Dancing von senthessa (Beginn einer One Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: The Last Waltz ------------------------- Sie saß wieder bei einem dieser Bälle… und beobachtete ihn. Warum tat sie sich das eigentlich an? Warum tat sie ihm das an? Es musste doch unangenehm für ihn sein, die ganze Zeit von so einer Göre angestarrt zu werden. Und doch konnte sie ihren Blick nicht von ihm wenden. Seine Bewegungen waren perfekt, seine Ausstrahlung einzigartig. Er legte sein ganzes Leben in den Tanz, und hielt doch seine Seele heraus. Diese Frau, seine Tanzpartnerin, musste ihrem Benehmen nach seine Freundin sein. Seine Ehefrau war sie nicht, denn bei der Vorstellung hatte die Leiterin der Tanzschule sie bei verschiedenen Nachnamen genannt. Vorhin, als sie selbst getanzt hatte, war ihr nur für einen einzigen Augenblick aufgefallen, dass sein Blick auf ihr gelegen hatte, und sofort war sie aus dem Takt geraten. Wie entsetzlich peinlich ihr das gewesen war! Er musste ja denken, dass sie nicht einmal die einfachsten Schritte beherrschte… und dass sie sich vorhin auch noch unbedingt eine eher weniger kleine Flasche Wein hatte bestellen müssen, besserte die Angelegenheit nicht gerade. Ihr sonst so viel gerühmtes und ausbalanciertes logisches Denken war wohl ein wenig aus den Fugen geraten, sonst würde sie ihre Gefühle nicht so offensichtlich werden lassen. Von den vier Tanzpaaren, die auf dem Parkett standen, war nur eines wichtig für sie und das lag nicht an dem Können, das die beiden Tänzer bewiesen… „Mein Gott“, seufzte sie. Sie stand nun außerhalb des Tanzsaals auf dem Hof und der in der jetzigen Situation leider auch nicht besonders beruhigende blaue Qualm einer Zigarette zog durch ihre Lungen. Natürlich war ihr bewusst, dass Rauchen auch keine sonderlich intelligente Ablenkung war, aber immerhin war es weniger peinlich als die ganze Zeit wie die Auffälligkeit selbst einen Typen anzustarren, der sich schon wie im Zoo vorkommen musste. „Warum kann ich mich auch nicht einmal zusammenreißen, verdammt noch mal?“ fuhr sie auf und trat mit voller Wucht gegen die Mauer, an der sie bisher gelehnt hatte. Leider war ihr dabei entfallen, dass sie statt ihrer üblichen robusten Turnschuhe heute Tanzschuhe aus besonders weichem Nappaleder trug, und prompt jagte ein stechender Schmerz durch ihren Fuß. „God damn fuckin’ shit!“ Es war eine nun schon lange gehegte und im Allgemeinen von ihrem Umfeld geflissentlich ignorierte Angewohnheit von ihr, nicht mehr auf Deutsch zu fluchen. Diesmal jedoch reagierte tatsächlich jemand auf diese eher unfreundlichen Worte, die sie im englischsprachigen Raum nie zu verwenden gewagt hätte… „Das klang jetzt aber nicht gerade liebenswürdig.“ Der Besitzer dieser Stimme war eindeutig belustigt und sie fuhr, ihrem üblichen aufbrausenden Temperament zu spät Einhalt gebieten wollend, zu ihm herum – und fiel aus allen Wolken. Er stand vor ihr. O my gosh, war alles, was sie denken konnte und es dauerte einige Augenblicke, bis sie ihre entgleisten Gesichtszüge wieder in eine Form gebracht hatte, die nicht ganz so beschämend waren, wie das überwältigte Starren, dass sie gerade noch präsentiert hatten. „Sie rauchen?“ „Ja, offensichtlich“, gab sie knapp zurück und hätte sich dafür nur wenige Momente später selbst ohrfeigen können. Wie konnte sie nur so aggressiv sein? „Entschuldigung“, hängte sie zerknirscht an. „Ja, ich rauche.“ „Na dann“, fuhr er fort, als wäre ihr Patzer gar nicht passiert, und nestelte ein Päckchen Zigaretten aus seiner Jackentasche. „Hätten Sie dann wohl bitte Feuer für mich? Ich fürchte, mein Feuerzeug hat den Geist aufgegeben und sonst könnte ich niemanden fragen.“ „Sicher.“ Sie brauchte nicht lange, bis sie ihr eigenes, klassisch silbernes, Feuerzeug aus der Jackentasche gekramt und es ihm gereicht hatte. „Ihre Freundin raucht wohl nicht?“ konnte sie es dann nicht lassen zu fragen. Überrascht und ein wenig verwundert sah er sie an. Mit seiner Antwort ließ er sich jedoch Zeit, bis er die Zigarette zu einem gleichmäßigen Glühen gebracht hatte. „Meine Freundin? Von wem sprechen Sie?“ „Nun… Ich dachte, ihre Tanzpartnerin…“ Heaven!, das wurde ja immer peinlicher! Wie hatte sie nur so einen Unsinn von sich geben können? „Nein, sicher nicht! Warum auch?“ fragte er mit einem Lächeln. „Sie und Ihr Tanzpartner sind doch auch kein Paar, oder?“ „Himmel, nein!“ Sie erschauderte unwillkürlich. „Den komplizierten Kerl würde ich nicht geschenkt nehmen. Außerdem ist er seit über einem Jahr der Freund meiner besten Freundin, da sollte man sich nicht einmischen, wenn man an seinem Leben hängt.“ Was erzählte sie ihm denn jetzt schon wieder? Konnte sie sich nicht zusammennehmen? Nervös sog sie an ihrer schon beinahe heruntergebrannten Zigarette, dann nahm sie all ihren Mut zusammen. „Ihre Vorführung hat mir übrigens wieder sehr gut gefallen.“ Er lachte wieder. „Ich habe es bemerkt! Sie sind übrigens die einzige, die uns jedes Mal wieder zusieht, Ihre Freunde ersparen sich das mittlerweile anscheinend schon.“ „Wenn ich es verpassen würde, könnte man meiner Meinung nach nicht von ‚ersparen’ sprechen!“ „Vielen Dank, es freut mich immer, wenn jemandem unser Tanz gefällt. Leider jedoch sind auch wir nicht perfekt. Heute waren wir für einen Moment auch aus dem Tritt.“ Ohne nachzudenken, antwortete sie: „Ich weiß, im Jive hatten sie einen Schrittfehler.“ Sie hatte den kurzen Augenblick des Zögerns erkannt, auch wenn sie die weiterentwickelten Schritte selbst noch nicht beherrschte. Erstaunt sah er sie an. „Das haben Sie gesehen? Wie unangenehm…“ „Mein Gott, nein! Ich glaube nicht, dass ich das Recht habe, Sie zu kritisieren! Wenn ich daran denke, wie ich heute aus dem Takt gekommen bin, bezweifle ich, ob ich überhaupt für meinen Kurs schon geeignet bin.“ „Oh, nicht doch! Sie sind gar nicht so schlecht, nur ihre… Konzentration… lässt nun einmal ein wenig zu wünschen übrig.“ Wieder lächelte er, ruhig, gelassen und mit einem solch intensiven Blick in ihre Augen, als wisse er ganz genau, was sie so sehr aus ihrem Rhythmus gebracht hatte, und sie war dankbar für die Dunkelheit, die wenigstens zu einem Teil ihren ertappten Gesichtsausdruck verbarg. I wondered should I go or should I stay? The band had only one more song to play… Beide wussten, was die Klänge bedeuteten, die jetzt aus einem geöffneten Fenster zu ihnen drangen – der letzte Walzer, wie ihn ihre Tanzschule stets spielte, wenn ihre Bälle zu Ende gingen… ein Tanz, den keiner von ihnen bisher verpasst hatte. „Tja…“ Sie sah an sich hinunter und betrachtete dann demonstrativ die Zigarette in ihrer Hand. „Wenn ich so rieche, kann ich da nicht hoch – meine Freunde bringen mich um, wenn sie bemerken, dass ich rauche.“ „Hm…“ Anscheinend hatte ihre Enttäuschung durchgeklungen, denn er sah sie nachdenklich an – und reichte ihr dann die Hand. „Würdest du mir die Freude dieses letzten Walzers machen?“ I had the last waltz with you Two lonely people together I fell in love with you The last waltz should last forever Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)