondern auf eine reinere, unschuldigere. Traurig seufzte Kai und lehnte sich mit dem Rücken an ein besonders festlich überladendes Schaufenster und sah den Autos dabei zu wie sie in einiger Entfernung vorbei fuhren. Er beobachtete, wie ein hell erleuchteter Bus an der nahen Haltestelle hielt, Menschen ausstiegen und Menschen einstiegen. Doch da, urplötzlich fing einer dieser Menschen seine Aufmerksamkeit. Ein großer, blasser Junge der lachend mit einem schwarzhaarigen Mädchen in den Bus stieg. Die Kapuze diesmal locker auf den Schultern, den schäbigen grauen Rucksack noch immer leicht schief auf dem Rücken.„Bastian..“ im ersten Moment wollte er zum Bus rennen, einsteigen, doch dann..was sollte er da? Jetzt wo sie sich setzten, schmiegte sich das Mädchen vertrauensvoll an Bastian und nahm seine Hand. Unwillkürlich zog sich Kais Magen ein wenig zusammen. Dabei war er doch gar nicht verliebt, er kannte ihn ja nicht mal. Ohne es wirklich beabsichtigt zu haben, hatte er sich von der Scheibe abgestoßen und war ein paar Schritte auf die Bushaltestelle zu gegangen. Selbst wenn Bastian sich umdrehen und aus dem Fenster sehen.. Erschrocken hielt er inne, denn genau das tat Bastian in genau diesem Moment. Schwarz umrahmte, strahlend grüne Augen sahen ihn direkt an und für einen Augenblick setzte sein Herz aus. Da fuhr der Bus auch schon an und Bastian legte nur mit undeutbarer Miene seine Hand an das kalte Glas, dann verschwand der Bus im Verkehr. Eine ganze Weile stand Kai nachdenklich und unbeweglich in der Fußgängerzone und ließ sich zu schneien. Inzwischen waren seine schwarzen Locken schon ganz grau weil sie so vom Schnee bedeckt waren. Irgendwann, fing er einfach an zu lachen. Es war das Lachen eines Mannes der sich in einer seiner eigenen Geschichten wiederfand. Über sich selbst schmunzelnd steuerte er das nächste, einladend beleuchtete Café an um sich auf zu tauen. Drinnen war es schön warm und nur dämmrig beleuchtet, einfach passend für so eine Nacht. Auf jedem der kleinen Tische brannte eine Kerze und Lichterketten schlängelten sich wie Efeu um die Säulen des Cafés. Kai setzte sich in eine der roten, runden Bänke die kleine intimere Nischen bildeten und zückte sein Notizbuch. Fast ärgerte er sich nicht doch gleich den Laptop mit genommen zu haben. Aber der würde wiederum mit seinem grellen Licht die Atmosphäre des kuscheligen Cafés zerstören. Also schrieb er wie schon Generationen von Schriftstellern und Dichtern vor ihm von Hand, bestellte sich eine mit Sahne beladene, heiße Schokolade und ein Stück Stollen. Echten Dresdner Stollen, der beste wie er mal wieder befand. Wie schon so viele Male saß Kai bis kurz vor Ladenschluss im Café und schrieb. Danach war er durch fast 20cm hohen Schnee nach hause gestiefelt und verbrachte nun die restliche Nacht damit seine Notizen abzutippen. Der nächste morgen kam wie so viele mit Rückenschmerzen und einer Zermatschtheit im Kopf die ihn einfach lahm legte. Woran der Rotwein und die Schokolade nicht ganz unbeteiligt waren. So verbrachte er die nächsten anderthalb Wochen. Zurückgezogen in seiner Wohnung, mit Dreitagebart, in bequemen Schlafanzug und warmen Norwegerpulli. Das war seine Welt, wenn er ganz in seinen Geschichten versank und die Wirklichkeit vergaß. Erst als wirklich alles was er an Vorräten hatte aufgebraucht war und er nicht einmal mehr Wein hatte, geschweige denn Kaffe, beschloss er das es an der Zeit war einkaufen zu gehen. Das Wetter war wie so oft erneut umgeschlagen. Es goss in Strömen und nur noch grau schwarze Häufchen und pappiger Matsch erinnerten an die vergangene Schneepracht. Für gewöhnlich deprimierte ihn dieses Wetter, doch im Moment kam es ihm gelegen. Es zerstörte ein wenig die Romantik des Ganzen und so würde es ihm leichter fallen den Mord in seinem neuesten Werk zu verstricken und neu zu entheddern. Seltsamer Weise war die Stimmung im Buch extrem vom Wetter abhängig. Schien die Sonne scherzte sein Pathologe ohne Punkt und Komma, war sein Komissar gut aufgelegt und der Fall löste sich wie von selbst. Meistens musste er dann auf die nächsten Regentage warten um das ganze mit Spannung und Inhalt zu füllen. Über neue Verstrickungen nachsinnend stieg er in seinen Mondeo und fuhr zum nächst gelegenen Aldi. Wie er immer wieder feststellte, hieß dieser nicht umsonst Feinkost Aldi. Er war gerade dabei die fünfte Rotweinflasche einzupacken, er kaufte gerne auf Vorrat, als er für einen Moment zusammen zuckte. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite der Regalreihe stand ein hochgewachsener Junge mit schwarzen Haaren. Aber es war nicht Bastian. Nur ein Junge, der ihm ähnlich sah. Frustriert packte er gleich zwei Flaschen mehr ein und steuerte resigniert die Obstauslage an. Nichts lud ihn ein es genauer zu betrachten. Nur das übliche, ein paar Kiwi, eine Ananas..die Ausbeute war mager. Nachdem er sich mit allem Lebensnotwendigen versorgt hatte, vornehmlich Schokolade und Kaffee, stellte er sich an und wartete. Als er jedoch diesmal aus dem breiten Fenster sah und einen Jungen in Kapuzenpulli und mit schwarzen Haaren sah wusste er das es Bastian war. Schon schlug sein Herz schneller. Aber was tat der da? Anstatt den Laden zu betreten schloss Bastian lediglich sein Fahrrad los und setzte sich ohne sich umzusehen drauf. Kai saß fest, vor ihm eine sehr breite Dame, hinter ihm ein Pärchen, er kam hier nicht raus. Fast war er versucht die Ananas ans Fenster zu werfen. Und dann war Bastian weg, verschwunden in all dem grauen Regen. Wieso fuhr er eigentlich nicht einfach zu ihm? Er wusste doch wo er wohnte. Darüber grübelnd ob er zu ihm fahren sollte oder nicht bemerkte er gar nicht das er bereits an der Reihe war. „Aber es wäre unsinnig zu ihm zu fahren..er hat eine Freundin.“ Sagte Kai zu sich selbst und erntete entgeisterte Blicke seiner Umgebung. Schnell packte er alles ein und fuhr nach hause. Ihm war die Muse abhanden gekommen, vermutlich gefiel ihr der Regen auch nicht. Auf seinem Sofa liegend ging Kai alles was er mit Bastian verband durch. Wie lange war ihre erste Begegnung jetzt her? Zweieinhalb Wochen. Das war noch nicht wirklich lang und doch eine Ewigkeit. Es wurmte ihn das Bastian ihn nicht gesehen hatte. Bestimmt hätte er gewartet, sie wären ins Gespräch gekommen und... Kopfschüttelnd setzte er sich auf und stützte das Kinn auf die angezogenen Knie. Das war doch alles zum verrückt werden. Ganze fünf Tage hielt er es noch durch sich einzureden Bastian interessiere ihn nicht und es sei sowieso aussichtslos weil er ja eine Freundin habe. Doch um genau 13:45 Uhr an einem erneut verschneiten Freitag gingen ihm die Argumente aus und er warf sich in Schale um ziellos durch die Innenstadt zu marschieren und auf ein Wunder zu hoffen. Die Möglichkeit zu ihm zu fahren schloss er als Eingriff ins Schicksal aus. Wenn diese universelle Macht sie zusammenführen wollte, würde ihr das auch gelingen. Davon war er fest überzeugt. Mit dieser Hoffnung gewapnet schlenderte er durch die Fußgängerzone und versuchte nicht all zu offensichtlich zu suchen. Das war schon absurd was er da tat, aber Schriftsteller taten nun mal seltsame Dinge. Gewissermaßen gab ihm sein Beruf Narrenfreiheit, kreative Geister taten Dinge eben gern anders als es..normale Menschen taten. Mit jedem Schritt den er tat wurde er ungeduldiger, das Schicksal war aber auch wieder besonders unberechenbar. Nach einem dreistündigen Marsch durch die Eiseskälte, entschied er, dass nichts gegen eine warme Tasse Kakao einzuwenden war. Leicht zitternd und durchfroren steuerte er ein Café an, als ein Fahrradfahrer direkt vor ihm aus einer Seitengasse kam und ihn fast umriss. „HEY!“ schrie er erschrocken und starrte dem Fahrer hinterher. Der drehte sich um und drei Dinge geschahen auf einmal. Erst schrie Kai „BASTIAN!“ dann schrie Bastian „KAI!“ und dann trat Bastian in die Bremsen. Eine wirklich dumme Idee da das schwarze Kopfsteinpflaster von Schneematsch bedeckt war und Bastian samt Fahrrad eine Filmreife Bruchlandung hinlegte. Sofort rannte Kai zu ihm und kniete sich neben ihn. „Bastian? Hast du dir weh getan?“ fragte er besorgt und strich ihm vorsichtig die Strähnen aus der Stirn. Anstatt einer Antwort brach Bastian in helles Lachen aus, fuhr hoch und umarmte Kai stürmisch. „Nein mir ist nichts passiert. Mir geht’s gut.“ Lachte er und Kais Herz schlug immer wilder. Sanft umarmte auch er Bastian und drückte ihn an sich. Es war ein herrliches Gefühl ihn so im Arm zu halten. Hosted by Animexx e.V. 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