Vertraue mir von Pijara ================================================================================ Kapitel 14: Verwirrte Seele --------------------------- Ihre Blicke huschten voller Panik hin und her. Sie war umzingelt. Sie hatte fast das Gefühl, das gesamte Bataillon des Palastes hätte sich im Thronsaal versammelt, um sie zu erwischen. Thia zitterte. So eng war es noch nie gewesen – andererseits hatte der Prinz sich bisher aber auch noch nie so offensichtlich auf ihre Seite gestellt wie jetzt. Er stand mit dem Rücken zu ihr, hatte allerdings ihr Handgelenk fest umklammert. So leicht würde er sie nicht gehen lassen. Sein Blick ruhte auf seinem Vater, dem Pharao Aknamkanon. „Geh endlich aus dem Weg!“, fauchte der Pharao seinen Sohn an, der sich jedoch immer noch sträubte. „Kommt gar nicht in Frage.“ „Ich verstehe dich einfach nicht! Was soll dieser ganze Aufruhr jetzt?“ Der Prinz runzelte überrascht dir Stirn. „Sie hat uns gerade vor einem ziemlich hinterhältigen Angriff bewahrt und du willst sie zur Strafe in den Kerker werfen, hältst du das für gerecht?“ „Sie hat in diesem Palast nichts zu suchen!“ „Und doch hat sie sich über das Verbot hinweggesetzt und uns das Leben gerettet, begreif das doch endlich!“, fauchte der Prinz seinen Vater an. Thia blickte sich immer noch panisch um. Wenn ihr kleiner Held keinen Erfolg hatte, dann würde es ziemlich düster aussehen, was ihre Zukunft anging. Er schien das bemerkt zu haben, denn sein Griff verfestigte sich als Zeichen dafür, dass er sich diesmal nicht unterbuttern lassen würde. „Und trotzdem hat sie hier nichts zu suchen! Schon gar keine Straßendiebin! Du weißt, was für eine Strafe auf diejenigen wartet, die ohne Erlaubnis in den Palast eindringen!“ Der Prinz funkelte seinen Vater böse an. „Und du weißt, was passiert wäre, wenn sie uns nicht gewarnt hätte!“ „Also wenn du es eine Warnung nennst, durch ein Fenster in den Saal zu springen und zwei dieser …. Angreifer dabei mitzubringen, dann…“ „Begreifst du es denn immer noch nicht? Der Palast war bereits umstellt. Würde sie sich nicht so gut auskennen, wäre sie wahrscheinlich niemals so weit gekommen und wir würden bereits …“ „Was soll das heißen, gut auskennen?“ Thia schluckte. Da hatte der junge Pharao sie ja in was Schönes hineingezogen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Aknamkanon nicht zwingend etwas davon wissen müssen, dass Thia sich in den letzten zwei Jahren fast jeden Abend zu dem jungen Prinzen in sein Zimmer geschlichen hatte. Der Pharao funkelte sie an. Thia wurde hinter dem Rücken des Thronfolgers sofort um fast die Hälfte kleiner. „Schönen Dank auch!“, knurrte sie ihren Freund an. Atem schloss kurz die Augen und verfluchte sich im Stillen. Jetzt fiel ihm wieder ein, was er hatte verschweigen wollen. „Ist sie etwa diejenige, die in den letzten Jahren sich immer an den Wachen vorbei schleichen konnte? War sie diejenige, die fast jeden Abend diesen Aufruhr verursacht hatte?“, schrie der Pharao und selbst sein Sohn schien ein wenig einzusinken. Irgendwie nahm diese Auseinandersetzung eine völlig unerwartete Wendung. Doch er ließ sich nicht beirren. Angriff war schließlich die beste Verteidigung. „Ja, sie war dieses Mädchen! Und sie wird es auch weiterhin sein, wenn du uns dazu zwingst, unsere Freundschaft geheim zuhalten!“ „Freundschaft?“ Thia rang nach Luft . „Könntest du mir bitte den Gefallen tun und jetzt die Klappe halten, sonst komme ich hier nicht mehr lebend raus.“, knirschte sie panisch, während sie in Gedanken schon darüber nachdachte, was der Pharao mit ihr anstellen würde, wenn er sie in die Finger bekam. „Ja, Freundschaft! Etwas, was dir vielleicht unbekannt ist!“ „Wie lange verschweigst du mir diese so genannte … Freundschaft schon?“ „Ein paar Jahre!“ „Und wann hast du es für nötig erachtet, mir das mal zu offenbaren?“ Der junge Prinz zuckte mit den Schultern, was ihm kurzzeitig eine angenehme Art von Arroganz verlieh. „Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht so genau. Aber so wie die Dinge im Moment stehen, glaube ich kaum, dass es in nächster Zeit geschehen wäre.“ „Sie ist eine Straßendiebin!!“ „Mag schon sein! Aber diese Straßendiebin hat uns mittlerweile zweimal das Leben gerettet, schon vergessen?“, schrie der Prinz zurück und ließ vor Wut Thias Handgelenk los – ein Fehler. Die Wachen sprangen auf sie zu, ergriffen ihre Arme und zerrten sie von dem Thronfolger fort, der viel zu geschockt war, um zu reagieren. Thia wehrte sich verzweifelt und schrie vor Schmerz auf, als die Wachen ihr die Arme auf den Rücken drehten und sie zu Boden drückten. „Werde endlich vernünftig, mein Sohn! Dieses Mädchen ist nicht der richtige Umgang für den zukünftigen Herrscher von …“ „Lass sie gehen!“ „… von Ägypten!“ „Ich habe gesagt, dass du sie freilassen sollst!“ „Bringt sie in den Kerker! Ich befasse mich später mit ihr!“ Thias Herz raste und wie verrückt schlug sie um sich, doch ohne Erfolg. Der Prinz beobachtete fassungslos, wie die Wachen seine Freundin wegschleiften. „Hilf mir doch. Mahaad!“; schrie er plötzlich und so laut, dass sämtliche Personen im Saal zusammenzuckten. Und dann trat der junge Priester und Magier Mahaad hervor. Der Millenniumsring um seinen Hals funkelte in der strahlenden Sonne, die durch die geöffneten Tore in den Saal floss. „Sag ihnen, dass sie sie in Ruhe lassen sollen.“ „Aber mein Prinz!“ „Sag es ihnen!“ Mahaad senkte ergeben das Haupt. „Ich bin nicht der Pharao. Ich kann es ihnen nicht befehlen.“ Der Prinz ballte verzweifelt die Hände zu Fäusten. Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Aber…“, meldete sich der junge Priester wieder zu Wort, „mein Pharao, ich kann Euch aufrichtig versichern, dass von diesem Mädchen keinerlei Gefahr ausgeht. Sie ist das, was Euer Sohn Euch die ganze Zeit über versucht zu erklären. Sie … sie ist seine Freundin … seine beste Freundin, um genau zu sein. Und wenn ich ehrlich bin, dann … dann gehört sie auch zu meinem Freundeskreis.“ Der Pharao wich zurück. „Das … das ist doch …“ Mahaad warf dem Prinzen einen kurzen Blick zu, schweifte kurz ab zu der kleinen Straßendiebin und blickte dann den Pharao wieder fest an. „Und wenn ich so frei sein darf, dann habe ich die Vermutung, dass es sich bei diesem Mädchen um die...“ Aknamkanon schäumte vor Wut, das war ihm anzusehen, doch Mahaad wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Er straffte sich. „Ich habe die Vermutung, dass es sich bei Thia um die vor Jahren verschwundene Zwillingsschwester unseres Prinzen handelt.“ Nicht nur den Pharao schienen diese Worte zu verblüffen. Selbst die Wächter waren so erstaunt, dass sie einen Moment innehielten und Thia aus ihrem Griff entließen. Das Mädchen, das sich zuvor absichtlich schwer gemacht hatte, um ihre Verschleppung zu verlangsamen, prallte unsanft zu Boden und blickte geschockt auf Mahaad, der sie um Verzeihung heischend anblickte. Der Prinz selbst warf Mahaad einen verständnislosen Blick zu. Was er da gerade gehört hatte, konnte absolut nicht der Wahrheit entsprechen, denn soweit er sich erinnern konnte, hatte er niemals eine Schwester gehabt, schon gar nicht eine Zwillingsschwester. Und doch schlichen sich sofort leise Zweifel in seine Gedanken, als er Thia anblickte. Das lange schwarze Haar, der blonde Pony sowie die lilafarbenen Strähnchen in ihren Haaren – selbst ihre Augen, die von derselben Farbe waren wie seine, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es möglich war, dass hier seine seit langem verschollene Zwillingsschwester war, von der er selbst vielleicht nichts wusste. Wütend blickte er seinen Vater an. „Was soll das heißen Zwillingsschwester? Soweit mir bekannt ist, hatte ich nie eine Schwester.“ Aknamkanon seufzte – ein Umstand, der den Prinzen sofort beunruhigte. Was ging hier vor? „Vater?“, fragte er und ein Hauch Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. „Du hattest eine Schwester …“, gab sein Vater schließlich zu. Der Prinz schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht möglich sein. „Aber … das beweist überhaupt nicht, dass dieses …. diese Straßengöre meine Tochter ist!“, schrie er Mahaad an, der unsicher zurücktaumelte. Thia sprang in der Zwischenzeit auf die Beine und blickte ratlos auf den jungen Thronfolger, der sie mit einem forschenden Blick musterte. War es tatsächlich möglich, dass sie beide mehr verband als nur Freundschaft? „KIARA!!!!“ Obwohl Seto sich fast die Lunge aus dem Leib schrie, hatte er das Gefühl, Kiara würde ihn nur sehr schwer hören. Doch offenbar hatte er Erfolg gehabt, denn Kiaras Augenlider flackerten und schließlich öffnete sie die Augen. Verwirrt sah sie Seto an und rappelte sie mühsam auf. In ihrem Kopf herrschte ein vollkommenes Durcheinander und immer noch schwirrten Bilder aus ihrer Vergangenheit in ihrem Schädel herum. „Wird ja Zeit, dass du dich endlich mal wieder dazu durchringst, mir deine Aufmerksamkeit zu schenken.“, fauchte Kaiba und zog Kiara gänzlich auf die Beine. „Was … was ist denn passiert?“ „Na ja, abgesehen davon, dass wir wahrscheinlich kilometerweit durch die Luft geflogen, irgendwo gelandet sind, wo uns wahrscheinlich nicht einmal Ratten hin folgen werden und von Geistern umgeben sind, würde ich sagen… es ist alles wie immer – vollkommen verrückt.“ Kiara blinzelte ihn verwirrt an. „Geister?“, fragte sie und blickte sich um. Überraschung machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie befanden sich in einer Art Höhle – eine Höhle, die so gigantisch war, dass sie das Gefühl hatte, eine kleine Maus zu sein. Es herrschte vollkommene Dunkelheit. Das einzige Licht, was die Höhle ein wenig erhellte, stammte von zwei schmalen Säulen, in denen … Kiara riss die Augen auf. Die Säulen waren nicht leer … stattdessen schwebten in ihnen die Seelen des Pharaos und ihres Bruders. Beide hatten die Augen geschlossen. Kiara riss sich von Kaiba los und raste auf sie zu. „Yugi! Pharao!“ Zu ihrer Überraschung öffneten sie die Augen und blickten sich verwirrt um – bis ihr Blick auf Kiara fiel. „Was … was machst du hier?“, fragte Yugi, der augenblicklich von Sorgen befallen wurde, als er seine Schwester erblickte. Kiara war den Tränen nahe. Obwohl sie wusste, dass sie in der größten Klemme ihres Lebens steckte, war sie erleichtert. Die Tatsache, dass ihr Bruder und ihr bester Freund bei ihr waren, machte die Situation beinah sofort ein wenig angenehmer. Sie würden sie nicht allein lassen, da war sie sich sicher. „Ich hole euch hier raus.“, flüsterte sie, während sie ihre Stirn gegen die Säule lehnte, in der Yugi gefangen war. „Und dürfen wir auch erfahren, wie du dir das vorgestellt hast?“, fragte der Pharao, dem klar war, dass Kiara vielleicht mehr riskierte, als sie offenbarte. Kiara wandte den Blick ab, was für ihn Antwort genug war. „Nein, das kannst du nicht machen!“; rief er wütend und fing sich einen ratlosen Blick von Yugi ein. „Wovon redest du denn?“ Der Pharao verengte die Augen. „Kiara hat vor, sich mit Aknadin auf ein Spiel der Schatten einzulassen, um uns zu befreien.“ Yugi riss die Augen auf und wandte sich seiner Schwester zu. „Das ist viel zu gefährlich, Kiara! Du weißt doch überhaupt nicht, mit welchen Tricks Aknadin arbeitet. Tu das nicht!“ „Und kannst du mir vielleicht mal verraten, wie ich euch dann befreien soll, wenn nicht…“ „Aber das, was du vorhast, ist viel zu riskant. Da steht mehr auf dem Spiel, als du dir vielleicht denken kannst.“ „Ich will dich in deiner Schweigeminute ja nicht unterbrechen, Kiara, aber würdest du mir vielleicht mal verraten, was hier vor sich geht?“, ging Kaiba dazwischen, der sich zwischenzeitlich neben sie gesellt hatte und interessiert das Innere der beiden Säulen beäugte. Kiara blickte ihn überrascht an. „Hörst du sie denn nicht?“ „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ „Kaiba kann uns nicht hören, Kiara! Die einzige, die uns versteht, bist du.“ „Aber …“ „Die Säulen sind so konstruiert, dass wir eigentlich mit niemanden hier in Kontakt treten können. Der Millenniumsgürtel hilft uns aber, diese Barriere zu durchbrechen.“, klärte der Pharao sie auf. Kiara schluckte. Kein Wunder, dass Kaiba sie für vollkommen abgedreht hielt. „Wenn du irgendwann in diesem Jahrhundert noch vorhast, mir zu erklären, was hier vor sich geht, tu dir keinen Zwang an.“, knurrte Seto, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Im Übrigen würde es mich interessieren, was du hier gerade für eine Show abgezogen hast.“ Das Mädchen runzelte die Stirn. „Was meinst du?“ „Deinen Anfall eben. Die blauen Flecke werde ich dir in Rechnung stellen.“ „Ehrlich, Seto, ich hab keine Ahnung, wovon zu sprichst.“ Kaiba hob eine Augenbraue. Es war offensichtlich, dass er ihr nicht glaubte. „Nur zur Erinnerung: Du hast um dich geschlagen, gezittert wie Espenlaub, geschrieen … soll ich weiter machen?“ Kiara blinzelte überrascht. War sie tatsächlich so ausgeflippt, als sie gerade diese Vision von der Vergangenheit gehabt hatte? Das schien ja ein toller Anfang zu sein. Hoffentlich würde es jetzt nicht immer so vonstatten gehen. „Weißt du, Kaiba…“, begann Kiara, hob jedoch selbstbewusst den Blick, als die Seele der Prinzessin die Kontrolle übernahm, „ich denke, dass du nicht alles wissen musst, was in meinen schlauen Köpfchen passiert.“, brummte sie und wandte sich wieder ihrem Bruder zu. Der Pharao blickte sie überrascht an. Yamika wirkte anders… selbstbewusster, aber auch arroganter – und wütend. „Was ist los?“, fragte er verwirrt. Yamika zuckte mit den Schultern. „Was soll sein?“ „Seit wann führst du dich so auf?“ Yamika lächelte überheblich. „Seit mir endlich mal jemand erklärt hat, dass ich nicht das bin, was ich bisher glaubte zu sein.“ „Was …“ „Komm schon, Brüderchen. Willst du mir allen Ernstes weismachen, dass du nicht wusstest, dass ich selbst nicht im Gürtel lebe, sondern ein abgetrennter Teil von Kiaras Seele bin?“ „Was soll das heißen?“ „Hast du es nicht verstanden, Yami? Kiara leidet unter Schizophrenie, seit sie den Gürtel hat.“ „Schizophrenie?“ „Seelenspaltung, Brüderchen! Seit Kiara den Gürtel besitzt, bin ich von ihr getrennt … Kiara hat zwei Persönlichkeiten … mich und sich selbst. Normalerweise sind wir eigentlich ein- und dieselbe Person, dummerweise hat der Gürtel ein wenig in unserer Seele herumgepfuscht.“ „Du lebst überhaupt nicht Gürtel?“ Yamika verzog das Gesicht. „Jetzt tu doch nicht so, als hättest du das nicht gewusst! Du hast genau gewusst, dass Kiara und ich eigentlich eine Person sind. Du wusstest, dass ich in Wahrheit niemals im Gürtel existierte. Du hast genau gewusst, dass sich Kiaras eigenes Ich gespalten hatte, als sie den Gürtel das erste Mal angelegt hat! Warum hast du es nur nie für nötig erachtet, uns – mir das zu sagen? Warum mussten wir uns die Blöße geben und uns das von einem Geist erklären lassen, der dich vernichten will?“, fauchte Yamika wütend und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. Yami schüttelte verzweifelt den Kopf. Wie sollte er ihr nur klar machen, dass er von alldem nichts gewusst hatte? „Kiara … Yamika … wer auch immer du gerade bist, glaub mir … weder Yugi noch ich hatten irgendetwas von diesem … Phänomen gewusst.“ „Bist du dir da sicher?“ „Komm schon, Prinzessin! Warum hätte Yugi uns das verheimlichen sollen?“ Yami prallte zurück. Obwohl sich Yamikas Statur nicht verändert hatte, wie es sonst der Fall war, wenn sie die Positionen tauschten, hatte sie plötzlich die Stimme von Kiara übernommen. Und erst jetzt wurde ihm die Tragweite des ganzen bewusst. Kiara hatte zwei Persönlichkeiten, sich selbst und die Prinzessin, und offenbar verlor sie gerade die Kontrolle über den Teil, der die Prinzessin verkörperte. Die Prinzessin war wütend – wütend auf ihn und fing an zu rebellieren. Ob er wollte oder nicht, er wurde soeben Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung der Prinzessin und Kiara. Das Bild änderte sich keineswegs, doch ihre Stimmfarbe ändert sich jedes Mal, wenn sie die Person wechselte. Schon nach kurzer Zeit war er vollkommen verwirrt. „Tu was, Pharao! Kiara verliert die Kontrolle über sich! Mach ihr klar, dass wir davon nichts gewusst haben!“, rief Yugi, dessen Gesicht voller Panik war. „Ja, aber wie?“ „Ich weiß nicht, du musst sie irgendwie beruhigen!“ „Mit so etwas hatte ich noch nie zu tun, ich hab keine Ahnung, was ich tun soll!“ „Sie ist verwirrt! Zu erfahren, dass man unter einer Seelenspaltung leidet, ist nicht gerade etwas, was einen erfreut.“ „Aber meine Schwester ist eigentlich nicht so.“ „Sie war bisher nicht so, aber das auch nur aus dem Grund, weil Kiara ihr Selbstbewusstsein noch hatte. Dadurch konnte sie die Prinzessin … konnte sie ihre zweite Persönlichkeit unter Kontrolle halten … aber sie ist gerade dabei sich zurückzuziehen. Das nutzt ihre zweite Hälfte jetzt aus und rebelliert. Wenn du nichts tust, dann haben wir es bald nur noch mit deiner Schwester zu tun, die offenbar ziemlich wütend auf dich zu sein scheint.“ Der Pharao gab einen knurrenden Laut von sich. Aknadin hatte ganze Arbeit geleistet. Wenn Kiara tatsächlich so verwirrt war, dann würde sie im Leben nicht dazu in der Lage zu sein, ein Spiel der Schatten zu bestreiten – geschweige denn, es zu gewinnen. „Kiara, hör mir zu!“ „Sie kann dich nicht hören!“, säuselte Yamika, während sie ihre Haarsträhne um den Zeigefinger wickelte und ihn verführerisch anblickte. Dem Pharao wurde augenblicklich eiskalt. Wie hatte ihm diese Wahrheit bisher nur verborgen bleiben können? Dass Kiara unter Schizophrenie litt war doch so offensichtlich, dass es ihnen normalerweise schon viel früher hätte auffallen müssen. „Hör mir zu, Yamika! Ich kann verstehen, dass du wütend bist, verwirrt, aber hör mir bitte zu: Dein Problem macht dich nicht zu einem schlimmen Menschen … das bist du nicht. Du bist trotz all dem immer noch du. Aber du kannst jetzt nicht anfangen, deine zweite Seite zu unterdrücken … ihr beide habt bisher auch immer harmoniert. Zerstöre diese Harmonie jetzt nicht, nur weil du etwas erfahren hast, was… was dir vielleicht nicht wirklich passt.“ „Nicht passt?“, schrie Yamika wütend. „Dieser gottverdammte Gürtel hat meine Seele zerstört! Ich hab gerade erfahren, dass ich eine komplette Irre bin! Und du bist der Meinung, dass mir das lediglich nicht passt?“ „Yamika!“ „Weißt du eigentlich, was das für ein Gefühl ist zu wissen, dass man nicht normal ist?“ „Natürlich weiß ich das? Glaubst du etwa, Yugi und mir geht es anders?“ „Und trotzdem habt ihr eure eigenen … Orte, an denen ihr zurückkehren könnt. Kiara und ich werden uns ewig in diesem Körper auf die Pelle rücken und uns einigen müssen, wer ans Ruder kommt und wer zurückstecken muss.“ „Yamika“, flüsterte Yami leise und blickte sie schließlich liebevoll an, „hör endlich auf. Natürlich ist es nicht einfach, aber … du bist doch bisher ohne dieses Wissen auch zu Recht gekommen. Warum machst du die Wahrheit jetzt zu einem Vorwand, völlig auszuticken? Und wenn du tausend Persönlichkeiten hast, Yamika, weißt du, wie egal mir das ist? Weißt du, wie egal Yugi das ist?“ „Sehr gut, Pharao! Weiter so!“, ermutigte Yugi ihn, als er bemerkte, dass ein Anflug von Unsicherheit Yamikas Gesicht beherrschte. Sie fing an, ihm zu glauben. „Wir lieben dich so wie du bist, Yamika! Das haben wir bisher und das werden wir auch weiterhin. Und glaub mir, von diesem … Problem haben weder ich noch Yugi etwas gewusst. Davon wusste niemand. Aber das spielt doch auch keine Rolle! Du bist doch vollkommen in Ordnung, so wie du bist! Und du bist auch keine Irre! Du bist unsere Kiara … meine Prinzessin! Also komm schon, lass deinen ruhigen Teil wieder ran!“ Yamika lächelte hilflos. „So ruhig ist sie gar nicht. Kiara hat eine verdammt große Klappe, das sagst du doch selbst immer. Sie ist leicht reizbar, lässt sich nichts sagen und hält sich doch tatsächlich für die beste Duellantin der Welt!“ „Mag schon sein, aber so unähnlich bist du ihr nicht. Du magst – normalerweise – ruhiger sein, als sie, aber … leicht reizbar … unverbesserlich … alles Eigenschaften, die du auch hast. Der einzige Unterschied ist euer Selbstbewusstsein, Yamika! Davon hat Kiara mehr als du.“ „Momentan sieht das aber anders aus.“ „Weil du sie unterdrückst und sie sich … falsch fühlt.“ Yamika blickte zur Seite. „Ich glaube, das hat sich mittlerweile auch wieder erledigt.“ „Was?“ „Das Falschfühlen. Sie hat dich gehört, Pharao, und ich glaube … du hast ihrem Selbstbewusstsein wieder neuen Auftrieb gegeben.“ „Und was wirst du jetzt tun?“ Ein unsicheres Schulterzucken war die Antwort. „Ich schätze, jetzt werde ich mich erstmal wieder beruhigen müssen.“ Erleichtert lächelte Yami. „Danke, Yamika.“ „Kein Problem. Wir … wir hätten uns wohl doch nicht so einfach … einschüchtern lassen sollen. Mag schon sein, dass es nicht angenehm ist, aber … bisher sind wir damit auch klar gekommen. Wär doch Blödsinn, es jetzt einfach auseinander brechen zu lassen, bloß weil wir die Wahrheit kennen.“ Yami grinste. „Und ich habe das Gefühl, jetzt spreche ich mich Kiara.“ Kiara zwinkerte. „Mit wem denn sonst? Ich meine, was hast du erwartet, dass ich mich ewig unterbuttern lasse? Nix da! So, wie es bisher war, war es hervorragend und so wird es auch bleiben, das heißt … vielleicht hat sie Lust, das Schattenduell gegen Aknadin für mich zu übernehmen.“ Yami hob überrascht eine Augenbraue und blickte zwei Sekunden später in das Gesicht von Yamika, die ihn ungläubig anstarrte. „Das meinte sie doch jetzt nicht ernst, oder?“ „Ähm …“ Der Pharao war verwirrt, wusste nicht, wie er reagieren sollte. Yamika zuckte mit den Schultern. „Kiara ist die Duellantenexpertin, also sollte sie sich darum kümmern.“ „Du hattest doch die Idee.“, warf Kiaras Teil augenblicklich ein. „Du warst so wahnsinnig und hast zugestimmt.“ „Weil du mich praktisch dazu gezwungen hast.“ „Schluss damit! Ihr beide macht mich wahnsinnig … oder du machst mich wahnsinnig. Warum … erscheint dein zweites Ich nicht einfach als Geist, so wie ihr es bisher gemacht habt?“, flehte Yami verzweifelt, der von dem Wechselspiel der Stimmen und Gesichtszüge noch völlig benommen war. Kiara – die das Ruder wieder übernommen hatte – lächelte. „Entschuldige. Es ist … grad noch ein wenig schwer, die … Kontrolle zu behalten.“ „Aknadin hätte dir das nie sagen dürfen.“, knurrte Yami, doch Kiara schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, ist es vielleicht besser so. Jetzt wird mir … uns auch vieles klarer.“ „Und wir werden uns auch wie bisher wieder einigen und keine Verwirrung mehr stiften. Alles wie bisher…“, fügte Yamika hinzu, deren blasse Silhouette neben Kiara erschienen war. Yami warf Yugi einen dankbaren Blick zu. „Danke, Yugi! Ohne deine Aufmunterung hätten wir es jetzt wahrscheinlich neben einem rachedurstigen Geist auch noch mit einer amoklaufenden Seele zu tun.“ Yugi nickte ihm zu. Yamika zog sich in ihren Körper zurück, während Kiara tief durchatmete. Und dann explodierte die Höhle in einem Meer aus grellem, weißen, kaltem Licht… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)