Drachenkind von maidlin ================================================================================ Kapitel 1: Schmerz und Angst ---------------------------- Langsam neigte sich dieser Tag, der so verträumt begonnen hatte, seinem Ende. Annie war es gelungen, den verwundeten Drachen – jetzt in Menschengestalt – in ihre Hütte zu bringen. Sie hatte eine Decke und eine Art Trage heraufbeschworen und dann den Wald - so gut sie es vermochte - mit Zauberei in seinen ursprünglichen Zustand zurück versetzt, um die Spuren seines Absturzes zu verdecken. Den Rest würde die Natur machen müssen. Ja, Annie war eine Hexe. Seit Generationen wird diese Gabe bereits in ihrer Familie weitergegeben und dies würde wohl auch noch Generationen nach ihr so sein, ganz besonders, wenn es nach ihren Eltern und Großeltern ginge. Annies Familie war erfüllt von strengen Traditionen, Bräuchen, und Regeln, nach denen man sich strikt zu richten hatte. Eine dieser Regeln war es, dass man ausschließlich Personen heiratete, die einen magischen Stammbaum vorzuweisen hatten und natürlich ein hohes Vermögen und Besitztümer besaß. Allerdings waren Familien, die all diese Kriterien erfüllten, in ihrer Zeit sehr rar gesät und sie hätte vielleicht einen Mann heiraten müssen, der drei Mal so alt gewesen wäre, wie sie selbst. Das war einer der anderen Gründe warum sie die Einsamkeit und Abgeschiedenheit bevorzugt hatte. In ihrer Hütte war es bereits dunkel, nur noch ein einzelner Lichtstrahl fiel durch die Holztür. In dem gusseisernen Ofen prasselte ein Feuer und erwärmte den kleinen Raum, der Küche und Schlafplatz zugleich war. Denn obwohl die ersten Herbsttage im Oktober noch heiß und schwül wie Sommertag waren, waren die Nächte doch bereits kalt und feucht. Annie versorgte sofort die Wunden des ehemaligen Drachens, so gut sie es vermochte und es gelang ihr sogar einen Kräutertee einzuflößen, der seine Schmerzen ein wenig lindern sollte. Sonst bewegte er sich nicht oder gab ein anderes Lebenszeichen von sich. Hätte Annie nicht gesehen, wie er atmete, hätte sie wohl schon mehr als einmal gedacht, dass er bereits gestorben sei. Die Tage verstrichen ohne das sein Zustand sich änderte. Für Annie war dies nicht unbedingt ein negatives Zeichen, denn immerhin ging es ihm nicht schlechter. Aber es ging ihm auch nicht besser und das machte ihr sorgen. Es schien als würde die Medizin nur sehr langsam bei ihm wirken, wenn sie das überhaupt tat und sie fragte sich, ob er vor dem Wintereinbruch noch genesen würde - zumindest ein bisschen. Annie wusste nicht, was sie im Winter tun sollte, ginge es ihm noch immer nicht besser. Sie versuchte sich einzureden, dass er in der Zwischenzeit schon drei Mal erwacht war, aber sie beizweifelte, dass er dies überhaupt selbst realisiert oder gar verstanden hatte. Sie hatte diese kurzen Momente nur dazu genutzt, um ihm weiter etwas zu trinken zu geben. Dass er sich daran erinnern würde, glaubte sie weniger. Langsam ließ die Dunkelheit, in der er so lange gefangen war, ihn wiederwillig gehen. Er spürte, wie er sie immer weiter hinter sich ließ und es um ihn herum grau wurde. Es dauerte lange und er empfand es als anstrengend, denn viel zu verlockend war die Dunkelheit, die ihm Sicherheit und Frieden versprach und ihn so sehr anzog. Dennoch wusste er, dass er gehen musste, wollte er nicht für immer ihr Gefangener sein. Doch je weiter er vor drang, weg von der Dunkelheit und hin zu dem rötlichen Licht, desto mehr konnte er einen Schmerz verspüren, den er nicht richtig zuordnen konnte. Erst war es nur ganz dumpf und kaum weiter störend, aber schon bald – mit jedem neuem Atemzug den er bewusst machte - wurde auch der Schmerz stärker. Er musste von seinem eigenen Körper aus kommen, realisierte er schwach. Aber warum? Warum hatte er Schmerzen? Was war geschehen? Der Schmerz wurde stärker und sein gesamter Körper schien davon betroffen. Der Schmerz war überall; in seinem Kopf und seinem Körper. Er musst die Augen öffnen. Er musste wissen, was mit seinem Körper geschah; woher diese Schmerzen kamen, die ihn unaufhaltsam in die Dunkelheit zurückzogen und gegen die er sich kaum wehren konnte. Er wollte die Augen öffnen, sehen wo er war – doch es gelang nicht. Zu verlockend war die Dunkelheit, die immer lauter nach ihm rief. Seine Augenlider fühlten sich immer schwerer an und er fiel ihm schwer weiter einen klaren Gedanken zu fassen. Dennoch hatte er das Gefühl, dass er sich erinnern müsste; dass die Erinnerung der Schüssel war, um zu begreifen, woher diese Schmerzen kamen. Mühsam gelang es ihm ein paar Erinnerungsfetzen zusammenzusetzen. Sie hatten ihn gejagt... und dann... dann war er gefallen. Schneller und schneller... dann... Nichts... Dunkelheit und Leere. Er musste ihnen irgendwie entkommen sein, überlegte er. Irgendwie... auch wenn er es sich nicht erklären konnte. Aber vielleicht hatten sie ihn doch gefangen... Lebte er noch? Er musste noch am Leben sein. Der quälende Schmerz, der ihn peinigte, war sein bester Beweis. Aber vielleicht wartete sie nur auf sein Erwachen, um ihn dann endgültig zu vernichten. Noch einmal versuchte er die Augen zu öffnen. Er musste wissen wo er war und was mit ihm geschehen war. Dieses Mal gelang es ihm, doch er sah nicht viel. Alles was in seinem Blickfeld lag, war verschwommen. Er blinzelte und versuchte sich ein wenig zu bewegen. Er wollte den Kopf aufrichten, als ein stechender Schmerz seinen Hals abwärts, durch seinen Köper fuhr. Ein Keuchen entrann seiner Kehle und er ließ sich sofort auf den Boden fallen. Ein paar Sekunden lang wagte er es nicht sich zu bewegen und wartete, dass der stechende Schmerz wieder schwächer wurde. Trotzdem wollte er sich nicht erneut der Dunkelheit hingeben. Er wollte sich nicht so einfach seinem Schicksal ergeben. Sein Überlebensinstinkt war noch vorhanden, schwach aber er war noch da. Noch einmal öffnete er die Augen, ließ sich aber dieses Mal mehr Zeit und langsam begann er besser zu sehen. Er befand sich in irgendeinem Raum, der merkwürdig orange erleuchtet war. Dieses Licht musste es gewesen sein, was ihn von der Dunkelheit fortgelockt hatte. Es war warm und angenehm und irgendwie erinnerte es ihn an etwas, an eine längst vergangene Zeit. Er ließ seinen Blick weiter schweifen und stellte fest, dass der Raum nicht sehr groß war. Er war vielmehr viel zu klein für seine eigene Größe. Er konnte sich nicht erklären, wie er trotzdem darin Platz fand. Äußerst vorsichtig drehte er nun den Kopf ein wenig. Er wollte wissen, wo dieser Schmerz herkam; wo sie ihn verletzt hatte. Doch er sah nichts. Alles was er sah, waren zwei Menschenbeine. Neben ihm schlief also ein Mensch. Selbst in diesem Zustand würde das keine Schwierigkeit für ihn sein, dachte er. Den Menschen der dort lag, würde er mit einem einzigen Hieb seiner Klaue vernichten und dann würde er fliehen Er versuchte sein Gewicht zu verlagern, um besser zuschlagen zu können, doch als sich bemühte seine eigenen Beine zu bewegen, bewegten sich auch die des Menschen vor ihm und abermals spürte er einen starken Schmerz in seinem Körper. Auch beim zweiten Mal geschah es so. Bewegte er seine Beine, bewegte auch der Mensch seine Beine und zwar genauso, wie er es getan hatte. Jetzt wollte er eine Klaue nach diesem Menschen ausstrecken. Es war ihm egal wie, er wollte ihn nur noch vernichten. Er streckte sie nach dem Menschen aus und dann... hörte er auf zu atmen. Das was er da sah, war nicht seine Klaue... Es war die Hand eines Mensche, die sich bewegte; die er ausgestreckt hatte. Sein Atem setzte hastig wieder ein und sein Herz begann zu rasen. Seine Augen weitete sich, als er immer mehr begriff. Das konnte nicht sein... Was hatten sie mit ihm gemacht? Hatten sie ihn wirklich in den Körper eines Menschen gebannt? Was war mit seinen Körper geschehen? Wo war sein Körper? War das etwas sein Körper? Die Fragen rasten ihm durch den Kopf und doch konnte er sich keine Antwort geben. Die Verletzungen, die er trug konnte er nun deutlich spüren. Sie befanden sich an der gleichen Stelle, wie die, die ihm die Jäger zugefügt hatten. Und doch... Welches Monster hatte ihn in einen Menschen verwandelt? Warum hatten sie ihn nicht gleich getötet? Waren die Menschen wirklich so grausam, wie es die Geschichten erzählten? Ein plötzliches Rascheln ließ ihn zusammenfahren und seine momentanen Gedanken vergessen. Er war nicht allein, bemerkte er plötzlich? Dann vernahm er Schritte, die auf ihn zu kamen. Sie waren leicht und klangen nicht bedrohlich, doch er wusste nun zu gut, dass die Menschen anders waren. Sein Atem beschleunigte sich immer mehr und er hatte das Gefühl, dass sein Herz bei einem weiteren Atemzug zerspringen könnte. Anscheinend war er ihnen doch nicht entkommen, dachte er. Wieder wollte er sich aufrichten, wollte sich verteidigen und wenn ihm das nicht gelingen sollte, wollte er wenigstens fliehen. Doch wie auch schon zuvor, durchfuhr ein stechender, brennender Schmerz seinen Körper, lähmte ihn augenblicklich und zwang ihn auf den Boden zurück. Er würde gezwungen sein zusehen, wie dieser Mensch auf ihn zu kam und vernichten würde. „Du bist wieder wach.“, sagte jetzt eine Stimme, die höher war, als alle anderen, die er bisher gehört hatte. Sie war sanfter und klarer, nicht so rau und laut, wie die der anderen Menschen - wie die derer, die ihn gejagt hatten. Doch davon würde er sich nicht täuschen lassen. Er zwang sich die Augen geöffnet zu lassen, auch wenn sein Bewusstsein bereits wieder in die Dunkelheit zurückkehren wollte. Ihm war als würde der Schmerz überall in seinem Körper sein. Jetzt sah er den Menschen in seinem Blickfeld und konnte ihn erkennen. Es war eine Frau. Hinter ihr brannte das orange Licht und verlieh ihr einen seltsamen Schein. Alles was er ausmachen konnte, waren dunkle Augen und Haare, die ihr Gesicht einrahmten. Ihr Gesicht konnte er nicht deuten, hätte er es aber gekonnt, hätte er gemerkt, dass sie ihn sanft und besorgt zugleich ansah. In seinem Kopf schrie es, er sollte davon laufen, doch er wusste, dass sein Körper nicht gehorchen würde. Dies war nicht sein Körper und er erkannte mit Schrecken, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als sich seinem Schicksal zu ergeben. Annie betrachtete ihn einen Augenblick. Sie hatte gesehen, wie er versucht hatte sich aufzurichten und der Schmerz in wieder zu Boden gezwungen hatte. Sie konnten sehen, wie schwer sein Atem ging. Er hatte Angst vor ihr. Hatte er bereits gemerkt, was sie getan hatte? Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen ja. Darin erkannte sie nur eine Regung und nur einen Gedanken: Hass. Er hasste sie, das konnte sie ganz deutlich erkennen und obwohl sie damit gerechnet hatte, erschreckte es sie. Sie schüttelte leicht den Kopf. Davon durfte sie sich jetzt nicht verwirren lassen, sagte sie sich. Sie hatte ihn irgendwie retten müssen und dies war der einzige Weg gewesen, der ihr eingefallen war. Er würde es sicher verstehen, wenn es ihm besser ging. „Scht... beweg dich nicht.“, Sagte Annie schließlich. „Ich werde mich um dich kümmern und deine Wunden versorgen, also Hab keine Angst. Ich will dir nur helfen.“ Er schien sie nicht zu verstehen, denn noch immer sah er sie hasserfüllt an und sie wusste, dass, wenn er noch könnte, sie sofort getötet hätte. Annie rief sich abermals zur Ordnung. Es war zu spät, sagte sie sich. Nun rückte sie noch ein Stück näher an ihn heran und schob vorsichtig einen Arm unter seinen Kopf. Er wehrte sich nicht. Wahrscheinlich kann er gar nicht, dachte sie. Doch er ließ seinen Blick nicht von ihrem Gesicht. Mit der anderen Hand, griff Annie hinter sich und nahm einen Tonbecher, den sie zuvor dort abgestellt hatte, auf. Sein Herz schlug noch schneller, so als wollte es noch ein letztes Mal vor dem unausweichlichen Ende, das Blut durch seine Adern pumpen. Gleich würde mit Sicherheit der Todesstoß folgen. Doch das, was der Mensch da hervor holte, war kein Messer oder Dolch, sondern ein anderes Gefäß, welches sie an seine Lippen setzte. Was hatte sie mit ihm vor? Er konnte sehen, dass sich irgendeine Flüssigkeit darin befinden musste. Wahrscheinlich wollte sie ihn nun vergiften, dachte er. Er schloss den Mund zu einer schmalen Linie. Nie würde er dieses Gebräu zu sich nehmen. „Bitte, du musst es trinken. Es wird dir gut tun und deine Schmerzen lindern.“, redete Annie auf ihn ein. Sie ließ den Becher dort wo er war und hoffte, dass sein Wiederstand bald nachgeben würde. Sie winkelte den Becher noch etwas weiter an, so das etwas von dem Kräutertee auf seine Lippen tropfte. Sein Körper begann zu zittern und er wusste, dass er nicht mehr länger in dieser Position verharren könnte. Der Schmerz wurde immer stärker und schien nun ausschließlich in seiner Brust zu sitzen. Er konnte die Flüssigkeit riechen. Er kannte den Geruch nicht und doch war er ihm nicht unangenehm. Nun spürte er, wie auch seine Lippen zu zittern begannen und etwas von der seltsamen Flüssigkeit tropfte darauf. Erst jetzt wurde er sich seinem Durst bewusst und wie sehr seine Kehle und seine Körper nach Wasser verlangten. Und doch hielt sein Widerstand einigen weitere Momente, doch mit dem ersten Tropfen, der dennoch einen Weg in seinen Mund fand, schien sein Körper regelrecht nach der Flüssigkeit zu schreien. Das Verlangen, dieses warme Nasse seine Kehle herunterlaufen zu spüren, diesen unerträglichen Durst zu stillen, besiegte schließlich seinen letzten Widerstand. Als sie sah, dass er den Mund nun doch ein wenig mehr geöffnet hatte, ließ sie mehr von dem Kräutertee hinein fließen. Begierig schluckte er es und das Verlangen wurde langsam gestillt. Als er ausgetrunken hatte, setzte sie den Becher ab und legte seinen Kopf sacht auf das bescheidene Bett. Noch immer sah er sie unverwandt an und noch immer lag der Hass in seinen Augen. Doch plötzlich wurde er erneut müde und die Dunkelheit zog ihn unerbittlich mit sich. So sehr er sich auch dagegen zu wehren versuchte, es schien als führte er einen aussichtslosen Kampf. Ihm war als würde ein Nebel seine Sinne umhüllen und den Schmerz mit sich nehmen. Er schien auf einmal so weit weg und nicht zu ihm gehörend, ein angenehmes Gefühl nach all der Qual. Annie sah, wie seine Atmung flacher und ruhiger wurde und doch wünschte sie sch mehr für ihn tun zu können. Sie sah wie er sich gegen den drohenden Schlaf wehrte, auch wenn er verlockend für ihn sein musste. Dann erinnerte sie sich an etwas, was ihre Amme immer bei ihr getan hatte, hatte sie in der Nacht einen schlechten Traum gehabt. Sie streckte die Hand nach ihm aus und bemerkte, wie er zusammenzuckte, als sie seine Stirn berührte. Sacht begann sie darüber zu streichen. Sie machte ruhig, kreisförmigen Bewegungen und hoffte, dass es ihn beruhigen würde. Er spürte ihr Hand, doch er konnte sie nicht als unangenehm empfinden. Sie war weich und angenehm kühl. Ungewollte beruhigten ihn die gleichmäßigen Bewegungen beruhigten ihn und er konnte sich der Dunkelheit und dem Schlaf nicht länger entziehen. Sein letzter Gedanke galt aber den Geschehnissen im Wald, die er immer noch nicht begreifen konnte. Am nächsten Tag als Annie erwachte und nach dem verwandelten Drachen sehen wollte, erschrak sie sich. Er hatte über Nacht schrecklich hohes Fieber bekommen und sie sah den Schweiß auf seinem Körper. So schnell sie es vermochte nahm sie einen Krug und eilte damit zum Bach, um ihn mit Wasser zu füllen. Sofort lief sie zurück und goss das Wasser in eine Schüssel. Sie nahm ein frisches Tuch, tauchte es in das kalte Nass und begann in abzureiben, beständig darauf gedacht, seine Wunden nicht noch mehr aufzureisen. Wie konnte sie nur so unvorsichtig gewesen sein und hatte sich selbst schlafen gelegt?, schallte sie sich. Nun war sie sich sehr sicher, dass er verstanden hatte, dass er einen anderen Körper – einen menschlichen Körper – besaß. Dass das Fieber auch von den Schmerzen herrührte, die er gestern um so stärker empfunden haben musste, beeinflusste seinen Zustand wohl ebenso. Vielleicht hätte sie ihn gestern einfach erst einmal in Ruhe lassen sollen, überlegte sie ärgerlich. Sie hatte ihn gestern wohl zu viel auf einmal zugemutet. Sie war ja so dumm gewesen! Sie brauchte lange, um den Schweiß abzuwischen und er schwitzte sehr, so dass es ihre zeitweise als ein aussichtsloses Unterfangen erschien. Als sie fertig war, kleidete sie ihn mit frischen Sachen ein. Die, die sie ihm vorher gegeben hatte, waren vollkommen durchgeschwitzt. Schließlich befeuchtete das Tuch noch einmal an und legte es ihm auf die Stirn. Dann lief sie erneut zum Bach und füllte noch zwei weitere Krüge. Sie würde sie brauchen. Als sie zurück kam erschrak sie abermals. Er lag zusammen gekrümmt auf der Seite und sein Atem war zittrig. Erneut befeuchtete sie das Tuch und legte es ihm wieder auf die Stirn. Es schien ihm wieder etwa besser zu gehen, doch Annie wusste, dass es nicht von Dauer sein würde. Dann bereitete sie einen Tee zu, den sie versuchte ihm einzuflößen, doch es gelang nicht. Was sollte sie nur tun? Er hatte schon seit Tagen nichts gegessen. Wenn sie ihm nicht wenigstens etwas Tee geben konnte, würde er wirklich sterben. genau hier in ihrer Hütte und vor ihren Augen! Sie versuchte es erneut und dieses Mal gelang es sogar ein bisschen. Es waren wieder nur ein paar Tropfen, doch es war immer noch besser als nichts. Doch was sollte sie ihm gegen seine Schmerzen geben? Das Schmerzmittel in dem Tee, dem sie ihn gestern gegeben hatte, wirkte anscheinend nicht mehr. Sie ging zu der Anrichte, in der sie ihre Kräuter, Salben und andere Heilmittel aufbewahrte. Sie nahm eine kleine braune Glasflasche heraus. Sie wusste selbst nicht mehr, warum sie es mitgenommen hatte. Ihre Familie musste wohl darauf bestanden haben - oder besser gesagt ein Familienmitglied -, als sie fortgegangen war. Sie hatte es für überflüssig gehalten, doch nun war sie dankbar dafür. In dem kleinen Olitätenfläschchen befand sich ein starkes Schmerzmittel, gebraut aus geheimen Kräutern. Mit vor Angst zitternden Fingern, zog sie den Minikorken aus der Flasche. Erneut ging sie zu ihm, hob seinen Kopf abermals ein wenig an und dieses Mal öffnete sie selbst seine Mund ein Stück weit. Dann träufelte sie ihm ein paar Tropen davon hinein und er schluckte es. Annie hoffte, dass es baldigst wirkte. Erneut rieb sie ihn mit einem neuen Tuch ab und nach und nach, konnte sie sehen, dass er ruhiger wurde. Sein Körper schien sich zu entspannen und das beruhigte sie sehr. Dennoch... Das Mittel half nur gegen die Schmerzen und nicht gegen das Fieber. Den ganzen Tag ging es so. Er schwitzte sehr und immer wieder rieb sie ihn ab, doch die Temperatur ging nicht nach unten. Am Abend ging sie noch einmal zum Bach und holte zum vierten Mal an diesem Tag Wasser. Doch als sie zurückkam stockte ihr erneut der Atem. Nun schwitzte er nicht mehr, sondern er war schrecklich kalt und zitterte. Sie deckte ihn mit einer weiteren Decke zu und heizte den Offen weiter an, so dass es für sie selbst beinah unerträglich wurde. Aber so lange sie ihm damit helfen konnte, war es ihr gleich. Sie setzte sich neben ihm, sah in sein Gesicht. Der Schein der Offenklappe, die sie, wie fast immer, geöffnet hatte, ließ seine Haare irgendwie golden erstrahlen. Seine Gesichtzüge, dass war ihr gleich zu Beginn aufgefallen, waren sehr fein und zart. Das passende Wort, ihn wohl am besten beschrieb, war anmutig. Und das waren sie selbst jetzt noch. Etwas, was sie von so einem Wesen, welches er ursprünglich war, nicht erwartete hätte. Als sie ihn verwandelt hatte, hatte sie sich keine genauen Vorstellungen gemacht, wie er aussehen würde, umso erstaunter war sie dementsprechend über das Resultat gewesen. Annie seufzte. Vielleicht hätte sie sich nicht in das Schicksal einmischen dürfen. Von Anfang an, hatte man ihr beigebracht, dass solch ein Zauber, wie sie ihn ausgeübt hatte, verboten war. Sie hatte sich immer gefragt, warum das so war, doch nun wurde ihr die Antwort langsam bewusst. Es war ein Fehler in das Schicksal einzugreifen. Das erkannte sie jetzt und doch war es zu Spät. Sie konnte nur noch beten, dass man ihr verzeihen konnte und er es überlebte. Er würde es schon schaffen. Er musste es einfach schaffen, dachte sie, während er von einem weiteren Fieberanfall geschüttelt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)