Gay Romeo von Riku (Vegeta / Yamchu) ================================================================================ Kapitel 5: Herzklopfen ---------------------- Herzklopfen Yamchu hätte tatsächlich nicht erwartet, dass es so interessant sein konnte, einfach nur zuzuhören. Gut, in diesem Fall war lesen als Verb wohl eher angebracht. Er stellte Fragen, Luna erklärte. Nur ab und zu erlaubte er es sich, zu unterbrechen und Dinge wie „Das muss doch wehtun“ oder „Klingt wahrscheinlich komplizierter als es ist“ einzuwerfen. Luna genoss diese Art von Aufmerksamkeit ganz offensichtlich und ließ es sich nicht nehmen, so detailreich wie möglich jede Kleinigkeit zu erläutern und bei den Erfahrungen, die er gemacht hatte, so weit wie möglich auszuholen. Er hatte ihm zum Beispiel vom Floating erzählt. Eine Art Reizentzug. Dem Sub wurden die Augen verbunden, Kopfhörer aufgesetzt, aus denen beispielsweise ein monotones Rauschen drang, vielleicht wurde er auch noch geknebelt und gefesselt, freischwebend. Das erforderte wohl eine ganze Menge Vertrauen. Luna war das egal. Er brauchte kein Vertrauen und einige seiner 'Opfer' wohl auch nicht. Was Yamchu erstaunte, war die Tatsache, dass einige 'Spielzeuge', die bei SM gebräuchlich waren, schon seit Jahrhunderten existierten und früher an manchen Schulen zum Sanktionieren der Schüler verwendet wurden, so zum Beispiel auch das Paddle, das früher aus Holz war und ein paar Löcher gegen den Luftwiderstand hatte. Heute war es meistens aus Gummi oder aus Leder. Luna meinte, dass er das aus Gummi lieber hatte. Es tat mehr weh. Die Tawse war ein etwa vierzig Zentimeter langer Lederriemen, der auf schottischen Schulen oft zum Einsatz gekommen war. Luna wusste eine Menge. Zumindest auf diesem Gebiet. „Wenn du Kampfsport machst, solltest du das eigentlich wissen“, schrieb Luna. „Aber wenn du jemanden mit einer Peitsche, einem Rohrstock oder einer Gerte bearbeitest, gibt es Punkte, die weniger wehtun als andere. Die gilt es in diesem Fall zu treffen. Nicht auf die Nieren oder direkt auf die Wirbelsäule, schon gar nicht, wenn du deine Kraft nicht allzu gut kontrollieren kannst. Da können leicht bleibende Schäden entstehen. Risse in den Organen oder gar Knochenschäden, vor allem bei schwerem Gerät wie Bullwhips oder Katzen.“ „Katzen?“ Ja, ab und zu gab es auch Begriffe, die Yamchu sich näher erklären lassen musste. Der Gedanke, wie jemand von einer Katze geschlagen wurde, behagte ihm gar nicht. „Cat o' nine tails“, antwortete Luna recht zügig. „Eine neunschwanzige Katze. Eine Peitsche mit neun Schwänzen.“ „Neun Schwänze...“ „Ziemlich beachtlich, was?“ „Mir reicht eigentlich schon einer.“ Yamchu musste schlucken. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich Männer gab, die sich von so etwas bearbeiten lassen wollten. Dennoch war zumindest eines beachtlich: Die Erfahrungen dieses Mannes waren unglaublich weitreichend. Eine Zigarette nach der anderen wanderte in Yamchus frisch geleerten Aschenbecher. Nun schrieben sie schon seit vier Stunden. Normalerweise wurde ihm schon nach zwei Stunden recht langweilig, vor allem, wenn sein gegenüber nur von sich selbst sprach. „Was benutzt du denn am liebsten bei deinen... Dings.“ „Sessions.“ Natürlich. Session hieß das ja, wenn man sich gegenseitig verprügelte und das geil fand. „Bullwhips, aber dafür braucht man eine Menge Platz. Und viel Übung. Fass so was besser gar nicht erst an, kleiner.“ Das ließ Yamchu sich nicht zweimal sagen. Obwohl... eigentlich hätte er so eine Bullenpeitsche doch zumindest gerne mal berührt. Er bekam eine Gänsehaut. Wie die aussahen, wusste er ungefähr. Hatte so was mal in einem Film gesehen. Am Griff waren sie sehr dick und wurden dann immer dünner. Die im Film war war sicher drei Meter lang gewesen und am Ende ganz ausgefranst. „Oder meine Hand oder ein Paddle, mit dem man jemanden gut übers Knie legen kann. Ansonsten eben Flogger, Tawses oder kurze, meersträhnige Peitschen aus Gummi oder Leder.“ Übers Knie legen. Yamchu las es zweimal. „Du legst die Männer übers Knie? Das ist echt demütigend.“ Er schluckte schwer. Ein Klapps auf den Hintern, schön und gut, aber jemanden richtig übers Knie legen? Wie ein Kind? Er zog fest an seiner Zigarette. „Um ehrlich zu sein, liebe ich das am meisten. Ich rede von der Demütigung. Wenn ich meinen Sub allein mit Worten zum Heulen bekomme, war es eigentlich schon eine gelungene Session. Wenn ich aufrichtiges Leid in seinen Blicken sehen kann.“ Jetzt begann Luna zu schwärmen. Er musste in dieser Rolle als 'Herr' ja richtig aufgehen. Yamchu musste schmunzeln. Er sagte ihm lieber nicht, dass er es gerade unheimlich süß fand, wie Luna darüber sprach. Ganz egal wie 'unmenschlich' diese Neigungen auch sein mussten, irgendwie konnte Yamchu es nachvollziehen. Allerdings wäre er nur durch Aggression dazu bereit, tatsächlich so weit zu gehen. Luna hatte ihm erzählt, dass er so etwas nicht machen würde. Nicht mit Wut im Bauch, dann hätte er sich nämlich nicht mehr unter Kontrolle und seine Frau würde ihm den Kopf abreißen, wenn er jemanden schwer verletzte oder gar aus Versehen oder absichtlich tötete. Verständlich. Irgendwie. „Wenn ich das richtig verstanden habe, magst du es einfach nur, über die Männer, mit denen du schläfst, erhaben zu sein und das bekommst du am besten, wenn du ihnen Schmerzen zufügst“, bemerkte Yamchu und hätte sich dafür am liebsten auf die Schulter geklopft. Er konnte sich gut vorstellen, dass dieser Gedanke dahinter stand, auch wenn Luna jetzt natürlich alles abstreiten würde. Das hätte schließlich bedeutet, dass Yamchu Lunas Motive infrage stellte. Zumindest Yamchu hätte sich das nicht gefallen lassen. „Ja“, kam zurück. Er stutzte. „Ehrlich?“ „Ja. Es gefällt mir. Was dagegen?“ „Nein. Ist schon okay...“ Yamchu lehnte sich zurück und sah auf den Bildschirm. Ein bisschen überraschte es ihn schon, dass Luna ihm Recht gegeben hatte, vor allem jetzt, da er aufgehört hatte, zu zählen, wie oft er Yamchu im Laufe des Gesprächs schon als Trottel oder Idioten bezeichnet hatte. Er musste lächeln. Langsam schien der Zuchtmeister ein wenig aufzutauen. ●●● Die nächsten Tage wachte Yamchu jedes Mal mit demselben Gedanken auf: Er musste an den Computer, um zu sehen, ob Luna ihm geschrieben hatte. Nicht nur, weil Yamchu ihn unbedingt immer wieder mit ernst gemeinten Ratschlägen bombardieren wollte, was Lunas offensichtliche Eheprobleme anging. Er wollte mehr über ihn wissen, wollte jede Information, die Luna ihm zukommen ließ, aufsaugen und ganz tief in den Windungen seines Gehirns speichern. Er hatte zwar das Gefühl, dass er ihn noch immer ein wenig auf Distanz halten wollte, aber langsam schienen sich ihre Gespräche zu vertiefen. Sie redeten nicht mehr nur über Lunas Erfahrungen im Umgang mit seinen Subs oder den Treffen mit den jungen Kerlen, die er übers Internet kennenlernte. Sie teilten sich gegenseitig mit, was sie den Tag über gemacht hatten oder was sie noch tun wollten, teilten sich ihre Pläne fürs Wochenende mit. Langsam hatte Yamchu sogar das Gefühl, seinen Gegenüber zu kennen. Wenn sie sich im Chat trafen und Lunas Antworten kurz, dürftig und ein wenig abgehackt wirkten, wusste er sofort, dass etwas mit seiner Frau oder seinen Kindern, die er trotz allem sehr zu lieben schien, nicht stimmte. Yamchu hakte nach. Und Luna sprach über seine Familie. Er erzählte, dass die Noten seines Sohnes nicht die besten waren und seine Frau sich fürchterliche Sorgen machte, weil sie nicht wollte, dass dieser irgendwann auch ohne Job dasaß. Vor allem solche Gespräche waren es, die Yamchus Herz ein wenig höher schlagen ließen. Er hatte das Gefühl, dass Luna sonst mit niemandem darüber sprach und dass es gerade die Anonymität, die ihnen das Internet schenkte, war, die ermöglichte, dass er überhaupt darüber sprechen und sich das ganze mal von seiner Seele reden konnte. Am schönsten war das Gefühl, dass er mit ihm darüber redete. Yamchu saß mit einem etwas glasig wirkendem Blick und abwesendem Lächeln vorm Computer und las sich durch, was Luna ihm schrieb. Immer, wenn er sah, dass Luna eine neue Nachricht abgeschickt hatte, spürte sein Herz einmal ganz fest gegen seine Rippen trommeln. „Würdest du das nicht auch gerne mal ausprobieren?“ Yamchu löste sein Gesicht von der Hand, die es stützte und sah aufmerksam auf den Bildschirm. Hastig las er sich noch mal die letzten Zeilen durch, um zu wissen, wovon Luna eigentlich sprach, dann musste er erneut unwillkürlich lächeln. Eigentlich hatte er die letzten zwei Wochen auf diese Frage gewartet. „Was?“, fragte er dennoch, nur um ganz sicher zu gehen, und fingerte eine Zigarette aus der Schachtel. „Keine Sorge, ich würde dir nicht wehtun. Zumindest nicht zu sehr.“ Wieder begann Yamchus Herz zu rasen. Er spürte, wie sein Mund auf einmal ganz trocken wurde und sich ein seltsam vertrautes Gefühl der Übelkeit in ihm breit machte. „Ich weiß nicht“, schrieb er und befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge. „Können wir uns nicht erstmal kennen lernen?“ „Junge, du bist über vierzig und stehst mit einem Bein im Grab, ich glaub, jetzt hakt's bei dir.“ Er schmunzelte, bemerkte nicht, dass er die Zigarette, die er in seiner Hand hielt, noch immer nicht angezündet hatte. „Ich bin mir nicht sicher.“ „Kein Problem“, gab Luna zurück. „Du hast ohnehin noch zwei Wochen. Dann fährt meine Frau für drei Wochen mit ihrer verblödeten Freundin auf Kur.“ Yamchu seufzte, wollte an seiner Zigarette ziehen und bemerkte jetzt erst, dass sie noch gar nicht brannte. Er zündete sie an und lehnte sich zurück. Gut. Dann hatte er also noch zwei Wochen Bedenkzeit. „Gut, ich werd's mir überlegen“, antwortete er. Eigentlich klang das ja schon wie ein Nein. War aber nicht als ein solches gemeint. „Muss sich deine Frau von dir erholen?“ Ein sehr galanter Themenwechsel, fand Yamchu. „So ungefähr. Hat viel gearbeitet in letzter Zeit“, antwortete Luna. „Vermisst du sie dann nicht?“ „Nein. Ich trainiere ja ohnehin den ganzen Tag.“ „Oder du sitzt vorm Computer.“ „Oder das.“ „Macht sie sich keine Gedanken darüber?“ „Doch.“ Jetzt witterte er etwas. Es war wieder dieses Irgendetwas-stimmt-mit-Luna-nicht-Gefühl. „Was ist los?“, fragte er und legte seine Stirn in Falten. „Nichts. Sie weiß es.“ „Sie weiß was?“ „Dass ich hier angemeldet bin.“ „Und das ist Nichts?“ Yamchu verzog sein Gesicht, hatte augenblicklich ein furchtbar schlechtes Gewissen. „Wie hat sie das herausbekommen? Kreditkartenabrechnung?“ „Nein. Da achtet sie nicht so drauf, die Finanzen stimmen ja, nur grüne Zahlen. Sie geht sonst nie an diesen Computer aber gestern wollte sie den wohl irgendwie umrüsten. Hatte mein Profil noch in meinen Lesezeichen. Tja.“ „Und sie wusste sofort, dass du das bist?“ „Ich bitte dich, wer sonst würde sich so nennen?“ Yamchu seufzte schwer. Natürlich, wer kannte Luna besser als seine eigene Frau? Betreten sah er auf den Bildschirm. „Das tut mir so Leid.“ „Ja, sicher. Darauf hast du doch nur gewartet.“ Yamchus Kinnlade klappte nach unten. „Das ist nicht wahr!“, tippte er hastig. „Ich mag dich! Ich würde nicht wollen, dass es dir schlecht geht!“ Er schickte es ab. Wartete. Sein Herz raste wie wild. War er wirklich so verdammt durchschaubar? Das war nicht seine Absicht gewesen. Eigentlich sollte es dich freuen, dachte er und vergrub sein Gesicht in den Händen. Eigentlich solltest du jetzt Luftsprünge machen. Wenn's bei denen in der Ehe krieselt, steigen doch für dich die Chancen. Yamchu sah auf die Uhr, dann wieder auf das Chatfenster. Es kam keine Antwort. Im Moment konnte er nicht einmal sagen, ob Luna sich nun über ihn totlachte oder ob er einfach nur traurig war und deshalb nicht antwortete. Wenn er ihm jetzt wenigstens gegenüber gesessen hätte, dann hätte er gewusst, wie es Luna ging, dann hätte er es in seinem Gesicht lesen können. Dann hätte er in den Arm nehmen können, wenn es ihm schlecht ging, als immer nur dieses obligatorische “Oh, das ist ja furchtbar, tut mir Leid für dich“ zu schreiben. Schreiben konnte man schließlich alles und der andere, mit dem man schrieb, konnte nicht sagen, ob man nun log oder die Wahrheit sagte. Ja, vielleicht glaubte Luna ihm auch nicht. Vielleicht ging er davon aus, dass Yamchu sich einfach bis über beide Ohren in ihn verknallt hatte und sich gerade ein Bein ab freute, weil seine Frau nun wusste, was Sache war. „Ist das dein Ernst?“ Endlich eine Antwort. „Natürlich ist das mein Ernst. Ich mag dich sehr.“ Er schluckte schwer. „Du bist so interessant, so fassettenreich. So klug. Sonst würde ich doch keine fünf Minuten mit dir verschwenden. Am Anfang hätte ich wirklich nie gedacht, dass du in meinen Augen mehr als irgendein sadistisches Arschloch sein könntest.“ Wieder Funkstille. Yamchus Hände begannen zu zittern. Der Aschenbecher qualmte vor sich hin aber gerade war er sogar zu nervös, um sich noch eine Zigarette anzuzünden. „Das... ist überraschend.“ „Ist es nicht“, antwortete Yamchu hastig. „Wenn du meinst.“ Er lächelte. Das war immerhin etwas und besser als gar keine Antwort. Yamchu hatte nicht erwartet, dass Luna das, was er gesagt hatte, zurückgeben würde. Von so jemandem wie ihm erwartete man einfach nicht, dass er so etwas wie 'Ich mag dich' sagte. Das war schon in Ordnung. Yamchu wusste, dass er diesem Mann zumindest irgendetwas bedeuten musste. Immerhin hatte er ihm viele, intime Dinge erzählt. Diese Nacht schlief er nicht gut und das lag nicht nur daran, dass es schon langsam wieder hell wurde, als er endlich ins Bett ging. Er war aufgeregt, unheimlich aufgeregt, sein Schlaf zerrissen von Blicken auf die Uhr, um zu prüfen, wie spät es war, damit er nicht verschlief und rechtzeitig aufstand, um Luna eine Nachricht zu schreiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)