Living In A Toy Box von cleo-- ================================================================================ Kapitel 2: Unloved Doll ----------------------- Es war Winter. Eigentlich war es noch Herbst, aber der Schnee konnte es anscheinend kaum erwarten, die Erde weiß zu pudern. Menschenmassen in warmen Mänteln und in Schal und Handschuhen eingepackt, wuselten durch die Straßen Gothams. Man könnte meinen, die Weihnachtseinkäufe seien schon fällig, so hektisch ging es auf den Bürgersteigen zu. Schubsen und Drängeln gehört aber schließlich zu den guten Manieren einer Großstadt. Da fällt es kaum auf, wenn eine junge Frau in einem kurzen Minirock mit einem dicken langen lila Schal und zwei locker zusammengebundenen Zöpfen gegen den Strom der Masse schwimmt. In den hohen Absätzen überragte sie zwar so manchen geschäftig Tuenden, dennoch wurde sie unachtsam und verständnislos hin und her geschoben. Ihr Blick war gesenkt und suchte den Boden nach freien Stellen ab, an denen sie ihren nächsten Schritt platzieren könnte. Kein leichtes Spiel. Aber Verlierer sein ist sie ja gewohnt. Und Immerhin hatte sie es bis hierher geschafft. Es ist schon Tage her, seitdem sie verschwunden war. Niemand wusste wo sie hin gegangen ist oder ob sie überhaupt noch am Leben war. Aber schließlich interessierte es ja auch niemanden. Fast. Ihr Gesicht war nunmehr ein Schatten, unbekannt und anonym. Ihr Leben lang hatte sie keine Kontakte zu anderen. Eingesperrt in der Höhle des Löwen. Da war ihr Erscheinen in der Öffentlichkeit zwar weniger spektakulär für die Außenwelt, mehr doch für sie. Da war sie nun, allein in dieser großen Stadt und ohne jeglichen Plan für ihre Zukunft. Dieses Gefühl war ihr nicht neu, dennoch unangenehm. Ein kühler Luftzug ließ die Haare in ihrem Nacken aufstehen, sie wickelte den Schal ein weiteres Mal um ihren Hals und zog in fester. Diese Fülle von Fremden war ihr allerdings immer unbekannt, nun durch diese Straßen zu gehen war eine Überwindung. Ihr Schritt verlangsamte sich bis sie schließlich stehen blieb. Sie nahm einige aufgebrachte Rufe hinter sich wahr, die aber in zügigen Schritten an ihr vorbei zogen. Sie hatte keine Angst von ihm gefunden zu werden. Er war nunmehr ein alter gebrechlicher Mann, der sich wahrscheinlich zu Hause vergrub und kleine Kinder in sein Haus lockte. Schon allein der Gedanke an diesen Menschen ließ es ihr kalt über den Rücken laufen, sie empfand nichts als Hass für ihn. Hass und auch ein wenig Mitleid. Sie hoffte das Gefühl würde sich irgendwann in Gleichgültigkeit umwandeln, denn dieser Mensch hatte weder so eine starke Verbindung wie Liebe noch Hass verdient, er verdient bloße Gleichgültigkeit. Die Polizei hatte sie nicht benachrichtigt, das Gefühl der verlorenen Kontrolle war für ihn Strafe genug. Sein Leben würde sowieso bald ein Ende finde. So oder So. Die Laternen am Straßenrand leuchteten bald auf und läuteten die Nacht ein. Zeit, sich irgendwo zu verkriechen und zur Ruhe zu kommen. Irgendwie. Eine kleine Gasse, für die der Begriff Dunkelheit noch zu hell war, musste diese Nacht als Schlafplatz dienen. Langsam und vorsichtig schlich sie in die Finsternis, immer eine Hand an der Wand mitführend. Ein Schritt nach dem anderen. Langsam und behutsam. Man konnte ja nie wissen was einem auf dem Boden so begegnete. Sie schreckte kurz hoch und taumelte einige Schritte rückwärts, als eine graue hässliche Ratte ihre Knöchel streifte. Sie konnte Stimmen hören, wusste aber nicht aus welcher Richtung sie zu ihr drangen. Mit einem kurzen Kopfschütteln versuchte sie die aufkommende Angst zu verdrängen. Obwohl, Angst hatte sie eigentlich nicht, eher so etwas wie Aufregung stieg langsam ihren Körper empor. Das Tropfen aus den Regenrinnen, die hallenden Schritte und die Schatten an den Mauern, die sie wahrscheinlich größtenteils selbst verursachte, trugen nicht unbedingt zu einer schönen nächtlichen Atmosphäre bei. Dunkelheit war ihr nicht neu, doch diese unbekannten Geräusche, diese merkwürdigen Gerüche und diese Gegend waren mehr als beunruhigend. Ihre Absätze hallten auf den nassen Pflastersteinen wie ein Echo wieder. Müll zierte die Linke und Rechte des Weges und alte Tonnen in denen gut ein paar in Teppiche eingewickelte Leichen Platz hätten folgten der schmalen Gasse. Schweißtropfen, seien sie der Luftfeuchte oder der Angst, Pardon, Aufregung wegen, liefen der jungen Frau, die äußerlich wie höchstens fünfzehn aussah, in ihr Dekolleté. Sehr einladend sah das Alles hier nicht aus, doch sie krämpelte die Ärmel der ihr viel zu großen Jacke hoch und wollte gerade ein paar Müllsäcke zurecht rücken, als eine Hintertür einige Meter entfernt, die eben noch einer Steinmauer glich, aufsprang und ein eine Gruppe Männer herauskam. Das Mädchen fror in ihrer Bewegung ein und hielt die Luft an. Ihr Herz setzte kurz aus um dann in einem rasanten Tempo weiter zu klopfen. Es waren vielleicht vier große Gestalten, es hätten aber auch mehr sein können, das war in der Dunkelheit kaum erkennbar. Das Mädchen konnte nicht viel sehen, jedoch als das Mondlicht silberne Gegenstände reflektierte, wusste sie, dass die Männer bewaffnet waren. Einige waren schon am gehen, ein anderer drehte sich in der Tür nochmals um und schoss dreimal hintereinander in den Raum. Die Schüsse hallten wie Blitze durch die hohle Gasse. Sie taten ihr in den Ohren weh und erklangen noch Sekunden danach wie ein grausiges Echo. Ihr Herz schien ein weiteres Mal auszusetzen als eine andere Person wie ein nasser Sack aus der Tür kippte. Ihre blauen Äuglein versuchten ein Lebenszeichen auszumachen. Beim genauen Hinschauen konnte sie die Augen, die offenen toten Augen und das Einschussloch auf dessen Stirn, umrandet mit einem zarten Rot, fixieren. Sie hielt die Luft an. Man durfte sie nicht sehen, sonst würde ihr noch das selbe Schicksal blühen. Sie tat einen winzig kleinen Schritt zurück, wollte nicht gesehen werden, nicht sterben, nicht so. Doch diese kleine Bewegung wurde ihr zum Verhängnis. Sie knickte um und ratterte unsanft nach unten und zwischen den unzähligen Müll. Stille. Keine Bewegung. Nicht von ihr und nicht von dem letzten Mann, der sich noch in Reichweite befand. Er hatte sie gehört. Das war's. Langsam, ja fast lässig drehte sich die dunkle Gestalt um und suchte die Umgebung nach der Quelle des Geräuschs ab. Es dauerte keine Sekunde. Er hatte sie sofort. Das Mädchen konnte nichts erkennen, kein ein Gesicht, keine Form. Doch als das Mondlicht für einen kurzen Augenblick die Person streifte, fuhr es ihr eiskalt durch die Adern. Sie konnte sich nicht daran erinnern, irgendwelche Mittelchen genommen zu haben, doch vor ihr stand wahrhaftig ein Clown. Doch nicht einer dieser lustigen, amüsanten, tolpatschigen wie im Zirkus, nein. Die Schminke, eine Kriegsbemalung. Die kleinen Augen üppig schwarz umrandet, fast wie zwei Löcher. Eine Kiste ohne Boden. Die grünen ausgewaschenen Haare wild im Gesicht verstreut. Und ein weiter violetter Mantel, der Wellen in der leichten Brise des kalten Windes schlug. Dieser eine Moment, dieser eine Augenaufschlag reichte, um ihr Alles über das nun Folgende zu berichten. Sie versuchte sich noch mehr an die Wand hinter ihr zu pressen, zog die Beine an, legte die Hände schützend auf die Knie und atmete flach. Der Clown stand schneller vor ihr, als sie gedacht hätte. Er ließ sich auf die Knie fallen und beugte sich ganz nah zu ihr heran. „Na, was haben wir denn da? Was macht ein süßes kleines Püppchen, wie du noch nachts hier draußen?“ Das Mädchen riss die Augen auf, denn erst jetzt konnte es die schrecklichen, rot geschminkten Narben auf den Wangen des Mannes erkennen. Sie zuckte zurück als dieser die Hand hob und ihr über das Gesicht strich. „Pass nur auf, sonst begegnest du noch irgend so einem durchgeknallten Psychopathen, der als Clown verkleidet durch die Straßen rennt, kleines Püppi“ Er griff in seine Manteltasche und zog ein Messer heraus. Langsam führte er es zu ihrer Kehle. Das kühle Metall legte sich geräuschlos auf ihre blasse Haut. Sie versuchte nach unten zu schielen, die Quelle der Gefahr auszumachen, doch der stechende Blick des Clowns hatte den ihrigen gefesselt. Ihr atmen wurde zu einem unregelmäßigen Luftschnappen. „Jetzt brauchst du keine Angst mehr haben, ungeliebtes Püppi, jetzt ist es nämlich sowieso zu spät“ Ein leises Kichern drang aus dem rot geschminkten Mund. Er legte seine Hand auf ihren Kopf und strich ihr behutsam eine blonde Locke aus dem Gesicht, im selben Atemzug drückte er die Klinge des Messers noch fester gegen ihren Hals, bis sich die Haut darum dunkelrot färbte. Sie versuchte dem starken Blick Widerstand zu leisten. Die eisblauen, kalten Äuglein starrten in die dunkle Leere der seinigen. Sekunden lang schien nichts zu passieren. Der Druck des Messers wurde nicht stärker, nicht schwächer. „Was ist? Hat's dir die Sprache verschlagen? Schrei um dein Leben. Ich werde dir die Kehle aufschlitzen! Kriegst du auch gar nichts mit?! Mann...“ Seine Stimme klang aufgewühlt und hektisch, dennoch konnte sie einen Hauch von Sarkasmus spüren, der die Wortspiele und die Ironie dieser Situation untermalte. „Warum sollte ich schreien?“, drang es in leisen und zarten Tönen an das Ohr des Clowns. Das Mädchen bemühte sich so ruhig und unberührt wie möglich auszusehen, weiterhin hielt sie den Blickkontakt, versuchte das schaurige Gesicht provokant zu fixieren. „Hmm...Vielleicht weil du Angst hast? Wo bleibt denn sonst der Spaß? Mein Leben ist, ob man's glaubt oder nicht, auch nur eintöniger Alltag, da muss ich mir auch mal was gönnen, verstehst du Püppi?“- „Dann mach nur, töte mich.“ Fast nebensächlich rezitierte sie ihre vermeintlich letzten Worte. Nicht, dass sie keine Angst hatte, von der Aufregung mal ganz abgesehen, sie hatte nie Spaß am Leben gehabt. Kein Tag, an den sie sich erinnern konnte, brachte ihr Freude. Sie wollte ihr Leben beenden, vielleicht nicht so, vielleicht etwas...angenehmer. Auf jeden Fall war die Methode mit dem Psychopathen kein schlechter Anfang. Sie hätte erst gar nicht auf diese grausame Welt kommen sollen, nun wird ihr Leid endlich beendet. Endlich. „Wenn du meinst, Püppi.“ Ein merkwürdiges Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich mach's auch kurz. Tut. Gar. Nicht. Weh.“ Das Messer bohrte sich immer tiefer in die Pozellanhaut. Schon allein der Druck der gut geschärften Klinge und der Gedanke an das, was sie verursachen würde, ließ dem Mädchen ein Zittern durch die Gliedern fahren. Ihr Kinn hob sich mit jedem Millimeter, den das Metall an ihrem Hals entlang schnitt. Trotzdem erwiderte sie weiterhin unbeirrt den starren Blick ihres Gegenüber. Sie wollte die Augen nicht schließen, sie wollte ihrem Gönner dabei zusehen, wie er das Werk beendete, welches Gott, oder irgendeine Hure, die sich ihre Mutter schimpfte, begann. Lediglich ein kurzes Zucken der Augenlieder verriet dem Fremden, das sie wahrscheinlich doch Schmerzen spürte. Noch ein letztes Mal presste er mit gesamter Kraft das Messers auf ihren Hals um dann schließlich die zarte Haut aufzureißen und ihr ein wenig karminrotes Blut zu entlocken. Der Clown stand, ja sprang fast auf und das Mädchen kippte zur Seite. War das der Tod? Hatte sie es geschafft? Endlich das Leben besiegt? Sie öffnete die Augen. Sie lebte noch?! Der vermeintliche Mörder stand vor ihr, mit finsterer und auch enttäuschter Miene. Sie konnte ein Seufzen wahrnehmen. „Sag mir bescheid, wenn du wieder Lust am Leben hast, damit die Sache hier ein wenig mehr Spaß macht“ Mit diesen Worten, die nicht mehr so erquickt glucksend durch die Gasse hallten, warf er ihr ein kleines Stück Papier entgegen und verschwand in die Dunkelheit. Das Mädchen lag immer noch scheinbar leblos und mit Verlaub auch etwas verwirrt auf dem kalten Steinboden. Sie fasste sich an den Hals, an dem die anscheinend doch nicht so tödliche Wunde war. Ein kleiner Kratzer, ein kleiner Tropfen Blut. Mehr Nicht. Mehr Nicht? Das soll's gewesen sein? Doch ehe sie sich der Verwirrung dieses Geschehnisses hingeben konnte, wurde ihre Neugier von dem Papier, welches vor ihr in einer Pfütze lag geweckt. Sie rappelte sich auf und griff danach. Es war eine Karte. Wahrscheinlich als Pfand, Sinn für Humor, schwarzen Humor, bewies er damit ganz sicher. Sie drehte die vergilbte Karte zwischen den Finger auf die Vorderseite. Der Joker. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)