Ta Sho von Turbofreak (Wiedergeboren) ================================================================================ Kapitel 11: alles neu und doch alles beim Alten ----------------------------------------------- Ferien beflügeln, hab ich mir sagen lassen und deshalb kommt hier ein kleines Stückchen. Wir nähern uns der Zielgeraden ^^ Seit langem saßen die vier wieder einmal gemeinsam beim Frühstückstisch und die Stimmung war nicht angespannt. April und Fireball waren in einer innigen Umarmung irgendwann in der Nacht eingeschlafen und dennoch relativ zeitig wieder wach geworden. Sie hatten den anderen beiden ein leckeres Frühstück gezaubert. Saber war bald nach ihnen aufgestanden und schon, als er die Beine aus dem Bett geschwungen hatte, hatte er gespürt, dass an diesem Tag etwas in der Luft lag. Er hatte nicht sagen können, was es tatsächlich war oder ob ihm seine Nerven mal einen Streich spielten, aber er glaubte nicht, dass es etwas mit dem Angriff der Outrider zu tun hatte. Darauf waren sie vorbereitet und durch die Geschichtsaufzeichnungen mehr als genügend informiert. Es musste etwas anderes sein. Auch Colt hatte bald an den Tisch in der Küche gefunden und nachdem auch er endlich voll im Bilde war, was Erinnerung und was Humbug war, gestaltete sich das Frühstück ausnahmsweise nicht wie ein Tanz auf heißen Kohlen. Während Colt alles in sich hinein schaufelte, was er an dem reich gedeckten Tisch an ungesundem Essen finden konnte, brachte Saber die Blondine auf den neuesten Stand der Dinge und weihte sie in ihre Pläne ein. Der Cowboy war dabei allerdings voll aufmerksam, auch wenn er vor sich hin schmatzte. Mitreden konnte und wollte er gerade noch nicht, dafür brauchte er noch fünf Minuten, um endlich auch verbal wach zu sein. Mit ihr gemeinsam grübelten Saber und Fireball an ihren Strategien vom Vorabend weiter. Alle vier waren sich einig und wussten, was zu tun war. Nur eine Sache galt es noch zu klären und ohne die würde Ramrod sich überhaupt nicht vom Fleck bewegen. Fireball stellte seine Tasse auf dem Tisch ab und sah einmal in die Runde. Saber nickte kaum merklich, er wusste nur zu gut, was nun kommen würde und er unterstützte Fireball damit in seinem Tun. Notfalls auch verbal. Es war wichtig, dass dieses Thema nun noch einmal auf den Tisch kam und dann aber endgültig ad acta gelegt wurde. April beobachtete ihn aufmerksam. Sie konnte ahnen, was dem Japaner noch auf der Seele brannte. Der Cowboy hätte sich am liebsten hinter seinem Hut verschanzt. Denn auch der hatte zumindest eine wage Vorstellung von den folgenden Minuten und so ganz wohl war ihm dabei nicht. Colt hatte das, was man gewöhnlich ein schlechtes Gewissen nannte und er wusste selbst, dass das auch nicht von ungefähr kam. Sein schlechtes Gewissen war ganz zu recht da und wenn er den Krümel rechts von sich betrachtete, würde er wohl anfangen müssen. Er wollte es hinter sich bringen. „Okay, Kurzer, hör mir mal einen Moment zu. Öhm“, er kratzte sich wieder am Hinterkopf, während er nach den richtigen Worten, vor allem aber nach guten Argumenten suchte: „Ich wär dir echt dankbar, wenn du mich nicht den Outridern zum Fraß vorwirfst. Mir sind in der Nacht ein paar Sachen wieder eingefallen. Was ich aber immer noch nicht weiß ist, welchen Befehl du in der Akademie eigentlich verweigert hast. Ich mein, mal ganz abgesehen davon, dass du ein ganz ganz toller Keks bist und auch noch fliegen kannst wie kein anderer, ein bisschen grün hinter den Ohren find ich dich immer noch.“ Saber musste sich die Hand vor den Mund halten und seine Tasse so schnell wie möglich auf dem Tisch abstellen, beinahe hätte er den Kaffee wieder ausgespuckt. Die Fontäne hätte er seinem Gegenüber gern erspart. Also hielt Saber die Luft an, versuchte schon fast panisch sich wieder zu beruhigen und bloß nicht zu lachen. Der Schotte hätte losbrüllen können, aber erstens war er an und für sich ein gut erzogener Mensch und zweitens hatte Colt noch nie eine Entschuldigung so präzise und ehrlich formuliert, wie eben. Den Punkt musste er Colt gönnen. April blickte aus den Augenwinkeln zu Fireball hinüber. Nach den verbalen Tiefschlägen der letzten Zeit hatte die blonde Navigatorin ehrliche Bedenken, dass die Entschuldigung richtig angekommen war. Sie hatte Angst, dass Fireball das als Anfeindung aufnehmen könnte, auch wenn es gar keine war. Aber der Pilot schüttelte leicht lächelnd den Kopf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und senkte kurz sein Haupt. Es sah aus, als würde er Colt gleich tadeln. Als er auch noch begann, wollte sich Colt hinter seine Tasse verschanzen: „Zwei Dinge, Colt“, dabei sah er wieder zu seinen Freunden auf, sein Lächeln war ihm immer noch nicht vergangen. Fireball zeigte mit der rechten Hand eine Zwei und zählte dem Kuhhirten, aber auch ein wenig für April und Saber, auf: „Gewöhn dir das Kurzer bitte wieder ab. Ich möchte das nie wieder hören müssen. Und zweitens: Derjenige, der sich hier entschuldigen muss, bin einzig und allein ich. Ich hätte nicht auf meine Position pochen dürfen. Dass du da allergisch reagierst, hätte ich wissen müssen.“ Da fiel Colt doch glatt das Buttermesser aus der Hand, so erstaunt war er nun. Der Mund stand ihm sperrangelweit offen und die Augen wurden groß wie zwei ausgewachsene Unterteller. Die Fragezeichen über seiner Stirn konnten die Freunde förmlich in Neonfarben leuchten sehen. Saber hatte es Gott sei Dank vor diesem Gesichtsausdruck noch geschafft, endlich seinen Kaffee hinunter zu schlucken, denn ansonsten wäre das bräunliche Getränk jetzt über den ganzen Tisch verteilt. Ganz ungeniert fing Saber zu grinsen und in weiterer Folge auch zu kichern an. Das war in der Luft gelegen, da war sich der Schotte ganz sicher. Alle hatten ihren Platz in ihrer veränderten Zeit gefunden und auch akzeptiert. Saber fiel ein richtiger Felsbrocken vom Herzen. Mit diesen Vorzeichen würden sie ihre Heimreise ohne weiteres antreten können und auch wieder gut daheim ankommen. Dem blonden Highlander blieb nur noch eines übrig: „Ihr habt euch beide entschuldigen müssen. So sehe ich das. Ein bisschen mehr Rücksicht würde euch beiden Dickköpfen manchmal ganz gut tun.“ Colt warf sein halbes Brötchen nach Saber, lachte dabei aber lauthals: „Und dir würd’s mal nicht schaden, wenn du deinen vornehmen, blaubärtigen Schnabel hältst und dich nicht überall einmischt. Drageekeksi und ich wissen schon ganz genau, was wir machen.“ April stöhnte leise auf und ließ sich vornüber mit dem Kopf auf die Tischplatte nieder. Und trotzdem musste sie lachen. Die drei Männer befetzten sich schon in aller Herrgottsfrühe und lachten dabei auch noch. Die Blondine war begeistert. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft hier war alles locker und ungezwungen. Es war ein beruhigendes und gleichzeitig befreiendes Gefühl, die Freundschaft untereinander wieder so deutlich zu spüren. Sie würden es nachhause schaffen, ganz bestimmt. „Drageekeski? Ich glaub, bei dir piepst’s im Oberstübchen!“, Fireball sah Colt mit großen, verständnislosen Augen an. Der Kerl da kam doch immer wieder auf die blödesten Spitz- und Kosenamen, die das Neue Grenzland jemals gehört hatte. Der Pilot sah sich und seine Freunde bereits in Yuma ankommen und das erste, was Colt zu Commander Eagle sagen würde, war bestimmt irgend so ein Spruch über Dragees, Kekse und vielleicht noch Schoko. Eagle würde sie auf der Stelle einweisen lassen, aber hundertprozentig. Colt lehnte sich zurück, Saber war mit dem Brötchen, das er genau auf die Zwölf bekommen hatte, vorerst genug bestraft. Nun würde er sich um die freche, kleine Kröte kümmern. Dabei rieb sich der Cowboy im Gedanken schon eifrig beide Hände. Darauf freute er sich diebisch, denn ganz sicher konnte er nun keinen Fettnapf mehr erwischen. Der Kuhhirte riskierte einen Blick auf seinen Teller, ganz unschuldig und ruhig, dann wandte er sich an Fireball: „Was passt dir an Drageekeksen nicht? Die sind klein, niedlich und mit einem Haps weg. Genau wie du!“ Fireball nahm die Herausforderung ohne zu zögern an. Er konterte: „Hör mal. Niedlich ist der Specht, der dir da wohl ganz offensichtlich von innen gegen die Schädeldecke klopft. Und der fühlt sich da auch noch heimisch.“ „Hab nie was anderes behauptet!“, lachte Colt hell auf. Oh ja, das waren Frühstücksgespräche wie sie der Cowboy liebte. Er warf den beiden Unbeteiligten einen kurzen Blick zu und machte dann munter dort weiter, wo er noch gar nicht richtig angefangen hatte. Noch ein Spruch musste auf die Schnelle her und deswegen wühlte er noch mal in der Keksdose: „Hey, was soll ich machen? Butterkeks bist du keiner, ich kann mich nämlich nicht erinnern, dass du zweiundfünfzig Zähne hättest. Okay, ja, groß genug wär deine Klappe dafür, aber das trau ich dir dann auch wieder nicht zu. Die Milka Schoko und Keks Tafel wirst du erst, wenn du dich mit einem süßen Püppchen zusammentust und Vollkornkeks bist du erst recht keiner. Wenn dir das Drageekeksi nicht passt, können wir noch immer ein Reiswafferl aus dir machen.“ „Lieber einen Reispuffer.“ Der Zwischenruf kam von April. Sie lächelte dabei verschmitzt und strahlte ihre Mannen an. Es war einfach zu herrlich. Das hatte sie vermisst. Nur hätte sie gewusst, was Colt darauf einfiel, sie hätte sich die kalorienarme Variante von Keksen garantiert verkniffen. Die Augen des Cowboys flogen über die drei Freunde und versuchten auf die Schnelle auszumachen, wie weit er bei ihnen noch gehen durfte. Nachdem aus allen drei Augenpaaren der Schalk lachte, ließ er seinem Mundwerk freien Lauf. Das saß an diesem Morgen verdächtig locker und wenn April ihm schon eine solche einladende Vorlage schenkte, musste er sie mit einem zweideutigen Lächeln doch wieder zurückspielen. Colt grinste also nun zwischen April und Fireball hin und her, hielt sich mit den Händen an der Tischkante fest und drückte den Oberkörper nach hinten. Skeptisch blitzten seine Augen immer wieder auf, der Gag würde ein Knaller werden, da verwettete er seinen Hut drauf. Wie die Unschuld vom Lande klopfte er seinen Spruch nun raus: „Ah, verstehe. Du hast Angst, dass man von Keksen mit Schokoladeüberzug einen dicken Bauch bekommt und aufgeht, wie ein Hefekloß. Da kann ich dir nur eins sagen, herzallerliebste April. Das kann dir auch mit einem leichten Reispuffer blühen, wenn du nicht vorsichtig bist.“ Entsetzt starrten sich April und besagter Reispuffer einen Moment lang an, bis sie sich stillschweigend dazu entschieden, einfach lauthals loszulachen. Das war doch wieder typisch Colt gewesen. Auch Saber stimmte in das muntere Gelächter ein, denn Lachen vertrieb bekanntlich Sorgen. Solange hier niemand an die erste Schlacht gegen die Outrider dachte, würden sie ihre freie Zeit genießen. Das war Saber im Moment wichtig. Deswegen stimmte er auch noch in Colts dämlichen Spruch ein: „Wobei ich mir gerade nicht ganz sicher bin, ob ein Schokoüberzug nicht eher eine schützende Funktion erfüllt.“ Robin hatte er die traurige Mitteilung als erste gemacht. Es war eine Tortur für den Witwer gewesen, der schwangeren Lehrerin die Nachricht vom Tod des Kindsvaters zu überbringen. Tapfer hatte sie versucht, neben ihrem kleinen Bruder Josh keine Träne zu vergießen, doch im Endeffekt war sie auf einen Stuhl gesunken und hatte Rotz und Wasser geheult. Charles war so lange bei ihr geblieben, wie er konnte. Immer wieder hatte er schon Beistand gegeben, wenn ein tapferer Soldat sein Leben im Kampf gegen das Böse verloren hatte. Doch dieses Mal war es anders. Er hatte die vier Helden persönlich gut gekannt, einer davon war seine Tochter gewesen. Der Commander hielt mit Tränen in den Augen Robin im Arm. Er versprach, für sie und Josh da zu sein. Er wusste, dass die Lehrerin und ihr kleiner Bruder keine Verwandten mehr hatten. Er würde Robin in jeder erdenklichen Situation beistehen. Seine tapfere, große Schwester weinen zu sehen, war zu viel für den halbstarken Josh gewesen. Spätestens da wusste der vierzehnjährige, dass es ernst war. Als er endlich mitbekommen hatte, was geschehen war und dass Colt nicht mehr zu ihnen nachhause kommen würde, hatte auch er sich in die Arme des Commanders geworfen und hemmungslos zu weinen begonnen. Sabers Freundin hatte ähnlich reagiert. Auch da war es Charles alles andere als leicht gefallen, denn immerhin war die Freundin des Schotten seine Nichte June. Die Tochter seines Bruders hatte im Laufe der Zeit schon einiges mitgemacht, Wayde war vor einigen Jahren erschossen worden und hatte als Erbe für seine Tochter geheime Koordinaten eines Outriderstützpunktes überlassen. Von diesem Tag hatte sich June geschworen, mit dem Oberkommando nichts mehr zu tun zu haben. Bis sie Saber kennen gelernt hatte. Dieses Glück hatte viel zu kurz nur gewährt, der Schotte und Eagles Nichte waren erst ein paar Monate vor dieser Mission zusammengezogen und hatten angefangen, sich eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Nun hatte June Saber verloren und in April nicht nur ihre Cousine, sondern ihre Freundin. Charles hasste sich dafür und nach dem Besuch in den schottischen Highlands, bei Sabers Eltern, wollte er die Angehörigen von Fireball gar nicht mehr aufsuchen. Es tat in der Seele weh, der Überbringer solcher Nachrichten zu sein. Gerade jetzt. Das Oberkommando hatte alles Mögliche versucht, um die vier noch nicht für tot erklären zu müssen, doch nach spätestens einem halben Jahr waren ihnen die Hände gebunden gewesen. Charles hätte sich gewünscht, die Gedenkfeier noch abwarten zu können, doch nun musste er allen Angehörigen einen Monat davor mitteilen, dass ihre Freunde, Väter und Kinder nie von einer Mission zurückgekehrt waren. Nicht nur, dass sie nun der Toten von vor zwanzig Jahren gedenken würden, sie würden am selben Tag auch ein Grabmal für die Crew von Ramrod errichten und sie in allen Ehren zu Grabe tragen. Schweren Herzens war Charles doch noch nach Japan aufgebrochen. Es hätte nichts geholfen und den Sohn von Ai und Shinji hätte es auch nicht wieder zurückgebracht. Der Commander war seit jeher die Verbindung zwischen Fireball und seiner Mutter gewesen. Charles stand vor der Adresse, die in den Akten hinterlegt worden war. Er sah an der Hausmauer empor. Klein fühlte er sich und dennoch glaubte er, das Gewicht der ganzen Welt würde auf seinen Schultern lasten. Erinnerungen stiegen in ihm empor. Es war gar nicht so lange her, da hatte er den kleinen Wildfang von Ai unter seine Fittiche genommen. Charles hatte Fireball seit Eintritt in die Akademie unter die Arme gegriffen. Sein Name hatte ihm immer wieder Vorurteile und Neid eingebracht. Der Sturkopf, den er eindeutig von seinem Vater geerbt hatte, hatte dann noch sein Übriges dazu beigetragen. Von vielen Ausbildern war Fireball ungerecht behandelt worden, aber bestimmt hätte er sich auch ohne die Hilfe von Commander Eagle überall durchgesetzt. Hinterrücks hatte der Commander in regelmäßigen Abständen mit Fireballs Mutter telefoniert und sie auf dem neuesten Stand gehalten. Wie ein Vater war er Fireball auch beigestanden, als dieser endlich das Vertrauen in ihn gefasst hatte und ihm bei einem Überraschungsbesuch in seinem Büro davon erzählt hatte, dass Ai wegen seiner Berufswahl kein Wort mehr mit ihm wechselte. Nun stand der Kommandant der Sektion West vor der Wohnungstür und wünschte sich still seine Frau an seine Seite zurück. Er vermisste May jeden Tag, aber in Momenten wie diesen, oder den vergangenen Monaten mehr noch als sonst. Seit April und ihre Freunde spurlos bei einem Routineangriff verschwunden waren und nicht auffindbar waren, hatte Charles keine ruhige Nacht mehr verbracht. Gerade eben kam es ihm so vor, wie vor zwanzig Jahren, als er Ai von Shinjis Tod erzählen musste. Charles klopfte vorsichtig an der Tür, Ai würde ihn verwünschen, mit hunderten uralten Flüchen belegen, das wusste er bereits jetzt. Nervös und mit einem schlechten Gefühl wartete er darauf, dass jemand öffnete. Ai steckte tatsächlich kurz darauf den Kopf durch die Tür und sah verwundert zu ihrem alten Freund auf. Sie hatten sich lange nicht gesehen, in der letzten Zeit auch selten gehört. Charles meldete sich sonst in regelmäßigen Abständen bei Ai und hielt sie auf dem Laufenden, was ihr Sorgenkind betraf. Überrascht strich sich die Japanerin die Haare hinter die Ohren und lugte vorsichtig an Charles vorbei. War er wirklich alleine gekommen? Ai umarmte Charles kurz aber herzlich, ehe sie ihn fragend ansah: „Hast du meinen Shinji gar nicht mitgebracht?“ Er schluckte hart und hoffte, dass man seine Tränen in den Augen nicht sehen konnte. Vorsichtig tastete sich der Commander nach vor und fragte Ai erst einmal höflich, ob sie ein bisschen Zeit für ihn übrig hätte. Doch der Argwohn war auch bei Ai angeboren und nachdem Charles sie noch nie in Japan besucht hatte, kam ihr das alles höchst spanisch und verdächtig vor. Zudem hatte sie von dem Witwer schon länger nichts mehr gehört, wusste eigentlich gar nicht, wo ihr Sohn mit seinen Freunden gerade herum schwirrte. Das behagte Ai ganz und gar nicht. Irgendwas war da faul. Grausame Erinnerungen kamen in ihr hoch. Hatte das alles etwa zu bedeuten, dass…? Nein! Ai blieb bei dem Gedanken daran, dass ihre fürchterlichsten Alpträume Wirklichkeit geworden waren, das Herz stehen. Charles konnte sie nicht länger ansehen. Er trat ein, schloss die Wohnungstür hinter sich und nahm Ai in eine schützende Umarmung. Stimmlos bestätigte er, was ihre Augen ausgedrückt hatten: „Die vier sind von einer Mission nicht mehr zurückgekommen. Es tut mir so leid, Ai. Es tut mir so leid.“ Ai klammerte sich an Charles fest. Sie konnte ihre Tränen keinen Augenblick länger mehr zurückhalten. Shinji war von ihr gegangen! Dieses Mal für immer. Die zierliche Japanerin zitterte und schluchzte, schon wieder hatte sie das Liebste für sie auf dieser Welt verloren. In diesem Augenblick war es auch mit Charles vorbei. Er hielt sich an Ai fest und weinte ebenfalls stumme Tränen. Zum ersten Mal, seit er vom Verschwinden der Kinder erfahren hatte. Jetzt erst hatte er verstanden, dass seine Tochter gestorben war. Es hatte bis eben gebraucht, um in sein Bewusstsein vorzudringen. Wie viel mehr Leid konnten die Outrider noch über ihn bringen? Der Commander schmiegte den Kopf an Ais Schulter und brachte kaum noch hervor: „Wir tragen sie nächste Woche zu Grabe. Nur Familie und Angehörige. Nächsten Monat findet mit der Gedenkfeier auch die offizielle Beerdigung der vier statt.“ „Du träumst heute auch vor dich hin, Captain“, Emilio, einer seiner besten Piloten, riss Shinji aus den Gedanken. Verwirrt blinzelte er in dessen Gesicht. Emilio schüttelte den Kopf und klopfte Shinji aufmunternd auf die Schulter. Der Captain war seit Tagen schon unkonzentriert und in Gedanken, das wollte dem Brasilianer nicht recht gefallen. Er hatte gemerkt, was Shinji seit dem Angriff alles gearbeitet hatte, manchmal hatte er ihn Berichte aufarbeiten sehen, die erst nach ihrer Rückkehr nach Yuma fällig waren und Shinji war eigentlich immer jemand gewesen, der sich den Papierkram bis zur letzten Minute aufbehalten hatte. Überhaupt war ihr Staffeloberhaupt seltsam geworden, seit der kleine Zwilling von ihm aufgetaucht war. So plötzlich, wie Shinichi aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden gewesen. Shinji drehte sich von seinem Jet weg und wandte sich an den dunkelhaarigen Brasilianer. Etwas ertappt fühlte er sich, denn er hatte seine Staffel nicht merken lassen wollen, dass etwas faul war. Jarred hatte es bereits gemerkt, Emilio nun auch und dabei hatte er niemanden beunruhigen wollen. Der Captain lehnte sich gegen seine Maschine und senkte den Kopf. Er linste auf seine Uhr, aber er wollte nicht nachsehen, wie spät es war, sondern welches Datum sie hatten. Unweigerlich schluckte Shinji. Es war bald so weit. Schmunzelnd hob er den Blick wieder und stieg auf den freundlichen Spruch ein: „Träumen ist manchmal ganz schön. Auch am helllichten Tag.“ „Das glaub ich gern. Träumen erhält die Hoffnung“, Emilio lächelte leicht. Auch er lehnte sich gegen den Jet des Captains. Dabei musterte er sein Staffeloberhaupt. Es war nicht immer einfach mit ihm, denn wenn er wollte, konnte er cholerisch und laut werden. Aber in diesem Fall war er schon seit Tagen ruhig. Etwas zu ruhig vielleicht schon, wie Emilio fand. Der Pilot drehte den Kopf zu seinem Gesprächspartner. Dieses Mal klopfte er Emilio auf die Schulter und zog ihn auf: „Worauf hoffst du denn, Milo?“ Milo war das Kürzel für Emilio und kam von Shinji immer dann, wenn etwas nicht so ernst gemeint war. Der Captain hoffte, dass es seinem Kumpel verdeutlichte, es wäre alles in Ordnung. Die beiden verstanden sich gut, auch wenn Shinji den Captain das ein oder andere Mal raushängen ließ. Er musste das manchmal, vor allem dann, wenn alle anderen dachten, sie könnten die Regeln ein bisschen überdehnen. Und da bedeutete mit gehangen gleichzeitig auch mit gefangen. Shinji machte niemals eine Ausnahme, egal wie gerne er es auch würde. Deswegen war die Air Strike Base 1 auch die beste Eliteflugstaffel im Oberkommando. Sie hielten es wie die alten Musketiere. Einer für alle und alle für einen. Dies würde Shinji bei der bevorstehenden Schlacht unter Beweis stellen. Emilio schüttelte lächelnd den Kopf. Oh, es gab so vieles, auf das man hoffen musste. Und im Moment gab es für den gebräunten Brasilianer nur eines, worauf er hoffte. Emilio legte den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel hinauf: „In erster Linie mal darauf, dass das Manöver bald vorbei ist. Und dann hoffe ich darauf, dass ich meinen Junior groß bekomme.“ Auch Shinji legte nun den Kopf in den Nacken und sah in den strahlend blauen Himmel hinauf. Er konnte die drohenden Schatten bereits ganz deutlich fühlen, doch noch deutete nichts auf das Schicksal seiner Staffel hin. Shinji wollte so viele als möglich retten, vor allem Familienväter wie Emilio. Kein Kind sollte ohne seinen Vater aufwachsen, denn der Captain hatte gesehen, welche Verbitterung sein eigener Sohn darüber in sich trug. Shinji schloss die Augen. Er würde nie einen Sohn geschenkt bekommen, Shinji hatte seine Chance bereits vertan. Er sah zu Emilio hinüber: „Du kriegst Martin schon groß, ganz bestimmt. Der kleine Racker entwickelt sich doch prächtig.“ „Ja, fünf Jahre alt aber reden wie ein Großer“, Emilio lachte auf. Sein kleiner Racker war ein ganz besonderes Kind. Aber das dachten wohl alle Eltern von ihren Fratzen. Shinji und Emilio stießen sich vom Jet ab und spazierten gemeinsam zu ihren Unterkünften zurück. Die beiden unterhielten sich noch ausführlich über ihre Hoffnungen, Wünsche und Träume. Es kam Shinji seltsam vor, doch er hatte nichts mehr zu verlieren. Vieles würde unerfüllt bleiben, doch das musste Emilio nicht zwangsläufig wissen. „Wie ging der Spruch noch gleich? Schlimmer geht immer“, Colt murmelte mehr zu sich selbst, als dass er mit seinen Freunden auf Ramrod sprach. Er hatte in seinen Helm gemurmelt, als er die Hölle vor ihren Augen losbrechen sah. Eine unbändige Horde Outrider sammelte sich, so wie es die Geschichtsaufzeichnungen vorher gesagt hatten, an diversen Stellen vor dem Planeten Jarr. Es war eine unzählige Übermacht, selbst Ramrod hätte alleine gegen diese Flotte schlechte Karten. Colts Nerven waren zum Zerreißen gespannt und da war er garantiert auf diesem Schlachtschiff nicht der einzige. Er brauchte nur einen Blick durch die Brücke zu werfen, auf seine Freunde. Alle hatten vorsorglich ihre Rüstungen angelegt, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. April, in ihrem pinkfarbenen Kampfanzug, hielt sich hin und wieder eine Hand mit gespreizten Fingern vor die Augen und blinzelte auf ihre Kontrollen hindurch. Es sah aus, als würde sie einen Horrorfilm sehen und sich dabei zu Tode fürchten. Manchmal tippte sie Befehle in ihre Tastatur, sie korrigierte somit still und heimlich den Kurs, und kontrollierte immer wieder ihre letzten Berechnungen für ihre Heimreise. Es war der Blondine nicht geheuer. Als kleines Mädchen hatte sie nachts oft schon Alpträume von den Geschichten ihres Vaters gehabt, der ihr voller Leidenschaft und Mitgefühl für die gefallenen Kameraden immer wieder vor dem zu Bett gehen vom ersten Angriff der Outrider in ihrer Dimension erzählt hatte. Heute würde sich weisen, ob ihre Fantasie die Wirklichkeit schlagen konnte. Colt blickte geradewegs durch die mittlere Satteleinheit zu Saber hinüber. Der täuschte rege Betriebsamkeit vor, indem er Befehle in den Computer eingab und manche Dinge abfragte. Saber wollte nichts dem Zufall überlassen. Das letzte Mal hätte der Zufall sie fast den Piloten gekostet, auch wenn das für den völlig schmerzfrei gewesen war, für die verbliebenen Crewmitglieder war das alles andere als spaßig gewesen. Im fünf Minuten Takt aktualisierte Saber die Geschichtsdaten zur entscheidenden ersten Schlacht, nur um sicher zu gehen, dass sich nichts änderte. Hin und wieder hob er dabei auch den Blick nach draußen. Die Feinde sammelten sich. Zu gerne hätte Saber ein Notrufsignal ans Oberkommando Yuma abgesetzt, aber er wagte es nicht. Die Freunde waren sich einig gewesen, nicht einzugreifen. Daran hatte sich auch Saber zu halten. Manchmal hasste er sich selbst für seine sagenhaft genialen Ideen. Auch der Pilot von Ramrod hatte bereits seine Rüstung und den Helm angezogen. Fireball war der einzige, der totale Ruhe nach außen hin ausstrahlte. Zumindest kam es Colt so vor. Von dem Heißsporn hatte man seit dem Kommando „Wir werden nicht eingreifen.“ nichts mehr vernommen. Tatsächlich allerdings war Fireball einfach nur von dem Anblick gelähmt. Diese Übermacht, mit der die Outrider angreifen würden, sie war nicht zu überwinden. Gebannt starrte Fireball auf das Flaggschiff der Outrider. Nemesis. April durchbrach die gespenstische Stille, die auf dem Friedenswächter entstanden war, indem sie etwas für die drei Herren der Schöpfung auf den Hauptmonitor legte und dazu erklärte: „Unser Energielieferant ist auch gerade angekommen. Er versteckt sich hinter dem Asteroiden.“ „Darf ich ihn kalt machen? Och, bitte“, Colt setzte seine unschuldigsten Kuhaugen auf und das erbärmlichste Gesicht, das er auf die Schnelle aus dem Ärmel zaubern konnte. Er wollte Jesse eins vor den Latz knallen. Dem Scherzkeks hatten sie es schließlich zu verdanken, dass sie überhaupt hier gelandet waren! Außerdem hatte Colt noch ein persönliches Hühnchen mit ihm zu rupfen. Wegen Jesse war Colt hier zum Däumchen drehen verdonnert worden, mittlerweile seit mehr als einem halben Jahr. Colt hatte die Faxen dicke. Jesse würde sich noch wünschen, er wäre niemals hier aufgetaucht. Während Fireball nur schwach den Kopf schüttelte, verlieh Saber diesem Befehl Stimme: „Wir schnappen uns Jesse, wenn die Schlacht ausgebrochen ist. Wir dürfen uns im Augenblick nicht verraten, das weißt du genauso gut wie wir auch, Colt. Schraub deinen Spieltrieb bitte solange auf ein Minimum herunter.“ Der Cowboy zog unter seinem Helm eine Schnute, wollte Saber sogar die Zunge rausstrecken, aber so viel Platz hatte er unter seiner Kopfbedeckung dann auch wieder nicht. So schnaubte er nur einmal verächtlich und brummte: „Ein Keks hätte mir gereicht!“ Sofort schaltete sich auch April wieder dazwischen. Sie konnte nicht mehr stumm sitzen bleiben und das alles nur beobachten. Sie war Star Sheriff. Es setzte ihr mehr zu, nicht eingreifen zu dürfen als gegen eine Übermacht ankämpfen zu müssen. Sie musste sich irgendwie ablenken, und so kam ihr Colts kindisches Verhalten gerade Recht. April nörgelte Colt an: „Würdest du dich mal benehmen, wie man es von einem Scharfschützen erwarten kann, dann bräuchten wir nicht zwei Captains, die dich bremsen, Viehtreiber.“ „Geht das schon wieder los?“, Saber verdrehte genervt die Augen, war aber gleichzeitig dankbar für die Ablenkung. Nur sollten die Freunde darauf achten, dass sie nicht von einem belastenden Thema zum nächsten schlidderten. Das taten sie aber gerade. Saber versuchte deshalb, das ganze Geplänkel in eine witzigere Richtung zu lenken. Er beschwerte sich halbherzig: „Lasst endlich die verdammte Keksdose zu. Mir wird mittlerweile schon übel, wenn ich nur was davon höre. Ich sattle demnächst nur noch auf Chips um.“ Jarreds panischen Gesichtsausdruck hatte Shinji sofort zu deuten gewusst. Das Schicksal wartete nicht länger auf ihn. Yama, der japanische Gott des Todes, er würde ihn heute holen. Nachdem ihm Jarred kurz geschildert hatte, was sie auf den Bildschirmen hatten sehen können, was ihnen dieser schreckliche Phantomboss angedroht hatte, trommelte der Captain auch schon seine Mannschaft zusammen. Sie mussten los und durften keine Zeit mehr verlieren. Es blieb keine Zeit – das Kavallerie Oberkommando konnte doch nicht helfen. Der erfahrene Pilot führte seine Staffel an. Er geleitete sie ins All, gab ihnen immer wieder Befehle und Anweisungen. Für den atemberaubenden Blick auf den Planten Jarr hatten sie kein Auge. Schnell hatte Shinji gesehen, dass seine und die Staffel von König Jarred alleine kaum in der Lage sein würden, diesen fremden Angreifern Herr zu werden. Er hatte sich deshalb schnell eine Hinhaltetaktik überlegt, immer noch darauf bedacht, so viele Kameraden und Freunde lebend nachhause schicken zu können. Shinji steuerte auf das Flaggschiff zu, von allen Seiten geriet er unter Beschuss. Dabei fiel ihm ein Laser auf, der sich von denen seiner anderen Angreifer unterschied. Dieses Schiff gehörte nicht zu den Outridern. Es musste jemand anderes sein. Doch Shinji konnte darauf keinen Gedanken verschwenden. Er musste das große Kriegsschiff so schnell als möglich erreichen. Er wollte so viele Leben als möglich schützen und retten. Abermals suchten ihn Gedanken an die ferne Zukunft heim. Shinji kniff die Augen zusammen und schwor sich selbst auf sein Unterfangen ein: „Ich tue es für eine friedliche Zukunft, Ai. Ich tue es nur für dich, meine Liebe!“ Er hörte das gegenseitige Necken um ihn herum kaum. Alles nahm er nur wie durch einen Schleier wahr. Die Schiffe der Outrider, die Flotte des Königs, die sich in den nächsten zwanzig Jahren kaum verändern würde, die Staffel der Air Strike Base 1 und den Badlander von Jesse Blue. Alles schien ineinander zu fließen und kein richtiges Bild mehr abzugehen. Nur eines konnte Fireball klar und deutlich erkennen. Das waghalsige Manöver eines Jets, dessen Ausgang ganz klar war. Als die ersten Schüsse den Ausbruch der Schlacht kund taten, verstummten auch die Blödeleien an Bord. Alle setzten sich in ihre Satteleinheiten, schnallten sich an und waren sofort für alles bereit. Keiner wusste, wie lange sie den Kämpfen zusahen, nur als Jesses Badlander offensichtlich für sie und alle anderen angriff, war es mit der gespenstischen und schicksalsschweren Stille auf Ramrod schlagartig wieder vorbei. Colt schnellte in seinem Sitz nach vor, fuhr ohne Anweisungen seine Maverickschnellfeuerraketen aus und teufelte los: „Ich schnapp ihn mir! Verdammt, der wagt es echt, sich einzumischen.“ Er hatte bereits den Finger am Abzug und die Zielerfassung hatte Jesse längst schon im Fadenkreuz. Colt sah nicht ein, weshalb er jetzt noch still halten sollte. Jesse würde vielleicht einen entscheidenden Teil der Geschichte sehr negativ beeinflussen, da durfte wohl auch er mal ein bisschen Schicksal spielen. Waren Saber und April auch auf Colts Seite und nickten ihm stumm zu, kam aus der mittleren Satteleinheit nur ein fest entschlossenes: „Nein.“ Fireball streckte ohne den Cowboy anzusehen, seinen rechten Arm aus und redete Colt sein Vorhaben gleich wieder aus. Der Japaner blickte starr gerade aus, mitten in einer Schlacht auf Leben und Tod. Es fiel ihm schwer und er war dankbar, dass keiner seiner Freunde nahe genug neben ihm stand, um seine Augen durch seinen Helm hindurch sehen zu können. Er schüttelte den Kopf, langsam und bedächtig, dabei hielt er Colt mit fester Stimme an: „Wir werden nicht eingreifen.“ Darauf gab es für Colt nur eine Antwort. Nämlich Rebellion. Er fuhr zwar seine Systeme herunter, aber ganz und gar nicht schweigend. Mit Unverständnis in der Stimme brauste er auf: „Scheiße, Fireball! Der mischt sich ein und du siehst genauso gut wie ich mit meinen liebreizend blauen Äuglein, dass er nur ein Ziel dabei im Auge hat. Verdammt, Fire, das kann doch schlecht dein Ernst sein?!“ Colt war außer sich. Jesse Blue vergnügte sich da draußen von seinem Versteck. Immer wieder feuerte der Badlander aus dem Hinterhalt Lasersalven auf Captain Hikari ab. Genau auf Captain Hikari nämlich. Ja, verdammt, sie hatten sich darauf geeinigt, nichts zu unternehmen, aber dem Blauhaarigen diesen unverschämten Vorteil zu lassen, das sah Colt überhaupt nicht ein. Stinksauer schlug er mit der flachen Hand auf seine Armaturen: „Verflucht und zugenäht, du verdammter sturer Hund, du!“ April zuckte erschrocken zusammen, als Colt das Schaltpult halb massakrierte. Der Knall war unerwartet laut gewesen. Mit angezogenen Schultern drehte sie sich zu ihren Jungs nach vorne. Hätte sie das lieber mal gelassen. Statt auf Colt einzureden und ihn beruhigen zu wollen, erhaschte sie ungewollt einen Blick aus dem großen Panoramafenster nach draußen. Krieg. Das und nichts anderes tobte in ihrer unmittelbaren Umgebung. April überflog die Situation kurz, um sich ein klareres Bild machen zu können. Dann lehnte sie sich halb aus ihrer Satteleinheit, hielt sich dabei an der hinteren Seitenverstrebung fest. Ihre blauen Augen suchten den Piloten und als sie ihn von hinten in seiner Satteleinheit sitzen sah, musste sie plötzlich daran denken, wie Captain Hikari genau dort gesessen hatte. April schluckte dieses aufkeimende, beklemmende Gefühl hinunter. Jetzt erst wurde ihr klar, dass sie den Tod von Captain Hikari mit ansehen würden. Sie murmelte: „Fire?“ Keine Antwort. Saber sah mit wachsendem Unbehagen, wie Fireball in eine Starre verfiel. Irgendwas musste er unternehmen. Nur was? Der Schotte war sich dessen bewusst, dass es nicht ihre Schlacht war und dass sie nicht eingreifen durften, aber Jesse sollte das nach Möglichkeit auch nicht machen. Der Blauhaarige feuerte immer wieder gezielte Schüsse auf die Schiffe des Neuen Grenzlandes ab, er mischte sich ein. Also war Handeln angesagt. Saber wandte sich nun ebenfalls an Fireball: „Wir müssen Jesse zumindest davon abhalten, dass er sich einmischen kann, Fireball.“ Der junge Pilot hörte Colts Wutausbruch stumm zu, vernahm Aprils bittende Worte und er bekam auch Sabers Vorschlag mit. Fireball schloss einen Moment die Augen und ging in sich. Es war nicht vertretbar, was Jesse sich da draußen leistete. Deswegen ordnete er an: „Colt? Hol ihn her.“ Bei seinem Namen war Colt bereits wieder nach vor geschnellt und hatte die Waffensysteme wieder voll aktiviert. Er war zum Schuss bereit, eine seiner Hitzefeuerraketen würde schon treffen. Endlich wurde der Japaner katholisch und gab den Befehl, dem Blaukehlchen an die Federn zu gehen. Doch da hatte sich Colt zu früh gefreut. Fireball schüttelte den Kopf. Einsilbig kam wieder eine Anweisung: „Nimm den Bronco und bring ihn her.“ Colt war noch gar nicht richtig abgeschnallt, da sprang er auch schon aus seiner Satteleinheit. Das ausgewachsene Mondkalb würde er sich holen. Aber auch Saber sprang aus seiner Satteleinheit, alleine sollte in das Getümmel niemand gehen. Der Cowboy würde Rückendeckung gebrauchen können: „Ich begleite Colt.“ „Ich komme auch mit!“, auch die Blondine war aufgestanden und bereit, ihren beiden Kollegen unterstützend unter die Arme zu greifen. Da draußen tobte die Hölle, sie würden jede helfende Hand gebrauchen. Es waren Aprils Worte, die Fireball zusammenfahren ließen. Nun war er wieder ganz bei der Sache. Er schnallte sich ebenfalls ab und erhob sich. Seine drei Freunde standen bereits beim Ausgang, für alles bereit. Doch Fireball hielt sie noch einmal zurück: „Colt und Saber gehen. Passt aufeinander auf und kommt heil wieder. Du bleibst hier, Süße“, ein stummes „bitte“ folgte diesen Anweisungen. Sein Vater ging da draußen in den nächsten Minuten hops, er wollte nicht auch noch riskieren, dass er April verlor. Widerworte waren sehr konstruktiv für Diskussionen, aber in diesem Fall gab es keine Diskussion. Nur April wollte das noch nicht so wahrhaben. Sie widersprach Fireball bestimmt: „Die können da draußen jeden Mann gebrauchen!“ „Es ist nicht unsere Schlacht!“, so hart es auch war, Fireball musste es sagen. Jeder von ihnen hätte gerne eingegriffen, er selbst würde keinen Augenblick zögern, aber damit würden sie ihre Zukunft verändern. Keiner hatte mehr Lust darauf. Saber nickte zustimmend und war mit Colt schon weg. Auch er hätte April niemals da raus gelassen. Sie war zwar ein Star Sheriff und sie war gut in dem, was sie tat, aber für diese Art von Einsatz hatte sie zu wenig Kampferfahrung. Die Jungs schlugen sich schon öfter durch ein solches Getümmel. April wollte noch einmal protestieren, doch da hatte sie Sabers Nicken bemerkt. Der Kerl fiel ihr auch in den Rücken! Da würde wohl auch Colt der gleichen Meinung sein. Furchtbar, wie sich die Männer manchmal gegen sie verschworen. Sie rief den beiden noch nach: „Gebt aufeinander Acht!“ „Stellt solange nichts an“, Colts schelmisches Grinsen dabei hatte April auch trotz des Helms sehen können. Der alte Schwerenöter! Kopfschüttelnd drehte sie sich zu Fireball, der ausnahmsweise das Schicksal mit ihr teilte und an Bord blieb. Doch ihr gefiel nicht, was sie sah. Fireball hatte ihr den Rücken zugewandt und blickte auf die Schlacht, die vor ihnen tobte. Mit jeder Minute wurden die Kämpfe heftiger und erbitterter. Man konnte die Verzweiflung der Menschen spüren. Auf so etwas waren sie niemals vorbereitet gewesen. Die Jets der Air Strike Base 1 flogen immer neue und waghalsigere Manöver, nur um der Übermacht endlich Herr zu werden. Eine unlösbare Aufgabe. „Die Menschen dort brauchen unsere Hilfe“, April war einige Schritte auf ihn zugegangen, nachdem sie Colt und Saber die Rampe geöffnet und die beiden entlassen hatte. Ihr Sinn für Gerechtigkeit ließ sie immer wieder vergessen, dass es nicht einmal ihre Zeit war, in der dieser Kampf statt fand. April sah ebenfalls durch das Panoramafenster nach draußen. Sie konnten bestimmt viele Menschen retten, wenn sie einschritten und halfen. Emilio, John, Pete. Fireball biss sich auf die Lippen. Er kannte sie alle. Er war einige Monate einer von ihnen gewesen. Die Namen der Helden waren für ihn Gesichter, Geschichten und in so manchem Fall auch Freunde geworden. Viele von ihnen hatten eine Frau oder zumindest eine Freundin, die zuhause vergeblich auf ihre Rückkehr warten würde. Aus den Augenwinkeln bemerkte Fireball weitere Freunde, die in die Schlacht zogen. Colt und Saber. Hoffentlich würden die beiden wirklich nur Jesse und den Badlander an Bord holen. Obwohl die beiden seine engsten Freunde waren, nahm er ihr Unterfangen lediglich wie eine Randnotiz wahr, sein Hauptaugenmerk galt immer noch den Geschehnissen rund um den Kreuzer von Nemesis. April erhielt keine Antwort. Es wunderte sie nicht wirklich, aber es bekümmerte sie. Wortkarg war bei Fireball schon ein Anzeichen für Probleme, totale Schweigsamkeit konnte nur der Supergau sein. Zum Sprechen konnte sie ihn nicht bringen, das hatte April gemerkt, also schenkte sie ihm auf anderem Wege Zuversicht. April schloss zu ihm auf, lehnte sich an seine Seite und legte ihren Arm um ihn. Er sollte wenigstens spüren, dass er in dieser Situation nicht alleine war und sie das als Freunde durchstehen würden. „Du rechts lang und ich links, oder?“, sie würden Jesse in die Zange nehmen und ihn so vielleicht auch gehörig aus dem Konzept bringen. Nur wollte Saber vorher sicher gehen, dass Colt und er nicht auf die glorreiche Idee kamen und von der gleichen Seite angreifen wollten. Wäre immerhin nicht das erste Mal, dass sie sich schlecht abgesprochen hätten. Colt bestätigte durch den Funk die Richtigkeit dieser Annahme. Allerdings wieder mal auf seine Art: „Aber immer doch! Zieht dein Hotti wieder nach links, weil du die Seite haben willst?“ Der Cowboy wusste sehr wohl, wie ernst die Lage war und was auf dem Spiel stand, und gerade deshalb musste er mit seinen Sprüchen dafür sorgen, dass ihnen das nicht allzu bewusst wurde. Ihre größte Stärke im Kampf war immer gewesen, dass sie sich blind verstanden und dabei auch noch Zeit fanden, sich aufs Korn zu nehmen. In der Hinsicht hatte sich bis zum heutigen Tage nie etwas geändert. Auch Saber war völlig klar, worauf sie sich da eingelassen hatten. Aber sie mussten Jesse davon abhalten, die Schlacht vorzeitig für die falsche Seite zu entscheiden. Schaffte es Captain Hikari nicht, Nemesis die Lichter auszupusten, würden die Menschen im Neuen Grenzland fünfzehn wertvolle und auch friedliche Jahre verlieren, die sie bitter nötig hatten. Saber nickte dem Cowboy zu: „Ein Hotti war vielleicht deine Kathrin, aber mein Steed ist bitte immer noch ein Ross.“ Colt lachte in den Funk: „Klar. Hat ja blaues Blut dein Pferd. Äh, Entschuldigung, ich mein natürlich Öl, mein ich doch!“ Dabei teilten sich die Wege der beiden Star Sheriffs auf. Saber flog mit Steed links am Asteroiden vorbei und Colt schlug mit Bronco Buster den Weg rechts rum ein. Bestimmt war Jesse so damit beschäftigt, auf ein Ziel zu schießen, dass er unter normalen Umständen sowieso nicht treffen würde, also sollte der Überraschungsmoment für die beiden Guten umso größer sein. Insgeheim hoffte Colt, dass Jesse sein Vorhaben noch nicht über die Bühne gebracht hatte, bis sie eintrafen und ihn mal freundlich in Gewahrsam nahmen. Irgendwie bekamen sie den Badlander schon an Bord und wenn er ihn mit Bronco abschleppen musste! Colt schloss die Hand fester um den Steuerknüppel und machte sich auf alles gefasst. Mit dem Blauhaarigen war nicht zu spaßen, das war es nie gewesen. Den Cowboy ärgerte es, denn Jesse war wirklich zu allem bereit. Der hatte noch nicht einmal gemerkt, dass er mit dieser Aktion vielleicht auch sein Leben änderte oder gar in Gefahr brachte. Aber was wollte man von ihm schon erwarten? Jesse Blue war kalt und ging über Leichen, auch seine eigene, wie es schien. Saber hielt Steeds Zügel fest mit der linken Hand umschlossen, in der anderen hielt er bereits seinen Blaster. Wie sollten sie Jesse nun an Bord holen? Überrumpeln ging im All leider etwas schlecht. Also entschied sich der Recke für eine ganz andere Tour. Er funkte Colt kurz an: „Hey, Kumpel! Was hältst du von der Masche Verkehrskontrolle im All?“ „Hä?“, von der Vorgehensweise hatte Colt offensichtlich noch nie was gehört. Aber er vertraute auf Saber und seine taktischen Kniffe. Seit Saber nicht mehr der Boss war, hatte Colt das Gefühl, der edle Schotte würde aufblühen. Saber war zwar nach wie vor ein eher ruhiger Mensch, aber er agierte neuerdings mit Taktiken und hinterhältigen Tricks, dass Colt dabei nur noch mit den Ohren schlackern konnte. Das hatte schon was und auch, wenn sich Colt noch daran erinnern konnte, dass Saber ein guter Captain gewesen war, so wie jetzt sagte es ihm fast besser zu. „Dann gib mir mal Rückendeckung. Gleich siehst du, was ich meine“, Saber konnte es sich nicht verkneifen, Colt ein bisschen belehrend in den Funkverkehr zu antworten. Nachdem er Colts Okay bekommen hatte, setzte sich Saber mit Steed direkt neben den Badlander, der auf dem Asteroiden doch glatt geparkt hatte. Der Schotte hatte keine Zeit darauf zu achten, wie gemütlich es sich Jesse dort tatsächlich gemacht hatte. Er stieg von Steed ab, trat auf den Badlander zu und klopfte dann mal gegen die Scheibe, während er eine Funkverbindung zum Insassen des schwarzen Jets herstellte: „Hallöchen, Jesse. Wenn du mal bitte aussteigen würdest.“ Dabei hielt Saber ihm seine Dienstmarke ans Fenster. Colt, der das alles aus sicherer Entfernung beobachtete, fing am Funk doch glatt zu lachen an. Jetzt verstand er, was Saber mit Verkehrskontrolle im All gemeint hatte. Oh Mann, auf welche Ideen er immer kam! Aber das Beste war mit Sicherheit, dass Jesse da auch noch mitspielte. Der glaubte wohl, Saber wäre alleine gekommen, denn er stieg aus, ebenfalls mit seiner Waffe in der Hand. Shinji musste seinen Jet ruckartig nach oben wegziehen, um nicht von einem Laser getroffen zu werden. Diese Schlacht verlangte ihm alles ab und noch immer war seine Staffel mitten im Geschehen. Langsam wurde es eng für sie. Die Schlacht war verloren, das war sie von Anfang an gewesen. Deswegen galt es nun für Shinji seine Crew in Sicherheit zu wissen. Er würde nicht ins Jenseits übertreten können mit dem Wissen, dass mit ihm auch seine Staffel in den Tod gegangen war. Nachdem er seinen Looping ausgeführt hatte und sich wieder in Position brachte, befahl Shinji seiner und der Staffel von König Jarred: „Abdrehen! Wir ziehen uns zurück!“ Kein einziger Jet seiner Staffel befolgte den Funkspruch, weswegen Shinji ungeduldig in den Funk schrie: „Nun macht endlich! Zieht euch zurück oder ich mach euch Beine, Jungs!“ Die wussten nicht, was noch alles passieren würde. Aber das entschuldigte ihr Verhalten nicht. Shinji fand kaum noch Zeit, erneut auf den Kreuzer zu zielen. Für einen Moment vergaß er die Wichtigkeit seines Unterfangens. Seine Männer sollten endlich zusehen, dass sie nachhause kamen. Doch die kämpften weiter. „Wir werden dich nicht hier zurück lassen, Captain!“, entschlossen hatte Emilio diesen Funkspruch abgesetzt. Die Mannschaft stand geschlossen hinter Shinji. Sie bewiesen wieder einmal ihre Treue, denn vom ersten Schuss an hatte sich abgezeichnet, wie die Schlacht verlaufen würde. Shinji musste wieder einem Schuss ausweichen, von überall her schienen die Outrider auf ihn zuzukommen. Aber er fand trotzdem noch die Zeit, seiner Mannschaft über die Funkverbindung die Hölle heiß zu machen: „Habt ihr alle Tomaten auf den Ohren?! Verflucht und zugenäht, zieht euch mit König Jarreds Staffel zurück! Gebt ihnen Geleitschutz und achtet darauf, dass euch niemand auf den Planeten folgt. Ich komme nach!“ Emilio wollte zu Widerworten ansetzen, er hatte deutlich gespürt, dass Shinji gelogen hatte. Ihr Captain würde nicht nachkommen. Aber dieses Mal war der Befehl zu eindeutig gewesen. Ob er wollte oder nicht, sie mussten ihn befolgen. Deshalb drehte Emilio schließlich ab. Obwohl er glaubte, das nicht mehr länger mit ansehen zu können, blieb Fireballs Blick auf seinen Vater gerichtet. Er hatte ihn nie richtig kennen lernen dürfen. Die Zeit hier war mitunter manchmal unerträglich für Fireball gewesen. Sein Vater war nicht nur sein Captain gewesen, er war ihm auch ohne sein Wissen ein Freund und Vater gewesen. Er wünschte sich, seinen Vater doch besser kennen lernen zu können, dieser Wunsch würde allerdings für immer unerfüllt bleiben. Als er merkte, wie die Staffel seines Vaters den geordneten Rückzug antrat, murmelte er mit gebrochener Stimme: „Captain…“ Dann sah Fireball, zu welchem Angriff sich sein Vater bereit machte. Als der Jet kerzengerade auf den Kreuzer zuschoss, schloss Fireball die Augen und wandte sich ab. In diesem Augenblick schloss auch der Captain der Air Strike Base 1 seine Augen. Shinjis letzte Gedanken galten seiner Einheit, seinen Freunden, vor allem aber seiner Familie. Er würde Ai niemals vergessen… Er spürte Aprils Hand auf seiner Schulter. Ohne die Augen zu öffnen, griff Fireball nach ihr und wischte sie von seiner Schulter. Auch, wenn er nicht sehen konnte, was passieren würde, er wusste es. Fireball spürte es bereits. Besorgt hatte April mit angesehen, wie sich der Japaner wegdrehte und ihre Hand von seiner Schulter streifte. Doch April konnte nicht zulassen, dass er ganz alleine hier stehen blieb. Die Blondine legte ihre Hand in seine, umschloss mit sanftem Druck seine Finger und strich ihm mit der anderen Hand über die Schulter, während sie in sein Gesichtsfeld ging. Es tat ihr weh, Fireball so zu sehen und ihr wurde auch allmählich klar, dass es eine schlechte Idee gewesen war, Jesse Blue hier abzupassen. Aber woanders hätten sie ihn niemals gefunden, das wusste April genauso. Die Navigatorin spürte, wie Fireball den Druck erwiderte, da wusste April, was sie zu tun hatte. Mit der freien Hand umarmte sie ihn, zog ihn zu sich und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie biss sich auf die Lippen und blinzelte tapfer die Tränen fort. Sie flüsterte, den Kopf nahe an seinen Helm gelehnt: „Ich bin da, Fire.“ Fireball registrierte die Worte der Blondine kaum noch. Alles, was April von ihrem Platz aus sehen konnte, erfuhr der quirlige Pilot seit wenigen Augenblicken am eigenen Leib. Noch immer hielt er die Augen geschlossen, doch das Bild war immer noch klar vor ihm. Er schoss ungebremst auf das Flaggschiff der Outrider zu. Eine lebende Kanonenkugel. Fireball spürte den Aufprall, wie ihm die Stichflammen ins Gesicht schlugen und fühlte ihre unbarmherzige Hitze. Die Hitze der Flammen nahm ihm die Luft zum Atmen, ließ Schweißperlen auf seine Stirn treten. Er schwitzte unter seinem Helm, hatte das Gefühl, gleich zu kochen. Unter der gigantischen Hitze begann sein Helm zu schmilzen. Die Explosion erlöste ihn und hauchte ihm den letzten Funken Leben aus. Bilder vergangener Zeiten flammten vor ihm auf. Alles lief wie ein Film vor ihm ab. Aber es war nicht sein Leben, sondern das seines Vaters. Dessen erste Schritte, Erlebnisse aus seiner Kindheit und plötzlich tauchte ein bekanntes Gesicht in den Erinnerungen auf. Es war Fireballs Mutter. Er sah, wie sie sich kennen lernten, in welchem Moment Fireballs Vater bewusst geworden war, dass er Ai liebte, ihre Hochzeit und Momente aus zehn glücklichen Ehejahren, was Ai und Fireballs Vater zusammen erlebt hatten, wie viel und wie oft sie zusammen gelacht hatten. Zum Schluss gesellten sich noch Bilder von Piloten der Air Strike Base 1 hinzu, das unvergessliche Frühstück mit seinem Vater und schließlich noch die drei Star Sheriffs. Es waren nicht Fireballs Erinnerungen, nein, es war das Leben seines Vaters. Von der Geburt bis zu seinem Tod. Einen winzigen Augenblick stand sein Herz still. Es hatte aufgehört zu schlagen. Als das Leben wieder in ihn zurückkehrte, schnappte der Hitzkopf verzweifelt nach Luft und fuhr zusammen. Fireball riss die Augen auf und rang nach Luft. Seine Seele, die Seele seines Vaters, kehrte in Fireballs Körper zurück, beladen mit allen Erinnerungen des Captains. April zog Fireball den Helm über den Kopf, ließ ihn in Fireballs Satteleinheit fallen und streichelte behutsam über seine Wange. Sorgenvoll sah sie ihn an. Was sie gerade miterlebt hatte, ließ in ihr eine unschöne Ahnung hochsteigen. Niemand wusste, ob etwas an Seelenwanderungen dran war und wenn ja, wie sie sich äußerten. April hatte da gerade eine vage Vorstellung davon demonstriert bekommen. Es jagte ihr unheimliche Angst ein. Sie drückte sich ganz nahe an Fireball, sie wollte bei ihm sein. Dankbar legte Fireball den Kopf in ihre warme, schützende Hand. Als er die Augen aufgemacht hatte, war das erste, was er gesehen hatte, April gewesen. Sie war hier. Fireball schlang die Arme um die Blondine und drückte sie an sich. Er brauchte sie in diesem Moment. Sein Herz raste und pumpte das Blut durch seine Adern. Sein Atem war unregelmäßig und immer wieder verschwamm alles vor ihm. Nur Aprils Gesicht mit ihren klaren, blauen Augen blieb klar und deutlich erkennbar. Haltlos versicherte er ihr: „Alles okay, Süße.“ Nichts war okay, das wusste die Blondine. Sie konnte fühlen, was gerade mit ihm los war, sie erlebte es beinahe mit, so intensiv waren seine Empfindungen gerade. April wischte Fireball mit der Hand den Schweiß von der Stirn, ehe sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm beinahe schon mütterlich einen Kuss hinauf hauchte. Ihre Finger kraulten seine Kopfhaut, strichen seine nassen Haarsträhnen nach hinten. Gerade war nichts wichtiger, als bei ihm zu sein. Sollte Nemesis doch verrecken oder die Schlacht tatsächlich an die Outrider gehen, April wäre es im Augenblick völlig egal. April begann von einem Bein auf das andere zu steigen, was darin endete, dass sie sich und Fireball in einer innigen, geborgenen Umarmung wiegte. Alles würde gut werden, das und nichts anderes versuchte sie ihm zu vermitteln. Jesse stieg tatsächlich aus seinem Badlander, allerdings mit einer Waffe in der rechten Hand. Er hatte annähernd die selbe Größe wie sein Gegenüber, er brauchte lediglich die Nase etwas in die Höhe zu recken. Damit tat sich Jesse nicht schwer, arrogant war er immer schon gewesen. Er lächelte Saber süffisant entgegen: „Was wird das denn, wenn’s fertig ist, Semmelblondi?“ Jesse hatte Saber noch nicht mal richtig die Zeit gelassen, darauf einzugehen, da hielt er ihm auch schon die Waffe vor die Brust. Der Schotte musste glatt einen Schritt zurückweichen, den Lauf von Jesses Blaster hatte er nicht so gerne vor dem Visier. Aber immerhin ging seine Taktik voll auf und der halbprofessionelle Schurke war abgelenkt. Mit einem kaum merklichen Wink bestellte er nun Colt auf die Bühne des Schauspiels um den nächsten Akt einzuläuten. Der Cowboy hatte seinen Bronco in sicherer Entfernung geparkt, war ausgestiegen und hatte sich auf Indianersohlen auf den Weg zu Saber und Jesse gemacht. Immerzu war der Fährtenleser darauf bedacht, nicht aufzufallen oder sich durch blöde Bewegungen zu verraten. Colt wusste nach den Jahren auf Ramrod immer noch, wie man sich an eine potentielle Beute anschlich. In dem Moment, wo Saber einen Schritt zurückwich, sprang Colt aus seiner Deckung hervor, hob kurz die Hand und schlug Jesse dann die Faust mit voller Wucht auf die Rübe. Dabei lachte er: „Kuckuck, hier ist das Vögelchen!“ Mit dem Wums hatte selbst Colt nicht gerechnet, denn Jesse trug einen Helm, da konnte er nicht sonderlich viel Schaden anrichten. Sollte er zumindest, dachte Colt. Aber als er und Saber das Resultat betrachteten, waren sie sich einig. Colt musste so glücklich getroffen haben, dass Jesse alle Lichter ausgegangen waren. Der blauhaarige Querulant war wie ein nasser Sack zusammen gesackt. Saber sah zuerst den bewusstlosen Überläufer, dann ganz baff seinen Kollegen an. Mit großen Augen, aber dem Daumen nach oben deutend, wollte er wissen: „Hast du auf deine alten Tage noch irgendwelche Tricks gelernt, von denen ich noch nichts wusste?“ „Ach du weißt ja“, winkte Colt lässig ab, während er Jesse auf Steed verfrachtete und ihn dort verschnürte. Dabei zwinkerte er zu Saber hinüber: „Einem alten Hund kann man doch keine Kunststückchen mehr beibringen. Das konnte ich doch schon immer.“ Der Schotte nickte lachend: „Stimmt. Glückstreffer landest du ja am laufenden Band!“ Damit schickte Saber das verschnürte Paket auf Steeds Rücken zur Ramrod zurück, während er in den Badlander einstieg und dieses Ungetüm ebenfalls zum großen Cowboy steuerte. Bevor er jedoch startete, warf Saber noch einen Blick auf das völlig unwichtig gewordene Kampfgeschehen vor sich. Der Kreuzer von Nemesis war schon nicht mehr da. Alle zogen sich zurück. Von den Piloten des Königreiches und des Oberkommandos war schon nichts mehr zu sehen. Die Schlacht war vorbei, sie war geschlagen und noch hatte Saber keine Veränderung bemerkt. Also war sie so verlaufen, wie er es aus dem Geschichtsunterricht einmal gelernt hatte. Die Menschen hatten eine Niederlage erlitten, aber fünfzehn wertvolle Jahre des Friedens gewonnen. Saber nickte leicht und schloss zu Colt auf. Endlich konnte es nachhause gehen. Als Saber und Colt mit Jesse im Schlepptau auf die Brücke kamen, hätten sie keine großartige Aufregung wahrnehmen können. Hier schien nichts passiert zu sein. Zum Glück. Colt suchte noch nach einem geeigneten Platz für ihr Mitbringsel, dann ließ er sich in seine Satteleinheit plumpsen. Aufmerksam glitt sein Blick über seine Freunde, verdächtig ruhig war es hier plötzlich wieder geworden. Schweigen behagte dem Scharfschützen nicht, das war auf Ramrod für gewöhnlich kein gutes Zeichen. „Ich hoffe, ihr habt nichts angestellt, ihr zwei Turteltauben“, suchte er deshalb das Gespräch. Was eignete sich da wohl besser, als die beiden jüngsten Teammitglieder ein wenig zu necken. Nicht ernsthaft dachte Colt daran, dass sich die beiden ineinander verguckt haben könnten, aber ihre roten Ohren waren einfach immer zu köstlich. Sie waren ja doch beide noch eher Teenies als erwachsene Menschen. Prompt stellte sich auch gewünschter Rotton in den Gesichtern der beiden jüngsten ein, auch, wenn da wirklich nichts gewesen war. Es behagte den beiden einfach nicht, wenn Colt solche Töne spuckte. Während Fireball den Schub verringerte, erinnerte April den Scharfschützen: „Wir haben lediglich auf euch gewartet, damit wir endlich nachhause können.“ „Jaja, jetzt wären es wieder wir gewesen. Siehst du Saber, deswegen sollten wir ein Auge auf die beiden werfen“, die Vorfreude auf die baldige Heimreise ließ Colt übermütig werden. Er wollte endlich zurück in seine Zeit. Egal, wie waghalsig der Sprung in die Gegenwart werden mochte, sie waren gesund in der Vergangenheit gelandet, also würden sie auch gesund wieder zuhause ankommen. Zuhause bei Josh und Robin. Oh, er vermisste seine kleine, blonde Lehrerin. Hoffentlich hatte sie sich nicht zu viele Sorgen um ihn gemacht. Aber sicher war er sich da nicht. Immerhin war sein kleiner Rubin jemand, der sich immer und überall über alles Sorgen machte. Sie hasste das Kämpfen, verachtete den Krieg, aber sie liebte ihn. Wenn er doch nur schon wieder bei ihr wäre. Ja, Colt wurde langsam aber sicher ungeduldig, was das betraf. Hinter den vier Satteleinheiten regte sich was. Saber nahm das prompt als Anlass, um Colt schmunzelnd zu erinnern: „Dann wirf du mal. Aber auf Jesse und nicht auf April und Fireball. Die brauchen keinen Anstandswauwau.“ Der Schotte schüttelte amüsiert den Kopf und ließ sich noch mal die Geschichtsdaten vom Computer vorführen. Erleichtert stellte er fest, dass die Schlacht so ausgefallen war, wie sie Saber im Gedächtnis gehabt hatte. Viele Todesopfer, aber immerhin war das Königreich Jarr zu guter Letzt doch noch verschont worden. Die Strukturen blieben nun, wie sie der Highlander im Kopf hatte. Alles war bereit für den Sprung in die Zukunft, oder Gegenwart. Na, jedenfalls in ihre eigene Zeit. Saber kam schon ganz durcheinander, es wurde wirklich Zeit, dieses Abenteuer zu beenden. Die Navigatorin hatte die letzten Modifikationen an Ramrods Systemen vorgenommen und berechnete gerade noch einmal zur Sicherheit den Kurs zu nächsten Anomalie. Sie schickte Fireball die Daten und sah dann direkt in die kalten, lieblosen Augen des Überläufers. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Jesse war ihr nicht geheuer. Er hatte sie damals umgarnt, war charmant gewesen, aber sie war nie an ihm interessiert gewesen. Sie hatten einander durch Fireball kennen gelernt. Der Pilot hatte in der Akademie die Schulbank mit Jesse gedrückt und die beiden waren Freunde gewesen. Bis an jenen Abend, an dem der Ball der Abschlussklasse stattgefunden hatte. April war ohne Begleitung dahin gegangen, obwohl sie mehr als nur eine Einladung dazu bekommen hatte. Jesse war keinen Augenblick von ihrer Seite gewichen, seit er sie auf dem Fest entdeckt hatte. Immerzu hatte er ihr Komplimente gemacht, ihr geschmeichelt und versucht, sie um den Finger zu wickeln. In ihrer misslichen Lage, einen Verehrer am Hals zu haben und ihn nicht mehr los zu werden, war sie zu jemandem gegangen, der ihr immer half. Doch Fireball war nicht im Saal gewesen. Also war April auf ihrer Flucht nach draußen gegangen, hatte das Fest somit offiziell verlassen. Doch Jesse war ihr gefolgt, hatte keine ihrer Abweisungen verstanden. Stattdessen hatte er eine Einladung darin gesehen, wie sie durch die leeren Gassen ging. Forsch hatte er April gegen die Wand gedrückt und sie geküsst. April hatte mit den flachen Händen auf ihn eingeschlagen, doch er hatte nicht von ihr abgelassen. Ein Glück für die Blondine, war Fireball dann zur Stelle gewesen. Allerdings war das Ende dieser Liebesgeschichte zwischen April und Jesse auch das Ende einer guten Freundschaft zwischen Jesse und Fireball gewesen. Ihre Wege hatten sich getrennt, nachdem sie sich wegen April gestritten und geprügelt hatten. April schüttelte sich und wandte den Kopf von Jesse ab. Sie konnte ihm immer noch nicht in die Augen sehen. Das wollte sie auch gar nicht. Für sie war dieser falsche Fünfziger gestorben. Er hatte Mist gebaut, aber statt sich zu entschuldigen, hatte sich Jesse seither immer im Recht gesehen. Zornig hatte er Fireball die Schuld an allem gegeben und dass der Japaner das alles nur deswegen getan hatte, weil er April für sich haben wollte. Jesse wurde mit einem Brummschädel und eben jener Erinnerung wach. Als er sich umsah und feststellen musste, dass er auf Ramrod war, kam in ihm sofort wieder der Rebell zum Vorschein. Colt, der nach ihm greifen wollte und ihn ruhig stellen wollte, bekam das als erster zu spüren, mit einem kräftigen Schlag gegen seine Brust. Aber die Spürnase wäre nicht der beste Scout gewesen, wenn er mit so etwas nicht gerechnet hätte. Colt kannte die Sorte Mensch, der Jesse angehörte, vor der hatte Timothy ihn immer gewarnt. Schnell wich der Cowboy einen Schritt zurück, damit Jesse nicht mit voller Kraft traf. Da fing Jesse Aprils Blick auf. Von Colts Totschläger auf dem Asteroiden hatte er verdächtige Kopfschmerzen. Wieso nur hatte er nicht besser aufgepasst? Er hätte wissen müssen, dass der ehemalige MP mehr als nur einen Trick auf Lager hatte. Nicht umsonst hatte das Oberkommando Colt als zusätzliche Unterstützung für den kleinwüchsigen Captain an Bord geholt. Der blauhaarige stutzte plötzlich. Wie? Er hatte doch eigentlich etwas anderes vor gehabt oder nicht? Und verdammt nochmal: „Wo sind wir?!“ Colt drehte dem gut verschnürten Paket den Kopf herum. Ihm war aufgefallen, wie dieser April unentwegt anstarrte. Kein Wunder, dass ihr kleiner Engel da verunsichert war. Colt erklärte wenig freundlich: „Also. Zu aller erst bist du zum ersten und wahrscheinlich auch letzten Mal auf Ramrod. Sieh ihn dir gut an, so was wirst du nie wieder sehen, wenn’s nach mir geht. Und zweitens geht’s jetzt ab in die Heimat, die heimatliche.“ Jesse hatte schon dazu angesetzt, Widerworte zu geben und Colt an zu maulen, da stand auch Saber plötzlich vor ihm. Der Schotte hatte das Gefühl gehabt, Colt unterstützend unter die Arme greifen zu müssen. Nicht, dass er befürchtete, Colt könnte sich nicht wehren, vielmehr ging es dem Schotten um eine eventuelle lautstarke verbale Auseinandersetzung. Die wollte Saber gleich von vornherein ausschließen, weil sie die Konzentration für etwas anderes brauchten. Der Highlander zog also Jesse auf die Beine und verkündete nüchtern: „Du siehst dir jetzt erst mal die Arrestzellen an, die sind das Highlight auf dem Friedenswächter.“ Saber war von Jesses ewigen Widerworten und gehässigen Kommentaren mittlerweile mehr als nur genervt. Noch hatte der Tagedieb zwar nicht angefangen, wieder gegen Fireball und April zu schießen, was er für gewöhnlich sonst gleich als erstes tat, und das sollte Sabers Meinung nach auch so bleiben. Mit einem strengen Gesichtsausdruck führte er Jesse vor sich her aus dem Raum. Nach fünfzehn Minuten Flug, den die Freunde schweigend hinter sich gebracht hatten, verkündete April schließlich: „Die Anomalie ist genau vor uns. Schickt ein Stoßgebet gen Himmel und hofft, dass jetzt alles gut geht.“ Die Modifizierungen an Ramrod hatte die Blondine mit Saber zusammen in den letzten Tagen fertig abgeschlossen. Hauptsächlich hatte sie jede verfügbare Energiequelle angezapft und auf das kleine Programm, das sie möglichst wieder nachhause bringen sollte, umgeleitet. Lief alles glatt bei ihrer Heimkehr, blieb ihnen noch genug Energie für den Flug nach Yuma. Ging aber etwas daneben, und davon gingen alle vier eigentlich aus, waren sie ein angreifbares Ziel, waren vielleicht irgendwo sonst, nur nicht im Jahr 2086, und hatten zu wenig Energie. Deswegen war es April auch ein persönliches Anliegen gewesen, den Badlander an Bord zu haben. Notfalls würde sie dessen Systeme anzapfen müssen und auf etwas Energie spekulieren. Nun tippte sie die letzten Befehle ein, startete das Programm und zählte den Countdown. Hoffentlich ging alles gut und sie überlebten es. Colt starrte gebannt in das All hinaus. Da war nichts. Zumindest konnte er nichts sehen. Der Cowboy hatte noch das Bild von der Anomalie im Kopf, das ihnen April zwei Monate nach ihrer Ankunft hatte präsentieren können. Ihm war durchaus klar gewesen, dass es reine Energieschwankungen waren, beinahe wie ein schwarzes Loch oder etwas ähnliches, aber ein bisschen enttäuscht war er schon, dass man mit bloßem Auge nichts erkennen konnte. Andererseits hätte er es sich auch denken können. Bei ihrer unfreiwilligen Reise durch die Zeit hatte es auch keine äußeren Anzeichen für so etwas gegeben. Warum hätte das nun anders sein sollen? Colt überprüfte seinen Sicherheitsgurt noch mal unnötigerweise, der konnte ohnehin nicht mehr fester sitzen, dann atmete er tief ein. Oh, er hasste es, so hilflos dabei zusehen zu müssen, wenn ihr Schicksal auf einem Scheideweg stand! Colt biss die Zähne aufeinander, er hatte vollstes Vertrauen zu seinen Freunden, er musste. Mit etwas Galgenhumor presste er schließlich doch noch hervor: „Also, Leute. Sollten wir uns im Jahr 2086 nicht in einem Stück wiedersehen, dann möchte ich euch noch gesagt haben, dass ich es genossen habe und es mir eine Ehre war, mit euch zu reiten.“ „Sag das nochmal, wenn wir wohlbehalten zuhause ankommen“, forderte Fireball ihn daraufhin auf. Er hatte eine ganze Weile gebraucht, um das zu verdauen, was er erlebt und gesehen hatte, aber nun war er wieder ganz bei der Sache. Der junge Pilot drosselte stetig den Schub des großen Cowboys und hielt ihn auf Kurs. Hochkonzentriert steuerte er sich und seine Freunde auf die unsichtbare Anomalie zu. Im Gegensatz zu Colt überwog bei Fireball die Hoffnung. Endlich würden sie nachhause kommen, endlich! Ein letztes Mal, bevor sie ihr waghalsiges Manöver über die Bühne bringen würden, schloss Fireball die Augen und dachte an seinen Vater. Er hatte ein erfülltes Leben gehabt, eines, dass seinem Sohn noch bevor stand. Fireball schluckte die Trauer hinunter, es gab keinen Grund mehr für ihn traurig zu sein. Er hatte seinen Vater kennen gelernt. Aber nicht nur das, sondern auch die seltsame Begebenheit während sein Vater den Tod gefunden hatte, hatten Fireball zur Einsicht gebracht. Seine Mutter hatte Recht gehabt, all die Jahre über. Er war die Wiedergeburt von Captain Hikari, er war sein Vater, mit all seinen Erinnerungen, seinen Gefühlen und seiner Lebensfreude. Starke, braune Augen sahen ins finstere All hinaus, seine Hände schlossen sich stärker um die Schubregler und entschlossen nickte der Heißsporn. Alles würde gut werden, er wusste es. Auch der Highlander blickte gespannt auf die Stelle im All, die sie endlich wieder nachhause bringen sollte. Wie bei Colt, überwog auch bei ihm die Skepsis. Das Gebiet der Zeitreisen war im Neuen Grenzland bisher noch nicht erforscht worden, bisher war angenommen worden, es ginge sowieso nicht. Aber Saber wurde gerade eines besseren belehrt, vorausgesetzt, es funktionierte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er und April innerhalb eines halben Jahres eine völlig unerforschte Materie bearbeitet und soweit strukturiert hatten, dass Reisen durch die Zeit tatsächlich gezielt möglich wurden. Okay, dass sie überhaupt möglich wurden, war für Saber schon unvorstellbar. Dumm nur, dachte der blonde Schotte bei sich, dass nie jemand davon erfahren würde. Die vier hatten sich darauf geeinigt, im Oberkommando einfach irgendeine Geschichte zu erzählen, aber nicht die Wahrheit. Die würde ohnehin keiner glauben. Saber warf einen Blick auf seine Freunde. April, ihr femininer Charme und Esprit an Bord. Colt, der chaotische Scharfschütze, der immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte. Fireball, ihr junger Captain und Ausnahmepilot. Und schließlich er selbst. Saber, der Rettungsanker im Hintergrund. Sie alle waren so unterschiedlich und doch die besten Freunde. Saber wandte den Kopf zu Fireball herum und nickte ihm aufmunternd zu. Gemeinsam würden sie es schaffen. Hoffentlich. April gab den Befehl zum Zeitsprung und kniff die Augen zusammen. Ramrod flog auf gleißendes Licht zu und blendete seine Insassen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)