Gift von abgemeldet (Bist du sicher, dass du alle Gifte kennst...?) ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Gift - Hass ----------------------------- Yeeeeeeeeey...ich konnte es einfach nicht lassen...ich meine, Krabat schreit ja nur noch danach, die Figuren zu verslashen, also... Nun ja. Das hier ist auf jeden Fall für jemanden: Lyschko. Ich hoffe, es gefällt dir! Erstes Gift - Hass Eigentlich hasste Lyschko sich selbst. Er log, schmeichelte sich beim Meister ein und verriet seine Mitgesellen. Doch eigentlich hasste er dieses Verhalten. War das Tonda, der da aus ihm sprach? Ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine Züge und er drehte sich um, das Bettgestell knarrte leise und irgendwo in der Dunkelheit schnarchte jemand. Warum nur war er so geworden, wie er jetzt war? War es diese lange Zeit, die er schon auf der Mühle war, dieses Wissen, dass jedes Jahr jemand starb und dieses Sterben öfter als jeder andere zu sehen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er das hasste. Diese Heuchlerei. Dieses Buckeln vor jemandem, dem er, wenn er ein normales Leben hätte, nur verächtlich ansehen würde. Und diesen Hass. Hass. Ja, ein Gefühl, was er nur zu gut kannte. Er kannte den Hass in jeder seiner vielen, hässlichen Abstufungen: Den einfachen Hass, den ihm seine Mitgesellen entgegenbrachten, wenn er ein Geheimnis dem Meister verriet. Das war der Hass, der einfach nur „Lyschko, der kleinen Ratte“ galt. Dem Lyschko, dessen Rolle er leider nur zu gut spielte. Dann war da der Hass, der ihm aus den Augen des Meisters entgegenblickte. Der Hass war eher mehr Verachtung; der Meister verachtete ihn genauso, wie er ihn schätzte. Der Hass des Meisters galt dem „Lyschko ohne Rückgrat“. Dem Lyschko, der bereitwillig seine Mitgesellen verriet. Aber der schlimmste Hass war der in Krabats Augen gewesen, als Tonda gestorben war. Krabats Augen hatten ihn so hasserfüllt entgegengestarrt, sie brannten vor Hass gegen jede Faser, gegen alles, was ihn ausmachte. Das war der schlimmste Hass. Der Hass, der ihm galt, ihm, dem Lyschko, der er eigentlich war. Der Lyschko, der tief in ihm unter unzähligen Masken verborgen war. Er schloss die Augen. Wann war er so geworden? Wann hatte er sich in einen so widerwärtigen Menschen verwandelt? Plötzlich wachten die Müllersburschen auf, wie von Zauberhand geweckt sprangen sie aus ihren Betten, zogen sich an. Ja. Osternacht. Die Zeit des Jahres, die ihm am liebsten war, denn dann musste man jeden Streit als nichtig ansehen, egal, mit wie viel Zähneknirschen man es tat. Lyschko ging voraus; er wusste, warum Krabat ausgerechnet zu Bäumels Tod wollte. Tonda. Tonda war überall; jeder hatte ihn geschätzt und obwohl Namen nach dem Tode nichts mehr wert waren und nie ausgesprochen wurden, so war Tonda doch allgegenwärtig. Egal, wie es sich nun äußerte; ob nun so, wie Krabat es tat, oder durch Mitgefühl oder Rücksicht auf der Mühle. Nun ja, soweit es möglich war. Auf der Mühle zählte nur man selbst, erst dann die anderen. Aber Tonda hatte einem jeden von ihnen beigebracht, was es bedeutete, an andere zu denken. Lyschko sagte nichts, als er sich neben den knorrigen Baum fallen ließ und in den dunklen Himmel starrte, an dem vereinzelt Sterne blinkten. Die Nacht würde still werden, ganz ruhig, und später würde er dann den Ostergesang aus dem Dorf hören. Musik hatte schon immer eine tröstende Wirkung auf ihn gehabt, schon als Kind hatte er es geliebt, wenn jemand Musik gemacht hatte. Gedankenverloren fuhr er sich über seine Fingerkuppen der linken Hand, denn dort befanden sich dünne, helle Narben, die ihn unbewusst an seine Vergangenheit erinnerten. Vor der Zeit als Müllersbursche hatte er Musik gemacht; er hatte die Laute spielen gelernt. Zu schade, dass der Meister das als „unnütze Spielerei“ abtat – zumal er nach der harten Arbeit sowieso keine Muße gefunden hätte, sich noch mit der Laute zu beschäftigen. Er hörte, wie das Holzkreuz neben ihm leise ächzte, als Krabat sich dagegenlehnte. „Warum bist du so?“ Er schwieg. Was sollte er schon sagen, wenn er die Antwort selbst nicht wusste? „Lyschko. Verdammt, warum bist du so? Warum hast du Tonda verraten müssen?!“ „Ich habe ihn nicht verraten.“ Er schloss die Augen; ihm war aufgefallen, wie müde seine Stimme klang. „…“ Es herrschte eine unangenehme Stille, die erneut von Krabat gebrochen wurde. „Manchmal weiß ich nicht, ob ich dich verabscheuen, oder nur hassen soll.“ „Hass ist ein hartes Wort.“ Als hätte er mit dieser Aussage etwas in Krabat getroffen, sprang dieser auf und schrie ihn an: „Ich hasse dich!! Warum musstest du Tonda umbringen?! ICH HASSE-“ Grob presste er seine Hand auf Krabats Mund, erstickte so sämtliche Worte. „Jetzt hör’ mir mal zu, Kleiner. Ich. Habe. Tonda. Nicht. Umgebracht. Weder direkt noch indirekt. Was kann ich denn dafür, dass er sich ausgerechnet verlieben musste? Er wusste ganz genau, dass wir Müllersburschen jedem Mädchen nur Unglück bringen!“ „Ja und?! Nur weil eine falsche Schlange wie du nicht lieben kann, heißt das nicht, dass jeder so sein kann wie du! Ich bin froh darüber, noch etwas anderes zu können, als dem Meister den Boden zu lecken!“ Jetzt war auch Lyschko aufgesprungen. Er ertrug ja vieles, sehr vieles – denn die anderen riefen ihm nur zu oft abfällige Schimpfworte zu -, aber das ging zu weit. „Du hast so was von keine Ahnung! Was weißt du schon von mir? Schon mal daran gedacht, dass ich genauso denken und fühlen kann wie du? Ach, nein, verzeih mir. Das wäre ja zu viel verlangt, für die falsche Schlange Lyschko so etwas wie Mitgefühl zu entwickeln.“ Er drehte sich um und starrte in den Himmel. Was hatte er eigentlich erwartet? Dass Krabat ihn verstehen könnte? Niemand hatte das gekonnt, aber auch nur einer hatte es überhaupt versucht: Tonda. Am Ende kam halt doch alles wieder auf ihn zurück. Tonda war sein bester Freund gewesen. Was konnte er denn dafür, dass- „Lyschko? Es…es tut mir Leid.“ Er hörte, wie zusammengebissen das aus Krabat herauskam, aber immerhin, es war eine Entschuldigung. Jeder andere Müllersbursche hätte ihm vermutlich aus Rache einen Fluch auf den Hals gejagt. „Schon in Ordnung…“ Auch das war nur eine einzige Heuchelei. Gar nichts war in Ordnung. Er wusste, dass Krabat ihn hasste und dass diesem nicht ein einziges seiner Worte Leid tat. „Weißt du…bis zu einem gewissen Grad habe ich Tonda tatsächlich verraten…aber ich habe es nicht gewollt, nie. Ich musste eines Tages mit Tonda in den Wald gehen, auf dem Rückweg hatte er mich gebeten, dass wir durch Schwarzkollm gehen, also gingen wir durch das Dorf…ich fragte mich schon, warum er mich gebeten hatte, kurz zu warten, als ich plötzlich sah, wie eine blonde, junge Frau auf ihn zulief; sie rief ihn und als er sie umarmte, flüsterte er leise ihren Namen. Leider nicht leise genug, denn ich hörte ihn: Worschula.“ Er pausierte kurz und starrte zu Boden. „Sie waren so glücklich und ich hatte mir vorgenommen, auf jeden Fall zu schweigen, auch wenn ich damals schon geahnt hatte, was dem Mädchen drohen würde, sollte der Meister ihren Namen herausfinden. Doch der Meister bemerkte, dass etwas mit mir los war und…nur kurze Zeit später…fragte er mich, was mit mir los wäre und als ich ihm keine ehrliche Antwort gab, bohrte er mit Magie nach. So fand er auch ihren Namen heraus und…“ Er brach endgültig ab. Das hatte er nie gewollt, er hatte Tondas Tod indirekt mitverantwortet….er hatte seinen besten Freund verraten! Lyschko fiel erschöpft auf sein Bett, seine Gedanken aber waren durch die harte Arbeit aber nicht getilgt worden; im Gegenteil, sie rasten unaufhörlich in seinem Kopf hin und her. Diese Nacht hatte ihm schmerzhaft klar gemacht, was er denn eigentlich war: ein Speichellecker und Verräter. Nichts weiter. Er war geradeso gut genug, um Befehle auszuführen und – er wusste, würde der Meister diese Gedanken hören, er würde in der Silvesternacht der Nächste sein! – um seinen Kopf hinzuhalten. Es wäre ja auch zu auffällig, würde der Meister spionieren. Nein, nein. Er hatte ja seine persönliche, kleine Ratte, die für ihn schnüffelte. Ahhh…er fuhr sich durch sein blondes, gewelltes Haar. Er fühlte sich manchmal so entzweigerissen. Einerseits war er der Lyschko, der spionierte, der schnüffelte, der verriet. Aber tief in ihm war immer noch der Lyschko versteckt, der das alles verabscheute, der eigentlich lieber Musik machen würde, anstatt zu schuften und zu wissen, dass das Leben bald vorbei war. Ob nun in der diesjährigen Silvesternacht oder in der im darauf folgenden Jahr – wer wusste das schon. Was er aber wusste, war, dass Krabat dieses Jahr sterben würde. Und wenn nicht dieses Jahr, dann nächstes. Er spürte es. Es war dieser dumpfe Druck auf seinem Bauch; genau dieses Gefühl, was er bei Tonda gehabt hatte…und diesmal würde er es richtig machen. Tonda hatte Krabat gern gehabt, mehr, als es ein Altgeselle den „Neuling“ haben sollte – Krabat hatte in Tonda einen Freund gefunden. Einen wahren Freund, der alles für ihn tun würde, genauso wie es umgedreht wahrscheinlich gewesen wäre. Er schloss die Augen. Irgendetwas musste er tun können, wenn es wirklich darauf ankam. Wenn er schon Tonda verraten hatte, so wollte er wenigstens einen Teil seiner Schuld abtragen und sei es dadurch, dass er Krabat rettete. Sicher, er beherrschte die Magie besser als seine Mitgesellen, das wusste er. Aber gegen den Meister hatte er keine Chance, wenn es zu einem Duell kommen würde. Höchstens wenn Krabat ihm helfen würde, hätten sie eine Chance…das war also keine Möglichkeit. Er würde also bis Silvester warten müssen. Hatte Krabat ein Mädchen? Ja, oder? Er hatte doch so seltsam abwesend gewirkt, als die Ostergesänge eingesetzt hatten… Lyschko schloss die Augen und auch wenn er Krabat nicht so sehr mochte wie Tonda und Krabat ihn wahrscheinlich hasste, so flehte er doch innerlich, dass Krabat genau den gleichen Fehler machen würde wie Tonda: er musste sich verlieben. Krabat war hoffentlich so klug, ihn fernzuhalten, wenn er den Namen seines Mädchens aussprach, sonst hätte er, Lyschko, noch einen Menschen auf dem Gewissen…nur die Liebe eines Mädchens würde Krabat hier rausholen und mit ihm alle Müllersburschen. Ende "Erstes Gift - Hass" Nächstes Kapitel: "Zweites Gift - Neid" Kapitel 2: Zweites Gift - Neid ------------------------------ Danke fürs Lesen! Zweites Gift - Neid Lyschko schloss erschöpft die Augen. Er war müde, so müde. Warum? Weil er nachts stundenlang wach lag und nachdachte. Er dachte über dieses braunhaarige Mädchen nach, das Krabat so sehnsüchtig angesehen hatte, auch wenn sie im Haus gewesen war. Ob das das Mädchen war, was sie hier rausholen würde? Er hoffte es so sehr. Aber seine Gedanken blieben selten nur bei diesem Mädchen, vielmehr wanderten sie weiter. Was würde er machen, sollte er tatsächlich mit den anderen befreit werden? Würde er weiter Müllersbursche bleiben oder würde er endgültig die Finger davon lassen? Eines stand auf jeden Fall fest; die Schwarze Magie würde er danach nie wieder verwenden können. Oder aber…er würde wieder Musik machen. Als fahrender Musiker umherziehen…es würde angenehm sein, wieder ganz allein zu sein, niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen und nie wieder verächtliche Blicke auf sich zu spüren. Freiheit… Es war so seltsam, dieses Wort auf seiner Zunge zu spüren und gleichzeitig zu wissen, dass man noch schlimmer als ein Vogel im Käfig war; man war wie ein Tier, das rackerte, bis es irgendwann einfach getötet wurde. Ja, wenn er manchmal hinaus durfte und einen Vogel sah, war er eifersüchtig, denn der Vogel war freier, als er es jemals sein würde. Er würde, angenommen, er würde tatsächlich überleben, noch jahrelang, bis zu seinem Tod und darüber hinaus, von seinen Vorwürfen und Zweifeln geplagt werden. Tondas Tod…und er war schuld daran…er als Verräter von allen… Er kniff die Augen zusammen und starrte in die Finsternis. Gott sei dank war die Osternacht vorbei, die Plackerei war jedes Mal grässlich und man triefte danach nur so vor Schweiß. Der Morgen kam viel zu schnell, obwohl sie ein wenig länger schlafen durften als sonst. Lyschko stand widerwillig auf, wie gerne wäre er jetzt liegen geblieben und hätte weitergeschlafen…die Erschöpfung der vergangenen Nacht steckte ihnen allen noch tief in den Knochen. Er schlüpfte in sein Oberteil, dann stieg er die Leiter nach unten, immer darauf bedacht, sich bei der steilen Treppe nicht das Genick zu brechen. Zwar konnten ihm die anderen nicht das Bein stellen und ihn somit töten, aber auf gebrochene Gliedmaßen konnte er durchaus verzichten. „Lyschko.“ Es war nichts weiter als eine Feststellung, die der Meister von sich gab. „Nach dem Frühstück wirst du mit Krabat nach Schwarzkollm gehen, er wird dich als Pferd verkaufen.“ Er nickte bloß. Jede Aufgabe war besser als hier in der Mühle den verächtlichen Blicken seiner Mitgesellen ausgesetzt zu sein. Nach dem Frühstück machte er sich auf den Weg nach Schwarzkollm; er hörte, dass Krabat ihm hastig folgte. Krabats Schritte waren einfach zu erkennen: er trat fest auf, sicher, aber dennoch leise, dass er manchmal Mühe hatte, ihn zu hören. Aber dennoch wusste er instinktiv, ob Krabat in der Nähe war. Warum, das wusste er nicht. „Lyschko, warte.“ Er blieb nicht stehen, als er plötzlich Krabats Schritte viel schneller hörte, dann legte sich eine Hand auf seine Schulter und er wurde herumgewirbelt. „Warum hast du mir das erzählt?“ „Warum hätte ich es nicht tun sollen?“ Ein winziges, bitteres Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Natürlich, er wusste, was Krabat dachte. Krabat hielt ihn genau für das, was er selbst über sich dachte. „Ich…weiß nicht. Du kommst mir immer so…so…anders vor.“ Na das war doch eine nette Umschreibung, danke vielmals! Lyschko verzog das Gesicht. Krabat hätte ihm auch anders sagen können, dass… „Du bist verwirrend, Lyschko.“ Das war das letzte, bevor zwischen ihnen Stille herrschte und sie in der Ferne schon Schwarzkollm ausmachen konnten. Lyschko überlegte den ganzen Tag, was Krabat mit seinen Worten gemeint hatte. Er hatte gesagt „Du bist verwirrend, Lyschko.“, aber es hatte nicht abfällig geklungen, sondern vielmehr wirklich verwirrt. Er verstand das nicht. Was war an ihm verwirrend? Er war doch ganz einfach; vor den Müllersburschen war er doch die kleine Ratte, was war daran verwirrend? Warum war Krabat so…freundlich? Kurz durchzuckte ihn ein Gedanke… Tonda wäre auch so…Tonda würde auch so reagieren. Das Jahr verging und Lyschko beobachtete Krabat. Nicht auffällig, nur Blicke aus dem Augenwinkel. Warum war Krabat so wie Tonda? Eifersucht regte sich in ihm. Tonda war sein ehemaliger, bester Freund. Warum also musste Krabat alle Narben aufreißen? Warum musste Krabat so verdammt perfekt sein? Krabat war wie Tonda. Und Tonda war all das gewesen, was er immer hatte sein wollen. Tonda war freundlich, nett, ruhig, er war einfach…Tonda. Man freundete sich fast automatisch mit ihm an. Warum also war Krabat genauso?! Er kniff die Augen zusammen. Seine Gedanken drehten sich viel zu oft um die Vergangenheit…er musste lernen, loszulassen. Tonda war tot. Und dennoch…konnte er es nicht lassen. Krabat gab ihm ein Stück Frieden zurück, indem er einfach ein bisschen so wie Tonda war. Tief in ihm war immer noch das Kind Lyschko, was immer noch nicht über den Verlust des besten Freundes hinweggekommen war…und nun Ersatz wollte. Es rächte sich, dass er einsam war, denn so überfielen ihn solche Gedanken und er hatte niemanden, der ihm Nähe gab. Noch war er nicht so lächerlich schwach, des Nachts zu weinen, denn das hätte sein Todesurteil hier auf der Mühle sein können – die Burschen hätten ihn gnadenlos gepiesackt -, aber manchmal…wollte er einfach nur zusammenbrechen und alles hinauslassen, was schon seit Jahren in ihm tobte. Der Selbsthass. Die Trauer. Die Einsamkeit. Dieses Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens. Er war neidisch auf Krabat, denn Krabat konnte einfach so weinen und es war immer jemand da, der ihm tröstend die Hand reichte. Wie gern würde er das auch so haben… „Lyschko?“ Er schreckte aus seinen Gedanken und er blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war; zwar konnte er nicht sehen, wer es war, aber er wusste es auch so. Krabat. „Was willst du!“ „Nichts. Ich wollte mich nur hier hinsetzen.“ Und das sollte er ihm glauben?! Krabat war nicht so. Ganz und gar nicht. Wo Krabat war, war auch bald Spaß, besonders in der Mühle. Jeder in der Mühle hatte irgendwo – egal, wie rabenschwarz, verbittert und eiskalt das Herz war - einen weichen Punkt für den Müllersburschen, auch wenn der das so gut wie nie ausnutzte. „Was willst du wirklich, Krabat…“ Er fuhr sich durch sein Haar. Das war so absurd… „Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Kannst du dich noch an die Zeit kurz nach Ostern erinnern, wo wir zusammen nach Schwarzkollm gegangen sind? Ich hatte dich damals als verwirrend bezeichnet…und es stimmt. Bis heute. Dein Verhalten ergibt so wenig Sinn…du hast mir von deiner Vergangenheit erzählt und an diesem Tag warst du so ganz anders als-“ Hastig hatte Lyschko ihm eine Hand auf den Mund gepresst, um so den Wortschwall zu ersticken. „Krabat! Bist du des Wahnsinns, das so laut rauszuposaunen?!“ „Aber-“ „Kein Aber!“ Lyschko fischte ein kleines Stück Kohle aus den Tiefen einer seiner Hosentaschen, schubste Krabat zu Boden und zog dann einen großen Drudenfuß, in welchen er sich direkt gegenüber von Krabat setzte und nachdem er kurz einen Zauberspruch murmelte, war alles perfekt. „Wenn du hergekommen bist, um mit mir über meine Vergangenheit zu reden, muss ich dich leider enttäuschen.“ „Das will ich auch nicht, aber…du verwirrst mich. Du ergibst einfach keinen Sinn, deine Handlungen passen überhaupt nicht zu dem, was du mir erzählt hattest, Lyschko.“ „Sollte ich Sinn ergeben?“ „Nein.“ Es herrschte kurze Stille, in der Lyschko den Boden fixierte. Krabat nannte ihn verwirrend, aber selbst war keinen Deut besser. „…ich will dich doch nur verstehen.“ „Lass es, Krabat. Lass es einfach. Und einen Rat: halte dich von mir fern.“ Damit stand er auf und ging. Es war besser so, viel besser. Wenn er nicht in Krabats Nähe kam, kam Krabats Mädchen nicht in Gefahr. Ja, er war egoistisch, denn er dachte nur an seine Freiheit…und die war ihm wichtiger, als Krabat, der ihn verstehen wollte. Viel wichtiger. Ende "Zweites Gift - Neid" Folgend: "Drittes Gift - Freiheit" Kapitel 3: Drittes Gift - Freiheit ---------------------------------- Yey, danke für das Kommi Ich fürchte, es wird immer kürzer...oô *seufz* Tja...ich hoffe, es gefällt dennoch. Und langsam wird es auch für Shonen-Ai-Liebhaber kleinere und mittlere Andeutungen haben~ Drittes Gift - Freiheit Lyschko gähnte und blinzelte gegen die Sonne. Seine Hände strichen über das warme Holz und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Er war frei. Plötzlich raschelte es und er hörte das hastige Trappeln von kleinen Kinderfüßen, die über den steinigen Weg stolperten. „Machst du Musik? Spielst du uns was vor?“ Er öffnete die Augen und sah direkt einen kleinen, blonden Jungen an, das ihn angrinste und ihm so eine große Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen offenbarte. „Mischka! Du kannst doch nicht einfach den Mann so überfallen!“ Die Stimme klang streng und der kleine blonde Junge verzog sein Gesicht zu einem Schmollmund. Lyschko setzte sich hin und betrachtete das Gespräch zwischen Mutter und Sohn, während seine linke Hand gedankenversunken über seine Laute strich. „Ich sehe, ob ich komme. Zündet ihr heute Abend ein Feuer an?“ „Ja! Kommst du? Oh bitte, bitte, komm und mach Musik! Bitte!“ „Ich werde es mir überlegen.“ Der kleine Junge schien mit der Antwort nicht ganz zufrieden, aber er ging dennoch zurück zu seiner Mutter, die ihn am Oberarm griff und schnell mit ihm fortging, währenddessen sie ihn schalt. Er schloss die Augen und ließ sich wieder rückwärts ins Gras fallen. Es war so viel passiert…und er war froh, dass er es überlebt hatte. Bis zum Schluss hatte er dem Frieden nicht getraut – es war zu schön gewesen, dass einfach alles vorbei sein sollte! Aber es war nichts passiert, der Meister war und blieb tot, sie hatten ihre Magie verloren; kurzum, es änderte sich nichts. Und er hatte sich verändert…aber das nicht unbedingt äußerlich. Natürlich, sein blondes, gewelltes Haar war etwas länger, aber ansonsten hatte er sich seiner Meinung nach nicht verändert. Aber innerlich…da schon. Er fühlte sich befreit, als er die Mühle hinter sich gelassen hatte, war der ganze Spuk vorbei gewesen und es war ihm, als hätte man ein Gewicht von ihm genommen. Er durfte endlich wieder er selbst sein…der Lyschko, den er all die Zeit hatte tief in sich wegsperren müssen. Vielleicht war ja das der Grund, dass er sich so anders fühlte. Er fühlte sich…seltsam. Es war nicht mehr dieses Gefühl in seinem Inneren, dieses Gefühl, gleich für das Unglück von jemandem verantwortlich zu sein – auf der Mühle hatte er immer aufpassen müssen, was er tat und vor allem, wo er sich aufhielt, denn ganz schnell hörte er die falschen Dinge und wenn der Meister das rausbekommen hatte…nun, das beste Beispiel war Tonda. Er sah in den blauen Himmel und als ein Rabe über ihn hinwegflog, schlich sich kurz ein Lächeln auf seine Lippen. Ja, er war frei, aber die Mühlenzeit vermisste er dennoch ein bisschen. Besonders die Magie. Die Magie war immer ein Teil von ihm gewesen und es würde ihm jetzt, nach dem Verlust der Magie, immer etwas – „Lyschko?!“ Es war eine Stimme, die er schon seit mehreren Monaten nicht mehr gehört hatte – genauer gesagt, hatte er sie das letzte Mal am frühen Neujahrsmorgen gehört, es war ein kurzes „Auf Wiedersehen.“, dann hatten sich ihre Wege getrennt. „Krabat? Was machst du denn hier?“ Verdutzt betrachtete er den jungen Mann, der da vor ihm auf dem Schotterweg stand. „Ich bin gerade auf dem Heimweg nach Schwarzkollm…und was machst du hier?“ „Nichts weiter.“ Damit beließ er es. Krabat war nicht dumm, er hatte doch gesehen, dass er eine Laute bei sich hatte…er konnte sich doch denken, was er, Lyschko, denn war! Ein umherziehender Musiker; Schnorrer, wenn man es böse ausdrücken wollte. „Bleibst du noch bis zum Herbstfest? Es ist heute Abend, es wäre schön, etwas Musik zu hören.“ Förmlich. Krabat ist so förmlich…wie ein anderer Mensch. Der Krabat, von dem ich mich vor einem reichlichen halben Jahr verabschiedet habe, hätte sicherlich anders reagiert. „Ja.“ Es war ihm unangenehm, dass Krabat schwieg. So schwieg, denn die Stille, die zwischen ihnen geherrscht hatte, wenn sie sich manchmal unterhalten hatten, war anders gewesen. Angenehmer…und nicht so, als würde sie ihm gleich die Luft abschnüren; wie ein drohendes Gewitter. Ein Seufzen. „Lyschko, du machst es mir nicht gerade leicht. Wie soll ich denn mit dir umgehen, hm? Wir haben uns seit der Neujahrsnacht nicht mehr gesehen!“ Ein kleines Lächeln schlich sich auf Lyschkos Lippen. „Das gerade klang nach dir, Krabat.“ Dann herrschte wieder Stille, aber diesmal war sie nicht so unangenehm, sondern…einfach da. Es war in Ordnung. Lyschko sagte auch nichts, als Krabat sich neben ihn setzte und sich vorsichtig an ihn lehnte; er konnte dessen Anspannung fast fühlen. „Weißt du…du bist der Einzige, den ich wieder sehe. Die anderen sind alle weg, aber du bist wieder da. Es ist…so seltsam, ich wollte doch nur vergessen, was auf der Mühle passiert ist, weil ich jetzt ein eigenes Leben habe, aber…ich…ich hänge auch andererseits so an der Vergangenheit! Ich lebe einerseits so im Hier, aber andererseits doch im Vergangenen…“ „Sh.“ Er zog Krabat in eine Umarmung und jener schlang fest seine Arme um ihn. Ja, er wusste, was Krabat meinte, was dieser ihm sagen wollte. Sie mochten sich auf der Mühle nicht so sehr verstanden haben, und die Zeit auf der Mühle mochte grausam gewesen sein, aber ein jeder von ihnen hing doch bis zu einem gewissen Grad an dieser Zeit. Krabat musste allein gewesen sein; so, wie er geklungen hatte. „Hat dich denn niemand besucht?“ „N-Nein! Niemand! Ich…als hätten nie jemand mich gekannt! Ich war allein…“ Es musste hart für ihn sein, denn in der Mühle hatte er sich mit jedem Burschen gut verstanden, aber so allein? Nein. Krabat schloss Freundschaften und hielt sich daran. Wie Tonda. „Du-Du warst der Einzige, der vorbeigekommen ist…“ „…vielleicht wollten sie nächstes Jahr vorbeikommen?“ Sie wussten beide, dass es eine Lüge war. Die anderen Burschen waren weg, einfach so, und sie hatten vergessen, wie sehr Krabat an jeder Freundschaft hing; das hatten sie doch nach Tondas Tod sehen können! „Krabat…du bist frei. Hör’ auf, an sie zu denken und lebe einfach nur.“ „Aber ich kann nicht aufhören, an sie zu denken! Sie…die Mühle…alles, das wird alles immer ein Teil von mir sein, ich werde es nicht vergessen können!“ „Dummkopf. Warum weinst du dann?“ „…weil…ich…“ Lyschko verzog die Mundwinkel leicht. „Jeder von uns muss mit der Vergangenheit leben und jeder von uns muss seinen Weg finden. Allein. Denn das kann dir niemand abnehmen.“ „…ich habe das Gefühl, dass man selbst nach der Zerstörung der Mühle immer noch ein Gefangener von ihr ist.“ Lyschko lachte amüsiert auf. „Du glaubst gar nicht, wie oft mir genau das durch den Kopf geschossen ist, Krabat!“ Oh ja, das hatten sie. Sie hatten an dem Tag, an dem sie an der Tür der Mühle im Koselbruch geklopft hatten, ohne es zu wissen ihre Freiheit für immer verloren. Sie hatten einen Teil ihrer Seele an den Müller verkauft…für was, das wussten sie da noch gar nicht. Ende "Drittes Gift - Freiheit" Folgend: "Viertes Gift - Dummheit" Kapitel 4: Viertes Gift - Dummheit ---------------------------------- Yey! Ich lebe noch! Ich dachte mir, dass ich vor dem neuen Jahr noch ein Kappi hochlade...und alle Shonen-Ai-LiebhaberInnen dürfen jetzt mal ganz laut jubeln: ja, dieses Kapitel hat ein wenig mehr Shonen-Ai. Man darf also die Lupen, Vergrößerungsgläser und Brillen diesmal im Schrank lassen, das SA seht ihr auch so! Alle, die SA nicht mögen...so viel ist es nicht, seht es positiv...ich HABE mich zurückgehalten. So ein bisschen. *lach* An alle(egal, ob sie dieses Kappi nun mögen oder nicht) nach diesem Kapitel hier kommt wahrscheinlich nurnoch der Epilog, wenn ich noch mehr Ideen haben sollte (was ich bezweifle, das wäre dann zu viel), dann noch ein Kapitel. Also erwartet nur einen überlangen Epilog. Das ist aber noch ein Extra-Gift. Also dann, es geht weiter: 4. Gift - Dummheit Das große Feuer erhellte den ganzen Platz, Kinder stoben umher und Erwachsene standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Auf der großen Tafel standen ziemlich viele Schüsseln und tönerne Krüge, es schien, als hatte jeder etwas mitgebracht. Was das denn nun genau war, konnte er nicht genau erkennen, dafür war es schon zu dunkel. Er betrat den Platz und sobald der orangene Schein des Feuers auf ihn fiel und er von den Kindern gesehen wurde, gab es kein Halten mehr. Nur wenige Augenblicke später hatte er eine ganze Horde Kinder, die um ihn herumstanden und ihn aus großen Augen ansahen. „Machst du jetzt Musik?“ „Biiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitte!“ „Ihr müsstet mich erst einmal durchlassen, dann könnte ich für euch Musik machen.“ „Au ja!“ Und schon stoben die Kleinen davon, zu ihren Eltern, um zu erzählen, dass jetzt jemand Musik machen würde. Lyschko lächelte schief. Was war denn so besonders, wenn hier ein Musiker vorbeikam…? Er ließ sich auf einen Baumstumpf fallen, der vermutlich eigens für den heutigen Abend herbeigeschafft worden war. Er griff nach seiner Laute und während er einfach das erstbeste Lied spielte, was ihm einfiel, füllte sich der Platz um ihn herum mit Menschen. Es waren größtenteils Kinder, die da um ihn herum saßen und standen, aber es waren auch einige Erwachsene dabei. „Hier.“ Er blickte zur Seite, direkt in Krabats Gesicht. „Was…?“ „Lyschko, du hast die ganze Zeit gespielt. Meinst du nicht, dass du dir jetzt auch einmal etwas zu Essen und zu Trinken verdient hast?“ Mit diesen Worten wurde ihm der Becher hartnäckiger in die Hände gedrückt. „Was ist das?“ „Bier. Es schmeckt aber ziemlich gut, falls du das gemeint hast.“ Nicht ganz beruhigt – er wollte schon noch weitersingen und –spielen, da konnte er es nicht gebrauchen, wenn er betrunken war – nahm er einen Schluck. Es tat seiner trockenen Kehle ziemlich gut und schnell hatte er den Becher ausgetrunken. Krabat lachte. „Ich hatte Recht. Komm, gehen wir was essen.“ Verwundert bemerkte er, dass Krabat seine Hand fest umschlossen hielt und ihn zielgerichtet zu der großen Tafel zog. „Sag mal, wo ist deine Kantorka?“ „Hm?“ Krabat schluckte den Bissen, den er im Mund hatte, hinunter. „Sie ist bei sich zu Hause…sie mag Feste nicht sonderlich.“ Lyschko zog eine Augenbraue hoch. „Jedes Mädchen mag Feste.“ „Sie nicht. Ich kann dir aber auch nicht sagen, warum.“ Er verbiss sich die Frage, warum Kantorka noch bei sich zu Hause wohnte…normalerweise hätte Krabat ihren Vater fragen können, ob er bei ihr wohnen dürfte, zumal Krabat kein zu Hause hatte. Woher auch? Keiner der Müllersburschen hatte eines vor der Arbeit auf der Mühle gehabt, also hatten sie auch keinen Ort, wo sie hätten hingehen können. „Wie lange wirst du hier bleiben?“ Er sah weg, weg von Krabats Gesicht, das ihn plötzlich hoffnungsvoll ansah und ihn förmlich bat, zu bleiben. „Ich werde wahrscheinlich morgen aufbrechen.“ „Warum…?“ „Krabat. Ich ziehe immer weiter, ich bin ein umherziehender Musiker. Du hast einen Ort gefunden, wo du zuhause bist, ich nicht.“ „Aber…“ „Kein aber. Ich werde wieder aufbrechen, vielleicht komme ich wieder vorbei, aber hier bleiben? Niemals.“ Er log. Zwar nicht beim letzten Teil, aber „vielleicht komme ich wieder vorbei“ war eine Lüge. Krabat musste ihn nur bitten, dann würde er wiederkommen. „Lyschko, versprich…versprich mir, dass du wiederkommst. Bitte! Ich habe sonst niemanden, der für mich so etwas wie eine Familie für mich ist.“ Lyschko drehte sich um, seine Mundwinkel zuckten bis er schließlich in lautes Gelächter ausbrach. „Ich und deine Familie?! Oh bitte, auf der Mühle waren wir nie Freunde, also warum tust du jetzt so? Außerdem…du hast die Kantorka. Reicht dir das denn nicht als Familie?“ „Doch, schon, aber…ich habe niemandem, dem ich von der Zeit auf der Mühle erzählen kann, weil mich dann alle ausgrenzen würden, sagen würden, dass ich auch ein Schwarzmagier bin, dass ich gefährlich bin. Sie würden mich verstoßen!“ Lyschko trat auf Krabat zu, seine rechte Hand verkrallte sich in dem Kragen von Krabats Oberteil und seine Stimme war leise und scharf: „Hör mir mal ganz genau zu: ich bin für niemanden ein Familienteil, verstanden? Freude – ja. Aber komm mir mit Familie und ich schwöre bei dem Tod des Meisters, dass ich nie wieder kommen werde!“ Krabat starrte ihn aus großen, angstgefüllten Augen an und nickte wortlos. Dieser Lyschko machte ihm noch mehr Angst als der, der damals auf der Mühle gelebt hatte. Lyschko schnaubte nur, dann drehte er sich um und ging wieder in Richtung des Platzes. „…bist du wütend auf mich?“ Er ignorierte Krabats Frage und half weiter, aufzuräumen. Aber es war berechtigt. War er wütend? War er wütend, weil Krabat ihn an seine Vergangenheit vor der Mühle erinnert hatte? Es war so still…kein Geräusch, es war, als hielte alles den Atem an. Ein kleiner Junge mit welligem, strohblondem Haar rannte über das Feld, er stolperte fast. „Mama! Mama, Papa!“ Seine Rufe verhallten ungehört in der Nacht…und als er die Tür aufriss, erstarrte er. Vor ihm lagen seine Eltern, seine Mutter sah ihn aus blicklosen Augen an, ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, ihr Kleid war blutgetränkt. „Mama…?“ Der Junge verstand noch nicht sofort, warum seine Mutter nicht aufstand. Sie machte ihm Angst…warum stand sie nicht auf? Warum… Er schüttelte den Kopf. Er sollte aufhören, darüber nachzudenken, es tat ihm nicht gut. Abgesehen davon…ändern konnte er es sowieso nicht mehr. „Lyschko?“ Mit einem Schnaufen drehte er sich um. „Ja?!“ „Ich…es tut mir Leid.“ In diesem Augenblick wussten sie beide, um was es ging, es war nicht nötig, zu erklären, dass Krabat es Leid tat, so in Lyschkos Vergangenheit herumzustochern und alte Wunden aufzureißen. „…schon gut. Du wusstest nicht, was passiert ist, also…“ Lyschko stellte den leeren Eimer weg und sah Krabat an, der lehnte an einem Zaunpfosten und musterte ihn. In diesem Augenblick wusste er irgendwie, dass er Krabat wieder besuchen würde. Krabat würde es nicht schaffen, ihn dazu zu bringen, dass er hier in Schwarzkollm blieb – keiner würde das schaffen -, aber er hatte es geschafft, dass er, Lyschko, dem seine Freiheit so wichtig war, einen Teil davon aufgeben würde. „Ich werde dann gehen.“ „Begleitest du mich noch bis nach Hause?“ Er zog eine Augenbraue hoch und blickte Krabat an. Der grinste nur schief; anscheinend war ihm durchaus bewusst, dass das gerade sehr seltsam geklungen hatte. „Klar.“ Sie gingen durch Schwarzkollm, es war früher Nachmittag und in das Dorf kehrte langsam wieder die tägliche Normalität zurück; die Spuren des Festes der vergangenen Nacht waren beseitigt und nun widmeten sich alle wieder ihrer Arbeit; manche Frauen hängten Wäsche zum Trocknen aus, oder es wurden die Tiere gefüttert… „Hier ist es.“ Mittlerweile standen sie vor einem der vielen Häuser des Dorfes; hätte Krabat ihn nicht darauf hingewiesen, er wäre glatt weitergegangen. „…ich denke, ich brauche wirklich nicht noch einmal zu fragen, ob du nicht doch noch bleibst…?“ „Nein. Aber ich komme wieder vorbei…bis irgendwann einmal, Krabat. Wir sehen uns!“ Damit drehte er sich um, aber er hatte kaum einen Schritt getan, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte und er herumgewirbelt wurde. „Damit du auch ganz sicher wiederkommst.“ Dann presste sich ein Lippenpaar auf seines, ganz kurz, und dann war es schon wieder vorbei. „Was sollte das denn?!“ Krabat grinste ihn an. „Nun, ich nehme nicht an, dass du schon einmal jemanden geküsst hast?“ Er schüttelte leicht den Kopf. Was hatte denn das damit zu tun…? „Also solltest du wenigstens den Bastard wieder besuchen, der dir deinen ersten Kuss gestohlen hat, Lyschko!“ Die Haustür vor ihm wurde zugeschlagen, und dann herrschte Stille. Lyschko starrte immer noch vollkommen verwirrt auf das Holz. Krabat hatte ihn geküsst, damit er wiederkam…? Er grinste schief, als er sich umdrehte und langsam wegging. Verstehen tat er es nicht. Aber es war unterhaltsam, weil Krabat das sicherlich nicht hätte tun müssen…er wäre auch so wiedergekommen. Ende "Viertes Gift - Dummheit" Folgend: Fünftes Gift - Abhängigkeit Kapitel 5: Fünftes Gift - Abhängigkeit -------------------------------------- Yey. Ein letztes Mal "Gift". Ich hoffe, es gefällt euch...und ja, ich will noch auf zwei Dinge hinweisen: 1) es sind mehrere Jahre vergangen. 2) der Name der Kantorka. Ich habe ihn aus dem Krabat-Zirkel und wenn ihr sagt "Eh, was soll DAS? Das ist doch ***!" dann ersetzt ihn bitte durch euren eigenen...mir ist kein besserer eingefallen, also dachte ich mir, dass ich mal ne Runde Dieb spiele. Eine Fortsetzung von "Gift" wird es definitiv nicht geben. Ganz sicher. Aber ich werde dem Genre wahrscheinlich treu bleiben, keine Sorge. Lyschko und Krabat haben noch lange nicht ihre Ruhe vor mir! Fünftes Gift - Abhängigkeit Lyschkos Blick wanderte über das Feld, das Getreide schimmerte goldfarben im Licht der untergehenden Sonne. Noch war es hell, aber er wusste, dass es in nur wenigen Stunden dunkel sein würde. Es wurde Zeit… Mit einem leichten Grinsen auf den schmalen Lippen stieß er sich von dem Baum ab, an den er sich gelehnt hatte, schulterte seine Laute und ging auf das Feld zu. Es war klein, er wusste, dass es nur einer Familie gehörte. „Krabat.“ Seine Stimme war leise, aber als plötzlich die Geräusche verstummten und er hörte, wie eine Sichel zu Boden geworfen wurde, wusste er, dass Krabat ihn sehr wohl gehört hatte. Sein Grinsen wurde ein wenig breiter. „Lyschko!“ Nur einen Augenblick später umarmte Krabat ihn fest. Auch etwas, was sich überhaupt nicht verändert hatte. Nicht, dass es ihm nicht gefallen würde. „Du bist spät! Ich habe dich eigentlich schon vor einer Woche erwartet.“ „Ja, ich weiß…es ging nicht eher, da war noch ein Fest und ich wäre absolut dumm gewesen, wenn ich nicht geblieben wäre.“ Krabat seufzte leise, fuhr sich durch sein Haar und ließ sich auf den Boden fallen. „Weißt du, dass das alles ziemlich seltsam ist? Ich glaube, manchmal denkt Kadja, dass ich…“ „Dass du was? Ihr fremdgehst?“ Krabat nickte nur. „Wahrscheinlich hat sie mich das noch nicht gefragt, weil ich so unregelmäßig weg bin.“ Lyschko lachte und setzte sich neben ihn. „Soll ich etwa regelmäßig kommen, um ihr einen Grund zu geben, dir zu misstrauen?“ „Nein, bloß nicht!“ Er grinste und starrte Krabat an. „Weißt du was? Dir ist schon bewusst, dass wir sündigen, ja?“ „Was?“ Krabat war ein wenig verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel. „Du weißt schon, immerhin bist du treusorgender Ehemann und lässt dich trotzdem mit einem abgerissenen, dahergelaufenen Straßenmusiker ein. Und das auch noch mehr oder minder regelmäßig.“ „…jetzt stell es mal nicht so hin, als würden wir bei jedem deiner Besuche übereinander herfallen wie sonst was. Du weißt genauso gut wie ich, dass das selten der Fall ist!“ Krabat schnaubte und ließ sich rückwärts fallen, um Lyschkos wissendem Blick zu entgehen. Manchmal würde er diesem Bastard gern eine reinhauen… „Komm schon, was ist los? Du reagierst selten so empfindlich, wenn ich dich ärgere.“ „Sie ist schwanger.“ „Schon wieder? Sag mal, wie oft-“ „LYSCHKO!“ „Schon gut, schon gut. Aber trotzdem ist es eine berechtigte Frage. Meine Güte, wenn du so weitermachst, hast du ja bald ein halbes Dorf allein zu versorgen.“ „Jaja. Was auch immer. Verdammt, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Es reicht doch so vorn und hinten nicht. Das Dach müsste mal ausgebessert werden, wir brauchen Decken und wir haben kaum genügend Vorräte, um den Winter einigermaßen zu überstehen…und vom Geld will ich nicht anfangen.“ Lyschko seufzte und zog Krabat in eine Umarmung. „Du weißt, dass ich dir helfen würde. Immer.“ „Ja, aber ich will es allein schaffen. Weißt du, wie schwer es ist, eine fünfköpfige Familie allein zu versorgen? Ich habe noch nicht einmal einen Sohn, der mir helfen könnte! Sie sind alle zu klein und Kadja kann mir unmöglich helfen, wenn sie schwanger ist. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.“ „Shhh.“ Lyschko zog Krabat an sich, er ahnte, welche Verantwortung auf dessen Schultern liegen musste…und er wusste auch, dass Krabat sich nur ungern Schwäche eingestand. Nur in diesen kurzen Augenblicken, da erlaubte er es sich. Und Lyschko mochte es, denn es bedeutete, dass Krabat ihm vertraute. Er schloss die Augen und hauchte vorsichtig einen Kuss auf Krabats Hals. Das entspannte ihn meistens…und er wurde nicht enttäuscht. Er spürte, wie sich der Braunhaarige hastig die Tränenspuren von den Wangen wischte und sich aufrichtete. „Danke.“ „Keine Ursache. Komm her.“ Er griff nach Krabats Kinn und küsste ihn kurz auf die Lippen. Das war auch etwas Ungewöhnliches für ihn…er wusste nicht so genau, wann es in den vergangenen Jahren angefangen hatte, aber…irgendwann hatten sie sich bei ihren Treffen geküsst, kurze, hastige Küsse, die dann irgendwann zu scheuen Berührungen übergegangen waren. Irgendwann war es dann nicht nur bei Küssen geblieben. Er würde sich nicht beschweren…er wusste nicht, warum. Er wollte es auch nicht wissen, es zählte nur, dass es so war. Nicht, dass sie sich liebten. Nein. Es war eher…eine besondere Form des Trostes. Lyschko wusste sehr genau, dass Krabat seine Kantorka liebte. Er würde sich da auch nicht einmischen, er liebte ihn nicht. Er mochte die Gespräche, ja. Aber Liebe? Nein. Ganz sicher nicht. Vielleicht war es seltsam. Und eine Sünde, weil sie beide Männer waren. Aber eigentlich war ihm das egal. Krabat und er teilten etwas, was ihm wichtig war und was niemand so nachempfinden konnte: sie hatten eine Schwarzmagische Ausbildung erlebt. Das veränderte einen, egal, wie man sich sträubte. Und Krabat wusste all das, akzeptierte es, denn er verstand es auch nicht so ganz. Als Lyschko sich später an diesem Tag wieder anzog, Krabat einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte und wieder ging, dachte er daran, dass das, was sie teilten, vielleicht doch auf eine sehr verquerte Art und Weise Freundschaft war. Sie liebten sich nicht. Weder als Liebhaber, noch als Freunde. Ja, sie redeten miteinander, teilten ihre Gefühle, ihre Einsamkeit, ihre Verzweiflung, alles, was sie niemandem sonst zumuten konnten, weil niemand diese Abgründe in ihnen verstehen konnte. Als Krabat später an diesem Tag seine Arbeit weiterführte und dieses unangenehme Ziehen in seinem Körper an Lyschko erinnerte, dachte er daran, dass er diese seltsame Zweisamkeit, die er mit ihm teilte, unmöglich mit seiner Kadja teilen konnte. Sie würde Angst vor ihm haben, wenn sie sah, wie zerrüttet er in Wahrheit war. Sie wusste nicht, was er erlebt hatte, auf der Mühle. Zwar ahnte sie es, aber er würde ihr ihre dumpfe Ahnung lassen, er wollte nicht, dass sie Angst hatte, denn dazu liebte er sie zu sehr. Als Lyschko in der Nacht den Beutel auspackte, den Krabat ihm in die Hand gedrückt hatte, und darin eine Jacke fand, schlich sich ein Grinsen auf seine Lippen. Sie waren sich manchmal wirklich ähnlicher, als sie glaubten. Er lachte leise und packte es wieder weg. Nein, vor dem Winter würde er wiederkommen und sich bedanken…so lange würde er nicht wegbleiben, auch wenn er es normalerweise vorzog, den Winter an einem Ort zu verbringen. Er wusste, dass eine Jacke, auch wenn sie unscheinbar und oft geflickt worden war, für Krabat wertvoll war. Eigentlich bräuchte er die Jacke für sich selbst, seine Kinder oder seine Frau dringender. Und trotzdem schenkte er sie ihm. Als Krabat auf seinem Weg nach Hause seine ungewöhnlich schwere Jackentasche auffiel, dachte er sich nichts dabei. Aber als er hineingriff und plötzlich Münzen in der Hand hatte, lachte er leise auf. Lyschko konnte es einfach nicht lassen… Sie beide hatten sich nur zu gern in eine Abhängigkeit begeben. Hass. Neid. Freiheit. Dummheit. Abhängigkeit. All das waren starke Gefühle, die ihren Alltag bestimmten…ob direkt oder indirekt. Aber keiner von ihnen wollte es aufgeben, nein. Schon allein nicht wegen diesem bittersüßen Gefühl, wenn sie sich sahen und einander nahe waren. Süß, ja. Das süßeste Gift auf dieser Welt. Ende Danke fürs Lesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)