Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 31: Sunshine Through The Rain ------------------------------------- Tage vergingen. Die Zeiger rannten über das Ziffernblatt, holten sich ein und rannten weiter, doch es schien kein Ziel für diesen Wettkampf in Sicht. Minute für Minute verstrich und verschwand in der unergründlichen Vergangenheit. Jazmin hatte seit Tagen keine frische Luft mehr geschnuppert. Der Käfig, in dem sie eingesperrt war, gebot ihr nun zwar einen Ausflug in die so hoch angepriesene, neue Welt, doch Jazmin wollte sie gar nicht sehen. Sie wollte nicht das tun, was man ihr vorschrieb, wobei es nur ein Angebot war. Sie bereute nie die Zeit, die sie hinter sich hatte, die Zeit, in der sie gefürchtet war, in der nicht sie sich fürchten musste. In der Zeit, in der sie leben konnte, wenn auch nicht hier, sondern in einer Welt, die so unreal war, dass man sie sich nicht einmal hätte erträumen können. Sie liebte und schätzte diese Welt. Sie gab ihr ein unbekanntes Gefühl von Kontrolle, wobei sie sich eher darauf verließ, dass der Joker diese besaß und ihr ein Leben schenkte, welches ihr die Sehnsüchte erfüllte, nach denen sie strebte. Es war wohl der einzige Teil ihres Lebens, den sie auch mit gutem Gewissen als Existenz bezeichnen konnte. Und sie bereute nichts. Weder die Opfer, die auf ihre Kosten gingen, noch das Leid und Unglück und vor allem die Angst, die sie in diese gerichtete, einfältige und geordnete Gesellschaft brachte. Es hätte so schön werden können. Doch auch sie hatte entdeckt, dass es hier nicht um sie ging. Wie so oft. Dass sie nur eine Waffe war, die, wenn sie keine Munition mehr besaß, einfach entsorgt wurde. Auf sie war verzichtbar, sie war nicht wichtig, kein Held, kein Schurke, kein gar nichts. Einfach nur ein unbedeutender Abschnitt in der Geschichte einer Metropole, die schon bald ein neues Highlight fand, auf die sie ihre Aufmerksamkeit richten konnte. Doch umso mehr ihre Überlegungen in diese Richtung gingen, desto mehr schenkte sie den Worten ihres ...Retters Glauben. Hatte er recht? Konnte er recht haben, wenn er sagte, sie könnte ein neues Leben anfangen, wenn nicht sogar...ein besseres? Was wäre, wenn ihre Karten neu gemischt würden, sie wäre nicht mehr sie, nicht mehr ein niemand, sie wäre ein Mensch. Sie hatte es endlich aus dem Bett geschafft und saß nun seit geraumer Zeit vor dem Fenster und starrte hinaus in den trüben Nachmittag. In lauen Tröpfchen rieselte der Regen vom grauen Himmel hinab auf die blutroten Rosen, auf die saftig grünen Bäume und auf das kleine Gewächshäuschen und bedeckte sie mit einer klaren Schicht aus Wasser. Vorsichtig bahnte sich die Sonne einen Weg durch die schier undurchdringbare Wolkenschicht und kämpfte sich durch den grauen Schleier, bis ihre erhellenden Strahlen das kühle grau vom Nachmittagshimmel verbannte und die Erde mit einem wunderschönen Frühlingsregen segnete. Und langsam, ja, kaum wahrnehmbar, erhob sich ein Regenbogen in den schönsten Farben am Horizont. Jazmin stand auf, doch die Bäume und ein Teil der Hauswand verdeckte ihr die Sicht auf ihn. Doch sie wollte ihn unbedingt sehen. Die schönen, bunten Farben, sie wollte sie sehen, sie wollte die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren, doch das ging nicht von ihren Zimmer aus. Sie ging zur Tür, doch machte kurz davor halt. Mit diesem Schritt aus der Tür heraus, würde sie all ihre Vorsätze, so zu bleiben wie sie war und sich keinem mehr zu beugen, über den Haufen werfen. Doch das war im Moment das letzte, an dass sie denken wollte. Sie öffnete behutsam die Holztür und schlich auf Zehenspitzen wie eine Ballerina den langen Flur entlang, immer Ausschau haltend, ob ihr nicht jemand über den Weg lief. Wie eine Katze auf sanften Pfötchen huschte sie die breite Treppe hinunter, die zum Foyer führte. Von von oben konnte sie die großen Fenster sehen, die die Eingangshalle mit Licht füllten. Sie sah, wie der Regenbogen immer mehr wuchs und mit schnellen Schritten lief sie über die blank polierten Fließen. Sie waren kalt an ihren Füßen, doch das störte sie nur wenig. Sie legte sie Hände an die Glasscheiben und drückte sich das Näschen daran platt. Mit großen Augen folgte sie dem scheinbar unendlichen Regenbogen und hoffte an dessen Ende den Topf voll Gold zu finden. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, wollte die volle Schönheit der Farben auskosten, doch plötzlich erklang eine Stimme, nicht mehr als ein Flüstern, genau hinter ihr. „Ist hübsch, nicht?“, Jazmin schreckte zurück, löste sich vom Fenster und taumelte einige Schritte rückwärts. Bruce bewegte sich keinen Zentimeter, schaute sie nur an, als erwarte er eine Antwort. Aus seinem Gesicht war keinerlei Gefühl abzulesen, er versuchte zu lächeln, doch es schien nicht zu gelingen. Jazmin blickte ihn erschrocken an, sie wusste nicht was sie sagen sollte. Schon lange hatte sie ihre sozialen Kontakte nicht mehr gepflegt, wusste nicht, was man in solchen Situationen erwiderte, aber diese Situation war ja auch etwas besonderes. „Hast du dich entschieden?“, fragte er nun, es klang fast hoffnungslos, als wäre das Spiel schon verloren. Doch Jazmin wusste nicht zu antworten, statt dessen drehte sie sich nur um, erst langsam, dann rannte sie schnell zur Treppe und wollte so schnell wie möglich zurück. Was sollte man auf etwas antworten, auf das es keine Antwort gab? Alles überforderte sie, wer glaubte er, war er? So viele Psychologen haben schon versucht, etwas aus ihr herauszukitzeln und alle waren gescheitert. Da würde er sowieso nichts ändern können mit seinen in ihren Augen ketzerischen Vorhaben. „Und ich dachte, du hättest die Kraft dazu, dich zu entscheiden, etwas zu ändern“ Jaja, dachte sich Jazmin, umgekehrte Psychologie konnte da auch nicht helfen, wollte er ihr etwa ein schlechtes Gewissen machen? Doch sie blieb am Treppenansatz stehen und blickte nachdenklich auf die Stufen. Naja, vielleicht gab es ja einen Grund, warum Psychologen das machten, vielleicht weil es wirkte...? Doch es war zu spät, sie hörte, dass Bruce ging und langsam verhallten seine Absätze. Blitzschnell drehte sie sich um. „Ich bin Jazmin. Und wie ich zu dem geworden bin, was ich jetzt bin, weiß ich auch nicht. Mehr kann ich nicht sagen. Mehr weiß ich nicht“, bittend suchten ihre Blicke die seinigen, doch er ging weiter. Kam ihre Antwort zu spät? Hatte er sie etwa aufgegeben? Und wenn nicht? Wenn er sie gehört hatte, würde er wirklich das erfüllen können, was er versprach? Ihr ganzen Leben lang verließ sie sich auf Versprechen, die dann gebrochen wurden. Würde er seines halten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)