Die Blutfinke von Samantha (Wenn die Phantasie zur Waffe wird) ================================================================================ Kühle Luft ---------- Sie hatte sich eine Jacke angezogen und verließ nahezu fluchtartig das Haus. Ich wäre beinahe verrückt geworden, dachte sie. Marie-Louise war derart aufgebracht, dass sie vergessen hatte die Haustür ab zu schließen. Der kleine Junge klemmte seinen Block unter den Arm und krallte den Kugelschreiber fest in seine kleine Hand. Er lief ihr nach. Die Haustür blieb offen. Er musste beim Laufen immer wieder die übergroße schlottrige Hose hochziehen. Sie beachtete ihn nicht. Die kühle Luft erfrischte Marie-Louise. Sie sog sie tief ein und atmete langsam aus. Die Kühle der Nacht benetzte ihre Haut und haftete sich an ihre Kleidung. Die Dunkelheit umhüllte sie sanft. Von den umliegenden Häuser drang kein Lärm auf die leere Straße, manche Fenster wurden schwach von Innen erhellt. Die Nacht war sternenklar und geleitete das Neonlicht der Straßenlampen. Marie-Louise blickte um sich. Sie war selten einmal um diese Zeit auf den Straßen; sie musste doch immer um diese Zeit zu Hause sein. Nun erschienen ihr die bekannten Straßen und Gegenden kalt und fremd. Der Junge eilte ihr hinterher. Hatte sie ihn bemerkt? Er ging sehr leise, denn er trug nur Socken. Sie drehte sich nicht um. Was war denn heute Abend los, fragte sich Marie-Louise. Warum kamen ihr diese ... Halluzinationen? Warum dachte sie, in der Marmelade und im Brot wären tote Embryonen? Lag es an den Film in der Schule? Sie möchte unter keinem Fall abtreiben, aber in der Schule hieß es, dann könne jedem Mädchen geschehen ... Sie fühlte sich so machtlos. Sie schwitzte. Eigentlich verspürte sie Müdigkeit, aber sie wollte nicht zu Hause sein. Wenn die Eltern schon weg waren, weshalb sollte sie dann daheim sitzen? Sicher, den Eltern wäre es nicht recht gewesen, dass sie allein durch die Nacht eilte, aber sie würden es nicht erfahren, grinste sie trotzig. Sie schaute um. Der Junge war folgte ihr! Sie sah ihm in der Dunkelheit, sein Zeichenblock scheuerte beim Gehen ein Wenig an seiner Hose. „Warum bist du mir nach?“ fragte sie. „Du hättest doch zu Hause bleiben sollen, bis meine Eltern kommen.“ Der Junge kam keuchend näher. Kaum hatte er Marie-Louise erreicht, ging sie weiter. „Was soll ich bloß den Eltern sagen? Ich weiß ja nicht einmal woher du kommst“, zeterte sie. Ihre Stirn lang in Runzeln. Sie würden von ihr Erklärungen verlangen, die sie nicht wusste. Dann würden sie ihr sagen, wie oberflächlich sie sei und dass sie damit im Leben nie Erfolg hätte… Er keuchte hinter ihr her. Mühsam hielt er sich den Zeichenblock vor die Brust und kritzelte etwas. Es sah aus wie ein Gesicht mit Beinen, daneben eine senkrechte Linie mit einer strahlenden Kugel an der Spitze. Er lief vor und zeigte ihr seine Zeichnung. „Was soll das sein?“ fragte sie. Er konnte nichts sagen. Sie wandte sich ab und schritt weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)