Coward von Haran (Unter der Erde) ================================================================================ Prolog: Der Anfang vom Ende --------------------------- Sie konnten mich nie leiden. Meine Flügel waren ihnen zu groß, mein Mut zu klein und mein Aussehen zu durchschnittlich. Hätten sie gewusst, dass ich als einziger von uns übrig bleiben würde, wäre meine Kindheit bestimmt angenehmer verlaufen. „Der Junge mit den großen Flügeln und dem kleinen Mut. Der war doch schon von Anfang an falsch herum!" Nach den Leuten zu urteilen konnte ich ja nichts werden. Meine Eltern litten damals sichtlich unter den Anstößen an ihrer Erziehung. Dass aus mir niemals ein Tunnelflieger, wie alle Männer, werden würde, zeigte sich mit meinem ersten Paar Flügel. Ich war noch klein und bekam die wunderschönen, golden-glänzenden Flügel der Unterirdischen. Jedes Kind erhielt sie an dessen 8 Geburtstag und jedes sehnte diesen Tag herbei, seid es von den Flügeln zum ersten Mal gehört hatte. Man konnte immer genau erkennen, welches Kind im Dorf Geburtstag hatte, denn es flog dann stolz und noch etwas unbeholfen keine 8 Fuß über der Erde. Nicht umsonst nannte man diesen Tag den "Tag der Käfer". Doch ich war anders. Ich fand das Glänzen zwar genauso schön, wie alle anderen Kinder auch, doch ich ließ mir die Flügel partout nicht anlegen. Meine Eltern versuchten es erst mit gutem Zureden, dann mit Drohungen und am Schluss mit Gewalt. Doch ich widersetze mich Allem. Sie brachten mich vielleicht dazu die Flügel auf dem Rücken zu tragen, aber zum fliegen konnte micht nichts bewegen. Meine Eltern gaben es dann schließlich auf. Ihre Ausrede für Neugierige war, dass ich es "selber lernen" sollte. Die Jahre vergingen und meine Flügel verstaubten unbenutzt in der Abstellkammer. Viel später erst, mit 13, wagte ich mich doch in die Höhe. Der erste Flug war ein Krampf, denn ich hatte schreckliche Angst, aber ich zwang mich. Als die Flügel auf meinen Schultern lagen und die Kontakte zu den Muskelpartien zum ersten Mal meine Haut durchstachen musste ich mir fest in den Arm beißen um nicht zu schreien. Der Schmerz verklang, aber die Rückenhalterung war zu klein und verusachte bläuliche Druckstellen. Am Ende flog ich zwar nicht lang und hoch, aber ich flog doch! Und das hatte mir schon gereicht, mich vollkommen berauscht. Der Traum, der Lebensinhalt jedes Unterirdischen. Meine Eltern konnten meine Gefühle wohl verstehen, als ich ihnen von meinem ersten Flug erzählte, aber sie kauften mir nicht meine gewünschten, passenden, Flügel. Sie sahen in mir wohl den Spätzünder, den Taugenichts, den Angsthasen. So kam ich dazu, dass ich mir meine Flügel selbst baute. Versteckt hinter einem großen Erdhaufen aus den Tunnelgrabungen werkelte ich neben der Schule und dem häuslichen Leben aus aussortierten Platten, die mir Jester, unser Flügelbauer im Dorf, gutmütig überließ meine Flügel zusammen. Als sie endlich fertig, austariert und geputzt waren, war ich unglaublich stolz. Die Platten gläntzten so wunderschön golden und machten ein wunderliches Geräusch, als sie im Zusammenspiel aneinander und übereinander rieben. Dieses Gefühl, Stolz, war ganz neu für mich, denn meine Kindheit verbrachte ich meist einsam. Die Bewunderung und den Stolz über meine Flügel teilte keiner mit mir. Meine Eltern schüttelten nur hoffnungslos den Kopf, als ich sie ihnen zeigte. Meine Schulkameraden hielten mit ihren Meinungen nicht so respektvoll hinterm Berg. "Hehe, der Angsthase, guckt euch diese riesigen Flügel an! Der bleibt doch in den Tunneln stecken!" "Wenn er sich überhaupt irgendwann mal reintraut!" Das Gelächter klingt mir bis heute in den Ohren. Doch letzten Endes war es genau eben diese Spannweite, die mir das Leben rettete und mir die Freiheit schenkte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)