Can you feel me shiver? von cosmos (m a s t e r s h i p p i n g) ================================================================================ Kapitel 11: Blind ----------------- -DUKE- Unendlich langsam schlängelt sich die schwarze Limousine durch die ihr so fremden Straßen ... in dieser fremden Stadt. Beinahe regungslos verweile ich auf meinem Platz auf der Rückbank. Schwarze, widerspenstige Strähnen kitzeln mein Gesicht und ich werfe einen flüchtigen Blick zu dem Jungen, welcher schlafend an meiner Schulter lehnt. Sein Atem ist regelmäßig und ruhig. Ich wende mich ab und blicke erneut nach draußen. Meine Augen heften ausdruckslos auf den winzigen Tröpfchen, welche sanft gegen die Scheibe rieseln. Immer wieder die gleichen Bilder ... Die gleichen Worte ... „Verzeih mir.“ Jede verrinnende Minute schürt die Gewalt der Gefühle, welche in mir aufwallen. Und ich habe Angst davor weiter zu gehen, weil ich weiß, dass es meine Schuld ist. Habe ich nicht selbst erkannt, dass du meine Stärke brauchst ... gerade jetzt vielleicht mehr als in irgendeiner anderen Zeit? Lass es nicht zu spät sein ... Meine Gedanken kreisen um dich, während sich der Wagen allmählich seinem Ziel nähert. Alles was bleibt ist die Hoffnung, dich wieder zu sehen ... Kurz nach unserem weitestgehend einseitigen Telefonat habe ich bei einem Krankenhaus angerufen, versucht ruhig zu bleiben, obwohl Panik und Verzweiflung in mir aufgestiegen sind und mich ausgebrannt haben wie Feuer. Bis jetzt habe ich keinen Rückruf erhalten. Die Unwissenheit legt sich um mich wie ein Mantel aus Dunkelheit ... zärtlich und betäubend. Ich möchte dich noch einmal lachen hören, wenn du dich freust und deinen sanften Herzschlag spüren, wenn du dich wohl fühlst. Die Sehnsucht nach dir lässt meine Sorge wachsen. Egal was mich nun erwartet, egal was auf uns zukommen wird ... ich werde da sein und dich stützen. Dieses Mal lasse ich dich nicht gehen. Nach weiteren fünfzehn Minuten bringt Roland die Limousine zum stehen und durch das plötzliche Halten zucke ich leicht zusammen. Auch Mokuba erwacht auf Grund des unangekündigten Rucks und blinzelt mich verschlafen an. „Sind wir schon da, Duke?“, fragt er leise und streckt sich ein wenig, mustert mich dabei jedoch unaufhörlich. Seufzend löse ich meinen Gurt und nicke dem Jüngeren zu, versuche ihm ein ermutigendes Lächeln zu schenken. Er merkt mir an, dass ich meine Furcht überspielen will und legt vorsichtig seine Hand auf meine Schulter. Wir steigen aus und machen uns schweigend auf den Weg zum Haupteingang des Krankenhauses, welches im Zentrum Tokios liegt und sich über ein riesiges Gelände mit einer Parkanlage erstreckt. Im Inneren des Gebäudes herrscht reges Treiben und ich habe Schwierigkeiten mich zu orientieren. Von allen Seiten Strömen Menschenmassen auf mich und den Kleineren ein. Ich packe ihn am Handgelenk, um ihn nicht zwischen all den Krankenschwestern, Ärzten und Besuchern zu verlieren. Es dauert eine Weile, bis ich mich zu einem der Informationsschalter durchgekämpft habe. Die junge Japanerin, welche mir Auskunft gibt, erkennt die Traurigkeit in meinem Blick und lächelt mich mitleidig an. Schluckend bedanke ich mich für die Hilfe und schließe meine bebenden Finger um das kleine Stück Papier, auf welchem sie für mich notiert hat, wo ich nach dir suchen muss. Gemeinsam mit Mokuba dränge ich mich durch die Menge und betrete einen der Aufzüge, welcher glücklicherweise nicht so voll ist, wie der Flur im Erdgeschoss. Nur ein älteres Ehepaar leistet dem Schwarzhaarigen und mir Gesellschaft, verlässt uns jedoch bereits einige Stockwerke höher. Auf dem Zettel in meiner Hand steht, dass wir bis zur vorletzten Etage hinauffahren müssen. Dort befindet sich die Intensivstation. Allein dieser Umstand lässt mein Herz schwer werden und ich lehne mich gegen die Wand des Aufzugs, lausche dem leisen Rattern, schließe die Augen, um die Tränen zu unterdrücken, welche sich in meinen Augenwinkeln zu sammeln beginnen. Als Mokuba und ich aussteigen und gerade an der verschlossenen Tür aus Milchglas klingeln wollen, um unsere Namen zu nennen und zu erklären, dass wir uns zu deinem Besuch angemeldet haben, öffnet sich eben diese. Ein Mädchen, nicht älter als siebzehn Jahre, stürmt an dem Jüngeren und mir vorbei. Ihre Hände hat sie vor ihr Gesicht gepresst und ich höre, dass sie weint. Ohne sich umzudrehen stolpert sie am Aufzug vorbei und rennt die Stufen des Treppenhauses hinab. Die Tür steht noch immer offen und ich das Krankenbett sehen, auf welchem, von Kopf bis Fuß bedeckt mit einem weißen Laken, ein regungsloser Körper ruht. Überrascht und gleichzeitig der Ursache ihres Handelns so sicher starre ich ihr nach, senke betrübt den Kopf. Erst die Stimme eines freundlich und doch gequält wirkenden Arztes, welcher nun vor mir und dem Kleinen steht lässt mich erneut aufblicken. „Sie ist fortgelaufen, nicht wahr?“, wendet er sich an mich und ich nicke kaum merklich. Für einen kurzen Moment legt sich ein leidender Ausdruck auf die Züge des Mediziners. Allerdings geht er nicht weiter auf das eben Geschehene ein, sondern erkundigt sich nach meinem Anliegen. „Ich heiße Duke Devlin und der Kleine ist Mokuba Kaiba.“ Während ich spreche deute ich auf meinen Begleiter und man merkt mir an, dass mich das, was ich gerade beobachtet habe berührt hat, denn ich klinge, als sei ich nicht ganz bei der Sache. Mein Gegenüber hört mir aufmerksam zu und als er den Nachnamen des Jüngeren zu Ohren bekommt, verändert sich seine Miene und er scheint Mühe zu haben, sich nicht anmerken zu lassen, was ihm dabei durch den Kopf geht. „Wir wollen uns nach jemandem erkundigen ... seine Name ist Seto Kaiba. Er ist erst gestern Nacht hier eingeliefert worden, doch mehr weiß ich nicht. Niemand hat mich darüber benachrichtigt, wie es ihm geht ...“ Gegen Ende des Satzes werde ich leiser und ich kann meine Sorge nicht verbergen. „Das ist richtig.“, wird mir nach einigem Zögern geantwortet, „Er ist noch nicht sehr lange hier ... Wenn sie möchten, dann begleiten sie mich bitte auf die Station. Dort kann ich in Ruhe mit ihnen sprechen.“ , schlägt der Arzt letztendlich vor und streicht sich eine seiner langen, weißen Haarsträhnen aus der Stirn. In seinem Büro angekommen weist er den Schwarzhaarigen und mich an, sich zu setzen und bietet uns beiden ein Getränk an. Ich lehne ab, bedanke mich aber trotzdem höflich. „Entschuldigen sie bitte, dass ich vorhin so mit der Tür ins Haus gefallen bin. Ich habe mich ihnen ja nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist Ryou Bakura. Ich leite die Intensivstation dieses Krankenhauses.“, erklärt sich der Ältere und reicht erst mir, dann Mokuba, die Hand. „Auf Grund des Namens ihres Begleiters gehe ich davon aus, dass er der jüngere Bruder ist, nicht wahr?“, fragt Bakura lächelnd und ich bestätige seine Vermutung. „Er ist sein einziger verbliebener Verwandter.“, füge ich seufzend hinzu und bemühe mich, meine Ungeduld zu unterdrücken. Ich möchte endlich wissen, wo du bist ... ob du wohl auf bist. „Und sie sind ...?“ „Ich ... ich bin ein Freund.“, antworte ich scheu. Unerwartet fällt mir Mokuba ins Wort und blickt den Arzt durchdringend an. „Er ist nicht irgendein Freund für Seto. Für ihn und auch für mich ist er ein Teil unserer Familie geworden. Ich glaube nicht, dass es einen Menschen gibt, der meinem Bruder näher steht.“, platzt es aus ihm heraus und der Weißhaarige nickt verständnisvoll. Von diesem Einwurf immer noch ein wenig erschrocken starre ich den Kleineren gerührt an. Er scheint mir meinen Fehltritt wirklich nicht übel zu nehmen. Anfangs habe ich Zweifel daran gehabt, ob seine Sympathie nicht nur vorübergehend Bestand haben würde. Doch selbst jetzt ... wo sich die Auswirkungen meines Fehlers zu zeigen beginnen steht er zu mir. Sein Glaube daran, dass das hier nicht das Ende ist, scheint unumstößlich zu sein und macht mir Mut. Ein leises Räuspern seitens des Arztes, welcher bemerkt hat, dass ich für eine Weile abwesend gewesen bin, lenkt meine Aufmerksamkeit zurück auf diesen. „Ich denke es ist an der Zeit auf den Grund ihres Besuches zurückzukommen. Ich möchte sie nicht länger ausfragen, denn schließlich geht es um den Patienten und ich habe sie bereits lange genug warten lassen. Ihr Freund oder in deinem Fall dein Bruder ...“, Bakura blickt flüchtig zu Mokuba hinüber, „ ... hat , höchstwahrscheinlich durch Überarbeitung oder zu großen körperlichen sowie seelischen Stress, einen Schlaganfall erlitten. Als die Sanitäter unseres Krankenhauses ihn Dank ihres Anrufs recht schnell aufgefunden haben, war er bewusstlos und natürlich wurde er sofort auf die Intensivstation verlegt. Auch, wenn die Größe des Schlaganfalls nicht lebensgefährlich gewesen ist, haben die Ärzte es für besser gehalten ihn hier unterzubringen, da die Sicherheit des Patienten so besser gewährleistet ist und wir auf dieser Station mehr Möglichkeiten haben zu helfen, sollte es doch noch Komplikationen geben.“ Meine Augen weiten sich mit jedem weiteren Wort des Weißhaarigen und in meinem Inneren überschlagen sich die Gefühle. Einerseits bin ich geschockt, denn ein Schlaganfall kann furchtbare Folgen nach sich ziehen und es ist vielleicht nur Glück gewesen, dass es dich nicht dein Leben gekostet hat. Wenn ich nicht angerufen hätte ... Andererseits bin ich erleichtert. Du scheinst es überstanden zu haben und außer Gefahr zu sein. Trotzdem beunruhigt mich der seltsame Blick aus den undurchdringlichen Augen des Mediziners mir gegenüber. „Herr Kaiba hat wirklich Glück gehabt ... „, setzt Bakura erneut an, „Viele Menschen, die einen Schlaganfall durchmachen verlassen das Krankenhaus mit Lähmungen, Gedächtnisproblemen, Sprachstörungen und ähnlichen typischen Folgen dieser Erkrankung. Ganz davon abgesehen, dass nicht jeder so etwas überlebt ...“ Je eindringlicher der Arzt mir beizubringen versucht, dass du mit deinem Schicksal doch ein relativ mildes Los gezogen hast, umso mehr verstärkt sich mein Gefühl ... das da noch irgendetwas ist ... Es macht mich wahnsinnig und ich kralle meine Finger in die Sitzfläche des Stuhls. „Wahrscheinlich wird in nächster Zeit des Öfteren ein Schwindelgefühl, Übelkeit oder Schläfrigkeit auftreten ... auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Deshalb sollten sie Acht auf ihren Freund geben ... „ Den Worten des Arztes folgt ein kaum hörbares Murmeln. „ ... Er wird ihren Halt brauchen ... bis er lernt zu akzeptieren ... „ Ich verstehe nicht, was dies zu bedeuten hat, doch bevor ich dazu komme den Weißhaarigen danach zu fragen, wendet sich jener, mit neu gewonnener, fester Stimme, wieder an mich. „Wenn sie möchten, dann kann ich sie beide zu ihm bringen. Er ist allerdings noch nicht wach ...“ Selbstverständlich nehme ich sein Angebot an. Ich möchte dich sehen, dich berühren ... nur um mich selbst zu vergewissern, dass du wirklich da bist, dass ich mich nicht mehr um dich sorgen muss ... Vor der Tür, mit der Nummer 311 hält Bakura einen Moment lang inne. Er möchte den Schwarzhaarigen und mich allein zu dir gehen lassen und für diese Geste bin ich ihm mehr als dankbar. Als ich den Raum betreten will, verweilt jedoch auch Mokuba auf dem Flur und ich blicke ihn irritiert an. „Geh bitte ohne mich. Ich kann Seto auch später noch besuchen.“, meint er und lächelt mich ermunternd an. Kommentarlos und ein bisschen verwirrt trete ich allein in das Zimmer und nähere mich zögernd dem Bett, welches sich mittig befindet. Mittlerweile ist der Morgen angebrochen und ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkendecke. Sanft fallen sie durch das halb geöffnete Fenster und verleihen dem weißen, kargen Raum ein wenig Wärme. Leise, als könne ich dich sonst wecken, lasse ich mich auf dem Hocker nieder, welcher nicht weit entfernt von dir steht. Um auch die verbleibende Distanz zu dir zu durchbrechen, rücke ich ein Stück nach vorn und beuge mich vorsichtig ein wenig über dich. Fassungslos betrachte ich dein Gesicht. Du bist noch genau so schön, wie ich dich in Erinnerung gehabt habe ... doch wirkst du um einiges dünner und auf irgendeine Weise so kraftlos. Unter deinen geschlossenen Lidern erkenne ich Augenringe und du bist so blass. Zärtlich lege ich meine Fingerspitzen auf deine weichen, kühlen Lippen, streiche kaum merklich darüber. Für einen Augenblick verweile ich, sehe dich an und nehme nicht wahr außer dir. Nachdem sich meine Starre löst, spüre ich, wie mir Tränen in die Augen steigen und ich weiß nicht, ob ich weine, weil ich traurig oder glücklich bin. Sanft lege ich meine Arme um deinen schmalen Körper, vergrabe das Gesicht in deiner Halsbeuge und mir entkommt ein erstickter Laut. Ich habe mir so schreckliche Sorgen um dich gemacht ... in all den Tagen, während du hier allein warst ...und in den letzten Stunden. Wie lange ich an deiner Seite gesessen habe, weiß ich nicht. Auch, dass du dich nach einer Weile unbeholfen unter meinem Gewicht zu bewegen beginnst, nehme ich anfangs nicht wahr. „Wer ist da ...“, flüsterst du und deine geschwächte Stimme dringt allmählich an mein Ohr. Erst fühlt es sich an, als würde ich träumen, denn sie kommt mir fern vor, doch schließlich begreife ich und richte mich ein wenig auf, ohne dabei von dir abzulassen. Nie wieder ... Deine eisblauen Augen schauen direkt in die meinen und ich halte ihnen stand. Diesmal lasse ich nicht zu, dass meine Schwäche sich uns in den Weg stellt. Auf einmal streckst du deine Hand nach mir aus, versuchst mein Gesicht zu berühren, doch du greifst ins Nichts. Siehst du mich nicht? Vorsichtig umfasse ich dein Handgelenk und lege deine Finger an meine Wange. Sie streifen meine Haut hauchzart ... wie ein warmer Sommerregen und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Ich täusche mich nicht. Dein Blick ist leer ... du hast mich bis jetzt nicht erkannt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)