Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 13: Homecoming ---------------------- Der Van hielt geräuschlos vor dem Haus. Jazmin wagte es nicht, den Kopf in dessen Richtung zu drehen, stur blickte sie geradeaus, versuchte sich zu beruhigen. Der Joker stieg aus, ging um den Van herum und öffnete gentlemen like Jazmins Tür. Doch diese dachte keines Wegs ans aussteigen. „Komm Püppi, stell dich nicht so an. Es wird auch ganz lustig. Das verspreche ich dir!“ Er streckte die Hand aus und hielt sie ihr hin. Langsam hob sie ihren Blick, schaute auf das große Herrenhaus, das in der Dunkelheit noch beängstigender aussah, schaute den Joker an und stieg schließlich aus. Sie hatte sowieso keine andere Wahl. Sie gingen zu der Holztür, die aus massiver Eiche bestand. Im Rahmen waren nette Verzierungen eingeschnitzt. Eine Klingel war nicht zu finden, deswegen klopfte der Joker dreimal laut an und lehnte sich dann mit dem Rücken an die daneben liegende Wand, sodass nur Jazmin in den Genuss kam, den Hausbesitzer freundlich gegenüber zu treten. Anfänglich war sie davon wenig begeistert, doch als sich die Tür öffnete, war es zu spät. Ein kleiner, gebückter Mann mit grau weißem Haar schob die schwere Tür mit aller Kraft auf und blickte zu seinem großem Gegenüber auf. Da war er. Das war der Mann, der ihre Kindheit zerstörte. Sie erkannte ihn sofort, auch wenn ihre letzte Begegnung um Jahre zurück lag. Die kleinen schwarzen Augen, die sie vor langer Zeit aufzufressen schienen, blickten nun aus faltigen, tiefen Augenhöhlen und erregten eher Mitleid als Furcht. Jazmins Gesichtszüge erstarrten, wirkten eiskalt, erfroren. Ihre blauen Äuglein waren zwar aufgerissen, doch zeigten keinerlei Gefühl. „Ja, bitte? Was kann ich für sie tun?“, fragte der alte Mann. Seine Sehkraft waren schwach, er konnte kaum die merkwürdige Aufmachung und die Narben in des Püppchens Gesichtes erkennen. Jazmin konnte nichts sagen, sie öffnete den Mund, doch es kam nichts. Hilfe suchend blickte sie kurz zu dem Joker, der neben ihr lehnte, doch er schaute sie nur stumm an. Was sollte sie sagen? Was soll man einem Menschen sagen, der einen Jahre lang gequält hat und nun einem selbst schwach und gebrechlich gegenüber steht? Schon tausendmal hatte sie sich die Hasstiraden zurecht gelegt, die sie ihm entgegen werfen würde, wenn sie ihn je wieder sehen würde. Doch all das schien wie weggeblasen. Ihr Kopf war einfach nur leer. „Erkennst du mich etwa nicht mehr?“, fragte sie, es klang zwar leise, doch nicht scheu. Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir Leid, ich kenne Sie nicht.“ Er erkennt sie nicht. Er verletzte sie und überschritt die Grenzen, doch erkennt sie nicht. Irgendwie fand sie das auf eine traurige Art und Weiße lustig. Keiner kannte sie so sehr wie er. Ein halbherziges Lächeln huschte über ihre roten Lippen. Belustigt schüttelte sie den Kopf. „Dann kannst du dich bestimmt auch nicht an das kleine Mädchen erinnern, dass 15 Jahre bei dir wohnte.“ Sie versuchte die Wahrheit in seinen Augen zu lesen, ein kleines zucken der Lider verriet ihr, dass er log. Langsam ging sie einige Schritte auf ihn zu, er wich vorsichtig zurück. „Welches du benutzt hast, verletzt, gequält“ Ihre Stimme wurde stärker, ihre Schritte selbstbewusster. „I-Ich weiß nicht, was...“, presste der alte Mann nun hervor. Seine Pupillen weiteten sich. Langsam gingen die beiden in den unbeleuchteten Flur des Hauses. „Was? Du weißt nicht? Du weißt nicht?!“ Sie wollte sich auf den Alten stürzen, streckte die Hände aus, um ihn an die Kehle zu springen, doch eine Hand auf ihrer Schulter hielt sie zurück. „Josephin?“, war das Letzte was er sagen konnte, bevor er stolperte und nach hinten umfiel. Der Joker drückte unsanft auf ihre Schulter und zog sie wieder zurück. „Ganz ruhig, Püppi. Wir wollen den armen Mann doch nicht umbringen! Zumindest nicht so schnell. Ich will auch noch was davon haben.“ Jazmin taumelte einige Schritte nach hinten und versuchte sich zu beruhigen. Er hatte recht. Das Monster sollte genauso lange und qualvoll Leiden wie sie einst. Der Joker packte den Alten, der dem verdrecktem Teppich auf dem Boden starke Konkurrenz machte, am Genick und zog ihn auf die schwachen Beine. Dieser wusste nicht wie ihm geschah. Er brachte nichts weiter als aufgeregtes Murmeln über die Lippen. „Ja ja, komm sei still.“, fuhr der Joker genervt den Mann an und schleifte ihn durch den dunklen Flur zu einem Raum, aus dem spärlich Licht drang. Die Küche. Jazmin fiel es erst jetzt auf, dass der Joker sich hier auszukennen schien, als wäre es sein eigenes Haus. Wortlos folgte sie ihm, die zur Faust geballten Hände lagen steif an ihrem Körper an. In der Küche angekommen warf der Joker ihn auf einen Stuhl, Festbinden war nicht von Nöten, der Schockzustand fesselte ihn genug. Gemütlich platzierte der Joker sich auf der gegenüber liegenden Küchenanrichte, Jazmin blieb im Türrahmen stehen. Sie wagte es nicht, dem Monster näher zu kommen. „So Opi, dann erzähl mal. Wie ist es so kleine Mädchen zu vergewaltigen?“ Jazmin war es nicht gewohnt, das Thema so offen angesprochen zu hören. Ein Schaudern stieg ihrem Körper empor. Aufkommende Erinnerungen versuchte sie zu verdrängen. „I-Ich weiß nicht, wovon Sie reden!“ „Ja, natürlich nicht. Alzheimer ist echt eine schlimme Krankheit. Tsts“ Bemitleidend schüttelte er den Kopf. „Soll ich dir ein wenig auf die Sprünge helfen, Opi?“ Er öffnete eine Schubladen, unter der Anrichte auf der er saß, nahm ein normales Messer heraus, hielt es sich vor das Gesicht, beäugte es und legte es schließlich wieder zurück. „Ein kleines, süßes Mädchen in einem kleinen engen Kleidchen...“ Eine weitere Schublade wurde geöffnet, diesmal nahm er einen Pizzaschneider heraus, fuhr mit den Fingerspitzen über die runde Klinge, schüttelte enttäuscht den Kopf und legte auch diesen Gegenstand wieder zurück. „...ein dunkles Zimmer mit einem kleinem Bettchen...“ Jazmin kniff die Augen zusammen. Seine Worte trafen die wie Speerspitzen. „Nein, bitte...!“, rief sie dem Joker zu, es war kaum zum aushalten. Wie konnte man nur so unsensibel sein! Dieser drehte sich wütend zu ihr um und warf ihr nur ein mürrisches „Sei still!“ entgegen und wendete sich wieder seinem Opfer zu. Jazmin war erschrocken und erbost darüber, dass er ihr den Mund verbot. Sie atmete tief durch versteckte sich wieder hinter dem Rahmen. Diese Situation war ihr mehr als unangenehm, verständlich. Sie konnte nichts weiter tun, als darauf zu vertrauen, dass der Joker alles unter Kontrolle hatte. „Ich habe mich immer gut um mein Mädchen gekümmert!“, hallte die zittrige Stimme des Alten durch die kleine Küche. „Sicher. Sicher. Davon gehe ich aus. Du hast dich sicher sehr, sehr gut um das Püppchen gekümmert. Mit Leib und Seele.“ Er öffnete eine dritte Schublade, alle guten Dinge waren ja bekanntlicher Weiße drei, und war sichtlich erfreut, als er endlich das fand, was er gesucht hatte. Mit einem breitem Grinsen zog er ein übergroßes, gut geschärftes Küchenmesser hervor, das schon eher einem Hackebeil glich. Der Alte auf dem Stuhl riss die kleinen Augen auf, das Metall reflektierte die Angst in seinem Blick. Der Joker stand auf, fuchtelte ein wenig mit dem Messer herum, ging zu dem Mann und beugte sich zu ihm hinab, sodass er in seine angsterfüllten Augen blicken konnte. „Also hat es dir Spaß gemacht?“, fragte der Joker so, als wolle er wissen, wie sein letzter Kinobesuch war. Die Klinge fand langsam den Weg zu der pulsierenden Hauptschlagader an des alten Mannes faltigen Hals. „Ich hab sie doch so lieb gehabt“ Die alten Augen wurden feucht und eine Träne, sei sie aus Angst oder Reue, bahnte sich ihren Weg. Jazmin konnte sich das nicht mehr mit ansehen. Der Zeitpunkt, auf den sie seit so langem gewartet hatte, war nun da, doch sie konnte es einfach nicht über sich bringen. Mit rasendem Herzen drehte sie sich weg und ging, nein, taumelte in das gegenüberliegende Zimmer. „Mag sein. Doch Püppchen sollte man niemals wegwerfen, sie könnten dein Schicksal besiegeln“ Er starrte dem Alten wie besessen in die Augen, als würde er noch das letzte bisschen Ehrfurcht aus ihm herauskitzeln wollen. „Wir sehen uns in der Hölle“, mit diesen Worten packte er ihm am Hals und schlitzte ihm die Kehle durch. Stark blutend sackte der Alte auf dem Stuhl zusammen und starrte leblos auf den schlecht geputzten Fließenboden. Jazmin lehnte an einer Wand und knetete nervös ihre feuchten Händchen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich in ihrem Kinderzimmer befand. Es sah alles so aus, wie sie es einige Jahre zuvor unter Flucht verlassen hatte. Die Puppen auf ihrem Bett saßen noch in der selben Reihenfolge auf ihren Kissen, auf den Regalen standen noch die ganzen „Alice in Wonderland“ Bücher gut sortiert und vor ihrem Fenster hingen noch die gleichen rosa Vorhänge, nun verstaubt und vergilbt. Es machte alles einen so vertrauten und doch abstoßenden Eindruck. Sie hörte, wie jemand durch den Flur polterte. Der Joker, er suchte sie bestimmt. Sie wollte zu ihm, zu dem einzigen, der über ihr ganzes absurdes und paradoxes Leben Kontrolle behielt. Sie ging rückwärts und stieß mit der Hacke gegen einen hohlen Holzgegenstand. Ihre Geige. Die süße, kleine Kindergeige, die so einst schöne Melodien von sich gab. Sie bückte sich und hob sie auf. Zu ihrer Verwunderung war sie weder verstaubt, noch irgendwie sonst beschädigt. Mit ihren kühlen Fingerchen strich sie über das makellose Holz und über die weichen Saiten. Das Rufen nach ihr, riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich noch ein letztes Mal um, schaute sich ihre Vergangenheit an und kehrte ihr schließlich den Rücken zu. Als sie den Flur betrat, sah sie von weitem den ihr zugeneigten Kopf, der blutend auf einem paar träger Schultern lastete und dessen Augen sie hypnotisierend anstarrten. Sie kniff die ihrigen missbilligenden zusammen und wendete den Blick ab. „Komm Püppi, das beste kommt zum Schluss.“ Er stand am Ende des Flur und lächelte ihr seelig zu. Sie tippelte zu ihm und gemeinsam verließen sie das alte Hexen-, Verzeihung, Herrenhaus. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Treppen und der Flur mit Benzin übergossen war. Der Joker holte Streichhölzer hervor, brannte eines an und hielt es Jazmin auffordernd vor das Näschen. Diese zögerte nicht lang, nahm es in die Fingerspitzen und zündete, die Geige unter den Arm geklemmt, die entflammbare Flüssigkeit an. Es war kein Feuerwerk, eher ein Lagerfeuer, aber das war auch nicht schlecht anzusehen. Sie standen einige Minuten vor dem brennendem Haus und starrten in die roten Flammen. „Und? Hab ich zu viel versprochen?“, fragte der Joker fröhlich. Jazmin schüttelte nur den Kopf. Eine Last in Form des Mount Everest war ihr gerade vom Herzen gefallen. Da war sie wieder, diese Lücke. Doch sie war alles andere als unangenehm, sie war wunderschön. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)