Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 29: Old Habits ---------------------- Die Tür öffnete sich langsam aber bestimmt und hervor trat ein etwas älterer Herr, der, so klein er auch schien, in aufrechtem, stolzem Ganz ein kleines Tablett mit einem Glas darauf herein trug. Jazmin war nicht vorbereitet auf voreilige Kontakte mit Fremden, ihre Art war es sowieso eher, sich so unsozial wie möglich zu verhalten. Sie hielt den Kopf gesenkt, doch alle ihrer Sinne arbeiteten auf Hochtouren und hielten Ausschau nach voreiligen Handlungen ihres Gegenübers. Ihr sturer Blick, der mit unbeschreiblich eingefrorener Intensität auf das alte Gesicht des Mannes gerichtet war, hätte fliegende Tauben vom Himmel holen können. Sie bewegte sich keinen Zentimeter. „Haben wir auch schon ausgeschlafen, Miss?“, seine Stimme hatte denselben altmodischen, spießigen klang, wie sein Aussehen es ihr offenbarte. Sie klang nicht übertrieben freundlich, hatte eher einen leicht miesepetrigen und ironischen Klang, der Jazmin noch ernster schauen ließ. „Ich bringe Ihnen ein Glas Wasser und etwas für die Nerven. Master Wayne hat mir gesagt, ich solle Ihnen alle Wünsche erfüllen, auch wenn dies mir zutiefst widerstrebt“ Es war keinesfalls zu überhören, dass in seinen Worten nicht nur Missgunst sonder auch ein Hauch Hass mit schwang und die schon von Jazmin unterkühlte Atmosphäre zu Eis gefrieren ließ. Jazmin saß immer noch starr auf ihrer Daunendecke und verfolgte nur mit den Augen den Weg des Glases von dem kleinen Tablett auf den Nachtschrank, der neben ihr stand. Der Mann würdigte sie keines Blickes, stellte mechanisch das Glas ab und wendete sich wieder Richtung Tür. „Master Wayne hat Ihnen ausdrücklich untersagt, das Zimmer zu verlassen. Alles was Sie brauchen, finden Sie hier. Im Schrank sind einige Kleider“, er deutete auf das schwarze Ungetüm an der Wand, „Im Badezimmer können sie sich waschen“ Er kniff die kleinen Augen zusammen und fügte mit gesenkter Stimme hinzu: „Was ich Ihnen empfehlen würde, denn Sie stinken furchtbar“ Es klang missbilligend, ja, fast so, als würde er sich persönlich angegriffen fühlen. Er deutete ein leichtes Nicken an und verließ schließlich den Raum. Jazmin ließ diesen Moment erst einmal auf sich wirken, bis sie sich schließlich dem Glas und der Tablette zuwendete. Sie leckte den Finger an und tippte auf die Pille, sodass sie haften blieb. Sie hielt sie ganz nah an ihre Äuglein und schaute sich das Mittelchen genauer an. Mit der Zungenspitze testete sie den Geschmack und sofort schmiss sie die Tablette auf den gut geputzten Boden. Das war kein »Mittelchen für die geschundenen Nerven«, das war 'ne ganz harte Droge. Sie erinnerte sich an den Geschmack und verband damit den Gedanken an die Klinik, in der sie das immer verabreicht bekommen hatte. Die wollten sie nur ruhig stellen und zwar richtig ruhig. Sie schüttelte sich und nahm wieder ihre demonstrativ verschlossene Haltung ein. Sie ließ den Blick zum Schrank und dann zum Bad schweifen. Pah, sie würde stinken, na und? Nie im Leben würde sie sich auch nur einen Millimeter dem beugen, was irgendwelche fremde Schnösel ihr sagten. Schließlich war das hier, was sie ausmachte, der Grund wofür sie bekannt, bekannt und gefürchtet war....ein wenig zumindest. Master Wayne, schon allein der Klang dieses Namen verriet ihr, dass sie hier nicht her gehörte, aber er verriet ihr noch etwas anderes. Wayne...Wayne, Bruce Wayne...der Wayne Tower! Plötzlich durchfuhr sie eine eisige Kälte, die sogar ihren Atmen einfror. Bruce Wayne, sie befand sich also im Haus von dem Mann, dessen Tower sie in die Luft gesprengt hatte. Aha, gut zu wissen. Sie wollte gar nicht über das warum und vor allem das wie nachdenken, sie wusste, dass sie kein Ende, keine Antwort finden würde. Herr Gott, das hier war weit, weit aus schlimmer als die Hölle. Alfred bemühte sich darum, seine Abneigung gegenüber dem aufgenommenen Gefangenen weitest gehend zu unterdrücken. Schließlich war es nicht seine Aufgabe, sich eine Meinung darüber zu bilden. Doch wie so oft hatte er das starke Bedürfnis sich einzumischen und zumindest dieses Haus vor schlimmeren zu bewahren, vor allen Dingen seinen Besitzer. Er durchquerte den langen Flur, der zur Treppe führte, die sich durch das große Foyer zog. Er hatte schon genug Erfahrungen mit solchen Leuten gesammelt, mehr als ein normaler Butler hätte sammeln können. Er unterstützte Zeit seines Lebens jegliche Vorhaben Bruce Waynes, doch dieser Moment musste schließlich einmal kommen. Was sich der Gute dabei gedacht hatte, eine gesuchte Mörderin, die eigentlich besser in einer Einrichtung für Leute mit solch ungewöhnlichen Problemchen gehörte, bei sich unter kommenzulassen. Nicht, dass er sich vor so einem kleinen Mädchen fürchte, doch wo käme man denn da hin, seine Feinde jetzt schon unter die eigenen Obhut zu nehmen? Mit einem Kopfschütteln trat er in das hell erleuchtete Foyer. Er ging in die Küche, wo Bruce am Tisch saß und einige Zeitungsausschnitte mit konzentrierter Miene studierte. Er hielt sich nicht oft in dem Haus seiner Kindheit auf, eher zählten Gotham City und die schier unendlichen Wolkenkratzer zu seinem Spielplatz. Doch diese Auszeit von dem Gedränge in der Stadt konnte auch nicht schaden, seine Arbeit ruhte trotzdem nicht. Alfred verstaute das kleine Tablett wieder an seinem Ort und wendete sich nun der Bar zu. Fast beiläufig begann er ein Gespräch, das ihm sehr am Herzen lag. „Also, die Anwesenheit unserer kleinen Freundin trägt nicht unbedingt zur befreienden Atmosphäre des Wayne Manor bei“ Keine Antwort. „Was ich damit sagen will, finden Sie, dass es eine gute Idee war sie hier aufzunehmen?“, besorgte Blicke suchten die Aufmerksamkeit ihres Gegenüber. Bruce konnte seinen Blick nicht von den Artikeln über das Mädchen, welches sich von einer Geisel bis hin zur Mörderin innerhalb von nur wenigen Wochen wandelte, los reisen. Dennoch antwortete er mit uneingeschränktem Interesse. „Ich versteh' deine Sorge, Alfred. Aber glaub mir, ich weiß, was ich tue“- „Aber sie hat Menschen getötet“, Alfreds Besorgnis wuchs mit jedem Atmenzug. „Nein, hat sie nicht. Also doch, schon, aber das war nicht ihre Schuld“ Alfred brauchte nicht zu antworten, seine misstrauischen, ja fast ungläubigen Blicke reichten aus um Bruce seine Worte erklärenzulassen. „Es ist nicht ihre Schuld, vielleicht die Schuld ihres gutgläubigen und hilflosen Charakters“, er drehte sich zu Alfred, „Stell dir vor, ein Mensch, weder gut noch böse, wächst von Beginn an in den Händen eines Schurken, ja, sagen wir sogar Psychopathen, um beim Thema zu bleiben, auf. Logisch, dass dieser Mensch Handeln und Denken übernimmt, so wie er es vorgelebt bekommt. Dieser Mensch braucht weder einen Hang zum Unruhe stiften noch zum mutwilligen Zerstören, er kennt es ja nicht anders. Verstehst du?“, er suchte nach einsichtigen Reaktionen Alfreds, dieser Nickte bloß. „Gut, wenn genau der selbe Mensch nun auf einmal auf der anderen Seite steht, wird er denken, es sei die falsche, ebenfalls logisch, denn er kannte bisher nichts anderes außer Bösartigkeit und Hass. So wie wir als Kinder gelernt haben, was Gut, was Böse ist, so wenden wir unser Wissen heute an, in dem Glauben, nach genau diesen Maximen richtig zu handeln. Sie tut im Grunde nichts anderes, bloß eben genau andersherum“- „Das ist ja schön und gut, Master Wayne. Trotzdem müssen wir uns es jetzt nicht zur Aufgabe machen, gestörte Persönlichkeiten zu flicken“ Doch Bruce ließ nicht locker. „Das interessante ist, was uns immer auf einer Seite hält, und zwar eine Person, die uns diese Werte vermittelt. Sie ist der Ausschlag gebende Punkt für unser Verhalten, sie lehrt uns unser Denken. Ihr schenken wir unser Vertrauen. Das Mädchen hat nun eben diese Person“, Bruce räusperte sich, „den Joker, verloren. Nun steht sie in unserer Welt. Sie kann in die normale Wirklichkeit zurück, Alfred, wenn sie jemanden hat, der ihr zeigt, dass das der richtige Ort ist. Ohne ihr zu Nahe treten zu wollen, sie ist simple aufgebaut. Sie richtet sich nach dem, der ihr einen Weg zeigt, eine Richtung in die sie gehen kann. Ohne den Joker ist sie keine Mörderin, sie ist nur ein Mädchen“ Alfred musste sich, mit allem Respekt vor Master Wayne, wahrhaft das Lachen verkneifen. Natürlich machte es Sinn, was er erzählte, er war ja kein dummes Kerlchen. Doch, was brachte das. Wollte er den Babysitter für kleine Püppchen spielen? „Master Wayne, ich versteh' schon. Aber ist das eine Bürde, die Sie sich wirklich freiwillig aufbinden wollen? Selbst wenn Sie es schaffen, wer sagt schon, dass, wenn der Joker zurückkehren und sich sein Mädchen wiederholen wolle, sie nicht wieder auf »die böse Seite« wechsle?“ „Das wird sie nicht“ Bestimmt nicht. Bruce war sich der Ironie seiner Worte und vor allem seines fast überstürzten Handelns bewusst. Schließlich hatte er am eigenen Leib erfahren, was dieses psychologische Phänomen bewirken konnte. Nur ungern rief er sich die Missetaten des Mädchens zurück in Erinnerung, begonnen beim jüngsten Geschehnis. Wie viele Menschen dabei doch ums Leben kamen. Alfred hatte recht. Solch ein Verbrecher hatte etwas ganz anderes verdient, selbst eine Strafe wäre noch keine Genugtuung für dessen Opfer. Und dafür hasste er sie. Ja, ganz recht, für das, was sie getan hatte, was sie unschuldigen Menschen antat, dafür hasste er sie aus tiefstem Herzen. Solche Persönlichkeiten hatten nie auch nur einen Funken Respekt von ihm verdient, geschweige denn Gnade. Sie alle hatten das Schlimmste des Schlimmsten verdient und ihre Taten wären mit nichts, absolut nichts zu rechtfertigen. Doch das Mädchen war anders und er glaubte fest daran, dass sie eine zweite Chance verdient hatte, schließlich war der Grund für ihre Sinneswandlung nun nicht mehr gegenwärtig. Sie könnte sich ein neues Leben aufbauen, auf den Trümmern ihres Vergangenen. Sie war Opfer und sie war Täter gewesen und nur aus der Erfahrung dieser beiden Sichtweisen könnte sie ihre Vorstellung des rechten Handelns wiederaufbauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)