Never Forget von Jiyuu ================================================================================ Kapitel 1: Never Forget ----------------------- Heute war wieder einer dieser Tage. Diese verflixten Tage, wo einem nur glückliche Pärchen über den Weg rennen, die nicht besseres zu tun haben, als sich gegenseitig ab zu schlecken. Oh wie er das hasste. Konnten die damit nicht mal aufhören? Selbst im Zug, in dem er wie jeden Tag saß, waren sie nur mit sich selbst beschäftigt. Oh du glückliche, heile Welt. Warum war sein Alltag immer nur trist und grau? Für ihn war nichts glücklich. Seit einem Jahr wurde er Tag für Tag von einer schwarzen Wolke begleitet, die sich wie eine zweite Haut um seine Seele gewunden hat. Er lebte nicht mehr richtig, machte alles nur noch wie ein Roboter der funktionierte. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat. Seit einem Jahr, denn da hatte sich schlagartig etwas in seinem Leben geändert. Und morgen war es dann so weit. Morgen würde wieder der schlimmste Tag seines Lebens sein, denn morgen jährte sich sein schlimmster Alptraum. Wie sollte er den Tag bloß überstehen? Den Tag einfach verschlafen? Ins Koma Saufen; das ist doch mal eine Idee. Dann musste er aber erst noch in den Supermarkt gehen und den nötigen Alkohol besorgen. Doch dazu hatte er jetzt keine Lust. Dann also doch nach Hause und darauf hoffen, den morgigen Tag irgendwie zu überstehen, ohne zu versuchen sich selber umzubringen. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und zog sich seinen Hut ins Gesicht, damit er niemanden ansehen brauchte und mit seinen Gedanken ganz alleine war. Eine Durchsage wünschte den aussteigenden Fahrgästen einen schönen Tag. Diese schlecht gemachten Bandansagen. Und der Sprecher so oberfreundlich mit einer total gekünstelten Stimme. Wie er das hasste. Und diese schreienden Kinder, die immer durch den Zug rannten. Auch sie trugen nicht gerade zu seiner guten Laune bei. Jetzt verkündete die gekünstelte Stimme, dass der nächste Halt der Friedhof sei. Der Friedhof. Lange war er nicht mehr da gewesen. Um genauer zu sein, seit einem Jahr. Früher ging er regelmäßig auf den Friedhof zu seiner verstorbenen Großmutter. Aber seit einem Jahr konnte er es nicht mehr. Sein Psychiater riet ihm schon öfter, den Friedhof aufzusuchen. Dadurch würde er es verarbeiten können. Aber er konnte nicht. Warum eigentlich nicht? Was ist schon dabei? Zum Friedhof gehen, das Grab aufsuchen und wieder verschwinden. Was ist so schwer daran? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er es seelisch nicht verkraften könnte. Aber so konnte es auch nicht weiter gehen. Warum nicht versuchen? Nur so weit gehen, wie man es schafft. Umdrehen kann man immer. Er hatte seinen Entschluss gefasst. Die nächste Haltestelle sollte seine sein. Nachdem der Zug zum Stillstand gekommen war, war Kyo der erste der aus diesem gesprungen war. Er ging den verlassenen Weg zum Friedhof hoch. Kaum eine Menschenseele war unterwegs, kein Wunder, bei dem Wetter. Nur der Friedhofsgärtner harkte auf einer Wiese das Laub zusammen. Man merkte, dass es auf den Winter zuging. Die Blätter waren braun und teilweise von den Bäumen gefallen, es zog ein eisiger Wind und leichter Nieselregen hing in der Luft. Kyo schlug seinen Kragen hoch, zog den Hut tiefer ins Gesicht und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Er hätte es den anderen Menschen im Zug gleich tun und nach Hause fahren sollen. Er ging weiter den Weg hinauf. Wie sollte er jetzt das Grab finden? Er wusste doch gar nicht wo es war, denn er hatte die Kraft, zur Beerdigung zu gehen, nicht aufbringen können. So ging er den ganzen Friedhof ab, immer auf der Suche nach ihrem Namen auf dem Grabstein. Nach einiger Zeit des stummen Suchens fand er ihr Grab. Er blieb davor stehen und schaute Ausdruckslos auf den Grabstein. Alles kam wieder hoch. Die Bilder die er so schön verdrängt hatte zogen wieder an seinem geistigen Auge vorbei. Er ging noch ein paar Schritte auf das Grab zu und strich zärtlich mit der Hand über den eingravierten Namen. Er versuchte die Tränen zurück zu halten, doch sie rannen unaufhaltsam sein Gesicht hinab und zogen eine brennende Spur hinter sich her. Kraftlos ließ er sich auf den vom Regen nassen Boden fallen. Rückblick Es war spät, trotzdem feierten alle noch ausgelassen. Er wollte eigentlich keinen großen Wirbel drum machen, aber seine Freunde meinten, eine Verlobung müsste ordentlich gefeiert werden. Vor einer Woche hatte er es getan. Er hatte sie zum Essen ausgeführt und beim Nachtisch war es dann so weit. Er stand auf, kniete sich vor seine Freundin und hielt um ihre Hand an. Extrem nervös wartete er auf ihre Antwort. Vor Anspannung verstand er nicht richtig, was sie gesagt hatte und musste daher noch einmal nachfragen. Ihm fiel ein großer Stein vom Herzen, als sie den Antrag annahm. Seitdem war er der glücklichste Mensch auf Erden. Er wollte die Verlobung nicht an die große Glocke hängen, aber seine Freunde waren da anderer Meinung. Sie hatten eine Halle gemietet und alles organisiert. Und nun war er hier. Er saß an einem Tisch mit seiner Verlobten und seinen engsten Freunden. „Na, wann soll den der große Tag sein?“, fragte Toshiya neugierig. „Weiß ich noch nicht, was meinst du Schatz?“, sagte Kyo und guckt die wichtigste Frau in seinem Leben an. „Möchtest du dir das jetzt überlegen?“, fragte sie zurück. „Nein, wir haben ja Zeit.“ „Ich… Ich möchte dir noch was sagen.“, sagte sie und drehte sich zu Kyo. Sie nahm seine Hand in ihre und er guckte sie neugierig an: „Was ist denn? Ist es was Schlimmes?“ „Nein… Nein. Ich hab es erst heute Morgen erfahren. Ich… Wir werden Eltern.“ Man sah richtig wie es hinter Kyos Stirn arbeitete und die Information durchsickerte. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und er nahm seine Zukünftige überschwänglich in den Arm: „Das ist ja wunderbar!“ „Herzlichen Glückwunsch euch beiden“, schallte es von allen Seiten. Kyo war so überglücklich, dass er den Rest des Abends nicht mehr wirklich mitbekam. Er hatte nur noch Augen für seine Verlobte. Später äußerte sie, dass sie gerne nach Hause möchte und die Beiden machten sich auf den Weg. Kyo setzte sich hinters Steuer und fuhr los. In der ersten Kurve passierte es dann. Der entgegenkommende Wagen fuhr ihm mit voller Wucht ins Auto. Der Wagen wurde gegen die am Fahrbahnrand stehenden Bäume geschleudert. Das was danach passierte, nahm Kyo nur wie durch einen Schleier war. Er hatte eine starke Platzwunde an der Stirn. Er drehte den Kopf zu seiner Verlobten und sah, dass sie sich nicht mehr rührte. Die Beifahrertür war sehr stark eingedrückt. Danach verlor er das Bewusstsein und wurde erst wieder wach, als man ihn aus dem Auto gezogen hatte. Er lag auf einer Trage und in einiger Entfernung sah er das Autowrack. Wenn man es denn noch als Auto bezeichnen konnte. Der Motor war durch die Wucht des Aufpralls herausgerissen worden und lag fünf Meter vom Auto entfernt. Die ganze rechte Seite war durch die Bäume stark eingedrückt und die Motorhaube ließ sich nur noch erahnen. Er schaute sich um. Überall war Blaulicht und niemand schien sich um ihn zu kümmern. Alle standen neben dem Rettungswagen. Kyo setzte sich auf, sodass er mehr sehen konnte. Er hörte, wie der Polizist sagte, dass der andere Fahrer betrunken gewesen sei. Jetzt erkannte er, dass noch jemand auf einer Trage lag, mit einer schwarzen Decke abgedeckt. Wo war eigentlich seine Verlobte? Hatte man sie schon ins Krankenhaus gebracht? Jetzt bekam er Panik. Hoffentlich war mit ihr nichts Ernstes. Einer der Polizisten wurde auf ihn aufmerksam und kam auf ihn zu. „Was ist mit meiner Verlobten?“, fragte er den Beamten. Der Beamte senkte den kopf und schaute auf den Boden. Als er ihn wieder hob und Kyo direkt in die Augen sah sagte er: „Es tut mir sehr Leid, aber für ihre Verlobte kam jede Hilfe zu spät.“ Nein! Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! „Nein… nein, nein, nein… nein, nein, NEIN!“, murmelte Kyo vor sich hin und wurde zum Ende hin immer lauter. „Warum? Warum sie? Warum nicht ich? Oder der andere? WARUM?“, schrie er den Polizisten an. Einer der Notärzte kam auf ihn zu und gab ihm ein Beruhigungsmittel. An das was danach passierte kann Kyo sich kaum noch erinnern. Rückblick Ende Weinend saß er vor dem Grabstein und flüsterte: „Warum? Warum du? Warum hast du mich verlassen? Warum bin ich nicht den Weg gefahren, den du fahren wolltest? Dann wärst du jetzt noch hier. Ich liebe dich doch… Ich liebe dich.“ Er wischte sich fahrig über das Gesicht und rappelte sich wieder auf. Schniefend strich er mit der Hand über den Grabstein. „Morgen komme ich wieder, jeden Tag.“ Er drehte sich wieder um und verließ den Friedhof mit dem Gefühl, dass er den Unfall jetzt endlich verarbeiten könnte. Zu Hause in seiner Wohnung hängte er seine Jacke auf und ging zielstrebig zu einer Schublade im Wohnimmerschrank. Er zog sie auf und holte ein Fotoalbum raus. Sich die Bilder ansehend, zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. Sanft strich er über ein schönes Bild seiner Verlobten: „Ich werde dich nie vergessen, ich werde dich immer lieben, Shizuko!“ Und? Ich würde mich sehr über Kritik und Lob freuen^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)