Lust for Blood von Akai-chan (One-Shots) ================================================================================ Kapitel 5: Bei Sonnenaufgang war's ---------------------------------- "Ich möchte die Sonne wiedersehen." Das war es, was er zu mir sagte. Luka hatte genug. Genug von seinem Leben, das schon längst keines mehr war. Und obwohl ich ihn darum bat, es nicht zu tun, wusste ich doch ganz genau, wie es ihm ging. Ich konnte ihn gut verstehen. Auch ich kann diese Art, wie wir endlos unser Dasein fristen, oft nicht ertragen. Ich frage mich, warum so viele Menschen unsterblich sein wollen. Oder warum sie Vampire so mögen. Die haben doch alle keine Ahnung... Es gibt absolut nichts Tolles daran, sich vom Blut anderer zu ernähren oder immer und immer wieder dabei zuzusehen, wie alle um dich herum älter werden und einer nach dem anderen sterben. Im Gegenteil, es ist die Hölle. Genau deshalb hatte ich mich immer auf Luka gestützt. Er war wie ich, ein Vampir. Ein Monster... Und er war mein Freund. Jahrelang waren wir zusammen unterwegs. Noch heute wundere ich mich manchmal, welch ein Zufall unsere Begegnung doch war. Immerhin war keiner von uns des anderen Erschaffer. Doch wie gesagt, wir waren Freunde, sehr gute sogar. Er bedeutete mir damals alles. Ich hätte sonst was für ihn getan. Dieses Mal war es eben sein Wunsch, noch einmal an den Strand zu gehen und die Sonne zu sehen. Ich brachte ihn hin und wir wussten beide, es würde seinen Tod bedeuten. Vielleicht auch den meinen, sollte ich zu lange bei ihm bleiben. Ich wartete zusammen mit ihm. Als ich die Sonne sah, bekam ich wieder Angst. Ich flehte ihn noch einmal an, wieder mit mir fort zu gehen, doch er blieb stur. Es hat mir das Herz gebrochen. Ich wollte ihn nicht verlieren. Was sollte ich denn bitte ohne ihn machen? Ich wäre nur wieder allein, ganz allein. 'Finde einen neuen 'Freund'.', hatte er mir gesagt. Idiot! Als ob das so einfach wäre. Als ob ich ihn einfach so ersetzen könnte. Was dachte er sich dabei? Wusste er denn wirklich nicht, was er mir bedeutete? Elender Ignorant... Er war mein einziger Freund, meine Familie. Mein ein und alles. Das, worum sich meine kleine Welt drehte. Und nun sollte ich das für immer verlieren? Ich hielt es nicht mehr aus, als ich ihn da am Strand brennen sah. Dieser Entschluss von ihm, mich so zu verlassen, tat weh. So unerträglich weh... Ich rannte fort. Einfach nur weg. Ganz weit weg. Wohin ich rannte, wusste ich selbst nicht richtig. Ich achtete nicht weiter auf den Weg. Ein paar Mal wäre ich sogar fast noch über irgend etwas gestolpert. Ich weiß nicht, wie lange oder wie weit ich rannte. Doch es war mir egal. Es war mir auch egal, ob ich nun weiter durchs Sonnenlicht rannte oder nicht. Zu rauchen hatte ich sowieso schon angefangen. Irgendwann blieb ich dann aber doch stehen. Keine Ahnung, wo ich war. Es interessierte mich auch nicht weiter. Plötzlich fühlte ich mich so schwach. Als könnte ich nicht einen Schritt mehr tun. Nicht einen einzigen... Ich sah zu Boden und ging schon im nächsten Moment zu Boden. Vor lauter Tränen konnte ich eh nicht mehr viel sehen. Ein Wunder, dass ich so dieses Loch in der Mauer gefunden habe. Ich kroch irgendwie hin und hinein. Dort blieb ich - ich weiß nicht, wie lange. Ich versteckte mich, weinte und fluchte. Am liebsten hätte ich mich für immer dort verkrochen. Das war mein erster Tag im neuen Jahrtausend. Mit Luka hatte ich alles verloren, wofür ich noch weiter gelebt hatte. Alles, wofür ich all diese anderen Dinge immer ertragen hatte. Die ewige Dunkelheit, die Angst vor der Sonne, diese verdammte Bluttrinkerei... Alles nur für ihn, nur für ihn. Um weiter bei ihm sein zu können. Und nun war er weg, zu Asche verbrannt. Und auch, wenn ich nun keinen Sinn mehr in meinem eigenen Dasein sehen konnte, hatte ich nicht bei ihm bleiben und mit ihm sterben können. Ich hasste mich dafür. Ich hasste mich so abgrundtief. Wie hatte ich nur so feige sein können? Warum hatte ich so eine tiefe Furcht vor der Sonne oder vor dem endgültigen Sterben haben können? Ich weiß es nicht. Aber seither hat sich nichts verändert. Noch immer schleppe ich mich in dieser versüfften Stadt umher. Noch immer habe ich kein Ziel, keinen Grund noch weiter zu machen. Noch immer fühle ich mich leer und ausgebrannt. Ein Vampir mit Burn-out-Syndrom. Es ist zum Kotzen. Oft frage ich mich, was mich eigentlich noch hier hält, warum ich nicht endlich einen Schlussstrich ziehe. Viel zu oft stelle ich mir diese Frage. Und ich finde doch keine Antwort. Manchmal habe ich so meine Zweifel, ob es sie denn überhaupt gibt. Müde schließe ich die Augen und seufze. Das hat doch alles keinen Sinn mehr. Ich will nicht mehr. Ich will hier weg. Ich will dorthin, wo Luka jetzt ist, nur ohne erst noch Verbrennen zu müssen. Ohne Schmerzen. Doch andererseits möchte ich auch nicht so von hier fort - ohne meinen Frieden mit mir und der Welt gemacht zu haben. Schätze, genau das lässt mich so zögern. Scheiße, bin ich kompliziert... Und so liege ich wieder irgendwo in einem Hinterhof auf dem Boden, genauso verdreckt, versüfft und heruntergekommen wie Mallepa, und starre in die Gegend. Ich kann mich zu gar nichts mehr aufraffen. Absolut gar nichts. Nicht einmal zum Trinken habe ich die Kraft. Ich bin so bescheuert. Nicht einmal den kleinen Jungen, der da so hilflos vor mir steht, falle ich an. Es wäre so einfach. Ein schneller Griff, mit dem ich ihn zu mir ziehe, ein Biss in den Hals und das wäre es gewesen. Aber ich habe keine Lust. Ich habe einfach keine Lust... Das muss man sich auch mal reinziehen: Ein Vampir, der keinen Bock aufs Bluttrinken hat. Ich bin nicht nur bescheuert, sondern auch krank. Total krank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)