Blutige Leidenschaft von Curin (TyKa/ Vampirstory) ================================================================================ Kapitel 30: Die Bürde eines Jägers ---------------------------------- Klirr Das schrille Geräusch weckte ihn aus dem Schlaf. Sofort waren seine Augen geöffnet und seine Sinne hellwach. Er brauchte einen Moment um zu realisieren wo er war und zu welcher ungefähren Uhrzeit. Nachdem er sein dunkles Zimmer registriert hatte, wanderten seine Augen zu seinen Nachttisch wo ein im Dunkeln leuchtender Wecker verkündete, es sei 2 Uhr morgens. Er musste um 7Uhr aufstehen um sich für die Schule zu richten, also war es noch viel zu früh. Er hörte in die Nacht hinein. Jetzt, in einen etwas wacheren Zustand, konnte er zuordnen, dass das Geräusch welches er gehört hatte, wohl zerbrechendes Glas gewesen war. Merkwürdig. Seine Eltern würden ebenfalls früh aufstehen müssen, also konnte er sich nicht vorstellen, dass sie noch wach waren und eventuell ein Trinkglas zu Bruch gegangen ist. Aber vielleicht war das Geräusch auch nur in einen Traum von ihm vorgekommen. Er lauschte in die Nacht hinein. Er hörte nichts. Kein Tier, kein Wehen des Windes, keine Geräusche im Haus. An sich nichts ungewöhnliches, schließlich lebte er mit seinen Eltern in einen kleineren Dorf. Nicht so weit abgeschieden, dass man von fern der Zivilisation sprechen konnte, aber doch so abgesondert, dass es bei Nacht keinerlei Geräusche gab. Die Müdigkeit schien ihn wieder umfangen zu wollen. Kein Wunder. Er war erst 10 Jahre alt und er hatte den ganzen Tag mit seinen Freunden rumgetollt und sein Körper verlangte jetzt den nötigen Schlaf um noch einen weiteren solchen Tag erleben zu können. Seine Lieder fielen wieder zu. Langsam glitt er wieder in die Traumwelt über. „Kyaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!!“ Der Schrei ließ ihn dieses Mal aufrecht im Bett sitzen und sofort suchte er fahrig nach dem Lichtschalter seiner Nachttischlampe. Als das Licht den Raum flutete saß er schweratmend im Bett. Die Stimme. War das seine Mutter gewesen? Der Schrei war nach kurzen verstummt. Seine Finger krallten sich in die Decke, er versuchte ruhig zu bleiben um eventuell weitere Geräusche zu hören. Und tatsächlich. Er hörte die tiefe Stimme seines Vaters, aber er konnte nichts verstehen von dem was er sagte. Er konnte rumpeln hören und dann das Fallen von etwas schweren auf den Boden. Er wusste, er musste aus seinen Zimmer und herausfinden was da vor sich ging, doch er war wie von Angst gelähmt. Plötzlich hörte er einen weiteren Schrei. Dieses Mal von seinen Vater. Es war ein von Schmerz durchzogenener Laut. Er konnte nicht länger sitzen bleiben, er stand auf und hastete zu seiner Tür und wollte die Klinke ergreifen, doch er zitterte so sehr, dass er es zuerst nicht schaffte, sie zu fassen zu kriegen. Er riss sich zusammen. Was wenn ein Einbrecher da war und seine Eltern bedrohte. Er war nur ein Kind, doch er konnte doch nicht einfach in seinem Zimmer hocken bleiben. Er ergriff die Klinke und drückte sie vorsichtig runter um kein Geräusch zu machen. In dem Moment wo er den Flur betrat, hörte er wieder das Fallen von etwas schweren auf den Boden. Nun wieder von einen Zittern erfasst, tastete er die Wand nach dem Lichtschalter ab. Im Flur war es so dunkel. Das hereinfallende Mondlicht durch die Jalousien brachte nur spärliches Licht, welches bedrohliche Schatten an die Wand warf. Wieso fand er den verdammten Lichtschalter nicht?! Dies war doch nicht das erste Mal, dass er das Licht einschaltete. Sein Blick war auf die Tür vom Schlafzimmer seiner Eltern gerichtet, sie war geschlossen, doch auf einmal ging sie langsam quietschend auf. Er hörte auf den Lichtschalter an der Wand zu suchen. Sein Körper war auf einmal starr. Fluchtgedanken wurden in ihn wach. Aber vor was sollte er den flüchten? Bestimmt war dies nur sein Vater, der herauskam um zu berichten, dass seine Mutter einen Alptraum hatte, oder dass er ausversehen bei Dunkelheit über etwas gefallen war. Es bestand kein Grund zur Sorge und trotzdem… als er die Schemen einer Gestalt aus dem Zimmer kommen sah, drehte er sich um und wollte wegrennen. Er setzte den ersten Fuß vor dem anderen, aber schon hörte er hinter sich ein Knurren. Ein Luftzug und plötzlich wurde er an den Schulter gepackt und zu Boden geworfen. Er landete unsanft auf den Boden, sein Kinn schlug auf und sofort durchzuckte Schmerz seinen Körper. Völlig geschockt, wandte er das Gesicht um, doch im Dunkeln konnte er nur die Schemen einer Person erkennen, welche ihn an den Schultern auf den Boden drückte und bedrohlich über ihn ragte. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, er konnte nicht einmal schreien. Doch ein anderer Laut zerstörte die Ruhe. Ein Schuss. Die Kreatur über ihn heulte auf. Ein unmenschlicher Schrei. Gleich darauf fiel ein weiterer Schuss. Wieder der Schrei der Kreatur. Dann ließ sie endlich von ihm ab. Er konnte nicht wirklich erkennen was geschah. Er hörte nur das Trappeln von sich entfernenden Füßen, dann wieder das Klirren von Glas und schließlich spürte er einen Luftzug. Dann kamen schnelle Schritte auf ihn und jemand packte ihn an der Schulter und drehte ihn um. Im Dunkeln konnte er das Gesicht nicht erkennen, doch er erkannte die Stimme ihres Nachbarn. „Ray! Bist du in Ordnung?“ **^^** „Töten, Schwächen, bestimmte Schwachpunkte, Erkennungsmerkmale… Ich will alles wissen.“, beharrte Tyson wobei er Ray intensiv in die Augen schaute. „Wofür zum Teufel willst du das denn wissen?“, fragte Ray und schwenkte die Bierdose in seiner Hand. „Wenn du jemanden mit rotglühenden Augen siehst, dann renn weg. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“ Tyson murrte und formte seine Lippen zu einem Schmollmund. Sie waren inzwischen bei Ray zu Hause. Bisher hatte sich Kai noch nicht gemeldet und somit stand fest, dass Tyson wohl auch die Nacht bei ihm verbringen musste. Tyson gefiel der Gedanke nicht. Er hatte nichts gegen Ray, aber er machte sich Sorgen um Tala und er wusste, dass Kai jetzt bestimmt wieder lauter miese Gedanken hegen würde. Er wollte bei ihm sein und ihm zur Seite stehen und nicht bei Ray vergammeln, der sich vehement weigerte, ihm etwas über Vampire zu erzählen. Nicht dass Ray sich allgemein weigerte. Er hatte immer seine Fragen beantwortet und für ihn das Vampirlexikon gespielt, doch jetzt da Tyson Dinge fragte, welche sich auf das spezifische Jagen bezogen, schaltete Ray auf einmal auf stur. „Ich will doch kein Jäger werden“, erklärte Tyson ruhig, nachdem so lange Stille geherrscht hatte, dass er es nicht mehr aushielt, „aber ich will nicht länger hilflos sein. Wenn mich jemand angreift, will ich nicht erst darum bitten müssen, kurz einen Anruf an Kai absetzen zu dürfen.“ „Im Allgemeinen haben solche Leute wie du nichts zu befürchten vor Vampiren“, erklärte Ray kalt. Er saß entspannt auf seinem Sofa und genoss sein Feierabendbier. Er schien keinerlei Interesse daran zu haben, dieses Gespräch mit Tyson zu führen. „Ja, das habe ich bemerkt“, sagte Tyson höhnisch und tippte auf seinen Nacken. Ray seufzte und stellte sein Bier doch noch ab. „Bei dir ist es ein besonderer Fall. Brooklyn ist durchgeknallt. Normalerweise suchen sich Vampire einsame Menschen in üblen Gegenden. Wenn die verschwinden fällt es nicht auf und man macht sich weniger Mühe um die genauen Umstände des Todes herauszufinden. Jemand wie du ist ein schlechtes Opfer. Dein Verschwinden würde schnell auffallen und man würde genauere Nachforschungen anstellen. Vampire fürchten sich zwar nicht vor dem menschlichen Rechtsstaat, aber sie sind auch nicht scharf auf Presse.“ „Na gut“, meinte Tyson resignierend, doch der Schalk zeigte sich sofort in seiner Stimme. „Dann erklär mir doch einfach, wie ich mir Brooklyn vom Leib halte.“ Auf Rays Stirn zeichnete sich eine Vene ab. Er war ja ein besonnener Mensch, aber Tyson war der mit Abstand größte Dickkopf, der ihm je begegnet ist. „Warum kannst du nicht einfach darauf vertrauen, dass Kai, Tala und ich dich beschützen werden?“, fragte er und massierte sich die Stirn. „Tala? Meinst du den Tala, der heute versucht hat mir die Hand abzubeißen?“, fragte der Japaner scheinheilig und gab Ray dabei einen scharfen Blick. Eigentlich wollte er Tala nicht denunzieren, aber vielleicht hätte er es geschafft, sich selbst aus der misslichen Lage zu befreien, wenn er ein paar Tipps und Kniffe gekannt hätte. Stattdessen hatte er nach Kai schreien müssen, während er nur starr vor Angst da liegen konnte. „Warum… warum kannst du dich nicht einfach glücklich schätzen, dass Leute um dich herum sind, die das Vampire töten für dich übernehmen?“, fragte Ray nun schon am Rande seiner Weisheiten. „Du konntest dich damit auch nicht zufrieden geben“, konterte Tyson und sofort bereute er seine Worte. Durch Rays Körper war ein Zucken gegangen, doch er fing sich gleich wieder. Dennoch setzte er zu einer Erklärung an. „Ich habe mir dieses Leben nicht wirklich ausgesucht“, erklärte er. Er wollte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und stand daher auf um in die Küche zu gehen. Tyson blieb zurück. Er hatte das nicht sagen wollen, aber die frustrierende Situation hat diese Worte in ihn aufkommen lassen. Er wollte doch nicht plötzlich Jagd machen auf Brooklyn. Aber wenn dieser oder Garland das nächste Mal vor ihm auftauchen sollten, dann sollte er schon mehr wissen um sich gegen diese wehren zu können. Bei Brooklyn war er komplett hilflos gewesen und Garland konnte er nicht wirklich aufhalten. Er hatte ihn einen Briefaufschneider in den Hals gerammt und dies hatte ihn nur wütend gemacht. Er musste sich richtig wehren können, wenn sie wieder vor ihm auftauchten, doch Ray schaltete auf stur. Tyson blickte zur Küche und ihm gingen Rays Worte durch den Kopf. Wenn er dieses Leben nicht gewollt hatte, warum lebte er es dann? Er hatte ihm mal erzählt, dass er selbst hatte lernen wollen Vampire zu jagen. Was hatte ihn dazu bewogen, diese Aufgabe anzunehmen? **^^** Er saß auf der Parkbank vor dem Krankenhaus mit gesenkten Blick und dem Zettel vom Arzt in der Hand. Seine Augen waren starr geradeaus gerichtet, doch sein Blick war leer. An seinen Armen und auf der Wange verdeckten Pflaster Teile seiner Haut. Der Zettel, welchen er in der Hand hielt, berichtete nur von ein paar Blessuren und einen Schock. Natürlich war er geschockt. Er hatte die Leichen seiner Eltern gesehen. Weiß wie Papier und die Augen weit aufgerissen. Zwar hatte der Nachbar, welcher ihm gerettet hatte, ihn sofort gepackt und nach draußen gebracht, doch nur ein Augenblick hatte ausgereicht um dieses Bild für immer in seine Erinnerung zu brennen. Die Polizei hatte ein paar Fragen gestellt und dabei versucht nicht zu sehr nachzuhaken. Es war ihm anzusehen gewesen, das aus ihm nicht viel rauszubekommen wäre. Als hätte er überhaupt viel gesehen. Er berichtete in abgehackten Sätzen von den Geräuschen und den Schreien seiner Eltern. Auch berichtete er von der Person, die ihn zu Boden geworfen hatte, doch er selbst konnte sich immer noch nicht erklären, wie das alles zusammenhing. Seine Eltern hatten nicht so ausgesehen, als hätte ein Messer oder eine Kugel sie getötet. Bei dem ganzen grausigen Bild das sich ihm geboten hatte, hatte er keinen Tropfen Blut gesehen. Als wären seine Eltern einfach nur tot umgefallen. Wenn es denn nun ein Einbrecher war, warum hatte er dann überhaupt seine Eltern getötet. Er hatte immer gedacht, Einbrecher wären so intelligent um den Einwohnern aus dem Weg zu gehen. Welcher Einbreche ist schon so doof in das Schlafzimmer einzusteigen um dann gleich auf die Einwohner zu treffen? Und wie hatte er sie schließlich getötet? Mit bloßen Händen? Die Polizei hatte sich Antworten von ihm erhofft, aber im Grunde hatten sie nur bewirkt, dass in ihn noch mehr Fragen auftauchten. Schließlich hatten sie ihm erklärt, dass sie weiter nachforschen würden und dass sie alles daran setzen würden, den Mörder seiner Eltern zu finden. Ein schwacher Trost für einen 10jährigen der jetzt allein war. Er hatte zwar Freunde und seine Eltern hatten auch viele Bekannte gehabt, aber an weiterer Familie mangelte es ihm. Keine Großeltern, kein Onkel oder Tante. Er hatte immer nur seine Eltern gehabt. Und jetzt hatte er niemanden mehr. Daher wartete er momentan auch hier auf der Parkbank. Jemand vom Jugendamt sollte ihn abholen und ihn zu einer Pflegefamilie bringen. Vielleicht hatte er Glück und einer der Freunde seiner Eltern würde sich bereit erklären, ihn zu sich zu nehmen, aber bis es soweit war, war er erst einmal ein Fall des Jugendamtes. Er sah auf die Uhr. Man hatte ihm gesagt, dass der Beamte um 12Uhr kommen würde um ihn vom Krankenhaus abzuholen und er vor dem Krankenhaus warten sollte. Momentan war 12:30Uhr und es war immer noch niemand da. Aber im Grunde interessierte ihn das nicht. Im Moment, war ihm alles egal. Da er auf den Boden starrte, konnte er nicht sehen, dass ein Auto langsam heranfuhr und schließlich vor ihm stehen blieb. Er nahm nur den Schatten wahr, der sich plötzlich vor ihm aufbaute. „Bist du Ray Kon?“, fragte eine dunkle Stimme und Ray hob doch noch den Blick. Vor ihm stand ein bärengroßer Mann mit rotem Haar und stechenden grünen Augen. Ray konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann vom Jugendamt war, aber wer sonst sollte etwas von ihm wollen, also nickte er. Der Mann verzog sein Gesicht zu einen Grinsen. Dann ging alles schnell. Der Mann packte ihn grob am Arm und zog ihn von der Parkbank hoch. Er erschreckte sich und wollte instinktiv schreien, aber schon hatte ihn der Mann die Hand auf den Mund gelegt und zog ihn zum hinteren Ende des Autos. Erst jetzt viel ihm auf, dass es ein schwarzer Lieferwagen war. Die Tür ging auf und er wurde in das dunkle Innere des Wagens geworfen. Dann weiß er nur noch wie ihm etwas über den Kopf gezogen wurde und plötzlich wurde ihn anders und er konnte sich danach an nichts mehr erinnern. Als Ray wieder die Augen öffnete, war er nicht mehr im Lieferwagen. Sein Kopf tat ihm weh, ihm war schummrig und modriger Geruch stieg ihm in die Nase. Schwerfällig öffnete er die Augen. Seine Umgebung war ihm nicht bekannt. Ein ausgesessenes Sofa auf der einen Seite, ein schimmliger Schreibtisch auf der anderen. Von den Wänden hingen die Tapeten herunter und der Fußboden wirkte uneben. War dies ein verlassenes Büro? Er hatte keine Ahnung, aber vor allen; warum war er hier? Sein Blick war auf das Sofa gerichtet. Auf diesen saß der Mann von vorhin, der sich, nun da er wach war, aufrichtete und auf ihn zuschritt. Erst jetzt nahm Ray auch war, dass er selbst weder saß noch lag. Er stand und zwar an der Wand. Ein Blick nach oben verriet ihm, dass seine Hände in Ketten lagen, welche mit einen Bolzen in die Wand gehauen waren. Ray verstand gar nichts mehr. Verängstigt starrte er auf den Mann, der jetzt genau vor ihm stand. Er brachte keine Frage zustande, stattdessen stellte der Mann vor ihm eine. „Ich würde gerne wissen, wie der Mann aussah, der vor ein paar Tagen in dein Haus eingebrochen ist?“, fragte er ohne Umschweife und hatte dabei immer noch dieses Grinsen im Gesicht. Ray öffnete den Mund und schloss ihn wieder ohne dass ein Wort herauskam. Nicht dass er die Antwort auf die Frage nicht wusste, aber er verstand einfach die Gesamtsituation nicht. Anscheinend war sein Entführer nicht der geduldigste Mensch, denn er wartete nicht darauf, dass Ray die Antwort fand, sondern rammte ihm stattdessen die Faust in den Magen. Ray hatte das Gefühl, die gesamte Luft würde aus seinen Körper gepresst. Er japste nach Luft und hing in den Ketten. Was… was hatte er den falsches gemacht? Während er in den Ketten hing, fiel ihm auf, dass der Mann einen Eisenring an der Hand trug, mit welcher er ihm geschlagen hatte. Was ging hier nur vor? Wieso? Warum? Wer? Er verstand die Welt nicht mehr. Was hatte er nur getan um das zu verdienen? Zuerst die Ermordung seiner Eltern und nun das. Er musste doch etwas falsch gemacht haben, oder? „Das wird wohl etwas länger dauern?“ Das waren die letzten Worte die Ray hörte, bevor für ihn die Hölle auf Erden begann. **^^** Ray versicherte sich, dass Tyson auch wirklich eingeschlafen war. Er schob leise die Tür auf und betrachtete die schlafende Silhouette auf dem Bett. Der Körper hob und senkte sich in regelmäßigen Zügen, das Gesicht war entspannt. Noch lange hatte er Grummeln aus dem Zimmer vernommen. Tyson war überhaupt nicht glücklich damit, dass sich Ray strikt dagegen wehrte, ihm etwas über das Kämpfen gegen Vampire beizubringen. Tyson konnte ganz schön stur und nervig sein, wenn es um das Thema ging, aber Ray war hart geblieben. Tyson hatte ihn gegen Ende frustriert klar gemacht, dass er nicht so schwach war, wie alle immer glaubten. Ray ging es auch nicht darum, dass er Tyson für schwach hielt. Es war sogar eher so, dass der Chinese ihn ein wenig bewunderte. Obwohl Tyson in all das mehr oder weniger glücklich hineingestolpert war, empfand er seine Ruhe und die Konzentration auf sein normales Leben, als ziemlich stark. Nicht viele würden es schaffen, sich so viel Normalität und Ruhe zu bewahren. Andererseits hatte er einen besonderen Grund, warum er ihm nichts über das Töten von Vampiren erzählen wollte. Ray wollte ihn einfach nicht seiner Unschuld berauben. Im ersten Moment denken viele, dass das Töten eines Vampirs eine emotional einfache Sache ist. Der Vampir ist im Grunde Untot, seelenlos und grausam. Warum sich also Gedanken darüber machen, dass man seinem sinnlosen Dasein ein Ende setzt. Es handelt sich ja auch um ein böses Wesen, das andere unschuldige Menschen tötet. So geht es vielen Vampirjägern am Anfang. Auch er hatte anfangs noch so gedacht. Die Wut über den Tod seiner Eltern hatte wenig Mitleid übrig gelassen, für den ersten Vampir den er jagte. Er war ihm gnadenlos gefolgt, hatte sich wacker mit ihm geschlagen. Doch als er dann den Pflock durch dessen Herz stieß und der Vampir seinen letzten Blick auf ihn warf, schmerzerfüllt und gepeinigt, da hatte es ihn bis ins Mark erschüttert. Schließlich zerfiel der Vampir zu Staub und es war nichts mehr übrig. Er hatte damals noch lange vor diesen Häufchen gestanden und darauf herabgesehen. Schuld und Zweifel hatten sich in ihn breit gemacht. Was gab ihn das Recht ein anderes Wesen zu töten? Wurden andere Mörder nicht nur ins Gefängnis geworfen? Warum gab es kein Gefängnis für Vampire, dann wäre das Morden nicht nötig. Lange hatte er darüber philosophiert und mit seinen Lehrmeister darüber geredet. Irgendwann war er dann zu der Erkenntnis gekommen, dass es nun mal keine andere Möglichkeit gab. Monster töteten Menschen aus ihrer Natur heraus. Man konnte sie nicht einsperren, weil kein Gefängnis sie halten konnte, und viele dieser Wesen waren unsterblich, also würde man sie für die Ewigkeit einsperren müssen, was ebenfalls unmöglich war. Töte einen, rette viele. Das war von nun an sein Motto gewesen. Aber er hatte auch zu unterscheiden gelernt. Er lief nicht ziellos umher und tötete alles Übernatürliche. Er jagte nur das, welches auch wirklich Menschen bedrohte und nicht aufzuhalten war. Er hatte seinen Weg gefunden um mit den Schuldgefühlen fertig zu werden. Aber Tyson… Der Japaner war eine Frohnatur und sehr viel verständnisvoller als andere Menschen. Er würde es sich nie verzeihen, ein anderes Wesen zu töten. Egal wie böse es war. Ray seufzte und wählte einen Kontakt auf seinem Handy. Er hielt es sich ans Ohr und wartete auf das Freizeichen. Es klingelte ein paar Mal bevor ihn eine müde, mürrische Stimme antwortete. „Ich bin‘s“, antwortete er knapp. „Wie läuft es bei dir?“ Er hörte ein erschöpftes Seufzen und musste ein paar Sekunden warten bis Kai antwortete. „Ich musste ihn im Keller anketten, aus Angst, er würde sonst abhauen und andere Menschen anfallen.“ Kai hörte sich müde und erschöpft an. Seine Erklärung beinhaltete wohl nicht die Mühe die es gekostet hatte, Tala in den Keller einzusperren und auch dort drin zu behalten. „Ich vermute mal, er ist noch nicht wieder bei klarem Verstand.“ Kai schnaufte abfällig: „Er ist völlig außer sich. Schreit ständig Verwünschungen und Ausdrücke in die Welt und zerrt wie ein wilder an den Ketten. Ich vermute, es muss erst einmal das ganze menschliche Blut aus seinen Körper raus, bevor er wieder zur Besinnung kommt.“ Ray seufzte schwer. Er hatte keine Ahnung wie mit den Symptomen von Tala umzugehen war, aber es verhielt sich wohl wie bei einen Junkie auf Entzug. Bis die Drogen aus dem Körper restlos verschwunden waren, würde der gesamte Organismus danach verlangen und alles tun, um an den benötigten Stoff zu kommen. „Wie lange wird das wohl dauern?“, fragte er. Am anderen Ende der Leitung hörte er nur ein schweres Seufzen. „Ich weiß es nicht? Ich hätte es schon gestern merken sollen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, aber ich vermute, weil Garland ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte, war das meiste Menschenblut aus seinen Körper schon draußen und die Symptome somit nicht erkennbar. Selbst mir entgehen dann irgendwelche Kleinigkeiten.“ Es trat eine kurze Pause ein. „Was ist mit Tyson? Ich hoffe doch… er hat das ganze gut weggesteckt.“ „Er macht sich Sorgen um Tala“, antwortete Ray und musste unwillkürlich lächeln und er hörte es an Kais Stimme, dass auch er lächelte. „Wäre es denn zu viel verlangt wenn er auch mal etwas Angst empfindet?“ Die Frage war im Scherz gemeint, doch sie hatte auch etwas Ernstes an sich. Egal was passierte, Tyson dachte immer zuerst an andere und erst danach an sich selbst. Würde das so weitergehen, könnte er noch in Schwierigkeiten geraten. „Aber“, erklärte Ray auch weiter, „er will von mir unbedingt lernen, wie man sich gegen Vampire wehrt.“ „Dann erklär ihm doch ein paar Kniffe“, äußerte Kai lässig. Ray war verwundert. Sorgte sich Kai denn nicht um das Seelenheil seines Geliebten. „Ich soll ihm einfach mal kurz erklären, wie man Vampire abschlachtet?“, fragte er zur Sicherheit nochmal nach. „Du hast kein Problem damit?“ „Natürlich nicht“, antwortete Kai selbstverständlich. Ray blieb fast die Spucke weg. Kai war es doch immer gewesen, der zu verstehen gab, dass sein Tyson die Unschuld in Person war. Und jetzt wollte er ihm zum Killer ausbilden lassen. „Er wird sowieso niemanden töten. Warum also ihm nicht wenigstens zeigen, wie er sich ein wenig zur Wehr setzen kann.“ Diese Worte überraschten Ray nun doch. „Was meinst du damit?“ „So wie ich es sage“, erklärte Kai und er hatte immer noch die Ruhe weg. „Tyson würde niemals jemanden töten können. Egal ob Vampir, Mensch oder eine andere Kreatur. Das liegt in seiner Natur. Aber er sollte sich doch wehren können, oder?“ Ray dachte über diese Worte nach. Es stimmte. Tyson war die Art von Mensch, wo niemals jemanden töten würde. Er hatte Angst, er würde Tyson zeigen, wie man einen Vampir tötet und dieser würde es gleich in die Tat umsetzen, aber dies war nicht der Fall. Er würde ihm nur zeigen, wie man jemanden töten kann, nicht ihm den Befehl geben es auch zu tun. In dieser Hinsicht, unterschied er sich sehr von Ray. **^^** Die weiße Decke anzustarren hatte etwas Bedrückendes an sich. Es war immer das gleiche. Nur wenn sich die Sonne hob und senkte, veränderten sich die Schatten, ansonsten war es immer dasselbe Bild. Aber selbst wenn er sich zur Seite wandte, hatte er nichts großartig Neues zu sehen. Weiße Wände, ein Tisch neben seinem Bett und eine Tür, welche sich ein paar Mal am Tag öffnete, wenn man ihm die Mahlzeiten brachte oder ein Arzt nach ihm sah. Wobei er aber die meiste Zeit an die Decke starrte. Auf den Rücken liegend und sich nicht bewegend, war die einzige Position die einigermaßen ertragbar war. Schmerzfrei war er allerdings auch in dieser Position nicht. Lediglich das Atmen fiel ihm auf die Weise nicht allzu schwer, und auch die Wunden auf seiner Brust wurden von der leichten Decke nicht zu sehr belastet. Ray schloss die Augen. Er war schon seit zwei Wochen wieder im Krankenhaus. Der Kerl der ihn entführt hatte, hatte ihn zwei Tage lang verhört. Dabei hatte er immer dieselben Fragen gestellt, doch weil Ray keine Antwort darauf wusste, hat sich das Ganze in die Länge gezogen. Irgendwann hatte er aufgegeben dem Mann nur von dem zu erzählen, was er gesehen hatte. Er hatte ihn jedes einzelne Geräusch geschildert, jeden seiner Gedanken, selbst seine Vermutungen. Alles was irgendwie helfen würde, dieses Martyrium zu beenden. Irgendwann hatte der Mann dann aufgehört. Sein Körper war zu dem Zeitpunkt schon ein einziger Schmerzkessel gewesen. Er wusste nicht, wie viele seiner Knochen gebrochen waren, wie viele Peitschenhiebe er hatte ertragen müssen, oder wie viele blaue Flecken seinen Körper überzogen. Schließlich hatte er noch wahrgenommen, wie der Mann ein Brandeisen zur Hand nahm, es über einer Flamme zum glühen brachte und es ihm schließlich auf die freiliegende Schulter drückte. Der Schmerz hatte ihn zuerst schreien und dann ohnmächtig werden lassen. Als er wieder aufwachte, war er im Krankenhaus, wo man ihm erzählte, dass man ihn in diesen Zustand auf der Straße vor dem Krankenhaus gefunden hatte. Ray hatte gehofft, es war alles nur ein böser Alptraum gewesen, doch die Wunden an seinen Körper hatten keine schöne Illusion zugelassen. Die Polizei war gerufen worden und hatte versucht ihm Fragen zu stellen, aber Ray hatte bisher nicht geantwortet. Seit er wieder im Krankenhaus war, hat er kein einziges Wort gesagt. Er wusste selbst nicht, warum er schwieg, aber irgendwie wollte sich sein Mund einfach nicht öffnen. Er wusste aber auch nicht, was jetzt kommen würde. Er fürchtete sich regelrecht davor, irgendwann aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Was würde ihn draußen erwarten? Wer würde ihn erwarten? Er schloss die Augen und versuchte zur Ruhe zu kommen, als sich die Tür öffnete. Er meinte, für das Mittagessen sei es etwas zu früh, daher drehte er vorsichtig den Kopf und sah nach, wer sein Zimmer betrat. Ein Mann stand im Türrahmen. Seine Gestalt war groß und er hatte schwarze Haare. Er wirkte noch nicht sehr alt. Vielleicht gerade mal Mitte zwanzig. Als er durch die Tür kam und auf Ray blickte, blieb er zuerst mitten im Raum stehen, doch er fing sich gleich wieder und trat weiter auf ihn zu. Er setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl neben dem Bett und blieb erst einmal schweigend sitzen. Dann wandte er sein Gesicht an Ray und ein schüchternes Lächeln zeigte sich auf dem jungen Gesicht. „Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst. Ich habe deinen Vater vor ein paar Jahren mal besucht, aber da warst du noch etwas jünger.“ Ray blinzelte. Er hatte schon gleich gedacht, dass ihm die Gestalt bekannt vorkam, aber er hatte sie noch nicht richtig einordnen können. Jetzt versuchte er eine Erinnerung zu fassen zu kriegen, von einem jungen Mann, der seinen Vater die Hand schüttelte und ihm freundlich zuwinkte, während er sich hinter seiner Mutter versteckte. „Er und ich. Wir haben uns von seiner früheren… Arbeit aus gekannt“, erzählte der Mann weiter. „Wobei Arbeit nicht ganz das richtige Wort ist. Leben passt wohl eher.“ Der Mann schwieg einen Moment und schien nachzudenken. „Er hatte mir damals gesagt, dass wenn ihm irgendwann etwas zustoßen sollte, ich mich um dich kümmern soll.“ Ray blinzelte. Er verstand das nicht. Dieser Mann war noch recht jung und er wollte nicht verstehen, warum sein Vater diesem Jüngling dieses Versprechen abgenommen hatte. Der Mann schien in Gedanken und betrachtete dabei seine Füße. „Manchmal kann man sein altes Leben einfach nicht hinter sich lassen“, murmelte der Mann vor sich hin. Dann sah er wieder in Rays Augen. „Ich weiß nicht, was du willst, aber wenn du nichts dagegen hast, dann werde ich mein Versprechen halten. Nicht, weil es ein Versprechen ist, sondern weil ich es so will. Dein Vater war ein fantastischer Mensch und ich will dir davon erzählen. Nicht nur von dem Mann den du kanntest, sondern auch von dem, den ich kannte. Was sagst du dazu?“ Nach Tagen der Taubheit kam auf einmal ein neues Gefühl in Ray auf. Neugier. Wenn er diesen Mann in die Augen sah, dann erkannte er darin eine Wahrheit und eine Bewunderung für seinen Vater, die ihn sehr interessierte. Aber mehr noch. Er fühlte eine Sicherheit von diesen Mann ausgehen und eine Stärke, die er nicht erklären konnte. Er wusste nicht, welches Leben ihn erwarten würde, aber er wusste, dass er es nicht bereuen würde. Er nickte. Auf dem Gesicht des Mannes erschien ein erleichtertes Lächeln. „Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Lee.“ **^^** Ray sah in die dunkle Nacht hinaus und hing seinen Erinnerungen nach. Lee war sein Lehrmeister geworden. Er hatte ihn, genau wie Tyson ihn, bedrängt ihn in das Handwerk des Jagens einzuführen. Warum? Weil er helfen wollte! Er hatte durch Lee erfahren, wie sehr Menschen leiden mussten unter den Vampiren. Lee wollte das zwar vor ihm verstecken, aber Ray hatte die Wahrheit gesucht. Auch die Grausamkeiten vom Orden des Avatar waren vor ihm nicht im Schatten geblieben. Wo man früher noch von mysteriösem Verschwinden von Leuten, von misshandelten Menschen und von merkwürdigen Todesfällen hörte, hatte Ray jetzt mehr dahinter gesehen. Er konnte und wollte davor nicht die Augen verschließen, aber vor allen wollte er helfen. Nicht die Opfer zu rächen, sondern helfen, neue Opfer zu verhindern. Waren seine Beweggründe denn so viel besser als die von Tyson… Als Tyson am nächsten Morgen erwachte, trottete er in Shorts und mit verschlafenem Gesicht aus dem Zimmer heraus. Als er vor dem Esstisch stand, auf welchen die letzten Male als er bei Ray geschlafen hatte, das Essen gestanden hatte, musste er sich jetzt nochmal die Augen reiben. Auf den Tisch stand kein Essen bereit, sondern eine Ansammlung von Waffen, Gefäßen und anderen Objekten, die ihm mehr als Suspekt vorkamen. „Äh“, brachte Tyson nur heraus, während Ray aus einen anderen Zimmer kam und jetzt auch noch einen Revolver mit zu den Gegenständen auf den Tisch legte. „Müssen wir das Frühstück erst jagen?“, brachte er verwundert hervor. Ray schenkte ihm nur ein Grinsen. „Frühstück besteht heute nur aus einer Scheibe Brot. Für mehr haben wir keine Zeit.“ „Wieso?“, fragte Tyson verärgert. Wenn es ums Essen ging dann verstand er keinen Spaß. „Steht der dritte Weltkrieg vor der Tür“, bemerkte er noch und machte eine ausschweifende Geste mit der Hand über den mit Waffen überfüllten Tisch. „Du wolltest doch lernen, wie man sich Vampire vom Hals hält“, erklärte Ray und breitete nun seinerseits seine Arme vor dem Tisch aus. „Die Ausbildung zum Jäger braucht Jahre, das kannst du also gleich mal vergessen. Aber ein bisschen Theorie schadet niemand. Das reicht zumindest aus um 5 Minuten zu überleben.“ Tyson blinzelte zu den Gegenständen auf den Tisch. Die Aussicht nur von einem Stück Brot am Morgen Leben zu müssen, stimmte ihn immer noch missmutig. Aber angesichts der Tatsache, dass Ray doch nicht ganz so widerwillig war wie Kai, formte sich doch ein Lächeln auf seinem Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)