Can you feel me shiver? von cosmos (m a s t e r s h i p p i n g) ================================================================================ Kapitel 8: Spiral Staircase --------------------------- -SETO- Meine Finger streichen über das kühle Glas der Fensterfront, vor welcher ich regungslos verweile. Vorsichtig, als könnte die Scheibe unter meiner Berührung zerspringen. Abertausende Lichter strahlen mir entgegen, erhellen die fremde Stadt, welche sich vor meinen Augen erstreckt. So unendlich weit ... Die Nacht ist schwarz, nicht ein einziger Stern steht am Himmel als hätte er sie allesamt verschlungen. Wie erstarrt blicke ich ins Nichts, meine Gedanken sind vernebelt und ich finde den Ausweg nicht. Ich weiß nicht, wo ich bin, wohin mein Weg führt. Über mir erstreckt sich eine Wendeltreppe. Ohne Unterbrechung renne ich, steige höher, Stufe um Stufe ... Ich kann das Ende nicht sehen. Und hinter meinem Rücken bricht alles ein ... Wo soll ich hin? Ganz plötzlich, beinahe als wäre ich aus einer Trance erwacht, verengen sich meine Augen zu schmalen Schlitzen. Sie färben sich eine Spur dunkler, sehen mir leer und kalt aus meinem Spiegelbild entgegen. In meinem Körper verkrampft sich jeder Muskel und ich presse die Lippen aufeinander. Diese Schwäche ertrage ich nicht länger. Ich kann mich selbst nicht ertragen, mich nicht ansehen, denn das bin ich nicht. Schon so lange nicht mehr, ich habe diese Gefühle verschlossen, sie weggesperrt so tief in meinem Inneren, dass sie nie wieder an die Oberfläche dringen. Du hast mich verändert. Mit jedem Tag, an dem du mir Nahe warst ein wenig mehr und ich habe es zugelassen, mich nicht dagegen gewehrt und gegen das verstoßen, was ich gelernt und selbst erfahren habe. Wer vertraut, der wird fallen. Früher oder später, es spielt keine Rolle. Und trotzdem habe ich es getan ... es ist so vorhersehbar gewesen, doch du hast mich geblendet. Ich will das nicht mehr. Was man nicht hat, dass kann man auch nicht verlieren. Wer allein ist, der kann nicht zurückgelassen werden. Bin ich nicht immer einsam gewesen? Bis du aufgetaucht bist ... bis du alles auf den Kopf gestellt hast ... mein Leben. Ich habe so sehr gehofft ... Wie ein kleiner Junge mit seinen kindischen Gefühlen und dem Wunsch geliebt zu werden ... Deine Wärme und eine zärtliche Berührung ... nur für einen Moment. Ich habe so sehr gehofft, dass du mir zeigst, wie es sich anfühlt etwas wert zu sein. Doch vielleicht konntest du das nicht? Vielleicht bin ich nichts wert ... und es ist nicht deine Schuld. Es hat keinen Sinn. Daran werde ich nicht zerbrechen. Es wird so sein wie früher, wie es immer gewesen ist und ich werde es tragen. Und meine Seele wird taub für den Schmerz. Erschöpft von der langen Reise nach Tokio sinke ich in die Laken und schließe kutzzeitig die Lider. Ein Blick auf den Wecker sagt mir, dass es kurz nach drei Uhr ist, was mich leise seufzen lässt. Mir bleiben nur wenige Stunden zum Schlafen ... Am kommenden Morgen erwache ich noch vor dem Klingeln des Weckers und drehe mich verschlafen auf die andere Seite. Draußen ist es noch dämmrig, über der Stadt liegt die Stille, wie ein unsichtbarer Schleier. Ich richte mich auf, erhebe mich und mache mich auf den Weg in das Bad des Hotelzimmers. Die wenigen Schritte, welche es mich kostet, um dorthin zu gelangen sind wackelig und unsicher. Mir ist schlecht und ich stütze die Handflächen stöhnend auf den Rand des Waschbeckens. Das Bild, welches sich mir im Spiegel vor mir bietet verzerrt meine Lippen zu einem schiefen Lächeln. Meine sonst so seidigen brünetten Strähnen hängen mir ein wenig zerzaust ins Gesicht. Unter meinen Augen zeichnen sich blasse schwarze Ringe ab, ich wirke blasser als sonst, ausdruckslos und übernächtigt. Rasch wende ich mich ab und verschwinde unter die Dusche, mache mich zurecht und ziehe mich an. In knapp einer Stunde muss ich die Zweigstelle der Kaiba Corporation im Stadtkern erreicht haben, wo ich mich zu einer Besprechung mit einigen neuen Geschäftspartnern treffen werde. Roland, welcher mich nach Tokio begleitet hat, wartet am Eingang meines Hotels, um mich mit meiner Limousine abzuholen und zum Firmengebäude zu bringen. Die Straßen sind wie leer gefegt und kaum ein anderes Auto begegnet uns auf unserer Fahrt. Zu dieser Zeit ist noch niemand auf den Beinen, alles schläft und vor mir liegt eine Geisterstadt ... wie ausgestorben. Weit und stumm ... Nach ungefähr dreißig Minuten hält der Wagen vor einem fast gänzlich gläsernen Gebäude, welches sich hoch in den Himmel erhebt. Ich erwidere die Verabschiedung meines Chauffeurs mit einem kurzen, kaum sichtbaren Nicken. Sein fragender Blick hinter seinen schwarzen Brillengläsern bleibt mir verborgen. Er hat keine Ahnung. Nicht davon, dass erneut der Mann vor ihm steht, dem nie ein Lachen über die Lippen gekommen ist. Verschlossen und kalt, wie damals ... bevor ich mich selbst verraten und zum Scheitern verurteilt habe ... ich habe leben gewollt. Doch irgendwann ist auch ein Traum zu lange her ... Mit dem Aufzug erreiche ich die oberste Etage des Bauwerks und trete in den Konferenzraum. Dort warten bereits zwei Männer, beide um einiges älter als ich. Das leise Zufallen der Tür lenkt ihre Aufmerksamkeit auf mich. Mit entschlossenen Schritten nähere ich mich ihnen, reiche ihnen geschäftsmäßig die Hand und mustere sie kurz, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dabei bleibt mein Blick ausdruckslos und lässt kein Eindringen in meine Gedanken zu. Mein Verhalten scheint für die zwei Fremden keine Überraschung zu sein. Schließlich bin ich für meine kalkulierende und unnahbare Art bekannt, auch unter jenen, die noch nicht das Glück hatten, mit mir Verträge aushandeln zu dürfen. Zwar mögen die Dinge, die man mir nachsagt sich in den vergangenen Jahren etwas abgewandelt haben, da ich um einiges an Menschlichkeit dazu gewonnen gehabt habe, aber dieses Gesicht werden jene Personen mir gegenüber nicht kennen lernen. Niemand wird dies tun. Niemand. Niemals. Es ist vorbei, endgültig und es gibt keinen Neubeginn. Ich besitze nicht die Kraft, welche ich nach außen trage ... es reicht nicht und wenn du mich ein weiteres Mal verletzt werde ich nicht aufstehen. Kein weiteres Mal ...... nein ....... ich lasse mich nicht zerstören. Ohne auch nur das geringste Anzeichen von Anstrengung preiszugeben, beginne ich die Besprechung und führe sie zu Ende. Diese hat sich schließlich bis in die späten Abendstunden hingezogen und die Termine für die folgenden Tage und die Woche darauf sind festgelegt. Morgen werden weitere Kollegen der beiden Unternehmer anreisen und die wahrlich bedeutenden Zusammenkünfte werden stattfinden. Die Kooperation mit dem weltbekannten Computerfabrikanten ist für mich und meine Firma äußerst wichtig und mir ist bewusst, dass ich mir in dieser Sache keine Fehler erlauben darf. Genaue und effiziente Arbeit sind nun alles was zählt. Den Rest der Nacht verbringe ich an meinem Schreibtisch. Mein Laptop ist die einzige Lichtquelle im Raum und ich starre gebannt auf den Bildschirm. Die Verträge müssen perfekt ausgearbeitet sein und es darf nicht auffallen, dass der Großteil der Vorteile mir zukommt. Geschickt versuche ich den Inhalt des Schriftstücks so auszurichten, dass man zumindest beim groben Überfliegen kein Misstrauen hegt. In solchen Dingen bin ich geübt und trotz der Tatsache, dass ich für die ein oder andere Hinterhältigkeit bekannt bin gibt es immer wieder Menschen, die es wagen mit mir zusammen arbeiten zu wollen. Ich baue darauf, dass meine neuen Geschäftspartner weiterhin davon ausgehen, meine Vorgehensweise bei Verhandlungen habe sich mit meinem Charakter zu etwas Durchschaubarem und Fairem entwickelt. Wie dumm die Menschen sind. So sehr das eigene Wesen auch beeinflussbar ist ... die Person, die man einmal gewesen ist wird nie verschwinden. Sie liegt begraben unter all dem Trug und Schein, unter der Hoffnung und Naivität. Bis zu dem Tag, an dem man von der Realität eingeholt wird. Loszulassen schmerzt ... Wer von euch kennt die Qual, wenn einem alles genommen wird? Und man die Hand ausstreckt, hilflos und allein ... und es ist niemand da, der sie ergreift. Langsam, kriechend ziehen die Tage an mir vorbei. An jedem neuen fällt es mir schwerer die Augen zu öffnen, aufzustehen und mich aufrecht zu halten. Ich zeige es nicht, sehe nicht mehr in den Spiegel, weil ich weiß, dass ich es nicht sehen will ... Die Grenze rückt mit jeder Sekunde, die verstreicht, näher. Mein Vorsprung schmilzt, der Abgrund hinter mir hat mich beinahe erreicht. Schwach kämpfe ich mich von Stufe zu Stufe, wissend, dass ich es nicht schaffe. Nicht mehr lang ... Stur dränge ich meine Schwäche zurück, will nicht wahr haben, was mit mir passiert. Ich kann es einfach übergehen, es missachten, denn es gibt nichts, das mich in die Knie zu zwingen vermag. Du würdest sagen: „Betrüge dich nicht selbst.“, aber du bist nicht hier und deine leeren Worte werden nie mehr zu mir vordringen. Müde beschließe ich mir die eine Stunde Schlaf zu gönnen, welche noch verbleibt, bis ich wieder auf den Beinen sein muss und klappe das Notebook mit einem letzten Blick auf das geöffnete Schreibdokument vorerst zu. Als ich mich aufrichte und mich in Richtung meines Bettes bewegen möchte, habe ich das Gefühl, meine Beine würden meinem Gewicht nicht Stand halten und nachgeben, doch meine Hand schnellt rechtzeitig vor und ich halte mich an der Lehne des Stuhls fest, auf welchem ich bis eben noch gesessen habe. Ich atme viel zu schnell und meine Finger zittern, während sie sich weiterhin in den Lederbezug krallen. Alles dreht sich und die Einrichtung meines Hotelzimmers verschwimmt für einige Augenblicke vor meinen Augen. Erst nach ungefähr zwei Minuten klärt sich meine Sicht und ich wage einen Schritt nach vorn. Plötzlich ist es ganz wie immer. Entkräftet und immer noch ein wenig geschockt lege ich mich in mein Bett und sehe zur Decke hinauf. Das eben Geschehene werde ich vergessen, es hat nichts zu bedeuten. Ein nichtiger Aussetzer ... - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)