Assoziatives Schreiben TSCHAKKA! von Bombadil (passend zum gleichnamigen Zirkel) ================================================================================ Kapitel 3: Tribut an den Mai - Satz 14 (17.05.09) ------------------------------------------------- Ihre weiche, fleischige Hand war warm, und ihre Augen ruhten wohlwollend auf ihm. Es war ihr erstes richtiges Treffen, doch man erkannte zwischen beiden eine sanfte Vertrautheit, wie man oft nur zwischen langjährigen Liebespaaren wahrnimmt. Und das waren sie, ein Liebespaar. Unter blauem Himmel im Gras sitzend, von einer gütigen Sonne belächelt, streichelte sie, etwas schüchtern zwar, doch sanft, seine Hand. Ihre blonden Locken fielen auf zierliche Schultern und leise lächelnd richtete sie zielgerichtet, fast schon melancholisch, ihren Blick auf ihn. Er war die Liebe ihres Lebens, das stand für sie fest. Umso mehr schmerzte ihr Herz, wenn sie an das dachte, was gleich kommen würde. Denn es gab ein dunkles Geheimnis, eine versteckte Seite an ihr, die sie nicht mehr länger verheimlichen konnte. Langsam atmend besann sie sich auf Worte, mit denen sie schonend und vorsichtig ihre Lüge offenlegen wollte. Und obgleich ihr Verstand die Folgen kannte, so schlummerte doch noch Hoffnung in ihr und gab ihr den Mut, den sie für ihr Geständnis brauchte. Kurz schloss sie ihre Augen, und wie am Ende eines Lebens sich jede Erinnerung nochmals wiederholt, so zogen die bisherigen Ereignisse ihrer Beziehung vor ihrem Innersten vorbei. Schon immer war „Klara“ eine Außenseiterin gewesen. Ihre Eltern waren vermögend, doch hatten kaum Zeit für sie. Sie verbrachte ihre Kindheit häufig für sich allein, hatte aufgrund ihres häufig wechselnden Wohnortes kaum Gelegenheit, Freunde zu finden. Und weil ihre Eltern es für das Beste hielten, fanden sie für jeden Umzug neue Privatlehrer, die ihr in endlosen Vormittagen sämtliches Wissen und mehr vermittelten, welches man in den gewöhnlichen und ach so miserablen staatlichen Schulen so arg schlecht beigebracht bekam. Ja, sie hatte mehr Freizeit, hatte stets genug Taschengeld damals. Doch wusste sie nichts damit anzufangen. Ihre Eltern waren stolz auf die Anpassungsfähigkeit und die Selbstständigkeit ihres Kindes. Schließlich merkten sie nichts von der Einsamkeit, die sich um ihr Herz geschlungen hatte. Sahen nicht Ängste und Sehnsüchte, die sich stetig über ihr Handeln legten. Sie wussten allzu wenig, und auch ihr großes Geheimnis hatte sie mit ihren Eltern nicht geteilt. Denn für ihre Eltern war sie immer nur ein artiges Kind, das brav daheim seinen Aufgaben nachkam. Doch „Klara“ konnte sie nur an einem Ort sein. Zu Anfang eher selten, doch im Laufe der Zeit fast jeden Abend, verbrachte sie ihre Zeit im Internet. In Foren, verschiedenen Chaträumen und einigen Onlinespielen traute sie sich endlich, sie selbst zu sein. Dort konnte sie anonym über ihre Ansichten, ihre Gefühle und Gedanken sprechen. Endlich fand sie unter den vielen Individuen, zwischen den kurzlebigen Datenströmen und blitzschnellen Veränderungen dieser Welt einige Freunde, die auch nach einem Wohnortwechsel noch Kontakt zu ihr hielten. Etliche Jahre später, längst hatte sie sich von ihrem Zuhause gelöst, hatte ein eigenes Leben jenseits von den einengenden Vorstellungen ihrer Eltern begonnen, da traf sie diese eine Person. Zwischen der Monotonie ihrer täglichen Pflichten und der Monotonie ihrer abendlichen Hobbys traf sie in einem erst kürzlich angefangenem Onlinespiel diese spezielle Person. Man kam gut zurecht miteinander, hielt auch später, nachdem beide das Spiel aufgegeben hatten, noch Kontakt. Unzählige Mails wurden geschrieben. Und ebenso viele Stunden traf man sich in Chats, redete und lachte zusammen, schickte Bilder und später auch Videos. Beide meinten es ernst und beide vertrauten einander, und wo sonst viele Enttäuschungen durch Falschheit und Lügen entstehen, so hatten diesmal, durch Glück und ungeheuren Zufall, zwei verwandte Seelen zueinander gefunden. Und so, nach Monaten dieser vertrauten Einigkeit, in der Einsamkeit und Zweifel von Wogen der Zuneigung fortgerissen wurden, konnte sie ihre Sehnsucht nicht länger unterdrücken. Allen Warnungen ihres Verstandes zum Trotz verabredete man sich zu einem persönlichen Treffen. Endlich war es so weit. Der Moment, nach dem sie sich so sehnte, vor dem sie sich so fürchtete, war gekommen. Und unter einem kaltem blauen Himmel, unter den unbarmherzigen Strahlen der grellen Sonne, lächelte sie ihm ängstlich entgegen und ihre Hand berührte zitternd die seine. So begann sie langsam und stockend ihre Erklärung: „Es tut mir Leid. Wir kennen uns jetzt schon so lange und – und doch treffen wir uns erst jetzt. Zum ersten Mal. Und der Grund ist... ich habe dir etwas verschwiegen. Etwas über mich.“ Etwas verwirrt, doch ernst, als hätte er schon bemerkt, dass etwas nicht stimmte, blickte er sie an, während sie gequält nach Worten rang: „Die Wahrheit ist... ich habe mich in dich verliebt – Moment, sag nichts! Das ist noch nicht alles. Denn mir steht das gar nicht zu. Denn eigentlich bin ich... Ich bin -“, sie merkte, wie ihr Blick verschwommen wurde. Eine einzelne, verräterische Träne brach aus und rann ihre Wange entlang, bis sie, begleitet von einem unterdrücktem Schluchzer, von ihrem Kinn gen Erde tropfte. „Was immer es ist“, er nutzte die kurze Unterbrechung, um seiner Geliebten Halt zu geben, „ich liebe dich a-“ „Ich bin keine Frau!“, fuhr sie ihm mit schriller, sich überschlagender Stimme dazwischen. Und nun gab es kein Halten mehr. Unter einem Tränenstrom, mit bebender Stimmt und schmerzlich gesenktem Blick warf sie alles von sich, was schon so lange auf ihr lastete. „Ich wurde männlich geboren. Ich habe nie darauf geachtet. Nur später merkte ich, dass irgendwas anders war... und mir war es egal. Ich hatte nie jemanden. Bis jetzt! Du... es tut mir Leid... ich, ich bin nur ein Lügner. Ich wusste es und doch, und doch konnte ich nicht anders. Ich war glücklich, jemanden zu haben. Habe mich mit allem was ich hatte an dieses Glück geklammert. Und egoistisch wie ich bin... es tut mir Leid!“ Und unter einem tränenverschleiertem Blick goss er seinen ganzen Schmerz, seine ganze Erleichterung und seine Reue auf die im warmen Maiwind vor sich hin wiegende Wiese. Unfähig, den Blick zu heben und von Elend und Anstrengung übermannt, kauerte er eine gefühlte Ewigkeit auf diesem Fleck Erde, der sein bisheriges Leben so abrupt hat enden lassen. Plötzlich schloss sich die wärmende Zärtlichkeit einer Umarmung um ihn. Verwirrt und nach Schutz suchend erwiderte er sie. So verharrten beide, stillschweigend und sich unsicher aneinander klammernd, bis die Sonne unterging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)