Auf der Suche nach Glück von Fukai ================================================================================ Kapitel 9: Fallen Angel ----------------------- Auf der Suche nach Glück Chapter 9: Fallen Angel Erzählt von Draco Malfoy Es war der Tag vor dem großen Quidditch-Spiel, der Begegnung zweier Welten. Slytherin traf auf Gryffindor. Schon Wochen vor diesem Event wurden jedes Jahr Wetten abgeschlossen. Ich bekam von dem ganzen Trubel herzlich wenig mit. Zwar war ich noch immer der Sucher der Slytherins, doch galt ich schon lange nicht mehr als vollwertiges Mitglied. Viele meiner Teamkameraden waren Siebtklässler und standen kurz vor ihrem Abschluss und somit kurz vor ihrer Aufnahmeprüfung in die Reihen der Todesser. Ich wusste es, denn ich selbst hätte einst einer von ihnen werden sollen. Aber meine Verweigerung ließ mich zu einem Ausgestoßenen werden. Ich war kein respektabler Slytherin mehr, galt vielmehr als Verräter der Tradition, als Verräter der Prinzipien. Seit der Lord vor gut eineinhalb Jahren auferstanden war, ist die Welt immer tiefer in Dunkelheit versunken und die Jugend mit ihr. Wie viele haben sich ihm angeschlossen? Wie viele ahnten nichts von den Folgen? Sie alle waren jung, ehrgeizig und dumm. Und ich? War ich denn besser? Ich hatte mich gewehrt... und nun bin ich von meiner Familie, meinen "Freunden" und meinem Haus verstoßen. Ich habe alles verloren. Kein Zufluchtsort ist mir geblieben, kein Plätzchen der Ruhe und des Friedens. Wer respektierte schon einen Verräter, der zur Gefahr aller werden konnte? Ich besaß zu viel Wissen über die Dunkelheit. Sie war schon fast ein Teil von mir. Und so beschlossen sie mich aus dem Weg zu räumen. Denn nun war auch das letzte Hindernis beseitigt. Ich stand nicht länger unter der schützenden Hand meines Vater. Ich war nicht länger sein Sohn, den es zu züchtigen und zu erziehen galt. Er hatte das Spiel verloren und somit auch die Lust an mir. Ich war wertlos geworden, seiner Obhut nicht mehr würdig. Es gab nur noch zwei Stützen in meiner Welt: Crabbe und Goyle. Sie hielten noch immer zu mir, beschützten mich, wann immer sie um mich herum waren. Doch auch sie konnten nicht ewig Bodyguards spielen. Es war nur eine Frage der Zeit. Und die hungrigen Wölfe warteten geduldig auf den richtigen Moment. Besonders günstige Augenblicke gab es immer in den Stunden, in denen ich ganz auf mich allein gestellt war. In Fächern wie Wahrsagen und Alte Runen, die Crabbe und Goyle nicht belegt hatten, war ich ihnen ausgeliefert. Nach einiger Zeit waren die verbalen Angriffe den tätlichen gewichen. In verlassenen Gängen fielen sie über mich her, predigten mir von meinem Verrat, lehrten mich das Gefühl der Sühne. Irgendwann schließlich war mir alles egal geworden. Jeder Tag war wie der andere. Alle waren sie grau. Ich sah keine Farben mehr. Ich, der ich einst Klassenbester war, sackte in der Schule ab. Ich verschloss mich immer mehr, sprach mit niemandem mehr, selbst mit Crabbe und Goyle wechselte ich nur noch wenige Worte und auch die Attacken der Slytherins sowie die der anderen Häuser, zu deren Feindbild ich noch immer gehörte, auch wenn ich kein anerkannter Slytherin mehr war, prallten wirkungslos an mir ab. Es war, als lebte ich neben mir her. Ich war so leer, nur noch eine menschliche Hülle. Man brauchte keine Dementoren, um mir die letzten Glücksgefühle zu entsaugen, denn sie waren schon längst verblasst. Nur mein Stolz war mir geblieben, jener Stolz, der verhinderte mir irgendeines meiner Gefühle anmerken zu lassen. Emotionslos und kalt wie immer traf mein verachtender Blick auf alles und jeden, vernichtete Zweifel an meiner Stärke und meinem ungebrochenen Willen. Mein Schauspiel war perfekt. Aber nun war er fast da. Der Tag des Quidditch-Turniers. Schon allein bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht. Ich war während der letzten Wochen zu einem Schatten geworden, doch nun würde ich wieder in den Mittelpunkt treten, ich, der klägliche Sucher "meines" Hauses, im Zwielicht des großen Harry Potters. Potter hatte sich, auch wenn ich es hasse dies zuzugeben, in den letzten Jahren zu einem herausragenden Sucher entwickelt, dessen Chancen auf einen Posten in der Nationalmannschaft nicht schlecht standen. Wir würden nicht gewinnen, dass wusste ich, ebenso wie meine Teamkameraden es wussten. Ich wunderte mich sowieso, wieso sie mich nicht aus der Mannschaft rausgeschmissen hatten. Vielleicht verfolgten sie einen Plan, vielleicht war es auch nur eine neue Methode der Bestrafung, da sie ganz genau wussten, dass mich außer meinem Stolz nichts in der Quidditch-Mannschaft hielt. Ich wollte raus, doch ich würde nicht von allein gehen. Welch verdammte Zwickmühle. Lustlos stocherte ich in meinem Gemüse herum. Es war Abend und die Große Halle von Gesprächen erfüllt. Die Gryffindors kündeten schon den ganzen Tag lautstark ihren Sieg an, wobei sie von Jubelsalven der Ravenclaws, wie auch Hufflepuffs unterstützt worden. Die Laune am Slytherin-Tisch war brodelnd. Überall sah man finstere Gesichter und Drohgebärden. Nicht gerade wenige kämpften gegen den Zwang an sich auf einige vorlaute Gryffindors zu stürzen und dem ganzen jetzt schon ein Ende zu setzen. Ich hatte meinen Kopf unbeteiligt auf meinen Arm gestützt und starrte wie gebannt auf meine Erbsen, die, wie mir schienen, in einem unnatürlichem Giftgrün leuchteten. Widerlich. Seufzend beförderte ich sie mit einem Schubs der Gabel beiseite. "Sie an, unser Outlaw", das war seit neustem mein Spitzname, "hat wieder was an seinem Essen auszusetzen. Schulessen ist ihm wohl jetzt nicht mehr gut genug!?" Ich erkannte die gehässige Stimme des Slytherins, auch ohne dass ich meinen Kopf wenden musste. Es war Blake, unser Quidditch-Kapitän. Er und die restlichen Slytherins hatten einen Grad erreicht, an dem sie über jede meiner Handlungen, seien sie auch noch so banal, einen sinnlosen Kommentar ablassen mussten. Ich ignorierte sie jedes mal. "Jetzt ist er sich selbst zu fein dafür mit uns zu reden. Wollen wir nur hoffen, dass er während des Spiels morgen nicht vor Hunger vom Besen fällt. Wäre doch schade!" Ein spöttisches Gelächter entbrannte an der langen Tafel. Nur Crabbe und Goyle, die wie Bannkreise links und rechts von mir saßen, beteiligten sich nicht daran. Anfangs hatten sie ihnen noch widersprochen, hatten mich verteidigt, doch ich hatte ihnen gesagt, dass sie es lassen sollten, damit sie nicht auch noch in Schwierigkeiten kamen. Außerdem würden Widersprüche die Diskussion nur noch unnötig in die Länge ziehen. Und das war nun wirklich nicht in meinem Sinne. So blieben die beiden stumm und ich stocherte weiter lustlos auf meinen Erbsen herum, die nun einsam neben meinen unangerührten Kartoffeln verweilten und auf ihren Verzehr warteten. Doch da konnten sie lange warten. Ich hatte absolut keinen Hunger. Ich überlegte schon aufzustehen und mich an ein einsames Plätzchen zurückzuziehen, als Professor Dumbledore auf den Slytherin-Haustisch zutrat und seinen gütigen Blick langsam über die versammelten Gesichter schweifen ließ und schließlich bei mir hängen blieb. "Mr. Malfoy, würden Sie bitte mit in mein Büro kommen. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen!" Ich nickte verunsichert und folgte ihm unter vielen neugierigen Blicken aus der Großen Halle. Unser Marsch verlief in Schweigen. Ungeduldig trottete ich hinter ihm die verlassenen Flure entlang, bis wir endlich den steinernen Wasserspeier erreichten und Dumbledore das Passwort nannte. Wortlos betrat ich sein Büro und ließ mich auf seinen Wink hin auf einen der bequemen Stühle nieder. Ich war noch nie hier gewesen. Es war ein merkwürdiger Ort, vollgestopft mit Büchern und seltsamen Gegenständen. Auf einem Schrank erblickte ich den Sprechenden Hut, welcher gerade überlegte, welches Wort sich auf "erhören" reimte. Ich legte einen Moment den Kopf schief. "Verschwören, zerstören", half ich ihm schließlich aus. Er hielt kurz inne und musterte mich verwundert. "Ja, das ist gut, << eure Wünsche, die werd ich gerne erhören, denn ich will ja keine Träume zerstören >>. Das ist wirklich gut. Danke, mein Junge." Ich grinste leicht. Das Gerücht stimmte also - er dachte sich tatsächlich das ganze Jahr eine neue Rede aus. Mein Blick glitt weiter zu dem prächtigen roten Phönix. Er war wunderschön. Sein Gefieder glänzte im Licht und warf sanft die verschiedensten Rot-, Gelb- und Orangetöne durch den Raum. Erst ein leises Räuspern meines Direktors riss mich von dem faszinierenden Anblick los. Ein amüsiertes Lächeln umspielte Dumbledores Lippen. "Nun", sein Lächeln erstarb, "ich habe die ungnädige Aufgabe Ihnen eine traurige Nachricht zu überbringen und ich wollte es Ihnen nicht unbedingt in Anwesenheit aller mitteilen." Er stockte und sein trauriger Blick ruhte schwer auf mir. Ich schluckte. Eine ungute Vorahnung beschlich mich. Nein, das konnte nicht sein. "Es tut mir wirklich von Herzen Leid, aber mir ist vor etwa einer halben Stunde eine Nachricht zugekommen, in der stand, dass Ihre Mutter heute verstorben sei." Regungslos sah ich ihn an, unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Besorgnis ruhte auf mir. Meine Hände krampften sich unbewusst in die hölzernen Stuhllehnen und ächzten protestierend unter der Belastung. "Das kann nicht sein... Sie... kann nicht..." Meine Stimme versagte. Eine schwere, unsichtbare Last legte sich auf meine Schultern, zog mich herunter in ein bodenloses Loch, schwarz und unendlich. Alles begann sich um mich herum zu drehen, wie ein Strudel der Gefühle, in den ich immer tiefer hineingerissen wurde. Der Direktor zerrann vor meinen Augen zu grauen trostlosen Fetzen und jegliche Geräusche verstummten, wichen einem monotonen Rauschen, einem tosenden Wasserfall gleich. Von weit entfernt vernahm ich ihre sanfte, säuselnde Stimme - als versuchte sie durch den Sturm zu mir durchzudringen, wie ein Kämpfer gegen die Allmacht der Natur. ,Ich werde nicht zulassen, dass er dir noch einmal wehtut, Draco. Nie mehr, solange ich lebe.' Alles was folgte war nur noch Leere... Ich musste wohl wortlos das Büro Dumbledores verlassen haben, denn ich erinnerte mich an nichts mehr, als ich mich plötzlich in einem dunklen, verlassenen Gang wiederfand. Mit geschlossenen Augen lehnte ich an kaltem Fels, meine Arme hingen schlaff herab, als wollten sie nie wieder meinen Anweisungen gehorchen. Dumbledores Worte hallten noch immer in meinen Ohren wieder, doch noch immer konnte ich sie nicht wirklich verstehen. Als hätte der Schock meinen Verstand gelähmt. Tot? Wie konnte sie tot sein? Nein, sie lebte. Sie musste einfach noch am Leben sein. Dumbledore musste sich irren. Das konnte nicht wahr sein! Ich stieß mich schwerfällig von der Wand ab und taumelte haltlos durch den düsteren, schier endlosen Flur. Wie ein Gespenst zog ich orientierungslos durch Hogwarts auf der Suche nach mir selbst, auf der Suche nach meiner Selbstbeherrschung, meinem inneren Gleichgewicht, meiner kalten, ruhigen Maske, die durch einen einzigen Satz zerbröckelt war. Meine Suche nach Glück hatte in einem Alptraum geendet... Erzählt von Harry Potter Zwar freute ich mich auf das morgige Quidditch-Turnier, doch hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Die übliche Torschusspanik blieb aus. Die Nervosität hatte sich nicht eingestellt, ebenso wenig wie meine Aufregung und Schlaflosigkeit vor sonstigen Spielen. Ich war die Ruhe selbst. Manche vermuteten vielleicht einen eiskalten Profi hinter dieser Maske, doch ich wusste, dass dies lediglich an meiner Verwirrung lag, welche mich hoffnungslos übermannt hatte. Ich wusste nicht mehr, was ich denken, noch wem ich glauben sollte. Immerhin war das Weltbild meines Erzrivalen binnen weniger Tage wie ein Kartenhaus in sich zusammen gefallen, hatte mir einen ganz anderen, scheinbar zerbrechlichen, verlorenen Malfoy offenbart, den ich kaum wiedererkannte. Für einen winzigen Augenblick hatte ich hinter seine Fassade blicken können, welche sich schon seit den fünf Jahren, die wir uns kannten, perfekt um ihn gelegt hatte, sodass keiner ahnte, was wirklich hinter dieser Maske in dem Jungen vorging. Und diese Erkenntnis nahm all meine Gedanken in Anspruch, sodass der ganze Wirbel um das Quidditch-Turnier nur nebensächlich erschien. "Harry?" Ich schreckte auf. "Was? Hast du was gesagt, Ron?" Mein rothaariger Freund schürzte die Lippen. "Mensch Harry, ich fänd es echt in Ordnung, wenn du mir zuhören würdest, damit ich nicht jedes Mal alles doppelt und dreifach sagen muss." Er grinste gequält. "Sorry!" Ich lächelte verlegen. Wir befanden uns gerade auf dem Rückweg zum Gryffindor-Turm. Das Abendessen war vorüber und Ron versuchte die ganze Zeit verkrampft ein Gespräch über Quidditch ins Rollen zu bringen, doch meine Gedanken waren immer wieder abgewichen, sodass ich die Hälfte nicht mitbekommen hatte, sehr zum Leidwesen meines besten Freundes. "Auch egal. Ich wollte eigentlich nur deine Meinung zu - autsch." Ron hielt erschrocken inne und rieb sich die Stirn, mit der er soeben gegen etwas oder besser gesagt jemanden gestoßen war. "Tut mir echt Lei-", begann er grad sich zu entschuldigen, als er seinen Kollisionspartner erkannte und angewidert das Gesicht verzog. "Malfoy", zischte er genervt. Ich sah auf. Tatsächlich. Ron war direkt in den blonden Slytherin hineingerannt. Ich erwartete ein abfälliges Kommentar über Rons Familie, seine Armut oder seine rote Haarfarbe, doch sie blieb aus. Ron schien dies ebenfalls zu verwirren, denn er runzelte überrascht die Stirn. "Hey Malfoy?" Ich wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. "Erde an Malfoy. Jemand zu Hause?" Keine Reaktion. Er blickte weder auf, noch ging er wortlos an uns vorbei. Er stand lediglich an die Wand gelehnt, an die er, nach dem Zusammenstoß geprallt war, und starrte auf den Steinfussboden. Verwirrt schob ich Ron beiseite und trat auf den Slytherin zu. "Malfoy?" versuchte ich ihn aus seiner, ihn scheinbar völlig einnehmenden, Gedankenwelt zu reißen. "Alles in Ordnung?" Er reagierte noch immer nicht, doch als ich ihn die Hand auf die Schulter legen wollte zuckte er ruckartig zusammen und sank haltlos an der rauen Wand zu Boden, geradewegs in meine, reflexartig vorgestreckten, Arme hinein. "Woah", kam es verwundert von mir, als ich ihn langsam zur Erde gleiten ließ. "Was' denn mit dem los?", stellte Ron nun die Frage, die uns allen auf der Zunge lag, auch wenn wir sie wahrscheinlich besser ausformuliert hätten. "Ich hab keine Ahnung. Vielleicht hast du ihn mit deiner harten Rübe KO geschlagen", gab Hermine ratlos zum Besten, während ich mich besorgt neben dem noch immer schweigenden Malfoy niedergelassen hatte und an seiner Schulter rüttelte. "Er scheint völlig weggetreten", kommentierte ich schließlich. "Wir sollten ihn zu Madam Pomfrey bringen." "Wozu denn?", fragte Ron trocken. "Ron", zischte ich verärgert. "Wir können ihn nicht hier liegen lassen. Das ist grausam." Mein rothaariger Freund zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Er hat es nicht anders verdient." Ich schenkte ihm einen bösen Blick, ehe ich mich wieder Malfoy zuwandte und ihn zum ersten mal seit dem Zusammenstoß eingehend musterte. Er lehnte nun mit geschlossenen Augen an der Wand, die silberblonden Haare wirr nach allen Seiten abstehend, die Wangen blutleer und eingefallen, die Augen von tiefen Ringen gezeichnet. Seine Hände, die schlaff auf der dreckigen Erde lagen, zitterten unaufhörlich, als ständen sie unter Strom. "Mein Gott", meinte Hermine, die sich anscheinend meiner Musterung angeschlossen hatte. "Er sieht schrecklich aus. Harry hat recht. Lasst ihn uns zur Krankenstation bringen." Ron seufzte, nickte dann aber zustimmend und half mir und Hermine Malfoy wieder auf die Beine zu ziehen. Gemeinsam schleiften wir ihn durch die leeren Gänge. Kurz nachdem wir Malfoy auf die Krankenstation gebracht hatten hatte Madam Pomfrey uns auch schon wieder davon gescheucht. Nach einem kurzen Gespräch mit Professor Dumbeldore, welches wir unauffällig belauscht hatten und welches die Krankenschwester wohl durch den Kamin geführt hatte, erfuhren wir, dass der blonde Slytherin sich wenige Minuten zuvor in Dumbledores Büro aufgehalten hatte, wo er eine unangenehme Nachricht erhalten haben musste. Neugierig geworden hatte Ron vorgeschlagen, dass wir meinen Tarnumhang benutzen sollten, um uns näher heran zu schleichen, um mehr zu erfahren. Nach endlosen Diskussionen zwischen der moralisch zweifelnden Hermine und dem moralisch nicht daran interessierten Ron hatten sich die zwei schließlich geeinigt. Und da standen wir nun. Zusammengequetscht in einer Ecke der Krankenstation und lauschten jedem Wort zwischen Madam Pomfrey und unserem Direktor, der inzwischen persönlich auf der Krankenstation aufgetaucht war. "Der arme Junge steht unter Schock", schimpfte Madam Pomfrey gerade. "Es war unverantwortlich von dir, Albus, ihn nach so einer Nachricht allein durch die leeren Flure Hogwarts laufen zu lassen. Der Junge ist am Ende." Sie schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. "Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn die Drei ihn nicht gefunden hätten." Albus Dumbledore, der weiseste Zauberer, der mir je begegnet war, seufzte schon ungefähr zum hundertsten Mal. "Es tut mir Leid, Poppy. Du hast ja Recht. Ich hätte nur nicht gedacht, dass es ihn derart aus der Bahn wirft." Er schüttelte ratlos den Kopf. "Ich hielt ihn für widerstandsfähiger, hatte sogar damit gerechnet, dass er es ganz gleichgültig aufnimmt. Er zeigt ja auch sonst kaum irgendwelche Emotionen." "Das muss ja nicht gleich heißen, dass er keine hat." "Du hast recht, Poppy, wie immer." Dumbledore lächelte gequält. "Wir sollten Severus benachrichtigen. Vielleicht kann er uns über den Gemütszustand seines Zöglings aufklären." "Das ist das einzig vernünftige", bestätigte sie seinen Vorschlag. "Oh nein", hörte ich Ron leise neben mir stöhnen. "Nicht Snape." "Ssh", ermahnte ihn Hermine alarmiert. "Sei ruhig, Ron, sonst bemerken sie uns noch." Madam Pomfrey hatte sich inzwischen Malfoy zugewandt, während Professor Dumbledore Snape informierte, wieder einmal über den Kamin. Leise hörte ich das Gemurmel der beiden Männer, doch verstand ich ihre Worte nicht, denn meine Aufmerksamkeit galt ganz allein dem blonden Slytherin. Er lag ausgestreckt auf einer trostlosen Pritsche, die Hände in die leblose Matratze gekrampft, die Augen fest verschlossen. Seine Körperhaltung wirkte angespannt, beinahe verkrampft. Die einzige Regung war das unregelmäßige Heben und Senken seiner Brust. Ich erkannte nicht, ob er schlief, oder nur so tat, als schliefe er, um zu verhindern, dass man ihn mit nervigen Fragen überhäufte. Er war ein komisches Gefühl hier zu stehen, so völlig unwissend, angefüllt mit Fragen, die das eigene Gewissen löcherten. Ich mochte dieses Gefühl nicht, das Gefühl nutzlos zu sein, nicht zu wissen, wie man helfen konnte, noch wie man sich verhalten sollte und mit dem neugewonnenen Wissen umzugehen hatte. Malfoy war nie ein Freund gewesen, niemand, mit dem man scherzte, Gedanken austauschte oder mit dem man sonnige Nachmittage am See verbrachte. Ich kannte ihn nicht, noch verstand ich, was hinter seiner eisigen Fassade vor sich ging. Zwar hatte ich binnen der letzten Wochen einen kleinen Einblick in seine verborgene, dunkle Welt erhalten, doch kann ich nicht behaupten, dass mich dieses Wissen ihm näher gebracht hätte. Allerdings wüsste ich auch keinen Grund, wozu dies gut sein sollte. Er war immerhin Draco Malfoy und ich war Harry Potter. Schon die Erwähnung unserer beiden Namen in einem Satz war ungewöhnlich. Wir würden uns wohl nie im Leben gut verstehen. Dies war eine Utopie. Wir waren uns völlig fremd, zwei völlig unterschiedliche Individuen, die eigentlich meist nur durch Zufall oder die tägliche Pflicht aufeinander trafen. Im Grunde war es mir doch egal, was er verbarg, was ihn beschäftigte und welche Nachricht Dumbledore ihm überbracht hatte. Ich hatte weder das Recht mich da einzumischen, noch großes Interesse daran. Schließlich war das sein Leben. Er mischte sich auch nicht in meines ein. Was sollte also diese blöde Bespitzelungsnummer? Das war doch dämlich. Ich war an seinen albernen Geheimnissen nicht interessiert. Jedenfalls versuchte ich mir das einzureden, auch wenn ich spürte, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach, wo doch ständig diese verdammte Neugier an meinen Nerven zerrte. Madam Pomfrey hatte sich inzwischen über den leblosen Slytherin gebeugt und machte Anstalten ihn auf körperliche Verletzungen zu untersuchen, doch sie hatte ihn kaum berührt, da zuckte er schon entsetzt unter ihren Fingern zusammen, woraufhin sie ihre Hände erschrocken wieder zurückzog. Ihrem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass sie sich wohl ebenso über dieses Verhalten wunderte, wie ich mich. Malfoy war regelrecht verschüchtert, als habe er Angst sie könnte ihm wehtun. Mit fahrigen Augen setzte er sich auf und vergrub seine Finger in dem schwarzen Umhang, um ihn so zusammen zu halten. Madam Pomfrey schüttelte verwirrt den Kopf. "Mr Malfoy, ich freue mich, dass Sie wieder unter den Lebenden weilen, dennoch muss ich einige Untersuchungen an ihnen durchführen. Wenn Sie sich also bitte ihres Umhangs entledigen könnten." Malfoys Augen verengten sich zweifelnd. "Keine Angst", versuchte die korpulente Krankenschwester ihn zu beruhigen. "... das muss Ihnen nicht peinlich sein. Ich habe so etwas schon öfters gesehen." Sie lächelte spitzbübisch, doch Malfoy verzog keine Miene. Der Trotz sprach aus seinen Augen, doch auch wenn er versuchte Haltung zu wahren entging mir sein erbärmlicher Anblick keineswegs - ein Anblick, der eines Malfoys normalerweise nicht würdig war. Nie hatte er sich so gehen lassen, sodass andere seine Gefühle bemerkten. Doch nun wirkte er so zerbrechlich, wie ein verwundetes Rehkitz, ohne den Schutz seiner Mutter. Es brauchte schon viel, um ihn derart aus der Bahn zu werfen. Es dauerte nicht lange, und auch der Meister der Zaubertränke erschien auf der Krankenstation. Er wirkte gehetzt, und man merkte, dass er gerannt war. Gerannt für seinen Slytherin, seinen Zögling, wie Dumbledore es ausgedrückt hatte. Aber würde er sich für einen anderen Slytherin auch so beeilen? Oder würde er das nur für diesen einen, ihm besonders lieben, Hausbewohner tun? Ich wusste es nicht, doch sah ich die Besorgnis in den sonst so kalten Augen des sonst so gefühllosen Zaubertränkelehrers und ich spürte, dass diese Sorge echt war. Malfoy hatte ihn doch tatsächlich um den Finger gewickelt. Und wie. Doch was dachte ich da überhaupt? Hatte ich nicht beschlossen nicht mehr so voreilige Schlüsse zu ziehen. Immerhin hatte ich Malfoy in den letzten Wochen von einer ganz anderen Seite kennen gelernt, eine Seite, die ihn mir sowohl ein wenig sympathisch gemacht, als auch Mitleid in mir hervorgerufen hatte. Snapes Fürsorge und Besorgnis konnte auch anderweitig begründet sein. Es musste nicht darauf hinauslaufen, dass er Malfoy lediglich wegen seines Standes und seiner Herkunft bevorzugte, sondern dass ganz andere Bande zwischen ihnen existierten. Womöglich wusste der Potion Master weit mehr als alle anderen. "Albus, was ist geschehen?" kam seine Frage ohne Umschweife. "Ist etwas mit seinem Vater?" Eine steile Falte vollzog sich auf seiner blassen Stirn, als er grimmig eine Augenbraue in die Höhe zog. Er schien nicht besonders auf Dra- Malfoys Vater zu sprechen zu sein, obwohl ich dachte, dass Malfoy gerade wegen seines Vaters in Snapes Gunst stand, sozusagen eine erkaufte Position. Doch dem schien nicht so zu sein. Der Direktor schüttelte müde den Kopf. "Nein, Severus, es ist seine Mutter... Sie ist tot!" ~*~ "Hättest du gedacht, dass ihn der Tod seiner Mutter so ans Herz geht", fragte Hermine gerade, als wir uns auf dem Rückweg zum Gryffindor-Turm befanden. Sie hatte uns zum Gehen gedrängt, da sie sich dass nicht länger anhören wollte. Ich spürte, dass es sich irgendwie mitgenommen hatte. Zum ersten Mal hatte sie ebenfalls Mitleid mit Draco Malfoy, dem Jungen, dem wir wohl unter normalen Umständen alles mögliche an den Hals gewünscht hätten. Doch die Umstände waren schon lange nicht mehr normal. Alles war irgendwie aus den Fugen geraten. "Ich hab es euch noch gar nicht erzählt. Malfoy...", ich suchte nach den richtigen Worten, "in den Ferien... da hat er in meinem Nachbarhaus gewohnt." "Bei den Muggels?" fragte Ron verwirrt. "Aber er hasst sie doch." "Nein, nicht bei einer Muggelfamilie", berichtigte ich ihn. "Erinnert ihr euch noch daran, wie Dumbledore meinte, dass Sirius die alten Kämpfer zusammenrufen sollte?" Die beiden nickten. "Er erwähnte dabei auch den Namen Arabella Figg. Mir ist endlich wieder eingefallen, woher ich den Namen kenne. Nun, meine Nachbarin, eine alte Dame mit Unmengen von Katzen, sie ist es, sie ist dieses Arabella Figg. Und ich hab es die ganzen Jahre nicht bemerkt, dass sie eine Hexe ist. Ich hielt sie immer nur für eine verrückte Omi mit Katzen und einem geblümten Sofa." "Und bei ihr hat Malfoy gewohnt?" fragte Hermine verwirrt. "Was denn, echt? Sie hat ein geblümtes Sofa", warf Ron ein. Hermine schmetterte ihm einen Nicht-jetzt-Ron-Blick zu und signalisierte mir dann mit einem weiteren warnenden Blick auf ihre Frage zuerst zu antworten. Ich nickte also, was beide als ein Ja deuteten. "Ich wollte es auch erst nicht glauben", fuhr ich fort. "Vor allem die Art und Weise, wie er auftauchte. Ich war im ersten Moment nicht sicher, ob er es wirklich war, denn ich hab nur seine blonden Haare gesehen... Er lag bewusstlos in den Armen seiner Mutter. Das war wirklich ein merkwürdiger Anblick." Ron zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. "Ein Wunder, das sie nicht unter dem Gewicht zusammengebrochen ist", wunderte er sich und erntete schon wieder einen fiesen Blick von unserer Freundin. "Ich mein ja nur", murrte er beleidigt. "Bewusstlos?" wiederholte Hermine ungläubig. "Aber... wieso?" "Glaub mir, dass würde ich auch gerne wissen..." Ron nickte nur bestätigend, obwohl ich das ungute Gefühl nicht loswurde, dass er noch immer über das geblümte Sofa nachdachte. "Da ist irgendwas im Busch", machte ich meinen Gedanken Luft. Es tat gut endlich mal mit jemanden darüber reden zu können. Während der letzten Tage hatte ich mir ununterbrochen den Kopf zerbrochen. Kopfschmerzen waren bereits zum Dauerzustand geworden. "Malfoy flieht vor irgendwas. Ich hab das Gefühl, dass er Angst hat. Als sein Vater in Kings Cross auftauchte war er beinahe panisch. Und nun liegt er mit einem mittleren Nervenzusammenbruch auf der Krankenstation. Also irgendwas läuft hier ganz schön falsch, das sag ich euch." "Du meinst sein Vater bedroht ihn?" beendete Hermine meine Gedanken. "Ist gut möglich." "Schon merkwürdig. Malfoy ist der letzte Mensch bei dem ich Familienprobleme vermutet hätte." Hermine versenkte ihre Hände in den tiefen Taschen ihres Umhang. "Ja", bestätigte ich. "aber wer weiß schon, was noch so in ihm vorgeht? Ich hab das Gefühl wir kennen Malfoy gar nicht..." Erzählt von Draco Malfoy Noch nie hatte ich mich so blamiert. Es war eine Schande, wie ich mich hatte gehen lassen. Wie soll ich Potter oder dem Wiesel und dem Schlammblut jetzt noch in die Augen sehen? Welch jämmerliche Vorstellung. Aber wieso von allen Schülern Hogwarts hatten ausgerechnet diese drei ich finden müssen? Konnte Schicksal wirklich so grausam sein? Das nannte man wohl die Banalität des Bösen... Doch inzwischen hatte ich mich wieder gefasst, soweit dies möglich war. Da saß ich nun, umringt von Lehrern, überhäuft mit idiotischen Fragen. Snape maß mich schon die ganze Zeit mit leeren Augen. Er hat den selben Blick wie mein Vater drauf. Emotionslose schwarze Augen, eine unsägliche Leere, als befände sich hinter seinen Lidern das unendliche Nichts. Ich vermutete, dass meine Augen in diesem Moment seinen glichen. Ich fühlte mich so leer, so nichtig, wie mein Spiegelbild, welches in den trostlosen Augen meines Hauslehrers verloren ging. Ich war mir sicher, dass Snape Bescheid wusste. Es hatte sich wahrscheinlich längst herum gesprochen, dass mein Vater seinen Erben verstoßen hatte. Die Frage war nun, ob Snape Mitleid hatte, da er meinen Vater noch nie hatte leiden können, oder ob er nur den besorgten Lehrer heuchelte, um seine Tarnung als loyaler Lehrer vor Dumbledore nicht fallen zu lassen. Es war mir auch gleich. Weder brauchte ich das eine, noch das andere. Snape konnte mir auch nicht weiter helfen, egal auf welcher Seite er stand. "Mister Malfoy?" Ich sah erschrocken auf. Dumbledore musste mir eine Frage gestellt haben, denn er betrachtete mich erwartend, als verlange er eine Antwort. Er schien mein Schweigen richtig zu deuten, denn er wiederholte den vorhergehenden Satz. "Wie fühlen Sie sich?" "Gut. Es ist alles wieder in Ordnung", versuchte ich mir meine Ruhe zu erkämpfen. Wie mir schien sinnlos. Madam Pomfreys Miene verdüsterte sich merklich. "Sehr witzig, junger Mann. Aber so leicht kommen Sie mir nicht davon. Sie werden diese Nacht hier bleiben und auch das morgige Quidditch-Spiel ist gestrichen." Sie nickte zu meinem Hauslehrer, der damit einverstanden zu sein schien. Ganz anders als ich. Zwar hasste ich diesen Sport mit jedem mal mehr und mehr, doch würde ich mir nicht die Blöße geben und nicht erscheinen. Jeder würde es als Zeichen der Schwäche deuten. "Was?! Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde spielen!" machte ich meiner Entschlossenheit Luft. "Oh nein, das werden Sie nicht", erwiderte die Krankenschwester beinahe belustigt. Dies steigerte meinen Trotz jedoch nur um ein weiteres. "Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen. Und festhalten können Sie mich hier auch nicht." Mit grimmiger Miene sprang ich von der Pritsche. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir jemand die Schuhe ausgezogen hatte, denn eine augenblickliche Welle von Kälte durchfuhr meine nackten Füße. Das flammende Stechen an meinen Fußsohlen war mehr lästig als wirklich schmerzhaft. Es einfach nicht beachtend stolzierte ich an der fassungslosen Madam Pomfrey, dem etwas verdutzten, jedoch dennoch amüsiert lächelnden Dumbledore und meinem ausdruckslos verharrendem Hauslehrer Snape vorbei hinaus in die bedrückende Leere meines Lebens. Möge das Spiel beginnen. Ich war bereit! Erzählt von Harry Potter "Was passiert eigentlich, wenn Malfoy morgen nicht als Sucher antreten kann? Wird dann das Spiel abgesagt?" platzte Ron plötzlich zwischen den Hausaufgaben heraus. "Vielleicht haben sie einen Ersatzspieler", argumentierte ich. Den Gedanken an das Quidditch-Spiel hatte ich schon längst wieder verdrängt und erst Rons Frage hatte mich wieder daran erinnert. "Und was, wenn nicht? Ich hab schon mein ganzes Taschengeld auf Gryffindor gesetzt." Ich seufzte. "Ich hab dir schon so oft gesagt, dass du nicht wetten sollst. Du bist nun mal nicht der reichste, um auch noch das letzte bisschen Geld in blöden Wetten zu verlieren." Ron zog eine spöttische Grimasse. "Bei Merlin, Harry, sei doch nicht so bescheiden. Ihr gewinnt doch immer. Slytherin hat gegen den weltbesten Sucher doch gar keine Chance!" Er gab mir einen kameradschaftlichen Klaps auf die Schulter. "Ron, nenn mich NICHT so! Ich bin nicht besser, als alle anderen. Außerdem gehören zu einem Quidditch-Spiel sieben Mann. Und seit Angelina und die anderen weg sind haben wir ganz neue Spieler. Das ist unser aller erstes Spiel in diesem Schuljahr. Wir haben noch nie in dieser Konstellation gespielt. Gar nichts ist sicher." Ron stieß einen langen Seufzer aus. "Wir werden ja sehen..." Und Malfoy hatte doch an dem Spiel teilgenommen. Frisch und munter, als wäre überhaupt nichts passiert, stolzierte er am nächsten Nachmittag auf den Platz, den Kopf hoch erhoben. Es war, als wäre der gestrige Draco Malfoy ein Trugbild gewesen, welches mich zu verwirren versuchte. Als hätten meine besorgten Gedanken ganz umsonst in chaotischen Sphären getobt. Wer verstand schon diesen Malfoy. Welches Gesicht war das echte? Vor oder hinter der Maske. Lee Jordan war wie jedes Jahr für das Mikro zuständig. Bereits jetzt schmetterte er laute Parolen durch das gigantische Stadion und wurde dabei von lauten Jubelrufen seitens der Gryffindor, Ravenclaws und Hufflepuffs begleitet. Die Slytherins hingegen schickten ihm wüste Beleidigungen an den Kopf, die er jedoch entweder über den Lärm hinweg gar nicht verstand, oder einfach gekonnt ignorierte. Madam Hooch hatte nun ebenfalls den Platz betreten und schritt zwischen den zwei langen Reihen aus Spielern entlang, warf jedem einen warnenden Blick zu, sich dieses Jahr an die Regeln zu halten und hielt schließlich bei den beiden Mannschaftskapitänen an. Bei Blake und mir. "Ich wünsche Fairness zwischen den Häusern. Es soll dieses Jahr keine weiteren Unfälle geben. Habt ihr mich verstanden?" Ich nickte und auch Blake zwang sich zu einer leichten Kopfbewegung. Dann gaben wir uns die Hände. Es war eine übliche Geste, die von den Kapitänen erwartet wurde. Blake drückte provozierend stark zu und auch ich scheute nicht an Kraft. Dann erfolgte der Pfiff und beide Mannschaften stiegen in den Himmel. Ich nahm wie immer meinen Platz weit über den anderen ein, um einen guten Überblick über das ganze Feld zu haben. Mein Blick glitt über die neuen Mannschaftsmitglieder. Wir hatten bereits oft trainiert und ich war zuversichtlich, dass ich die alte Mannschaft zufriedenstellend durch neue Spieler ersetzt hatte. Die Jägerposten erfüllten wieder drei Mädchen: Lina Harrison, Maya Summers und Luca Feris. Den Treiberposten der Weasley-Zwillinge hatten nun zwei Fünftklässler, Jonas Hood und Hayden White, eingenommen. Und im Tor stand Calvin Thornton. Mein Blick fiel auf die Slytherins. Auch hier hatte sich einiges verändert. Der Hüter und Mannschaftskapitän Sebastian Blake hatte nach Flints Verlassen der Mannschaft völlig neue Spieler eingesetzt. Den Posten der Jäger beherbergten nun zwei Mädchen aus dem fünften Jahrgang, Kacy Weaver und Laney Winter, sowie ein Junge aus der siebten, Micol Kane. Den Treiberposten hatten ebenfalls zwei Siebtklässler inne: Rick Zoarn und Matt Marshall. Draco Malfoy war noch immer Sucher. Ermutigende Rufe aus den Zuschauerreihen erfüllten das Stadion mit guter Laune und Begeisterung. Die Euphorie war wieder ausgebrochen und tauchte Hogwarts in eine fremde Dimension. "Slytherin ist am Zug. Winter hat sich den Quaffel geschnappt und stürmt nach vorn", kommentierte Lee Jordan über das magische Megafon. "Pass auf Weaver, wieder zurück zu Winter. Mensch, so schnell kann man gar nicht schauen. Für Slytherins haben die beiden es echt drauf, tut mir Leid das zugeben zu müssen... und...und... Tor. 10 zu 0 für Slytherin... scheiße... Entschuldigung Professor, ich werde dieses hässliche, böse Muggelwort nie mehr in den Mund nehmen." Ich lächelte. Lee schaffte es bei jedem Spiel Professor McGonagall zu erzürnen. Allein seine Kommentare waren schon Unterhaltung pur. Ich konnte mir keinen besseren Sprecher vorstellen. "Und nun... jaaaaaa, endlich, Gryffindor in Ballbesitz... Loos, zeigt es den Schlangen... Maya hat sich den Quaffel geschnappt und weicht elegant einer Klatscherattacke von Marshall aus. Ich sag euch, die Frau hat echt was drauf... auf dem Besen mein ich natürlich, Professor, Sie wissen schon.... oh, oh, was seh ich da. Professor, Sie haben mich abgelenkt, Zoarn hat einen Klatscher gegen Malfoy geschleudert. Mensch, diese Schlangen sind noch blöder, als sie aussehen. Kauf dir mal ne Brille, sonst schmeißt du noch deine ganze Mannschaft vom Besen." Brausendes Gelächter war entbrannt. Ich sah zu dem blonden Slytherin ein wenig unter mir, der noch einen Moment um sein Gleichgewicht kämpfen musste, ehe er seinen Übeltäter mit einem finsteren Blick aufspießte. Der alte Stolz war zurückgekehrt. Irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass dies kein Versehen gewesen war. Hatte Zoarn Malfoy absichtlich abgeschossen? Etwas in Blakes gehässigen Grinsen veranlasste mich zu diesem Gedanken. Ich würde etwas darauf achten müssen. Irgendwas war hier faul. "Luca hat sich wieder den Quaffel geschnappt. Sie stürmt nach vorn. Ja, wunderschöner Pass auf Lina, und zurück zu Luca. Traumhaftes Zusammenspiel, das hat die Welt noch nicht gesehen. Ja, Glanzparade und... TOR!" Wieder brach Jubel auf den Zuschauertribünen aus. Rote Banner mit Gryffindor-Löwen wurden geschwenkt, Plakate mit leuchtenden Anfeuerungsparolen zierten das Stadion. Nach zehn Minuten stand es bereits 50 zu 20 für Gryffindor. Das Spiel schritt voran, ohne das ich ein goldenes Glitzern aufblitzen sah. Der Schnatz hielt sich versteckt. "Winter wieder in Quaffelbesitz. Sie weicht einen Klatscher aus.... oh nein, das Tor kommt immer näher. Jetzt halt doch mal einer diese Frau auf! Nein, nein, nein, 30 zu 50. Wo steckt denn die Abwehr? Hallo, seid ihr noch da, Gryffindor?" Ich ließ meinen Blick erneut über das Spielfeld schweifen. Bisher war es ein recht ausgeglichenes Spiel. Beide Mannschaften waren sich ebenbürtig, auch wenn Gryffindor im Moment führte. Doch das konnte sich jeden Augenblick ändern. Ich wollte endlich diesen Schnatz fangen, um das Spiel für uns zu entscheiden. Ein Klatscher riss mich aus meiner Gedankenwelt. Hastig zog ich meinen Besen nach unten, um darunter hinweg zu tauchen, als ich bemerkte, dass der Klatscher für mich bestimmt gewesen zu sein schien, denn er rauschte an mir vorbei, direkt auf Malfoy zu, der ihn noch gar nicht bemerkt hatte. Ich wollte ihn rufen, um ihn zu warnen, doch schon hatte ihn der Ball in die Seite gerammt, sodass er ins Trudeln kam. Er fing sich wieder, war aber sichtlich überrascht, als auch schon ein weiterer Klatscher auf ihn zuraste. Diesmal konnte er gerade noch ausweichen. Zornig blickte er sich um, auf der Suche nach der Quelle aller Angriffe. "Was ist denn bei den Slytherins los?" kommentierte Lee wieder. "Wie mir scheint haben die Treiber einen Groll auf ihren Sucher, der heute schon zum zweiten mal unter Beschuss steht. Nicht das es mich stören würde. Macht nur weiter, Jungs. Ohne Sucher fängt es sich schlecht einen Schnatz." Lee schien das Ganze ziemlich amüsant zu finden, ich jedoch fand das gar nicht lustig. Wer rechnete schon damit, von seiner eigenen Mannschaft beschossen zu werden. Sie hätten ihn vom Besen stoßen können. Ein Fall aus fünfzehn Metern Höhe war sicher nicht sehr angenehm. Wieso also legten sie es darauf an? Wollten sie ihn umbringen? Ich beschloss in Malfoys Nähe zu bleiben, um ihn das nächste Mal rechtzeitig vorwarnen zu können. Ich wollte nicht, dass er schon wieder auf der Krankenstation landete. Woher dieses Mitgefühl und diese Fürsorge kam, wusste ich nicht. Wahrscheinlich war es mein Gerechtigkeitssinn. Ich konnte es ganz und gar nicht leiden, wenn man einzelne tyrannisierte, die sich gegen die Übermacht nicht zur Wehr setzen konnten. So wie Malfoy jetzt. Doch dieser schien sich ganz gut zur Wehr setzen zu können. Er hatte nur wenige Sekunden gebraucht, ehe er den verantwortlichen Treiber aus seiner Mannschaft erreicht und am Kragen gepackt hatte. "Was soll das?" blaffte er ihn nun wütend an. "Wenn ihr mich auch nur noch einmal beschießt werdet ihr es bereuen!" Seine Augen schienen Funken zu sprühen und ich hatte schon Angst er würde seinen Gegenüber vom Besen zerren. Aber nichts dergleichen geschah. Madam Hooch riss die beiden Streitenden auseinander und nach einem erneuten Anpfiff ging das Spiel weiter. Es stand inzwischen 90 zu 40 für Gryffindor. Die Slytherins schienen sich kaum noch anzustrengen, als hätten sie sich schon mit einer Niederlage abgefunden. Ganz anders als Malfoy. Mit verbissenem Gesichtsausdruck kreiste er unentwegt über dem Stadion, immer auf der Suche nach einem goldenen Glitzern. Er schien der einzige zu sein, der den Sieg anstrebte. Ob nun für Slytherin oder einfach nur aus persönlichen Gründen. Er konnte nach wie vor nicht verlieren. Ebenso wenig wie ich. "Kacy Weaver hat sich nun den Quaffel geschnappt... sie düst aufs Tor zu... Leute, unternehmt doch was... und da kommt auch schon Maya... jaa, wunderbar vereitelt... Gryffindor wieder in Ballbesitz... Pass zu Luca...." Gespannt verfolgte ich die flinken Flugmanöver unserer drei Jägerinnen, die sich beinahe wie Akrobaten durch den Himmel hangelten. Meine anfänglichen Zweifel über die Mannschaftszusammenstellung hatten sich während der letzten halben Stunde in Luft aufgelöst. Ich hätte keine besseren Spieler finden können. "TOR!" brüllte Lee inzwischen begeistert, als Maya Summers den Quaffel zum 100 zu 40 in einen von Blakes Ringen versenkte. "Wir befinden uns in der 34. Minute und Gryffindor führt mit 6 Toren. Die Slytherins machen einen recht schlaffen Eindruck auf mich, wer weiß, was die sich gestern Nacht noch hinter die Birne gekippt haben." - "Mr Jordan...", wollte Professor McGonagall zu einer Predigt ansetzen, doch Lee unterbrach sie wieder. "Bitte nicht schlagen, Professor", versuchte er sich breit grinsend aus der Schussbahn zu bringen. "Das war doch nicht so gemeint! Die Slytherins sind doch keine Säufer, das würde ich ihnen doch niemals unterstellen. Die haben doch gar nicht das Zeug dazu. Ein Gläschen Grog und die liegen alle unterm Tisch... Entschuldigung, Professor, bitte schauen Sie nicht so böse..." Lautes Gelächter entbrannte in den Zuschauerrängen und auch einige der Spieler aus den gryffindorschen Reihen mussten sich an ihre Besen klammern, da sie von Lachkrämpfen geschüttelt wurden. Lee räusperte sich. "Nun, wie auch immer. Wollen wir uns wieder dem Spiel zuwenden. Die Sauftour der Slytherins können wir auch später noch erörtern..." - "Mr Jordan, würden Sie jetzt bitte... " - "Ja, natürlich, Professor, ich bin ja schon dabei, wenn Sie mich doch nur ausreden lassen würden." Er räusperte sich erneut und versuchte McGonagalls finsteren Blick zu ignorieren. "Also, wie gesagt, Gryffindor führt... wie könnte es auch anders sein, bei unserem schnittigen Jägerinnentrio. Sind sie nicht himmlisch?" Er stieß einen kurzen Pfiff durch die Zähne und klammerte sich an das magische Megafon, welches ihm die langsam säuerliche Verwandlungslehrerin versuchte zu entreißen. "Doch noch immer hat sich der Schnatz nicht blicken lassen." Ich seufzte lautlos. Dieses Spiel war zwar sehr unterhaltsam, was besonders Lees Kommentaren zu verdanken war, doch vom Inhalt her seltsam ernüchternd. Gryffindor lag klar in Führung, doch Slytherin schien nichts dagegen unternehmen zu wollen. Lediglich die beiden Jägerinnen Kacy Weaver und Laney Winter starteten noch einige Angriffe auf den gryffindorschen Hüter Calvin Thornton, aber ansonsten gab es kaum noch Herausforderungen in diesem Spiel. Würde der Schnatz nicht bald auftauchen bestünde die unschöne Möglichkeit, dass ich noch auf diesem Besen einschliefe. Ich wollte mich mit Malfoy messen. Er schien der einzige Kämpfer auf diesem Feld zu sein und ich spürte, dass er ebenso auf einen Zweikampf brannte wie ich. Jeder von uns wollte sich beweisen, wollte den Schnatz in seinen Händen halten, die goldenen Flügel zwischen seinen Fingern vibrieren spüren und das Gefühl des Sieges genießen, getaucht in den Lärm aus Jubel und Beifall. Doch dafür musste der Schnatz erst einmal auf der Bildfläche erscheinen. Und das tat er dann schließlich auch. Lina hatte gerade das 120 zu 50 geholt, als ich ein goldenes Glitzern nahe der Lehrertribünen erblickte. Malfoy, dem es ebenfalls aufgefallen war, fuhr fast im selben Moment herum. Kopf an Kopf trieben wir unsere Besen zu Höchstleistungen an. Mein Feuerblitz, der noch um einiges schneller war als Malfoys Nimbus 2001, schnurrte im Wind, als hätte er Gefallen an diesem Wettrennen gefunden. Der Schnatz hatte inzwischen beigedreht und steuerte auf die Mitte des Spielfeldes zu. Meine Haare stoben in alle Richtungen, der Wind wütete in meiner Kleidung und zerrte an meiner Brille. Doch mein Blick war felsenfest auf den kleinen geflügelten Ball gerichtet, darauf bedacht ihn nicht aus den Augen zu verlieren... als ich es sah. Es war nur ein kurzer Augenblick, ein Bild aus den Augenwinkeln und eine schreckliche Vision. Ich konnte nicht handeln, konnte nicht abdrehen, zu hoch war das Risiko bei dieser Geschwindigkeit vom Besen zu fallen. Den Schnatz hatte ich aus den Augen verloren, den Siegesgedanken völlig vergessen. Beinahe panisch zog ich meinen Besen herum, doch es war zu spät. Der Klatscher traf mit brutaler Wucht sein Ziel. Der völlig überraschte und vom Klatscher beinahe bewusstlos geschlagene Sucher hatte nicht mehr die Macht das schlimmste zu verhindern, als er bei dieser hohen Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen Besen verlor. Völlig hilflos musste ich mit ansehen, wie der blonde Slytherin in die Tiefe stürzte. Stille erfüllte das von Entsetzen gepackte Publikum... Erzählt von Draco Malfoy Schmerz. Roter Schmerz und schwarze Dunkelheit. Farben, die mein Leben beherrschen. Für immer. Gefangen. In meiner dunklen Welt. Aus der es kein Entkommen gibt. Das goldene Flimmern des kleinen, geflügelten, alles entscheidenden Balles hatte mich in seinen Bann gezogen. Vornüber gebeugt, sodass ich fast eins mit meinem Besen wurde und mein Körper kaum Widerstand bot, schoss ich durch den grauen Himmel. Für einen Moment hatte ich mich so frei gefühlt, umgeben von wehenden Böen, die mir die Sorgen von der Seele peitschten, dem brausenden Wind, der alle Zweifel aus meinem Kopf fegte und nur monotone stumme Leere zurückließ. Für einen winzigen Moment. Dann wurde ich aus meiner Freiheit gerissen, im Kampf um bedeutungslose Punkte, um Ehre, Stolz... ein Wettstreit, den ich nur bestritt, um mir selbst zu beweisen, was noch immer in mir steckte, tief verborgen, verschüttet unter Ängsten und einem verworrenen Chaos aus Gefühlen, welche der Wind durcheinander gewirbelt hatte, und die ich nun nicht mehr im Stande war zu bändigen und zu ordnen. Ich war in meinem eigenen, hinter kalten Masken verborgenen, und undurchsichtigen Inneren verloren gegangen und schwamm nun im Strom der hoffnungslosen Unwissenheit. Die Maske begann sich von innen zu zersetzen und mich mit in den unaufhaltsamen Untergang zu reißen, während meine äußere Fassade zu Eis erstarrte, welches wohl nie wieder schmelzen würde. Lebendig begraben im eigenen Körper. Tot.... tot... So tot, wie sie. Er hatte sie umgebracht, seine eigene Frau, und gleichzeitig mich, seinen einzigen Sohn, damit vernichtet. Zwei lästige Fliegen mit einer Klappe und der Name Malfoy war wieder reingewaschen von Schande. Die Familie ausgelöscht, den Kopf aufrecht und erhaben tragend, den Stolz unverwandt an den Kragen geheftet, ein schleimiges Lächeln auf den Lippen, keinerlei Reue in den Augen zu lesen, keinerlei Schwäche, Betroffenheit, Trauer, Verzweiflung... Nichts davon würde sich in seiner schwarzen Seele wiederspiegeln. Ein Mann, ein Monster, eine willenlose Marionette, eine Maschine. Nein, ich brauchte ihn nicht. Nie mehr. Von nun an war ich frei, stand auf eigenen Beinen und stellte mich dem Leben in eiserner Selbstüberzeugung, Stärke und Tatenkraft. Krisen, die nicht zu lösen waren, gab es nicht. Ich frage mich, woher ich in diesem Moment den plötzlichen Optimismus hernahm, doch sollte mir meine Unachtsamkeit zum Verhängnis werden. Meine starren Augen, noch immer voll und ganz eingenommen vom Gold des Sieges, sahen nicht die herannahende Gefahr. Der Klatscher traf mich so unvorbereitet, dass ich keine Chance hatte irgendetwas seiner gewaltigen Wut entgegen zu setzen. Alles, was meine Sinne füllte, war Schmerz, Betäubung, Entsetzen und Ohmacht. Ein roter Nebel begann mich zu umspinnen, mein Bewusstsein versank, davongezogen von verlockender tauber Schwärze, im endlosen Meer der Stille. Ich holte noch einmal tief Luft und entschwand dem Licht... Ohnmacht. Schwarze Ohnmacht und roter Nebel. Farben, die mein Leben beherrschen. Für immer. Gefangen. In meiner stummen Welt. Aus der es kein Entkommen gibt. Erzählt von Harry Potter Meine Augen waren weit aufgerissen, als sie dem Fall des blonden Slytherins folgten. Ich war in der Bewegung erstarrt, unfähig mich zu rühren, noch zu reagieren. Hilflos sah ich zu, wie er Meter für Meter dem Boden näher kam und schließlich auf die kalte Erde aufschlug. Kein Schmerzensschrei drang aus seiner Kehle, kein Wimmern war zu hören. Der Klatscher musste ihn schon bewusstlos geschlagen haben, bevor die Erdanziehungskraft ihn in ihren Bann gezogen und ihm seinem Unglück entgegen geführt hatte. Regungslos lag er unter mir, mit dem Rücken nach unten, der Kopf leblos zur Seite gerollt, die Arme schlaff nach beiden Seiten ausgestreckt, die Beine merkwürdig verdreht. Ich holte entsetzt Luft, als die Welt, welche mit mir inne gehalten hatte, in entsetzten Schreien explodierte. Schüler wie Lehrer sprangen von ihren Plätzen auf. Doch noch bevor irgendjemand das Spielfeld überquert und die letzte Distanz zwischen sich und den verletzten, vielleicht gar toten, Jungen gebracht hatte, war ich bereit neben ihm gelandet. Vor Besorgnis und Angst fast wahnsinnig sank ich in die Knie. Mit zitternden Händen strich ich ihm vorsichtig die wilden blonden Haare aus dem Gesicht. "Draco?" fragte ich leise, mit bebender Stimme. "Kannst du mich hören?" Scheu begann ich an seiner Schulter zu rütteln. Es hatten mich bereits die ersten Schaulustigen umringt. Das erregte Gemurmel und Geflüster stieg allmählich zu einem beständigen Summen an, als würde ein riesiger angriffslustiger Bienenschwarm einen wilden Tanz um mich herum aufführen. Madam Pomfrey hatte sich inzwischen einen Weg durch die Reihen gekämpft und ging neben mir zu Boden. Mit fachmännischen Handgriffchen fühlte sie erst Malfoys Puls und begann dann mit weiteren Untersuchungen. "Wie geht es ihm?" fragte ich nervös dazwischen. Madam Pomfrey seufzte. "Einige innere Verletzungen. Zwei Rippen sind gebrochen. Möglicherweise hat er eine Gehirnerschütterung. Genaueres kann ich jetzt noch nicht sagen." Ich nickte paralysiert, während sie einen Schwebezauber auf seinen reglosen Körper aussprach. Die Menge wich auseinander, als sie den Weg zur Krankenstation einschlug. Ich ließ meinen Blick über die Gesichter schweifen. Ich sah Betroffenheit, Entsetzen, aber auch Gleichgültigkeit und sogar Schadenfreude. Insbesondere in den Reihen der Slytherins erblickte ich Dutzende von grinsenden Visagen, in die ich am liebsten meine Faust versenkt hätte, wäre ich nicht zu aufgekratzt gewesen. Dennoch musste ich meinem Zorn Luft machen. Entschlossen trat ich auf einen der Slytherin-Treiber zu und baute mich bedrohlich vor ihm auf. "Habt ihr sie noch alle? Was sollte diese Aktion? Seid ihr alle blind oder zu blöd zum Quidditch spielen? Ihr habt euren eigenen Sucher abgeschossen!" Meine Stimme war von Wort zu Wort lauter geworden, bis ich all meine Wut nur noch schreien konnte. Meine Hände, welche sich zu Fäusten geballt hatten, zitterten vor Anspannung. "Er hätte sterben können! Ihr hättet beinahe einen Menschen umgebracht. Ist euch das eigentlich bewusst? Wie könnt ihr nur dastehen und dumm grinsen? Lässt euch das völlig kalt?" Ich schüttelte fassungslos den Kopf, da sie die Antwort wie von selbst in meinem Kopf bildete. Es war ihnen völlig egal, was mit Malfoy passierte. Sie hatten ihn absichtlich angespielt, immer und immer wieder, bis er endlich geschlagen war. Ein dreckiges Spiel. "Seid ihr alle komplett durchgeknallt? Er ist doch einer von euch, ein Slytherin." Ich konnte nicht verstehen, was Menschen dazu trieb eine solche Abneigung gegen jemanden zu entwickeln, dass man selbst vor solch fiesen Tricks nicht zurückschreckte. "Warum habt ihr das getan?" "Aus einem ganz einfachen Grund", erbarmte sich Marshall nun einer Erklärung. "Er ist ein Verräter, und zudem noch vogelfrei. Er hat nur bekommen, was er verdient hat." Rasend vor Zorn presste ich meine Kiefer aufeinander, meine Lippen verengten sich zu einem blutleeren Strich. "Ihr widert mich an!!!" ~*~ Unrhythmische Schritte fluteten den verlassenen Korridor. "Was willst du jetzt tun?" Hermione, der das Schweigen wohl unangenehm geworden war, riss mich aus meinen Gedanken. "Ich geh zum Krankenflügel", erklärte ich. "Kommt ihr mit?" Hermione zuckte mit den Schultern. "Warum nicht? Das scheint ja langsam zur Routine zu werden." Ron rollte bloß mit den Augen und murmelte etwas von "So ein Aufstand wegen einer Schlange", woraufhin Hermione ihm einen Klaps gegen den Hinterkopf verpasste und einen fiesen Blick schenkte. Ron war somit belehrt und wir setzten unseren Weg wortlos fort. Doch unser Vorhaben scheiterte bereits an der Tür zur Krankenstation, denn Madam Pomfrey wollte niemanden in ihr geheiligtes Reich lassen, um nicht bei der Arbeit gestört zu werden. Und stand ihre Entscheidung erst einmal fest kannte sie keine Gnade. Seufzend wandten wir uns Richtung Gryffindor-Turm. Die meisten Schüler hatten sich bereits wieder im Gemeinschaftsraum eingefunden und waren in heftige Diskussionen verstrickt. Hier und da schnappte ich ein paar Gesprächsfetzen auf. Ich vernahm geteilte Meinungen. Einige bedauerten den Vorfall und machten sich Sorgen um den gefallenen Slytherin. Andere jedoch kannten kein Mitleid. Sie freuten sich sogar über Malfoys plötzlichen Autoritätsverlust. Mit diebischer Genugtuung begrinsten sie seine ausweglose Situation. War seine Isolation bisher noch nicht allzu deutlich gewesen verbreitete sich nun die Neuigkeit von Malfoys Vogelfreiheit wie ein Lauffeuer und ließ ihn dem allgemeinem Spott verfallen. Wütend stapfte ich die Treppen zum Jungen-Schlafsaal der fünften Klasse hinauf und schmiss die Tür ins Schloss. Ich wollte diesen Unsinn nicht hören. Ich konnte nicht verstehen, wie man sich über einen Schüler, der beinahe gestorben wäre, nun auch noch lustig machen konnte. Von den Slytherins hätte ich dieses Verhalten erwartet, aber nicht von den Gryffindors, meinen eigenen Freunden und Mitschülern. Es hatte schon oft Zwistigkeiten gegeben und mehr als einmal hatten meine Hausbewohner und der Rest der Schule mir den Rücken gekehrt und ich hatte allein dagestanden. Im zweiten Schuljahr hatte man Angst vor mir, weil ich Parsel beherrschte und man dichtete mir an, der Erbe von Slytherin zu sein. Im vierten Jahr waren sie alle böse auf mich, weil irgendjemand meinen Namen in den Feuerkelch geworfen hatte und ich ungewollt am Trimagischen Turnier teilnehmen musste, welches letztendlich in einer Katastrophe geendet hatte. Aber wie groß all meine Probleme auch immer waren. Sie alle haben sich in Luft aufgelöst. Die Missverständnisse wurden aufgeklärt, die Vertrauensbrüche gekittet und die Freundschaften durch engere Bande aneinandergekettet als je zuvor. Und nun war es Malfoy, der im Kreuzfeuer gelandet war und dass ohne sich irgendetwas zuschulden kommen zu lassen und ohne optimistische Aussichten je wieder heil aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Vier Häuser standen gegen ihn... Erzählt von Draco Malfoy Als ich meine Augen wieder öffnete begann der Schmerz von neuem. Mein gesamter Körper schien in Flammen zu stehen. Scharf sog ich die Luft durch meine zusammengepressten Zähne, um einen gepeinigten Schmerzenslaut zu unterdrücken. "Ssssh!" Eine angenehm kühle Hand legte sich auf meine Stirn und strich mir die verschwitzten blonden Haare aus den Augen. "Bleib ruhig liegen. Deine Knochen heilen gerade. Du hast mehrere gebrochene Rippen und einen ziemlich lädierten Arm. Ich hab dir einen Heiltrank verabreicht. Die Schmerzen werden in der nächsten halben Stunde wieder nachlassen. Dann bist du so gut wie neu." Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, wurde jedoch bald wieder ernst. "Du kannst von Glück reden, dass du noch lebst, mein Junge. Bei einem Sturz aus solch einer Höhe hättest du dir mit Leichtigkeit das Genick brechen können." Ich starrte ausdruckslos an die Decke. Ich lebte also noch. Immer noch. Ich seufzte lautlos. "Was ist nur in deine Mitschüler gefahren?" fuhr die Krankenschwester fassungslos fort. "Diese Kinder heutzutage werden immer brutaler." Sie schüttelte missbilligend den Kopf. "Ihr Slytherins wart schon immer ein komischer Verein, aber das hat es noch nie gegeben." Sie schüttelte erneut den Kopf. "Aber das wäre alles gar nicht passiert, wenn du auf mich gehört und erst gar nicht an dem Spiel teilgenommen hättest. Aber du bist ja genauso ein Dickkopf wie Harry Potter. Ständig glaubt ihr alles besser zu wissen, dabei bin ich diejenige mit der medizinischen Ausbildung." Ich schwieg. Der Vergleich mit Potter passte mir überhaupt nicht. Doch was sollte ich schon sagen? ,Ich musste spielen, weil ich sonst als Feigling dagestanden hätte, der aus Angst vor dem Gespött seiner Mitschüler lieber vom Besen stürzt, als gefahrlos im Bett zu liegen und den Tod seiner Mutter zu betrauern?' Nein, das klang nicht sehr überzeugend. Also schwieg ich weiterhin. "Junge", versuchte Madam Pomfrey wieder zu mir durchzudringen. "Möchtest du mir irgendetwas sagen?" Ich löste meinen Blick von der weißen Decke über mir und ließ meine Augen zu der kleinen pummeligen Krankenschwester mit dem milden Lächeln wandern. Meine Augen verengten sich misstrauisch. Ich schüttelte wortlos den Kopf. Sie seufzte wissend, als habe sie keine andere Antwort erwartet. "Keine Angst, ich verfüge über die ärztliche Schweigepflicht. Wenn du es nicht willst verlässt kein Wort diesen Raum." Noch immer drang kein Wort über meine Lippen. Worauf spielte sie an? Sollte ich ihr mein totes Herz ausschütten? Was sollte das schon bringen? Weder verschaffte es mir Milderung noch Trost. Niemand konnte meine Mutter zurückholen, aus meinem Vater wieder einen Menschen machen und meine Stellung in Slytherin zurückgewinnen. Ich war ein gefallener Engel, der sich ohne Flügel nicht den Rückweg in den Himmel erkämpfen konnte. Die kleine Hexe seufzte erneut. "Nun gut, ich verstehe es, wenn du nicht mit mir darüber reden möchtest. Aber könntest du mir dann wenigstens erklären, wer das hier getan hat?" Und mit diesen Worten zog sie mein silbergrünes Quidditch-Shirt nach oben und entblößte meinen nackten, von Flüchen mit schwarzen Blutergüssen und Striemen geschundenen, Bauch. Ich war zu geschockt, um zu reagieren. Mein Kopf war leer, die sonst so schnippigen ausweichenden Antworten alle verschwunden. Schutzlos drehte ich meinen Kopf zur Seite und starrte an die nächste weiße Wand. Weiß war so eine beruhigende Farbe, die eigentlich gar keine Farbe war. Hell, wie das Licht und unscheinbar wie das Nichts. Irgendwie nichtsaussagend und dennoch heilig versprach sie Ruhe und Geborgenheit. "Also gut. Ich werde keine weiteren Fragen stellen, wenn du es nicht willst. Aber wann immer du reden willst kannst du zu mir kommen. Ich höre gerne zu." Mit diesen Worten verließ sie den Raum und die Stille und der Schmerz brachen wieder über mir zusammen. Erzählt von Harry Potter Es war kurz nach zehn, als ich den Gryffindor-Turm verließ, um etwas völlig sinnloses zu tun. Es sprachen hundert Gründe gegen meinen Plan und weitere hundert Gründe wären mir eingefallen, wenn ich mir weiterhin den Kopf über mein Vorhaben zerbrochen hätte, anstatt ihn in die Tat umzusetzen. Der Gemeinschaftsraum war von einem warmen flackernden Kaminfeuer erhellt. Kleine Grüppchen hatten sich darum versammelt und unterhielten sich, während andere in einer ruhigen Ecke saßen und sich ihren Hausaufgaben widmeten. Unbemerkt verließ ich die heimische Atmosphäre und schlich durch die Dunkelheit Richtung Krankenflügel. Warum ich dies tat, wusste ich nicht. Wahrscheinlich schlief Malfoy ohnehin. Und wenn er es nicht tat war ich wohl der letzte Mensch, den er sehen wollte. Wahrscheinlich gab es in ganz Hogwarts keinen einzigen Menschen, den er im Moment sehen wollte. Aber das war mir egal. Lautlos betrat ich die, in Finsternis getauchte, Station. Das sanfte Licht des Halbmondes erleuchtete meinen Weg ein wenig, so dass ich wenigstens nicht vollkommen blind voranstolperte. Ich hielt nach dem Bett des Slytherins Ausschau, in dem er noch heute Nachmittag gelegen hatte, als wir Madam Pomfrey und Professor Dumbledore unter dem Tarnumhang belauscht hatten. Doch jetzt war es leer. Ich schlich weiter und untersuchte auch die anderen Betten, jedoch mit dem gleichen Ergebnis. Sie alle waren leer. War er etwa schon wieder entlassen worden? Hatten sie ihn wirklich wieder zu den Slytherins zurückgeschickt, in die Höhle des Löwen? Nein, so blind konnten sie doch nicht sein. Sie mussten doch gesehen haben, dass er ein Ausgestoßener war, gegen den sich die ganze Slytherin-Brut verschworen hatte. Er würde diese Nacht wahrscheinlich nicht überleben, wenn er in seine Gefilde zurückkehren und so tun würde, als wäre nichts geschehen. Verdammt, ich musste ihn da rausholen. Aber wo war dieser verdammte Gemeinschaftsraum? Ich erinnerte mich nicht mehr genau daran, da ich nur ein einziges Mal in der Gestalt von Goyle dort gewesen war. Doch unter dem Einfluss des Vielsafttranks hatte ich nicht sonderlich viel mitbekommen, weil ich viel zu sehr mit meinem plötzlich so tollpatschig und schwerfälligem Körper zu kämpfen hatte. Aber ich wusste immerhin noch soviel, dass er sich in der Nähe der Kerker befand. Ich wollte schon losstürmen, als ich ein leises Geräusch vernahm, gefolgt von der allzu bekannten schnarrenden Stimme. "Was willst du hier?" Ich zuckte erschrocken zusammen und stolperte gegen eines der leeren Betten, wobei es mich beinahe hingelegt hätte. Mein Herz sprang, durch den plötzlichen Schreck aufgescheucht, aufgeregt in meiner Brust auf und ab. Ich seufzte leise und richtete mich wieder auf. "Malfoy?" fragte ich leise in die Düsternis und folgte der verklungenen Stimme in die Stille hinein. "Bist du das? ... Wo bist du?" "Warum kann man nur nirgends in diesem verdammten Klotz von einem Schloss seine Ruhe haben?" Ein leises Seufzen ertönte. Ich stolperte weiter, folgte der Stimme, bis ich einen schwachen Schemen auf dem Fensterbrett entdeckte, welcher fast gänzlich mit dem Schatten verschmolz, weswegen ich ihn wohl nicht schon im ersten Moment, als ich die Station betreten hatte, gesehen hatte. Er saß mit angewinkelten Beinen auf der breiten Fensterbank, auf welcher Madam Pomfrey meist Heilkräuter (in Töpfen °^^) anzupflanzen pflegte. Den Kopf seitlich gegen das kühle Fensterglas gelehnt verfolgte er jeden meiner Schritte. Zwar konnte ich seine Augen nicht erkennen, doch spürte ich seinen intensiven Blick fast körperlich auf meiner Haut. Ich blieb stehen. Erst jetzt, da ich nach endlosem Stolpern und Tasten mein Ziel erreicht hatte, kam mir der Gedanke mittels meinem Zauberstab Licht zu machen. Ich schüttelte über meine eigene Dummheit den Kopf und kramte ihn aus meiner Tasche. Ein geflüsterter Lumos, und mein Gegenüber tauchte in mein Blickfeld ein. Ich zuckte leicht zusammen. Er sah schwach aus. Er hatte seinen Quidditch-Umhang abgelegt und war nur noch mit dem ärmellosen silberschwarzem Shirt und einer langen schwarzen Hose bekleidet. Seine Körperhaltung wirkte verkrampft, seine, um die Knie geschlungenen, Armen waren angespannt, seine Hände ineinandergekeilt. Ich spürte, wie er das Zittern seiner Hände zu unterdrücken versuchte, welches seit dem Schock seinen ganzen Körper befallen hatte und einfach nicht mehr enden wollte. Trotzdem er versuchte eine seiner Masken überzustülpen, welche sich in seinem spöttischen Lächeln und dem schwachen Glitzern in seinen Augen äußerte, wusste ich, dass er innerlich zerbrochen war. Erzählt von Draco Malfoy Ich spürte seine grünen Augen auf mir, wie sie mich musterten und in mein Innerstes eindrangen, die Fassade durchbrachen und den gebrochenen Mann in mir erkannten. Ich fühlte mich seltsam schutzlos unter seinem Blick. "Was willst du hier?" wiederholte ich meine Frage, um die gespenstige Stille zu unterbrechen und um mich seines Blickes zu befreien, der jetzt meine Augen suchte. Er lächelte scheu. Was hatte das zu bedeuten? "Ich möchte dir einen Vorschlag machen", erklärte er sanft. Ich runzelte misstrauisch die Stirn. "Was für ein Vorschlag?" "Ich hab es noch nicht mit Professor Dumbledore besprochen, weil ich erst dich fragen wollte. Aber ich bin sicher er wäre damit einverstanden." "Komm auf den Punkt, Potter", unterbrach ich ihn ungeduldig. Der alte herausfordernde Ton war in meine Stimme zurückgekehrt und verlieh ihr Kraft und Stärke. Er trat näher auf mich zu. Seine Hände suchten das marmorne Fensterbrett, auf dem ich saß, und klammerten sich daran fest. Er sah zu mir auf, der ich sonst ein wenig kleiner war, aber durch meinen erhöhten Sitzplatz über ihn hinausschoss. "Komm mit mir nach Gryffindor." ... Schweigen. Geschockte Stille. Ich konnte nicht glauben, was er da eben gesagt hatte. ICH sollte nach Gryffindor? Das konnte doch nur ein übler Scherz sein, doch die Ernsthaftigkeit in den Augen meines Gegenübers zerstörte diese Vermutung. Ein entsetztes "Was?" war schließlich alles, was über meine Lippen trat. Ein verdammter Gryffindor. Das konnte doch nicht wahr sein. Das konnte er unmöglich ernst meinen. "Ich weiß, dass wir nicht immer einer Meinung waren..." "Wir waren NIE einer Meinung", unterbrach ich seinen Vortrag aufgebracht. "... aber", fuhr er unbeeindruckt fort, "... ich hab in den letzten Wochen gemerkt, dass du alles andere als dieser verwöhnte, arrogante, reiche Sohn eines Malfoys bist." Ich wollte ihn erneut unterbrechen, doch er ließ mich erst gar nicht zu Wort kommen. "Ich weiß jetzt, dass dein Leben nicht halb so schön ist, wie du es immer allen vorspielst. Du hast Angst vor deinem Vater, auch wenn ich den Grund dafür nicht kenne und es mich ja eigentlich auch nichts angeht. Aber ich sehe, dass du Probleme hast, die du keinem anvertrauen kannst. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man es sehr schwer hat, wenn man mit niemandem seinen Kummer teilen kann. Wenn die Last einen immer tiefer in den Abgrund drückt. Und gerade weil ich weiß, wie du dich fühlen musst, will ich dir helfen. Auch wenn du ein Slytherin bist und ich ein Gryffindor, und wir beide eigentlich Erzfeinde sind, es eigentlich sein sollten." Ich starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Eine unbekannte Verwirrung hatte sich in mir breit gemacht, füllte mich aus wie eine wabernde Nebelwolke, die sich vor meine Augen schob und meine sonst so klare Sicht von richtig und falsch verklärte. Dieser verdammte Harry Potter, den ich stets gehasst hatte, für alles was er hatte, alles was er besaß und alles, was er mir einst ausschlug, als ich ihm im ersten Schuljahr meine Freundschaft anbot. Nun war er so dreist und wollte all dies plötzlich wieder gut machen? Nur weil er erfahren hatte, dass mein Leben eine einzige Katastrophe war? Dieser elendige Samariter, der sich doch immer nur selbst als Retter der Schwachen ins positive Licht rücken wollte. Aber nicht mit mir. Ich würde nicht eine seiner Trophäen werden. Ich würde mich selbst retten. Retten vor dieser Welt... Erzählt von Harry Potter Ich beobachtete ihn schweigend. Ich hatte ihm meinen Plan vorgebracht. Hatte ihm meine Hilfe, ja gar meine Freundschaft angeboten. Nun lag es an ihm, seinen Stolz einmal zu vergessen und dieses Angebot anzunehmen. Was hatte er sonst für eine Wahl? Keines der Häuser würde ihn akzeptieren, denn sie alle verachteten ihn. Doch in Gyffindor könnte sich dies ändern. Er stand unter meinem persönlichen Schutz. Ich würde ihn langsam integrieren, bis auch die anderen Gryfindors lernten, mit ihm klarzukommen. Und sie würden merken, dass er in seinem Inneren ebenso unsicher und verletzlich war, wie jeder einzelne von ihnen. Dass er auch nur ein verlorenes Schaf war, welches einen Hirten wie Dumbledore brauchte und Freundschaft, wie er sie in Gryffindor erhalten könnte. Es lag nur an ihm... "Nein!" Ich schrak aus meinen Gedanken. "Was?" Verwirrt runzelte ich die Stirn. "Nein? Wieso willst du diese Chance wegwerfen. Du könntest neu beginnen. Das sechste Schuljahr ist doch bald vorbei und das siebte wirst du wohl auch noch aushalten. Sie werden dich akzeptieren." "Darum geht es nicht", meinte er trotzig. "Ich bin ein Slytherin, mit Herz und Seele. Ich bin nicht der brave Kämpfer für Gerechtigkeit, wie du es bist. Ich halte nichts davon gut und gerecht zu sein. Ich könnte niemals einer von euch werden, denn euer Haus stinkt zum Himmel!" Ich wusste, dass er das nur sagte, um mich zu beleidigen. Er hatte nichts gegen Gryffindor an sich, sondern gegen mich. Er hasste mich noch immer, der ich einst seine Freundschaft ausschlug. Nun war es um so schwerer sein Vertrauen zurückzugewinnen, ein Vertrauen, was er nach dem heutigen Tag wohl niemandem mehr schenken würde. Aber eines wusste ich mit Sicherheit. Malfoy hatte sich verändert. Er war nicht länger der brave Sohn seines Vaters, der ihn zum Todesser erziehen wollte. Ich glaubte nicht an seine Worte, an seine Behauptung niemals gut und gerecht sein zu können. Er hatte mit der dunklen Seite seines Vaters längst abgeschlossen. Er würde sich gegen seine Bestimmung wehren. Seine Schicksal einst ein Todesser, ein Sklave unter Voldemort, zu werden. "Was willst du dann tun? Du kannst nicht nach Slytherin zurückkehren? Sie werden dich sonst noch umbringen. Du weißt, dass das heute nicht ohne Grund geschah. Sie haben es auf dich abgesehen, auch wenn ich nicht verstehe, warum." "Das ist nicht länger von Bedeutung", gab er knapp zurück. Ich verstand nicht ganz. "Wie meinst du das?" Er zuckte mit den Schultern, blieb mir jedoch eine Antwort schuldig, denn im nächsten Moment betrat eine weitere Person den Krankenflügel und unterbrach unser Gespräch. "Mr. Potter", ermahnte mich die pummelige Krankenschwester. "Können Sie mir mal erklären, was Sie hier zu suchen haben? Noch dazu mitten in der Nacht, wo sie schon längst in ihrem Bett liegen sollten?" Ich stolperte, erschrocken und ertappt zugleich, einige Schritte zurück und brachte wieder etwas Distanz zwischen mich und den gefallenen Slytherin. "Und auch Sie, Mr. Malfoy, haben außerhalb ihres Bettes rein gar nichts verloren. Sie müssen sich noch ausruhen. Ihre Knochen sind erst vor wenigen Stunden wieder zusammengewachsen und ihr Körper braucht Ruhe." Ich sah, wie der angesprochene Patient genervt die Augen verdrehte und grinste leicht. Madam Pomfrey war trotz ihrer Größe eine Frau, deren Anweisungen man sich nur sehr schwer widersetzen konnte. Da half kein nörgeln, flehen oder drohen. Und auch Malfoy schien sich dessen bewusst zu sein, denn er sprang etwas ungelenk von der Fensterbank und schlurfte zu seinem Bett, auf dessen Kante er sich resigniert nieder ließ und Madam Pomfrey einen giftigen Blick zuwarf, die diesen jedoch gekonnt ignorierte. "Nun, Mr. Potter?" Sie warf mir einen fragenden und zugleich fordernden Blick zu. "Sie sollten sich langsam verabschieden und in ihren Turm zurückkehren. Es ist schon spät." Ich nickte leicht und drehte mich zur Tür, hielt jedoch noch einmal inne und wandte mich zu dem silberblonden Jungen um. "Überleg es dir noch einmal." Der junge Slytherin schüttelte den Kopf. "Das ist nicht nötig." Ich seufzte resigniert und verließ den Krankenflügel, überließ ihm seinem eigenen Schicksal. Der Gedanke, ihm nicht helfen zu können, zerriss mich fast innerlich. Er war wie ein gefallener Engel, dem der Aufstieg in den Himmel für immer verwehrt blieb. Erzählt von Draco Malfoy Ich starrte auf den leeren Fleck, den der Gryffindor soeben zurückgelassen hatte. Er hatte mir helfen wollen. Er war der erste Mensch, der sich, neben meiner Mutter, je um mich Sogen gemacht hatte. Doch ich hatte ihn enttäuscht, hatte ihn grob zurückgewiesen und beleidigt. Aber es ging nicht anders. Es musste sein. Ich konnte ihn nicht noch tiefer in den ganzen Schlamassel mit hineinziehen. Und ich würde es ihm nicht zumuten Anteil an meinem Leben und der Dunkelheit darin zu haben... Madam Pomfrey war inzwischen näher getreten. Ihr sanfter Blick ruhte auf mir, während ich an ihr vorbei ins Leere starrte. Sie machte sich mit Sicherheit ebenfalls Sorgen. Aber das gehörte auch zu ihrem Beruf. Milde lächelnd reichte sie mir eine kleine Dose. "Ich hab Ihnen eine Salbe angerührt, die das Massaker auf Ihrem Bauch und Ihrem Rücken mildert", erklärte sie. "Da Sie mir nicht sagen wollten, was es damit auf sich hat, ich die Narben aber auch nicht heilen konnte, gehe ich davon aus, dass es sich um Fluchnarben handelt." Sie sah mir tief in die Augen, um irgendeine Regung auf diese Worte zu erkennen. Als jedoch keine Reaktion folgte, fuhr sie fort. "Solche Verletzungen brauchen ihre Zeit, um auszuheilen. Deshalb sollten Sie jetzt aufhören sich zu widersetzen und Ihrem Körper endlich Ruhe gönnen." Sie drückte mich unsanft in die Kissen, schob mein schwarzes Shirt in die Höhe und rieb, ungeachtet meiner Proteste, meine geschundene Brust mit der kühlen, wohl riechenden Salbe ein. Dann löschte sie das Licht. "Schlafen Sie gut, Mr. Malfoy", waren ihre letzten Worte, ehe wieder Einsamkeit in mein kleines Reich einkehrte. Ich schloss die Augen, verdrängte den Schmerz in meiner Brust und rief mir die beruhigende Leere in den Kopf. Doch es gelang mir nicht. Eine bekannte Bilderflut, alter und neuer Qualen, strömte auf mich ein. Leere rote Augen getöteter Menschen, Ströme von Blut, Wellen von Schmerz und Pein, Flüche, Schläge, Worte, Klatscher drangen in mein Bewusstsein, breiteten sich unaufhaltsam aus, rissen mich von meinem hohen Ross, zogen mich in die Tiefe... ich fiel und fiel, bis es keinen Boden mehr gab, und selbst das Fallen nichtig wurde.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)