Mut zur Wahrheit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Matt's Mutter zieht zu ihrem neuen Freund und Matt + Bruder 'dürfen' mit. Leider kann unser blonder Freund seinen neuen Stiefbruder mit dem Wuschelhaar überhaupt nicht leiden und dazu kommt noch, dass das Haus irgendwie merkwürdig ist. Um Feedback wird gebeten. ^^ Mut zur Wahrheit Langsam fuhr der schwarze Polo durch das massige Eisentor und bog auf den sich dahinter erstreckenden Kiesweg ein. Dort wo der Wagen langfuhr wurden kleine Steinchen von den Reifen zur Seite gedrückt. Einige von ihnen sprangen so hoch, dass sie gegen die Seitenscheiben prallten. Nicht mal eine Minute später hielt das Auto vor einem großen Herrenhaus. Das Gebäude war von weißer Farbe und schien vollkommen aus Holz erbaut zu sein. Doch der blonde Junge auf dem Beifahrersitz, der das Haus finster musterte, wusste genau, dass dies nur die äussere Fassade war. Unter dem Holz befand sich eine dicke Steinmauer, die dem Gebäude zusätzliche Sicherheit geben sollte. Rings herum erstreckte sich eine riesige Grünfläche, deren vollkommene Größe man von hier aus gar nicht erfassen konnte. Der Motor des Wagens erstarb und Matts Mutter drehte sich mit leuchtenden Augen zu ihren beiden Söhnen. "Ist es nicht wunderschön hier?! Ich habe mir immer schon gewünscht auf dem Land zu leben. Endlich ist dieser Traum in Erfüllung gegangen und dazu noch mit diesem überwältigenden Haus..." , ihre Augen sahen durch die Scheiben und wanderten über das Anwesen. "Und das gehört jetzt alles uns." "Nein, nicht ganz!" , fiel T.K. ihr ins Wort. "Du hast wohl vergessen, dass dieses Anwesen samt Haus eigentlich diesem Kerl gehört und mit dem müssen wir es uns ja auch teilen." "T.K." , die Mutter blickte ihn böse an. "Rede nicht immer so von Koichi. Du solltest dich langsam damit abfinden, dass wir uns lieben und zusammenleben möchten. Und daran wird sich auch nichts ändern." Matt öffnete geräuschvoll die Wagentür. "Ich höre mir dieses Gesülze nicht länger an." Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihm wieder zu. Seine Mutter und sein Bruder folgten schnell. Gelangweilt sah er sich nach ihnen um. "Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber lasst uns endlich reingehen." "Ja, ist gut." , stimmte seine Mutter resigniert zu. "Die Taschen lassen wir noch im Wagen, die können wir später rausholen." Mit schnellen Schritten ging sie die Eingangsstufen hoch und leutete an der Türglocke. Es dauerte nicht lange bis sich die Eichentür öffnete und ein brünettes Mädchen den Kopf herausstreckte. Frau Takaishi lächelte sie erfreut an. "Hallo Kari. Da sind wir. Wo steckt denn dein Vater?" Matt hörte noch das Wort ,Küche' und beobachtete schließlich wie alle drei im Haus verschwanden. Noch einmal ließ er den Blick über das Grundstück wandern. Ja, es war wirklich ein schönes, großes Anwesen. Das zumindest hätte der blonde wohl gedacht, wenn er nicht so grenzenlos sauer darüber gewesen wäre, dass seine Mutter ihn und seinen Bruder gegen seinen Willen hierhergeschleppt hätte um in Zukunft mit diesem Mann und seinen blöden Kindern zu leben. Zornig dachte er an seine erste und bis dahin letzte Begegnung mit den Kindern dieses anderen Mannes im Leben seiner Mutter. Das war vor ungefähr einem halben Jahr gewesen. Ihre Eltern hatten es damals für eine supertolle Idee gehalten, sie alle zu einem Abenddinner mitzunehmen um sich einander vorzustellen. Trotz bitten und betteln hatten die beiden Jungs mitgehen müssen. Matt, der zu allem sowieso keine Lust gehabt hatte, war natürlich blendender Laune gewesen. Und diese Laune sank noch eine Etage tiefer, als er >ihm< das erste Mal gegenüberstand. Markenzeichen braunes wirres Haar, schluderige Erscheinung und die ungewöhnlichsten braunen Augen die der blonde jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Dieser Junge, der sich ihm als ,Tai' vorstellte, war ihm vom ersten Moment an unsympatisch gewesen. Matt graute es, als er sich erinnerte wie der Junge freudestrahlend auf ihn zugekommen und ihm kräftig die Hand geschüttelt hatte. Der blonde, der sich auf soviel Zuneigung gar nicht gefasst gemacht hatte, entriss seine Hand schnellstmöglich aus der des anderen und wischte sie angeeckelt an seiner Hose ab. Daraufhin folgte er seiner Mutter, die sich bereits an einem Tisch bei einem dunkelhaarigen Mann niedergelassen hatte und ließ den braunhaarigen einfach stehen. Den ganzen Abend über herrschte zwischen den beiden Jungen eisiges Schweigen und kein noch so versöhnliches Wort seitens der Eltern konnte daran etwas ändern. Später am Abend musste er, zu seinem eigenen Ärger, unbedingt auf die stinkende Toilette des Lokal. Als er zurückkam war er so sehr mit seinem inzwischen siebenhundertsten Selbstmordplan beschäftigt gewesen, dass er gar nicht registrierte, wie er den ganzen Weg von der Toilettentür bis hin zu seinem Platz eindringlich beobachtet wurde. Mit einem missmutigen Gesicht setzte er sich hin. Sein Mund öffnete sich um eine gewaltige Schimpfkanonade über die hausinternen WC- Anlagen loszulassen, als er erschrocken aufsprang. Die Wut blieb ihm augenblicklich im Halse stecken, als er auf seinen Platz runtersah. Irgendjemand hatte eine große Menge Ketchup auf seinem Stuhl verteilt von der mindestens die Hälfte jetzt an seiner weißen Hose klebte. Neben ihm fing jemand prustend an zu lachen. Matt starrte das braunhaarige Individuum mit den Wuschelhaaren wutschnaubend an. Der Abend endete mit einer großen Standpauke für Tai, der immer noch nicht aufgehört hatte zu lachen und mit vielen Entschuldigungen an Matt vom Vater des Unheilstifters. Seit diesem Tag hatten ihre Eltern, zu Matts Erleichterung, keine Versuche dieser Art mehr gestartet. Doch nun sollte er mit diesem furchtbaren Taichi nicht nur für einen Abend den Tisch, sondern für die nächsten Jahre auch noch ein Haus teilen. Matt wurde ganz anders, als er an die bevorstehenden Jahre mit dieser anderen Familie dachte. Das würde mit ziemlicher Sicherheit eine Katastrophe werden! Sein Blick wanderte am Haus entlang und stoppte aprubt an einem der Fenster im ersten Stock. Irgendjemand stand dort hinter der Gardine und beobachtete ihn. ,Das ist bestimmt dieser bescheuerte Tai!' , dachte Matt grimmig. ,Den schnapp ich mir!' Mit weitausholenden Schritten lief er ins Haus und steuerte dort auf eine große Treppe zu, die offenbar in den ersten Stock führte. Immer zwei Stufen überspringend rannte er hinauf. Oben angekommen, fand er sich in einem weiten Flur wieder von dem einige Türen abzweigten. Matt steuerte auf die letzte Tür am Ende des Ganges zu. Mit einem kraftvollen Schwung riss er die Tür auf und stürmte in den Raum. "Hey Blödmann, wir haben noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen." , rief er angriffslustig und blieb wie angewurzelt stehen. Der Raum, der sich vor ihm erstreckte, war leer. Matt ging noch ein paar Schritte weiter in das kleine Zimmer um ganz sicher zu sein. Von einem Menschen war hier nichts zu entdecken. Als Mobiliar hatte man hier nur einen alten staubigen Sessel und eine Kommode mit Spiegel eingeräumt. Die dicke Staubschicht, die alles hier überzog, sagte Matt, dass dieser Raum schon lange nicht mehr genutzt worden war. Auf jeden Fall fand sich hier aber kein Versteck um einem Menschen Unterschlupf zu bieten. ,Ob dies das falsche Zimmer ist?', um ganz sicher zu gehen trat Matt ans Fenster und sah hinunter. Nein, es war eindeutig das gleiche Fenster. "Matt!", die Stimme seiner Mutter riss ihn aus seinen Gedanken. "Komm runter und sag den anderen ,Guten Tag'!" Der blonde verdrehte genervt die Augen und wandte sich zur Tür. Als er am Spiegel vorbei ging warf er noch einmal einen prüfenden Blick hinein und strich mit der rechten Hand eine Haarsträhne richtig die etwas verrutscht war. Dann ging er schnell zur Tür... und blieb wie angewurzelt stehen. Erschrocken fuhr er zum Spiegel herum. Hatte er da eben nicht noch ein Gesicht hinter sich im verstaubten Glas gesehen? Sein Herz raste wie wild als er gebannt in den Spiegel starrte, aber alles was er sehen konnte war sein eigenes blasses Gesicht und das Zimmer hinter ihm. Obwohl gerade Sommer war fing er an zu frösteln. Es war, als würde die Temperatur stetig sinken. Ohne noch weiter darüber nachzudenken drehte er sich um und lief aus dem Zimmer. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss. Nach ein paar Schritten hatte er die Treppe erreicht und stolperte die Stufen hinab. Unten erwarteten ihn bereits die anderen. Seine Mutter sah ihm mit gerunzelter Stirn entgegen. "Ich habe keinen Sohn, sondern ein Trampeltier zur Welt gebracht! Wo treibst du dich rum? Du kannst doch nicht einfach in den Zimmern rumlaufen!" "Ach lass gut sein, immerhin ist das jetzt auch sein Haus... euer Haus." , sagte Herr Yagami. "Auf diese Bruchbude am Arsch der Welt könnte ich aber auch gut und gerne verzichten! Meinetwegen können wir sofort wieder ins Auto steigen und dann nichts wie Richtung Heimat. ...Ohne diese Anhängsel da, versteht sich.", brauste der blonde auf. Frau Takaishi wollte gerade auffahren, als ihr Lebensgefährte beschwichtigend dazwischenging. "Ich schlage vor, dass Tai und Matt erst einmal eure Koffer aus dem Auto holen und sie in den jeweiligen Zimmern verteilen. Wir können ja inzwischen ins Esszimmer gehen." Er wandte sich an Matt. "Wenn ihr zwei fertig seid, kommt doch bitte auch dorthin. Tai weiß ja wo es lang geht." ,Tai?! ...TAI?!' , Matt fing bei der bloßen Erwähnung dieses Namens innerlich schon wieder zu kochen an. Suchend sah er sich um, und tatsächlich... dort vorne neben der Tür stand er. Oder besser gesagt, dort lehnte er. Der braunhaarige Junge hatte in einer lässigen Geste die Arme überkreuzt und lehnte nun cool an der Wand. Grinsend sah er zu Matt hinüber. So standen sie eine ganze Weile da ohne sich vom Fleck zu bewegen. Dann, nach einer Ewigkeit wie es den beiden Jungen vorkam, löste sich Tai von der Wand und lockerte seine Haltung. "Was ist Blondie? Lass uns endlich eure Koffer reinholen. ...Obwohl das ja vertahene Zeit ist, weil ihr eh nicht lange bleiben werdet." Damit drehte er sich um und verschwand durch die Tür. Zurück blieb ein vor Wut überkochender Matt. ,Blondie?! Dir geb' ich Blondie! Na warte, das bekommst du alles wieder!' Als er Tai ins Freie folgte, war dieser bereits dabei die Koffer und Taschen aus dem Kofferraum des Wagens zu hieven. Matt setzte sich auf die oberste Stufe der Steintreppe und sah ihm dabei zu. Er hatte nicht im Geringsten vor diesem Blödmann bei irgendetwas zu helfen und schon gar nicht beim Reintragen von seinen Sachen in ein Haus, in dem er gar nicht leben wollte! Ein lauter Knall, der vom Zuschlagen der Kofferraumtür herrührte, zeigte dem blonden, dass Tai offensichtlich inzwischen alle Koffer aus dem Auto geholt hatte. Tatsächlich stand der braunhaarige inmitten eines Berges von Taschen und sah ein wenig vorwurfsvoll zu ihm herrüber. "Wie wäre es, wenn der kleine Prinz mal seinen Hintern hochhievt und mir hilft?!" "Ich denke ja nicht dran!" Tai hob versonnen den Kopf und sah zum Himmel hinauf. Als er wieder Matt ansah wurde dieser schlagartig hellwach. Der braunhaarige sah irgendwie erfreut aus... ja, richtig fröhlich. Wenn Tai fröhlich war, konnte das nie etwas gutes bedeuten, das war Matt von Anfang an klar. Jetzt hieß es wachsam sein! "Hachja," , Tai strahlte jetzt regelrecht. "Ich glaube, es wird gleich regnen. Stimmst du mir nicht zu?!" Auf dem Gesicht des blonden konnte man die Fragezeichen regelrecht sehen. Was sollte das denn jetzt schon wieder? Tai schien gar nicht erst eine Antwort zu erwarten, denn er fuhr sogleich fort. "Wem gehören denn diese zwei Koffer hier?" , der Zeigefinger seiner rechten Hand deutete auf einen roten Lederkoffer und eine ebenso rote Reisetasche. Matt wurde es irgendwie unwohl in seiner Haut. "Die gehören meinem Bruder. Wieso?" "Ach, nur so." Er bückte sich und hob zwei andere Taschen hoch. Langsamen Schritts kam er auf Matt zu und ging ohne ein weiteres Wort an diesen zu verlieren ins Haus. Matts Fragezeichen wurden immer zahlreicher. Unsicher sah er auf die zwei roten Taschen, die immer noch neben dem Auto standen. Irgendwie verstand er diesen Jungen nicht. Aber das war ja auch nicht nötig! Immerhin würde er nicht lange genug mit ihm zusammenleben damit dies wichtig war. Sein Blick wanderte ebenfalls in den Himmel. Ja, dieser Tai schien tatsächlich recht zu haben. Der Himmel wirkte bereits sehr schwer und dunkel. Es würde sicher bald ein sehr starkes Gewitter geben. Er stand auf und folgte dem anderen ins Haus. Eine halbe Stunde später saßen alle zusammen im Esszimmer. Da das Abendessen noch nicht fertig war, wollte Herr Yagami die Zeit nutzen seinen "neuen Familienmitgliedern" ein wenig über den hiesigen Ablauf zu erklären, damit sie es einfacher hätten sich hier einzuleben. "Also, T.K. du bekommst das Zimmer am Ende der Treppe. Gleich neben unserem. Matt, dein Zimmer ist leider noch nicht fertig eingerichtet deshalb wirst du erst einmal in Tai's Zimmer mit schlafen. Wir haben dort bereits Bettwäsche für dich bereitgelegt. "Wie bitte?! Nein! Auf gar keinen Fall! Da schlafe ich lieber im Hühnerstall!" "Nun, einen Hühnerstall haben wir leider nicht, aber als Alternative kannst du auch gerne bei deiner Mutter und mir mit im Zimmer übernachten." "Warum kann ich nicht mit bei meinem Bruder schlafen?" Nun schaltete sich seine Mutter ein. "Weil wir möchte, dass du und Tai euch besser kennenlernt. Wir sind jetzt eine Familie und ob ihr wollt oder nicht, ihr werdet miteinander auskommen müssen. Auch um meiner Nerven willen." Matt wollte wiedersprechen, als er von einem lauten Grollen unterbrochen wurde. Gleich darauf setzte draussen ein Platzregen ein. Die Tropfen und der Wind hagelten regelrecht gegen das Fenster. "Ähm, Mattilein?!" Matt drehte sich genervt zu Tai um. Dieser strahlte mal wieder über das ganze Gesicht. "WAS!? Was willst du ständig von mir? Hör auf mir auf den Keks zu gehen! ...Und hör mit diesem blöden Gegrinse auf!" "Hmmm..." , Tai sah geknickt auf den Boden. "Du bist echt fies. Da will man nett sein und du paulst gleich wieder rum. Dabei wollte ich dich doch nur fragen ob du inzwischen T.K.'s Koffer reingeholt hast?!" Matts Hautfarbe wandelte sich innerhalb einer Sekunde von normal zu leichenblass. "Was meinst du? Hast du die Sachen nicht reingeholt?!" Auf der anderen Seite des Tisches fing T.K. an unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. "Kommt schon ihr zwei... Das ist doch nur ein Witz, oder?!" Tai warf Matt einen Blick aus den Augenwinkeln zu. "Aber du weißt doch, dass wir die Koffer zusammen reinholen sollten. Und da ich bereits deine und die Sachen deiner Mutter ins Haus gebracht hatte, bin ich davon ausgegangen, dass du die letzten zwei Taschen nachholst. Ich war hinterher aber auch vieeeel zu erschöpft um das nachzuprüfen." "Oh nein!" Matts Stuhl fiel polternd zu Boden als er hastig aufsprang und zur Haustür lief. Wie sich kurz darauf herausstellte, hatte Tai die Koffer von T.K. doch schon hereingeholt. Genau genommen hatte Matt das herausgefunden, indem er fünf Minuten lang umsonst im strömenden Regen nach den roten Taschen seines Bruders gesucht hatte. Erst als Tai, der vor lauter Lachen kaum noch sprechen konnte, ihn aufgeklärt hatte, war er wieder ins Haus zurückgekommen. Das bewahrte diesen aber nicht vor einer deftigen Standpauke seines Vaters. Tai musste feierlich versprechen Matt keine Streiche mehr zu spielen. Der blonde, der durch seinen kleinen Ausflug ins Freie aussah als hätte er sich mit seinen Klamotten in die Badewanne gelegt, kam aber auch nicht ohne das berühmte "Wort zum Sonntag" davon. Seine Mutter hielt ihm einen zehn- minütigen Vortrag über Rücksichtnahme und gegenseitige Hilfe. Hinterher reichten die beiden Jungs sich vor der ganzen Familie mit dem Versprechen ab sofort nett miteinander umzugehen die Hände und beschlossen insgeheim sich auf ewig zu hassen. Der restliche Abend verlief recht ruhig. Nachdem die Gemüter sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, war es schließlich doch noch ein netter Abend geworden... jedenfalls für vier Leute. Gegen 21 Uhr beschloss man es für heute gut sein zu lassen, denn immerhin war es für alle ein aufregender Tag gewesen und morgen war Schule. Für Matt und T.K. würde es ihr erster Tag sein. Missmutig stand Matt vor der braunen Holztür, zu der er Tai gefolgt war. Jetzt brach sie also endgültig an. Die schrecklichste Zeit in seinem bisherigen Leben. Hinter dieser unscheinbar wirkenden Tür lauerte der Schrecken auf ihn. Es gab einen leisen Knarzer, als Tai die Tür aufmachte. Der Raum, den Matt betrat, schien, dem ersten Eindruck nach zu urteilen, recht normal zu sein. Bis auf die Tatsache, dass es vielleicht ein wenig unaufgeräumt aussah, aber das passte total in Matts Bild von dem anderen Jungen. Es war ein recht großer Raum, und wenigstens auf den ersten Blick schien es sich nicht um eine Folterkammer zu handeln. Der blonde beschloss trotz allem vorsichtig zu sein. In der der Tür gegenüberliegenden Wand war ein großes Fenster eingelassen, das von weißen Gardinen verdeckt wurde, darunter stand ein großes Holzbett. Die ebenso weißen Tapeten waren über und über mit Postern behängt. Matt staunte nicht schlecht, als er sich deren Motive genauer betrachtete. Er hätte erwartete, hier irgendwelche Miss "Oktobertussies" an den Wänden klebend zu finden, stattdessen sah er Bilder vom Sonnensystem: Planeten, Sterne, die Milchstraße und andere sternähnliche Gebilde, dessen Namen Matt nicht kannte. Sogar Albert Einstein war auf einem recht großen Poster in der Nähe des Fensters zu finden. Am meisten erstaunte ihn aber das kleine rechteckige Bild, das über dem Bett aufgehängt war. Es zeigte die Jungfrau Maria die friedlich auf das Jesuskind in ihrem Arm hinab sah. Die ganze Szenarie war umgeben von einem weichen Licht in hellgelben- und rosa Farben. Verwundert sah er zu dem braunhaarigen hinüber, der bereits dabei war, sich aus seinen Klamotten zu pellen. Die Worte, die Matt hatte sagen wollen, blieben ihm im Halse stecken, als er Tai beobachtete, wie er sich das T- shirt über den Kopf streifte. Darunter kam ein braungebrannter und ziemlich muskulös wirkender Körper zum Vorschein. Matt's Wangen wurden von einem leichten rot- Ton überzogen. Als er es bemerkte, wandte er sich schnell ab und sah wieder auf das Maria und Jesus Bild. Allerdings fiel es ihm ungewöhnlich schwer sich darauf zu konzentrieren. "Ich wusste gar nicht, dass du auf so was stehst.", sagte er, nur um seine eigenen Gedanken abzulenken. Tai drehte sich zu Matt um und folgte dessen Blick mit den Augen. "Das ähm, ...das habe ich mal geschenkt bekommen... was geht dich das überhaupt an?" Die letzten Worte hatten einen ziemlich groben Unterton gehabt. Matt sah sich verwundert um. Der braunhaarige hatte ihm wieder den Rücken zugewand und tat so, als ob es gerade nichts interessanteres für ihn gebe, als das Muster auf seinem Teppich zu studieren. Matt fühlte sich unwohl in seiner Haut. Hatte er was falsches gesagt? Aber sogleich brodelte wieder die altbekannte Hitze in ihm auf. Na und wenn schon?! Er konnte ja nicht wissen, dass der andere so empfindlich auf ein Bild reagieren würde. Wenn er so unheimlich sensibel war, wäre es vielleicht nicht schlecht sich ein Schild mit der Aufschrift: ,Vorsicht! Mimöschen' umzuhängen. "Ist ja schon gut! Ich hab ja nur gefragt.", gab er so patzig wie er nur konnte zurück. Tai sprang natürlich sofort darauf an. "Darum hat dich hier aber keiner gebeten!", fauchte er. "Tu doch nicht so, als ob dich das wirklich interessieren würde! Du willst doch nur etwas finden, worüber du dich lustig machen kannst." Mit großen Schritten durchquerte Tai sein Zimmer und lag im nächsten Augenblick auch schon in seinem Bett und drehte Matt zum dritten Mal an diesem Abend seinen Rücken zu. Matt stand mit offenem Mund da. Na klasse, er teilte sich mit einem Irren das Zimmer. "Kannst du mir vielleicht auch verraten, wo ich schlafen soll?!" "Mein Vater hat ein Tatami und Bettwäsche für dich in dem Schrank neben der Tür verstaut. Solange du dich nicht mit in mein Bett legst, kannst du damit machen was du willst. Meinetwegen kannst du auch gerne auf dem Dach schlafen." Matt beschloss den letzten Kommentar einfach zu überhören und ging zum Schrank rüber. Tatsächlich fand er dort einen schön weichen Tatami und kuschelige Bettwäsche. Als er beides in Händen hielt sah er sich suchend im Zimmer um. Der einzige Platz auf dem Fußboden, der einigermaßen frei genug von irgendwelchem Zeugs war, befand sich genau neben Tais Bett. Das Leben meinte es echt nicht gut mit ihm. Aber da der blonde bereits recht müde war und zu faul um sich noch irgendwo anders ein Fleckchen frei zu räumen ergab er sich resigniert in sein Schicksal. Zehn Minuten später hatte Matt sein provisorisches Bett aufgebaut und war gerade dabei es sich in der flauschigen Decke so richtig gemütlich zu machen, als ihm noch etwas einfiel. Irgendetwas hatte er den braunhaarigen noch fragen wollen. Etwas mit einem Zimmer, in dem sich ein großer verstaubter Sessel und eine alte Kommode befanden. Aber noch bevor er den Gedanken greifen konnte, war er eingeschlafen. Am nächsten morgen hieß es früh aufstehen. Da das Haus ein wenig abseit des Dorfes lag und hier auch kein Bus fuhr, mussten die Kinder nach dem Frühstück auf ihre Fahrräder springen und den Weg auf ihren Drahteseln zurücklegen. Für Matt und T.K., die es gewohnt waren morgens in aller Ruhe aus dem Haus zu gehen um dann unmittelbar vor dem eigenen Anwesen an der Haltestelle auf den Bus zu warten, war dies wohl das schlimmste an diesem morgen. Schnaufend traten sie in die Pedale und versuchten verzweifelt mit Kari und Tai, die gemütlich vorneweg fuhren, mitzuhalten. Es dauerte trotzdem nicht lange, bis zwischen beiden Geschwisterpaaren eine beachtliche Lücke entstanden war. Als Kari es bemerkte hielt sie an und sah zu den blonden Jungen zurück. "Was ist?", rief sie ihnen entgegen. "Sind wir zu schnell für euch?" Dieser einfache, unschuldige Satz bewirkte in Matt wahre Wunder. Wer war er denn, dass er sich von einem kleinen Mädchen bemitleiden lassen musste? In einer letzten verzweifelten Anstrengung mobilisierte er noch mal seine Reserven und holte zu dem Mädchen, das ihnen immer noch fragend entgegen sah, auf. Mit einem triumphierenden Grinsen schoß er an ihr vorbei. "Ich und Schwierigkeiten?! Soll das ein Witz sein? Ich wollte nur die Landschaft betrachten, das ist alles!" In Wirklichkeit hatte der blonde momentan aber alles andere als ein Auge für die Umgebung. Seine Beine fühlten sich an als würden sie ihm beim nächsten Tritt abfallen. Nach einer halben Stunde kamen sie zu Matts großer Erleichterung endlich an der neuen Schule an. Noch nie hatte er sich so sehr über den Anblick eines Lerninstitutes gefreut. Tai hatte er, trotz allergrößter Mühen, nicht mehr einholen können und den Jungen hatte es natürlich nicht die Bohne interessiert, ob die "Neuen" hinterher kamen. Als Matt in Begleitung von Kari und T.K. auf den Schulhof einbogen, stand er braunhaarige bereits eifrig redend in einer kleinen Gruppe von Jungen und Mädchen seines Alters. Als sie die Ankommenden bemerkten, erstarb ihr Gespräch und sie sahen ihnen aufmerksam entgegen. Matt wurde es auf einmal ganz anders zumute. Das hier war eine ganz neue Schule, wo er niemanden kannte, und die neuen Mitschüler hatten mit Sicherheit schon einiges von ihm gehört, denn Tai hatte es sich bestimmt nicht nehmen lassen, ihn vor seiner Ankunft bereits gebührend ,vorzustellen'. Kari und T.K. traten zu ihm. Das braunhaarige Mädchen fing auch sogleich an eifrig von der Schule zu erzählen und erklärte genau, wo sich alles befand. Matt war sich allerdings ziemlich sicher, dass er sich nachher nicht mehr an ein eiziges Wort würde erinnern können. Immer wieder warf er kleine Seitenblicke zu Tai's Gruppe hinüber, die inzwischen ihre Unterhaltung wieder aufgenommen hatte. "So, dann bringe ich euch jetzt am besten zum Schulleiter. Kommt!" Matt reagierte erst auf Karis Aufforderung, als sie ihn sanft am Arm ergriff und mit sich führte. Als sie an Tai und den fremden Kindern vorbeikamen, warf Matt stolz den Kopf in den Nacken. Auch auf die ihm zugsprochenen ,Hallo's' und ,Guten Tag's' erwiederte er nichts. Als ob er nicht genau wüsste, dass sie sich nur über ihn lustig machten. Kari lotste die Brüder durch viele gleich aussehende Gänge, bis sie schließlich vor einer alten Holztür stehen blieb. Noch einmal warf sie den Jungen, die mit erwartungsvollem Gesicht hinter ihr standen, einen freundlichen Blick zu. Matt erinnerte er an eine Tierärztin, die ihrem Patienten noch einmal zulächelt bevor er die Todespritze erhält. Kari klopfte an die Tür und riss den blonden damit unsanft in die Wirklichkeit zurück. Es dauerte nicht lange bis ein brummiges "Herein!" aus dem Raum hinter der Tür erscholl. Ohne zu zögern öffnete Kari und trat hinein. "Guten Morgen, Herr Mari." "Ah, guten Morgen, Kari. Was gibt es denn?" "Ich bringe die neuen Schüler. Sie..." Die braunhaarige schien erst jetzt zu bemerken, dass ihr niemand in den Raum gefolgt war. Fragend steckte sie den Kopf heraus und sah die Jungen auf dem Flur an. "Was ist denn? Kommt schon rein." Wiederwillig setzten die Brüder sich in Bewegung. Hinter einem mit Büchern und Papiern vollbeladenen Schreibtisch saß ein kleiner dicklicher Mann mit Schnauzbart und Halbglatze und lachte ihnen freudig entgegen. "Ihr müsst doch keine Angst vor mir haben, Jungens. Kommt ruhig rein." Er fing an auf seinem Schreibtisch herumzuwühlen. Matt bezweifelte allerdings stark, dass er in diesem Chaos etwas finden würde. Tss, seine Mutter beschwerte sich schon immer bei seinem Zimmer, da sollte sie das hier erst mal sehen! Der blonde schien tatsächlich recht zu behalten. Nachdem der Direktor eine zeitlang vergeblich irgendwelche Akten und Büromaterialien von einer Ecke des Tisches in die andere geschoben hatte, zuckte er resigniert mit den Schultern und wandte sich ihnen wieder zu. "Tja, irgendwo habe ich eure Akten liegengehabt, aber irgendwie kann ich sie momentan nicht finden..." Sein Blick glitt noch einmal suchend über die Tischfläche vor ihm. "Naja, was soll's! Wird sich schon wieder anfinden. Sagt mir doch noch mal eure Namen, bitte." "Mein Name ist Yamato und das ist mein Bruder Takeru." "Aha... Jaja, gut. ... Yamato, hmm?!" Er fing wieder an auf seinem Schreibtisch herumzuwühlen. Diesmal schien er jedoch mehr Erfolg zu haben. Mit einem erfreuten Ausdruck im Gesicht zog er einen dicken Ordner unter einem Blätterstapel hervor. "Da ist er ja. Ich hatte ihn mir heute morgen extra herausgesucht." Geräuschvoll klappte er den Buchdeckel beiseite und begann eifrig darin herumzublättern. "Woll'n doch mal sehen.", murmelte er vor sich hin. "AHA!" T.K. zuckte erschrocken zusammen. "Da ist es ja. Takeru... du kommst in die 5b. Das heißt, du gehst mit Kari in eine Klasse. Und du Yamato, gehörst ab sofort in die 8a. Du wirst also mit Taichi Yagami eine Klasse besuchen. Ich hoffe ihr freut euch. Eigentlich hätte ich zumindest Takeru in eine andere Klasse schicken müssen, da die 5b bereits recht voll ist, aber ich dachte mir, dass ihr sicher zusammensein wollt. Schließlich lebt ihr ab jetzt zusammen und ihr beiden Jungs kennt hier ja sonst niemanden." Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Ordner wieder zuklappte und beiseite schob. Er konnte ja auch nicht im Geringsten ahnen, dass gerade in diesem Moment dutzende von unsichtbaren Giftpfeilen auf ihn abgeschossen wurden. Matt kochte vor Wut, als die drei Kinder die Tür des Büros hinter sich schlossen. Jetzt lebte er also nicht nur unter einem Dach mit dieser furchtbaren Person und musste sich ein Zimmer mit diesem ,Etwas' teilen, nein, jetzt ,durfte' er auch noch eine Klasse mit ihm besuchen. Es sah so aus, als würde für den Rest seines Lebens an Taichi Yagami gekettet sein. Irgendjemand da oben im Himmel, musste ihn ganz schön hassen! Kari brachte ihn freundlicherweise noch bis zu seinem neuen Klassenzimmer. Da es aber schon recht spät war, beeilte sie sich mit T.K. weiterzugehen. Etwas verloren blieb Matt vor der geschlossenen Tür stehen. Von drinnen waren viele Stimmen zu hören. Zu viele um irgendetwas genaueres herauszuhören. Was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sich verhalten? Es war ihm schon früher nicht leicht gefallen, seine alte Klasse zu betreten. Er hatte dort niemanden gehabt, den er nun hätte vermissen können.Es war ihm schon immer schwer gefallen mit anderen in Kontakt zu treten. An seiner früheren Schule, hatte ihm dieses Verhalten den Ruf eines eingebildeten Schönlings eingebracht, mit dem niemand etwas zu tun haben wollte außer den Mädchen. Aber mit denen hatte Matt noch nie etwas am Hut gehabt. Alberne Gänse. Ständig waren sie kichernd um ihn herum schlawenzelt und hatten ihn damit regelmäßig schier zur Weißglut getrieben. Und nun? Nun hatte er es mit vollkommen fremden Kindern zu tun, die sich alle untereinander bereits kannten. Es würde sicherlich die Hölle werden. Denoch war eines sicher, reingehen musste er. Er konnte sich ja schließlich nicht wie ein Kleinkind auf dem Schulklo verkriechen. Stolz warf er den Kopf in den Nacken. Nein! Er würde sich nicht die Blöße geben und Angst zeigen! Und schon gar nicht vor Tai! Noch etwas unsicher streckte er seine Hand nach der Türklinke aus, doch noch ehe er sie erreicht hatte, wurde sie bereits von innen heruntergedrückt und die Tür schwang auf. Erstaunt blickte Matt in zwei tiefe braune Augen. Sein Gegenüber schien seine Überraschung wesentlich eher zu überwinden. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Da bist du ja, Blondie. Ich wollte gerade nachsehen, ob du dich vielleicht verlaufen hast." Normalerweise hätte Matt jetzt recht ,unfreundlich' auf Tai's Betitelung reagiert, aber momentan war er einfach zu aufgewühlt um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Die braunen Augen begannen ihn durchdringend zu mustern. Tai schien sich zu wundern, dass Matt überhaupt nicht auf seine kleine Stichelei reagierte. Das Grinsen auf dem Gesicht des braunhaarigen wurde noch breiter und noch ehe Matt wusste wie ihm geschah, hatte Tai bereits einen Arm um seine Schulter gelegt und den anderen Jungen mit sich in die Klasse gezogen. Matt's Herz begann sich mit wilden Schlägen in seiner Brust bemerkbar zu machen. Irgendwie war ihm diese Berührung alles andere als unangenehm, aber das Herzklopfen kam natürlich nur von der Aufregeung in eine neue Klasse zu kommen... Natürlich!!! "Darf ich vorstellen?" Tai hatte den blonden mit sich neben das Lehrerpult gezerrt. Die vielen verschiedenen Gespräche, die bis dahin den Raum erfüllt hatten, waren abrupt abgebrochen worden. Sämtliche Köpfe im Raum waren den beiden Jungen vorne an der Tafel zugewand. Und einer der beiden fühlte sich mit einem Schlag ziemlich unwohl in seiner Haut. Was immer Tai jetzt vorhatte, er würde es ihm büßen! "Das...", er schob Matt noch einen Schritt vorwärts vor. "Ist ,M A T T'." Dem blonden gefiehl es gar nicht, wie der andere seinen Namen betonte. Er warf den braunen Augen einen drohenden Blick über die Schulter zu, welcher allerdings gefließentlich ignoriert wurde. "Er, seine Mutter und sein Bruder haben sich kürzlich bei uns einquartiert und Blondie hier, wird ab sofort mit uns die Schulbank drücken." Einige Schüler fingen an zu kichern. Matt machte sich gerade bereit seinen fiesesten Blick durch den Raum zu schicken, als ihn auf einmal von hinten zwei braungebrannte Arme umfassten. Tais Kopf erschien neben seinem und begann langsam an Matts Wange zu streicheln. Das Herz des blonden begann noch heftiger zu schlagen. "Und da ist noch etwas, das wir euch sagen müssen...", fuhr Tai fort. Er war Matt inzwischen so nah, das dieser den warmen Atem des braunhaarigen spüren konnte. Jedes Wort, das Tai sprach, verursachte kleine Schauer, die über Matt's ganzen Körper zu laufen schienen. Jedes Haar seines Körpers war mit einem Male wie elektrisiert. Es war ein ungewöhnliches Gefühl, das Matt nichts bisher Empfundenem zuordnen konnte. "...Matt und ich sind ein Paar!" ,Wie bitte?!' Das Gefühl von eben war mit einem Mal verschwunden und machte einer heißen Wut platz, die langsam in Matt hochkochte. "WAS REDEST DU DA, DU BLÖDER ID-" Tai hatte Matt mit einer raschen Bewegung den Mund zugehalten. "Er versucht es zu leugnen, mein kleiner Schatz. Nicht wahr? Er ist ja so schüchtern... Ich bitte euch nett zu ihm zu sein, Kinderchen." *Klatsch* *Klatsch* *Klatsch* "Wunderbar Tai!" Sämtliche Köpfe in der Klasse wandten sich schlagartig zur Tür, in der jetzt ein großer Mann mittleren Alters stand und immer noch sacht in die Hände klatschte. Die kuschelige Umramung, die Matt bis dahin eingehüllt hatte, verschwand augenblicklich und die blauen Augen konnte einen Tai beobachten, der es mit einem Male ziemlich eilig hatte auf seinen Platz zu kommen. Matt wollte es ihm gleichtun und steuerte bereits einen der wenigen leeren Plätze in der Klasse an, als der Mann ihn mit einer Handbewegung zum Stehenbleiben gebot. "Uno momento, junger Mann. Mein Name ist Herr Ikeda." Er reichte dem blonden zur Begrüßung die Hand, die der Junge zögerlich ergriff. "Yamato Takaishi.", brachte er mühsam hervor. (Da Matt in dieser Geschichte bei seiner Mutter lebt, ist es logisch, dass er auch ihren Nachnahmen trägt, gell?!) "Tja. Tai hat ja eigentlich schon alles gesagt.", fuhr Herr Ikeda fort. "Es würde mich freuen, wenn er bei anderen Dingen auch so engagiert wäre." Der angesprochene begann unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. "Also Yamato. Da unser lieber Taichi so an dir zu hängen scheint, wäre es ja geradezu grausam von mir euch zwei auseinander zu reißen. Nimm deine Sachen und setze dich auf den Platz neben ihm." "Was?!", brauste Tai auf. "Aber hier sitzt Sora! Der kann sich hier nicht hinsetzen." Tais Zeigefinger war bedrohlich auf Matt gerichtet und schien sich direkt in seine Brust bohren zu wollen. "Aber, aber. Mein lieber Tai! Sei doch nicht so schüchtern. Du hast uns allen eben doch deutlich zu verstehen gegeben, wie sehr du an deinem ,Schatz' hängst. Außerdem ist Sora heute nicht da, und ihr zwei nebeneinander seid mir sowieso schon lange ein Dorn im Auge. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mal nicht einen von euch auf den Flur schicken muss. Sora kann sich, wenn sie wieder da ist, neben Emi setzen. Yamato... bitte." Der Lehrer machte eine unmissverständliche Geste und Matt fügte sich wiederwillig in sein Schicksal. Einige Mädchen in der Klasse begannen hinter vorgehaltener Hand leise zu kichern. Das war wohl etwas, das sich nie änderte, egal wo man war. Matts Laune wurde dadurch allerdings nicht unbedingt besser. Ein Blick zur Seite reichte, um festzustellen, dass Tai offensichtlich ähnlich fühlte wie er. Über der braunen Wuschelmähne schien sich ein regelrechtes Gewitter zusammenzubrauen. Mit finsterer Miene starrte er vor sich auf den Tisch. Der blonde konnte sich nur zu gut vorstellen, wem dieser tödliche Blick galt, aber eigentlich war es ihm egal. Tai hatte sich das selbst eingebrockt und er hatte dieses Mal ein blitzeblank sauberes Gewissen. Ausserdem war er auch nicht unbedingt begeistert darüber neben ihm zu sitzen. Der restliche Unterricht verlief unerwartet ruhig. In den Pausen blieb Matt in der Klasse sitzen und verbrachte die Zeit damit nervige Weiber abzuwimmeln und sich auf Tais Attacke, mit der er jeden Moment rechnete, vorzubereiten. Aber die Rache blieb aus und der Tag kroch dahin. Endlich brach die letzte Schulstunde an. Mathe. Eigentlich mochte der blondhaarige dieses Fach recht gerne. Wenn man die Formeln auswendig lernte, war alles andere ein Klacks. Allerdings schien es, dass diese Schule mit dem Unterrichtsstoff hinterher hinkte. All diese Aufgaben hatte Matt bereits vor den Ferien durchgenommen. Nun verbrachte er die Zeit damit kleine Bildchen in sein Aufgabenheft zu malen. Aus dem Fenster sehen wollte er nicht, denn dazu hätte er in Tais Richtung sehen müssen und das wollte er beim besten Willen nicht. Nachher stachelte es den anderen doch noch zu irgendeiner Gemeinheit an. Matts Blick wanderte zur Uhr, die über der Tafel aufgehängt war. Noch 15min. dann würde endlich die erlösende Schulglocke klingeln. Diese Freude wurde allerdings gleich wieder kleiner, als Matt einfiel, wo er nach Schulschluss wieder hin musste. In dieses fremde Haus, zu einer fremden Familie. Selbst seine Mutter kam ihm schon irgendwie fremd vor. Noch 12min. Matt begann unruhig mit dem Stift auf den Tisch zu trommeln. Noch 9min. ... Und dann hörte er es zum ersten Mal. Dieses merkwürdige Heulen. Zuerst dachte Matt, es wäre nur der Wind der ums Gebäude pfeift, aber ein Blick aus dem Fenster verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Draussen regte sich kein Blatt. Es war absolut windstill. Tai, der Matts Blick bemerkt hatte, sah fragend von seinem Heft auf. "Was ist denn das für ein komisches Heulen?", flüsterte er dem braunhaarigen zu. Die braunen Augen nahmen einen schwer zu deutenden Blick an, doch bevor noch irgendjemand etwas sagen konnte, fühlte Matt eine starke Hand auf seiner Schulter. Erschrocken schüttelte er sie ab und sprang von seinem Stuhl auf. Neben ihm stand sein Mathelehrer. "Herr Takaishi. Auch wenn sie in ein paar Minuten Schulschluss haben, wäre ich ihnen sehr verbunden, wenn sie mir diese restliche Zeit noch ihre Aufmerksamkeit schenken würden." Die Mädchen begannen wieder zu kichern und Matt's Gesicht nahm eine rote Farbe an. "Na schön. Da dies heute ihr erster Tag ist, lasse ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen. Sie können sich wieder setzen. Aber damit das ein für allemal klar ist, ich dulde keinerlei Störung in meinem Unterricht!" Mit diesen Worten ließ er die Schulter des blonden los und setzte seinen Gang durch die Klasse fort. Matt setzte sich so unauffälig wie möglich zurück auf seinen Platz und vergrub die Nase tief in seinem Schulheft. Dadurch konnte er allerdings auch nicht sehen, dass er die restliche Zeit, bis zum Ende der Stunde, aufmerksam von einem paar brauner Augen gemustert wurde. Tai war während der gemeinsamen Heimfahrt ungewöhnlich still, was Matt aber nur all zu recht war. Noch einmal dachte er an das unheimliche Heulen in der Klasse. Wieso hatte niemand anders darauf reagiert? Er verstand es nicht. Was, wenn es eine Gasleitung war, die kurz vor der Explosion stand? ,Naja.', schloss er seine Gedanken. ,Vielleicht ist das ja ein typisches Geräusch in der Schule. Irgendetwas, dass sie schon kennen und deshalb kümmern sie sich schon gar nicht mehr darum.' Als sie um die nächste Ecke bogen, kam die Mauer ihres Anwesens in Sicht. Matt, der sich nichts sehnlicher wünschte als wieder von diesem furchtbaren Gefärt herunterzukommen, legte einen Endspurt ein. Tai, der die ganze Zeit hinter Matt her geradelt war, trat ebenfalls kräftiger in die Pedalen. Als sie auf die Einfahrt einbogen bemerkten die beiden Jungen, dass eines der Autos nicht da war. Matt hielt vor den Eingangsstufen und sah sich fragend nach Tai um. "Weißt du, ob meine Mutter heute noch irgendwohin wollte?" Der braunhaarige fuhr mit dem Rad an ihm vorbei und sprang, noch während es rollte, elegant vom Sattel. "Sehe ich so aus? Was interessiert es mich, wo sich deine Mutter rumtreibt?!" Der blonde schluckte die bissige Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, herunter und schob sein Fahrrad hinter Tai her in den Schuppen. Er hatte beschlossen, sich von dem braunhaarigen nicht mehr provozieren zu lassen. Sollte er doch seine Sprüche machen. Er, Matt, war für solche Kindereien inzwischen wirklich zu alt und würde sich sicherlich nicht auf das Niveau eines Dorftrottels herablassen! Als sie durch die Eingangstür traten, empfing sie die Stille eines verlassenen Hauses. Tai schaltete das Licht an. Dunkle Schatten zeichneten sich in den Ecken des Raumes ab. "Hallo? Wir sind wieder da!" Als keine Antwort auf seinen Ruf kam, drehte Tai sich zu Matt um, der hinter ihm das Haus betreten hatte. "Scheint so, als wäre keiner Zuhause. Sieh trotzdem mal oben nach. Ich schaue hier unten. Vielleicht haben sie ja einen Zettel hinterlassen." Er wollte sich gerade Richtung Wohnzimmer aufmachen, als er plötzlich noch einmal stehen blieb. "Ach, noch was..." Matt setzte einen fragenden Blick auf. "Hier!" Mit einem schwungvollen Wurf hatte Tai seinen Rucksack in Matts Arme gepfeffert, so dass dieser eine Sekunde lang um sein Gleichgewicht kämpfen musste. "Wenn du schon nach oben gehst, kannst du auch gleich meinen Rucksack mitnehmen." Damit drehte er sich endgültig um und stapfte Richtung Wohnzimmer.Zurück blieb ein wütender Matt. Egal, wie sehr er es sich auch vornahm. Dieser braunhaarige Idiot schaffte es doch immer wieder ihn auf die Palme zu bringen. "Für was hält der mich?! Seinen Packesel?" Trotzdem machte er sich kurz darauf auf den Weg zur Treppe. Mit Tais Rucksack. Als er oben angekommen war, steuerte er als erstes das gemeinsame Zimmer an. Zwei Rucksäcke voller Bücher zu tragen, war doch ein wenig anstrengend. Zumal er selbst heute seine gesammten Schulbücher ausgehändigt bekommen hatte. Nachdem die Taschen in dem noch immer hoffnungslos vollgestopften Zimmer verstaut waren, trat der blonde wieder auf den Gang um hinter den restlichen Türen nach den anderen zu suchen. Vermutlich würde dieses Vorhaben zwar auf wenig Erfolg stoßen, da er noch nicht ein Geräusch gehört hatte, aber was sollte es. Würde er halt wie ein Idiot von einem leeren Raum in den anderen latschen! Nach fünf Türen, hinter denen sich Matt immer das gleiche Bild geboten hatte, nämlich verlassene Räume, kam der blonde an die Tür, hinter der sich der Raum mit der Spiegelkommode befand. Eigentlich hatte er gar keine Lust dort rein zu gehen. Der Raum war ihm irgendwie unheimlich, aber wenn Tai jemals erfahren sollte, dass er Angst davor hatte ein Zimmer zu betreten... nein. Das wollte er sich lieber nicht vorstellen. Also streckte er die Hand aus und drückte die metallene Klinke herunter. Die alte Holztür schwang mit einem quitschenden Geräusch auf und machte Sicht auf den verstaubten Raum, der sich dahinter befand. Mit einem unsicheren Schritt betrat Matt das Zimmer. Natürlich, wie er es sich gedacht hatte, hier war auch niemand. Das hätte ihn auch sehr verwundert. Doch gerade, als er wieder zurückgehen wollte, fiel sein Blick auf einen kleinen roten Samtvorhang, der an der Wand auf der gegenüberliegenden Seite der Tür hing. Wer hängte denn einen Samtvorhang an eine Wand? Tat man das nicht nur mit ,Zierteppichen' oder wie die Dinger auch immer heißen mochten?! Dieser hier sah jedenfalls nicht nach so einem Teil aus. Neugierig trat Matt an den unscheinbar wirkenden Stoff heran. Auch hier lag der Staub, der vergangen Jahre. Mit einem entschlossenen Ruck, zog der blonde den Stoff beiseite. Dahinter versteckte sich das Portrait einer hübschen Frau. Matt betrachtete das Bild eingehend. Die Frau war sogar ausgesprochen hübsch. Sie hatte braunes Haar und große ebenso braune Augen. Und ihr Mund wurde von dem freundlichsten Lächeln umspielt, das die blauen Augen je gesehen hatten. Aus irgendeinem Grund, kam sie Matt bekannt vor. Der Blick, mit dem sie den Betrachter ansah, war unheimlich durchdringend. Es war, als würde sie ihn wirklich ansehen. Als würde sie ihm direkt in seine Seele blicken. Matt schauderte. Näherkommende Schritte, verrieten dem blonden, dass Tai das Zimmer betreten hatte. Er hörte, wie der braunhaarige hinter ihn trat. Der andere musste ihm sehr nahe sein, denn Matt konnte seinen Atem an seinem Hals spüren. Das Gesicht des blonden überzog eine sachte Röte. Da war schon wieder dieses merkwürdige Gefühl, wenn er daran dachte, wie nahe ihm der braunhaarige Junge mit den wunderschönen dunklen Augen jetzt war. Moment! Was dachte er denn da gerade? Anscheinend hatte ihn der erste Tag in der neuen Schule doch zu sehr angesrengt, so dass seine Gedanken jetzt in diesen ... komischen... ,Bahnen' dachten! "Wer ist das?", fragte er schnell, wie um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken. Tais Atem streifte immer noch seine Haut, aber aus irgendeinem Grund antwortete er nicht auf die Frage des blonden. Matt drehte sich nach ihm um. "Wer ist die Frau auf-" Er verstummte abrupt. Der Raum hinter ihm war leer. Langsam ließ er seinen Blick über den alten Sessel, die verstaubte Kommode und die schweren Gardinen vor den Fenstern gleiten. Nirgends war jemand zu entdecken. Matt lief ein kalter Schauer über den Rücken. Dabei war er sich doch ganz sicher eben noch... Wieder hörte er das sachte Atmen eines Menschen. Es war so nah, dass sich dort, wo der warme Hauch über Matts Haut streifte, sämtliche Haarchen hochstellten. Der blonde fuhr herum, doch noch immer bot sich ihm lediglich das Bild eines alten verlassenen Zimmers. Sein Blick fiel auf den Fußboden. Auch hier zeichnete sich eine dicke Staubschicht ab. Deutlich erkennbar durch seine Fußspuren, die sichtbar auf dem Boden zu erkennen waren. Aber irgendetwas stimmte nicht an dem Bild, das sich ihm bot. Matt sah genauer hin. Als es ihm bewusst wurde, traf es ihn wie einen Schlag. Der Fußboden war von der Tür bis zu der Stelle an der er stand fast schon übersäht von Fußspuren. Dabei machte er doch gar nicht so kleine Schritte. Das waren nicht nur seine Spuren. Neben den Abdrücken seiner Turnschuhe entdeckte Matt noch eine andere Spur. Sie sahen aus, wie von Kinderschuhen. Die blauen Augen verfolgten gebannt den Weg dieses fremden Paar Schuhe. Sie begannen eindeutig an der Tür und folgten den seinen bis... bis... Matts Blick blieb genau neben sich auf dem Boden stehen. Die Spuren endeten genau hier. Neben ihm. Wieder streifte ihn warme Luft. Der blonde war mit einem Male von dumpfer Panik erfüllt. Er wollte nur noch raus hier. Raus aus diesem Zimmer! Blindlings stürmte er auf die Tür zu und rannte den Gang hinunter auf die Treppe zu. Immer zwei Stufen überspringend stürzte er hinunter, wo Tai bereits stand und ihm fragend entgegen sah. "Was ist denn mit dir los? Hat dich 'ne Tarantel ge-" Weiter kam er nicht. Matt war direkt in seine Arme gestürzt und hatte sie mit seinem Schwung aus dem Gleichgewicht gebracht, so dass sich die beiden Jungen unvermittelt auf dem Boden wiederfanden. "DA OBEN!", schrie Matt. Noch immer stand pures Entsetzen in seinen Augen. "DA OBEN!" "Beruhige dich. Was ist da oben?", versuchte Tai mehr aus dem aufgebrachten Jungen, der sich immer noch wie wild an ihn klammerte, herauszubekommen. "IN DEM ZIMMER! ICH HABE ES GESEHEN! ES WAR DA OBEN! ICH-" Tai hatte Matt in einer raschen Bewegung an sich herangezogen und presste nun seine Lippen auf die des blonden. Matts Herz begann sich wieder mit wilden Schlägen bemerkbar zu machen. Er spürte wie er rot wurde. Mit einem Mal war das Zimmer, das Bild und die Fußspuren im Staub vergessen. Alles, was in diesem Augenblick noch zählte, war dieser Kuss. ...und das war der erste Streich. Hat euch die Geschichte gefallen? Ein großes Dankeschön an alle, die bis hierhin durchgehalten haben... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)