Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 40: Drink Me -------------------- Tage vergingen. Nicht schnell. Nicht so, dass man das Gefühl hatte, eine Atempause einzulegen und erstmal verschnaufen zu müssen. So kam es Jazmin jedenfalls vor. Ihr altes Leben war geprägt von Tempo und Hast. Rennen, Laufen, ohne Pause, jetzt im hier, später im morgen. Dagegen war es hier wie auf einer Rolltreppe. Man steht ganz unten blickt hinauf zum Ziel. Man kann noch nicht über den Rand schauen, doch man weiß, was einen dort erwartet. Und die Zeit scheint nicht ein kleines bisschen zu vergehen. Zentimeter für Zentimeter bewegt man sich nach oben. Doch neben der Neugier, die sie für diese neue Ebene empfand, war da noch etwas, was sie dämpfte. Sie wollte gar nicht ans Ziel kommen, sie wollte die Zeit so lange es ging hinaus zögern. Denn was sie dort erwartete, war nicht das Leben in Freiheit, nein, es war das Ende. Das Ende, das ihr der Joker prophezeite. Und man muss wissen, er steht zu seinem Wort. Noch Tage nach dem erschreckendem Anruf war Jazmin ein Häufchen Elend, das mit tiefen Augenringen, die trotz dessen, dass sie angeschwollen waren wie ein Gummiboot, wachsam und schreckhaft um sich blickten. Jeden Stein umzudrehen vermochten, hinter jede Ecke schauten und sich nicht eine Sekunde der Ruhe gönnen, die hätte zum Verhängnis werden können. Nachts träumte sie davon, von ihm, wie er aus der Dunkelheit kam, wie eine Katze, im Sprung zum Tiger wurde und ihr die Augen auskratze und ihr in Arme und Beine biss. Bruce bekam davon nichts mit. Er hatte nie etwas von dem Anruf erfahren. Es war ja nichts neues, das Jazmin wenig sprach, dass sie Kontakte mied und Opfer ihres geistigen Gefängnisses war. Nicht aus dem Bann der Fantasie und Fabelwelt ausbrechen konnte, so sehr sie es auch wollte. Aus Tagen wurden Wochen. Und nichts geschah. Kein Clown, der mit geschärfter Klinge hinter der Tür auf sein Opfer wartete, keine Drohanrufe, kein gar nichts. Jazmin kam zu dem Entschluss, das alles nur Einbildung war. Ich war müde..., sagte sie sich. Alles Traum oder Trance. Alles nur ein Produkt ihrer grandiosen, Angst einflößenden Fantasie. Zu viel Phantom der Oper und Alice im Wunderland im Hirn. Und eines nachts träumte sie weder vom Tiger noch von der Dunkelheit. Sie träumte von einer Wiese. Nichts besonderes. Auf ihr wuchsen nicht einmal Blumen. Einfach nur saftig grünes Gras, das ihr an den nackten Knöcheln kitzelte. Und am morgen danach beschloss sie, alles ein für alle Male zu vergessen. Alles. Den ganzen Anfang, ihre komplette bisherige Existenz, ihre Erinnerungen. Am liebsten hätte sie sogar sich selbst vergessen. Und die Motivation, der Übermut der Veränderung, der guten Veränderung überkam sie ein zweites Mal, wie im Wayne Manor. Nun lebte sie. Zwar tat sie jeden Tag nichts anderes, außer im großen Appartement Bruces zu sitzen und sich Gedanken zu machen. Aber nicht Gedanken über wichtige Sachen, nicht wie sonst, sondern darüber, was sie wohl am Abend tragen würde. Welcher Schmuck und welche Schuhe zu dem Weinroten Kleid passen würde, dass sie heute im Restaurant tragen würde. Über die Frisur und wie sie ihr hübsches Gesicht am besten zur Geltung bringen würde. Bruce traf sich am Abend mit einigen wichtigen Leuten in der Stadt. Er hatte ein Hotelzimmer gemietet für Jazmin, versteht sich, da er danach noch geschäftliche Dinge außerhalb der Stadt erledigen müsste und Jazmin besser im Hotel aufgehoben wäre, als allein im Appartement. Das weinrote Kleid war wirklich ein Traum. Es war ziemlich kurz und sah daher zwar eher aus wie ein langes Top als ein Kleid, doch stand dem nichts in Sachen Eleganz nach. Es bedeckte kaum Jazmins Oberschenkel und presste ihre dünne Figur in einen Schlauch aus Stoff. Das Dekolleté war tief, wahrscheinlich zu tief für ein Restaurant, aber Jazmin hatte nichts dagegen aufzufallen, außerdem konnte sie ja zeigen, was sie hatte. Alles, was noch von diesem Anblick hätte ablenken können, wären die 15 Zentimeter Absätze an den roten Lackschuhen gewesen. Ihre Haare waren etwas schlampig hoch gesteckt, sodass einige Strähnen an den Seiten achtlos heraus fielen. Ihre vollen Lippen zierte ein dunkel roter Lippenstift, der sich farblich perfekt an das Kleid anzupassen schien. Der Anblick dieser Frau unterschied sich so sehr von dem vor einigen Wochen. Aus schwarz ward rot. Aus grauer Zurückhaltung wurde auffallende Provokation. Wenn sie nicht in eine Limosine eingestiegen wäre, hätte man meinen können, sie würde sich auf die dunklen Straßen in zwiespältige Lokale begeben. Das schwarze Gefährt im Strech- Stil fuhr sie in die City in eine Straße, die schon von weitem strahlte und schien und die Nacht Gothams erhellte. Am Eingang des Restaurants das übliche Spiel, Blicke, Rufe, Kameras. Doch anders als zuvor mochte Jazmin es jetzt, mit der Aufmerksamkeit anderer zu spielen. Blicke auf sich zu ziehen und vielleicht sogar etwas Empörung zu ernten. Sie tat doch sonst nichts anderes. Hey, sie hatte halb Gotham in Brand gesteckt, da war so ein kurzes Kleidchen doch gar nichts. Sie betraten das Restaurant, Bruce ging voran und bahnte sich und Jazmin einen Weg durch Stühle, Tische und Kellner. Von außen strahlte das nette lokal nicht halb soviel Charme aus, wie es das von innen tat. Es erinnerte an den Spiegelsaal in Versailles, die Wände waren golden und Glas und aufwendigen Verzierungen bestimmten den edlen Stil, der fast verschwenderisch schien. Genau wie Schmuckstücke in Form von Perlen, Diamanten und Smaragden an schlanken Hälsen zu junger Damen in Begleitungen zu alter Herren, die ihre Väter hätten sein können, schimmerte und versuchten, sich gegenseitig zu überbieten. Jazmin fiel also kaum auf in ihrem zu engen und zu kurzem Kleid, denn den Preis für das tiefste Dekoltée und die höchsten Absätze waren schon längst an blutjunge, Geld geile Frauen gegangen. Bruce steuerte auf einen gut gedeckten Tisch in der hinteren Ecke des Lokals zu, an dem schon zwei Pärchen saßen und sich gemütlich bei der zweiten Runde Wein unterhielten. Bruce begrüße alle auffällig, als hielte er eine Rede über schon längst vergangene Freundschaften, die nun wieder gemeinsame Bande fanden. Jazmin hielt sich diskret hinter ihm, die Arme schüchtern die kleine Handtasche, die nicht größer als ein Portemonnaie war, vor dem Körper haltend und freundlich, aber zurückhaltend und taxierend in die Runde nickend. Und noch bevor die ersten neugierigen Fragen nach seiner Begleitung und derer verwechselnden Ähnlichkeit mit der aus dem Theater gestellt wurden konnten, nahm Bruce diese für ihn keines Wegs unangenehme Aufgabe in die Hand. Er trat zur Seite und legte den Arm leicht um Jazmins Hüfte. Doch anstatt nun die Katze aus dem Sack zu lassen, wiederholte er lediglich seine Worte, die nun in fetten Lettern in allen Boulevardzeitschriften prangten und fügte nur noch den Namen der Unbekannten hinzu. Beide setzten sich und dann begann der Teil, den Jazmin schon den ganzen Abend gefürchtet hatte: die Langeweile. Nun würde sich der Geschäftsmann mit den anderen Geschäftsmännern stundenlang über Geschäfte unterhalten. Schon bei dem Gedanken musste sie gähnen. Neben den zwei älteren Herren im teuren Armani Anzug saßen noch zwei junge Hüpfer mit am Tisch, die nicht älter waren als Jazmin selbst. Sie saßen ihr ebenfalls gelangweilt dreinschauend gegenüber, doch musterten Jazmin mit einem argwöhnischen Blick. Aus zugeschminkten Augen starrte sie der pure Neid an. Dazu brauchte man kein Psychologe sein, um das herauszufinden. Sie hatten wahrscheinlich die selben Vorurteile gegenüber Jazmin. Kein Wunder, denn Frauen die sich mit Bruce Wayne abgaben hatten nur einmal im Lotto Glück. Am nächsten Abend würde auf Jazmins Platz eine andere blutjunge Schönheit sitzen und am Tag darauf wieder eine andere. Da war es doch schon Vorteilhafter die alten Säcke auch zu heiraten, denn wenn sie einmal gestorben sind, lässt sich's leichter Leben mit dem Erbe. Die Zeit schlich dahin, genau wie der Kellner, der schon vor einer halben Stunde die Getränke bringen wollte und Jazmins aufrechte Haltung sank langsam in sich zusammen. In Gedanken versunken lauschte sie den Gesprächen, die von hier und da an ihr Ohr drangen. Verfolgte eine Weile die Konversation auf hohem Niveau über die neuste Kollektion von Louis Vuitton ihrer beiden Tischnachbarinnen, schwenkte weiter zu den Geschäftsmännern, als es zum Tratsch über Jazmins zu enges Kleid abdriftete und spielte, das Kinn auf der einen Hand abgestützt, mit der anderen an der Tischdecke. „Wie geht es überhaupt Wayne Enterprises? Naja, du weißt schon, nachdem...“, fragte der eine ältere Herr im adretten Anzug, der Bruce direkt gegenüber saß. Dieser machte sogleich gute Miene zum bösen Spiel und versuchte so souverän es ging zu antworten. „Der Einsturz des Wayne Tower war keinesfalls ein Einsturz von Wayne Enterprises. Natürlich ist es sehr tragisch, was geschehen ist, doch wir versuchen unser Möglichstes, den Angehörigen der Opfer Beistand zu leisten...auch finanziellen“ Die Stimmung am Tisch wurde schlagartig ruhig. Jegliche Gespräche wurden eingestellt und auch Jazmin blickte nun aufmerksam auf. Es war wahrscheinlich das größte Unglück gewesen, dass Gotham City je erlebt hatte und wahrscheinlich auch das schlimmste, was Bruce Wayne zugestoßen war. „Wurden schon genauere Ursachen des Einsturzes herausgefunden?“, klinkte sich nun der andere Herr ein. Doch bevor Bruce antworten konnte, fiel ihm die junge Dame zu seitens des älteren der beiden Herren ins Wort. „Also, ich habe gehört, dass der Wayne Tower nicht eingestürzt ist, sondern dass eine Art Anschlag auf ihn verübt wurde. In den Nachrichten brachten sie etwas über eine Explosion. Ich...ich glaube, der Joker hatte da seine Finger im Spiel“, sie senkte die Stimme verschwörerisch ab und schien froh darüber zu sein, mal was produktives beigetragen zu haben. Doch Bruce schüttelte sogleich den Kopf mit seinem „Don't Worry“- Lächeln auf den Lippen, dabei schaute er dem jungen Fräulein fest in die Augen. „Hören Sie doch nicht auf solchen Unsinn. Die Stahlträger waren gerostet und brachen nun unter der Last der Wände zusammen. Der Joker hatte rein gar nichts damit zu tun“ Er wollte dem Thema so schnell es ging ein Ende setzen. Und wie gerufen erschien der Kellner, der schon vermisst gemeldet werden wollte, und brachte sie lang ersehnten Getränke. Sofort kühlte die angeheizte Unterhaltung am Tisch ab und alle fixierten nur ihre Getränke und hofften insgeheim, dass der Keller auch so schnell wieder verschwinden würde, wie er aufgetaucht war. Bruce lehnte sich erleichtert zurück, genoss die kurzweilige Stille und überlegte schon angestrengt, mit welchem belanglosen Thema er das unangenehmere im Zaum halten könne. Doch sobald der Kellner dem Tisch den Rücken kehrte, beugten sich alle Beteiligten wieder über den Tisch, um die Unterhaltung so diskret es ihnen möglich war, fortzuführen. "Man hat lange nichts mehr von dem Joker gehört. Vielleicht war das ja sein letzter großer Auftritt und Gotham könnte nun endlich wieder aufatmen“, sagte nun der andere Herr, der sich bisher zurück hielt. Bruce wollte dem etwas entgegnen, doch als ihm die junge Frau wieder das Wortabschnitt, merkte er, dass es nun keine Chance mehr gab, die Diskussion aufzuhalten. Jazmin hingegen hörte aufmerksam zu. Es war interessant, alles was geschah einmal von der anderen Seite, von der unschuldigen, außen stehenden Seite zu hören. Vielleicht war die Sache, in die sie verwickelt war doch nicht so „klein“. Sie beschloss das selbe zu tun, wie schon den ganzen Abend: zuhören. „Vielleicht hat der Dunkle Ritter die Straßen nun ein für alle Male von diesem Gesindel freigeräumt“, sagte nun die andere junge Dame, mit einem schwärmerischen Grinsen auf den Lippen. „Und was ist eigentlich mit dieser anderen, mir der Psychopathin, die aus der Klapse entflohen ist?“ Sofort blickte Jazmin das Fräulein ihr gegenüber an. Also erst einmal wurde sie entführt und ist nicht geflohen. Über das mit der Psychopathin könnte man sich auch streiten. Jazmin verzog verärgert das Gesicht. So dachte man also über sie. Kein Ruhm, keine Ehre, nur Verachtung. Schönen Dank auch. „Wer weiß, vielleicht planen sie auch wieder irgendwas. Bei dem Gedanken wird mir ganz übel. Vielleicht steht morgen schon unser Haus in Brand, Liebling“, ängstlich schaute sie zu ihrem Gatten hinüber, der aber nur Jazmin mit einem nachdenklichen Blick anschaute. Doch das schien die junge Dame wenig zu stören, die sie setzte gleich fort: „Wie kann man nur so krank sein? Das ist doch unmenschlich! Solche Leute gehören hinter Gitter und dann auf den Elektrischen Stuhl. Ich kann es gar nicht glauben, dass man die beiden noch nicht geschnappt hat! Ich kann erst wieder ruhig schlafen, wenn ich weiß, dass sie sie festgenommen haben. Bis dahin tu' ich kein Auge zu!“, nachdem sie ihrer künstlichen Empörung Luft gemacht hatte, schaute sie wieder ihren Gatten an und folgte seinem Blick in Richtung Jazmin. Die anderen taten dasselbe, bis die ganze Aufmerksamkeit bei Jazmin lag. Diese blickte verwirrt auf und konnte sich gar nicht daran erinnern, das Wort ergreifen gewollt zu haben. Der Herr ihr gegenüber löste seinen intensiven Blick und begann ein wenig in sich hineinzulächeln. „Tut mir Leid, ich wollte Sie nicht so aufdringlich anstarren, es ist nur...“, er lachte wieder beschämt in seinen imaginären Bart, „Sie sehen dem entflohenen Mädchen, das, was in den Nachrichten war, ziemlich ähnlich“ Doch anstatt, dass sich die Stimmung wieder lockerte, ruhten nun alle Blicke angespannt auf ihrem Gesicht und nickten in stiller Zustimmung. Bruce ließ sich seine aufkommende Nervosität nicht anmerken, er grinste nur weiter dämlich in die Runde. Jazmins Herz tat einen Sprung und erschrocken riss sie ihre hellgrauen Augen auf. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch es kamen nur gestotterte Wortfetzen heraus. Doch sie fing sich schnell und antwortete auf diese unverschämte Bemerkung: „Na, wenn das so ist, muss ich wohl demnächst anderes Make-up auftragen“ Stille. Plötzliches Gelächter aller Anwesenden. Jazmin lächelte zufrieden und setzte mit in das Lachen ein. „Bruce, dein Mädchen hat echt Sinn für Humor!“, sagte der eine Herr und bekam Zustimmung von allen Seiten. Bruces Gesichtszüge entspannten sich und belustigt nickte er. „Das hat sie. Ich weiß zwar nicht woher, aber ja, das hat sie“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)