Emotional Mayhem von Dying_Phoenix ================================================================================ Kapitel 1: # 1 -------------- Wieder stand ein langer Schultag bevor. Ich saß auf meinem Platz, alleine in der letzten Reihe. Wurde von den Anderen gemieden, wahrscheinlich, weil ich einfach anders war, nicht so wie der Rest. Doch man findet sich irgendwann damit ab, das schwarze Schaf zu sein. Leicht genervt sah ich auf die Uhr, zwei Minuten noch Pause. Die erste Stunde hatte noch nicht mal angefangen und ich habe schon wieder genug vom Tag. Ich packte meinen Block aus und begann zu zeichnen. Ich wusste zwar nicht, was es werden würde, aber wenigstens lenkte mich das Zeichnen vom Alltag ab. Dann war es so weit, die Schulglocke läutete und fast zeitgleich kam der Lehrer ins Klassenzimmer. Alle Schüler standen auf und auf Geheiß des Lehrers, durften wir uns wieder setzen. „Wir dürfen heute einen neuen Schüler begrüßen. Seine Familie ist gerade aus Deutschland hierher gezogen und er wird ab jetzt unsere Klasse besuchen! Darf ich vorstellen, Julian.“ Nach diesen Worten betrat ein etwas blasser, größerer Junge den Raum. Er hatte brünette Haare, trug eine schwarz-weiß karierte Jacke, eine dunkle, blaue Hose und war wohl fast einen Kopf größer als ich. Kurz blickte er sich in der Klasse um, während bereits heftig über ihn getuschelt wurde. Er war kaum eine Minute im Raum und ich bemerkte, dass ihm einige Mädchen bereits verfallen waren und ihn anschmachteten. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke, bevor ich an meiner Zeichnung weiterarbeitete. „Such dir bitte einen Platz, es sind ja noch genug frei. Danach beginnen wir mit dem Unterricht!“ Er sah sich um und suchte einen freien Platz. Ich versuchte zu sehen, wohin er sich setzen wollte. Langsam kam er näher, wollte er etwa wirklich... ? Ungläubig sah ich ihn an, als er sich neben mich setzte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, er war gerade mal ein paar Minuten in der Klasse und ich mochte ihn schon mehr als jeden anderen hier. Doch wie nicht anders zu erwarten, begann bereits jetzt erneut Getuschel. Der Lehrer predigte in der Zwischenzeit seinen Stoff und hoffte, dass wir uns möglichst viel davon merken würden. Ich versuchte mich auf meine Zeichnung zu konzentrieren, doch ich spürte den Blick von Julian, der mich zu beobachten schien. Kurz darauf kramte er seinen Block und einen Stift aus seiner Tasche und schob mir einen Zettel zu. Ich setzte meinen Bleistift ab und sah auf diesen. Einige Sekunden zögerte ich, doch dann antwortete ich ihm. Ein erstaunter Blick war die Reaktion, bevor er sich dran machte zurückzuschreiben. Nachdem ich ihm den Zettel schnell rübergeschoben hatte, setzte ich meine Zeichnung fort. Kaum hatte ich wieder angefangen, lag der Zettel wieder auf meiner Seite des Tisches. Er würde sich sicher gleich einen neuen Platz suchen, dachte ich deprimiert, als ich den Zettel teilnahmslos nahm und vor mir auf den Tisch legte. Ungläubig blickte ich auf das Blatt vor mir und dann zu Julian. Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen und seine ozeanblauen Augen sahen mich fragend an. Ich weiß nicht wie lange ich ihn so angesehen habe, aber nach kurzer Zeit legte er den Kopf etwas schräg, was mich aus meiner Trance erwachen ließ. Ich gab ihm den Zettel, zuckte mit den Schultern und sagte ein leises ‘wie du willst!’ Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er den Zettel nahm und in der Tasche verstaute. Und schon klingelte die Schulglocke. Eine Stunde vorbei, noch fünf folgen. Doch vor der nächsten Stunde hatten wir noch 5 Minuten Pause. Auch in der Pause setzte Julian die Befragung fort. „Wo wohnst du denn?“ „Mit dem Schulbus eine Viertelstunde von hier in einem kleinen Haus und du?“ „Ich fahr auch mit dem Schulbus, ca. eine halbe Stunde in einer Wohnung.“ „Warum seid ihr denn umgezogen?“ „Mein Dad hat einen Job hier bekommen. Ich hoffe, wir bleiben hier...“, sagte er und grinste. „Was meintest du vorhin mit dem Geschriebenen?“ fragte er kurz darauf. „Du setzt dich zu einem Außenseiter. Ich vermute, du kannst dir denken, was das heißt?“ Ein kaum erkennbares Nicken war seine Reaktion. „Wird schon nicht so schlimm werden.“ Gerade wollte ich etwas darauf erwidern, als die Lehrerin eintrat und uns sofort mit Stoff berieselte. Mathematik gehörte nicht wirklich zu den Fächern, die mich interessierten. Ich schrieb alles von der Tafel ab und nahm es so hin, wie es dort stand. Irgendwie würde ich es später schon verstehen, habe ich bis jetzt noch immer. Julian hingegen mochte Mathe anscheinend. Jede Aufgabe hatte er innerhalb kürzester Zeit gelöst, meistens musste er noch auf die Lehrerin warten, bis sie die Lösung auf die Tafel geschrieben hatte. Er schien seinen Spaß dran zu haben. Nach verdammt langen 50 Minuten ertönte endlich die erlösende Glocke und es folgte das erste Fach am heutigen Tag, das ich mochte, Deutsch. Der Lehrer war zwar nicht so mein Fall, aber wenigstens ein Fach, welches ich gut konnte. Doch wie so oft kam alles anders als erwartet. Unser Lehrer war krank, somit hatten wir nun zwei Stunden Buchhaltung. 100 Minuten, ganze 6.000 Sekunden Hölle, das schlimmste Fach, mit dem schlimmsten Lehrer, an der ganzen Schule. Es passte einfach alles, ein kompliziertes, unverständliches Fach und ein Lehrer, der es liebte, Schüler zu quälen. Erstaunlicherweise war er heute gut gelaunt und verzichtete darauf uns über den Stoff der letzten Stunde zu prüfen. „Solange ihr euch still beschäftigt, habt ihr Ruhe von mir“ sagte er grinsend und obwohl ich die Worte verstanden hatte, konnte ich einfach nicht glauben, dass sie gerade ihm über die Lippen gekommen waren. Ich wusste zwar nicht, was ich machen sollte, aber mir würde bestimmt etwas einfallen. Bevor ich jedoch überlegen konnte, was ich in der Stunde machte, meldete sich Julian wieder und warf alles über den Haufen. „Erzähl mir was von dir!“ Etwas fragend sah ich ihn an, ich wusste nicht wirklich, was ich darauf sagen sollte, ich war das bis jetzt noch nie gefragt worden. „Was willst du denn hören?“ „Alles was du erzählen willst“, sagte er leise mit einem sanftem Grinsen. „Meinen Namen weißt du ja schon. Ich bin 16, werde im Juni 17. Ich liebe es, Musik zu hören, ich schreibe, lese und zeichne gerne, sehe gerne Filme und fotografiere gerne.“ „Was hörst denn für Musik, was zeichnest, schreibst, liest du und welche Filme siehst dir denn an?“ Am liebsten hätte ich losgelacht, mit so vielen Fragen war ich etwas überfordert, da sich die meisten Konversationen auf ‚verzieh dich’ beschränkten. „Ich höre Punk, Symphonic, Reggae und ab und zu normalen Pop. Ich zeichne und schreibe was mir einfällt, ich lese, was ich in die Finger bekomme, am liebsten Fantasy. Filme sehe ich so ziemlich alles, nur Horror sehe ich selten alleine. Jetzt bist du dran!“ Als ich diese Worte ausgesprochen hatte, fragte ich mich, warum ich das getan hatte. Er war gerade mal ein paar Stunden in unserer Klasse und wusste inzwischen mehr über mich als jeder Andere, auch Dinge, die ich normalerweise nicht erzählen würde. „Meinen Namen weißt du ja auch schon, ich bin 17 und werde im August 18. Ich höre auch gerne Musik, Punk und Metal. Sehe gerne alle Arten von Filmen, solange sie eine interessante Handlung haben. Ich mach gerne was mit dem PC, egal ob spielen oder chatten, sonst gibt es nicht wirklich was Interessantes!“ „Du musst dir eine Beschäftigung suchen der du im Unterricht nachgehen kannst, ansonsten stirbst du hier vor Langeweile.“ Er fing an zu lächeln. „Danke, ich werde mir was einfallen lassen. Du könntest natürlich auch einfach aufpassen?“ „Guter Witz“, lachte ich. Inzwischen wurde es in der Klasse immer lauter, woraufhin der Lehrer aufstand und zu unterrichten begann. „Da es immer lauter geworden ist, beginne ich jetzt mit dem Unterricht! Zuerst, wie jeder Stunde werde ich ein paar von euch mündlich zum Stoff der letzten Stunde befragen. Michelle, erklär mir den Unterschied zwischen dem Durchschnittspreisverfahren und dem gleitenden Durchschnittspreisverfahren.“ Panisch sah sich die angesprochene Schülerin nach Hilfe um und versuchte dem bohrenden Blick des Lehrers irgendwie zu entgehen. Kurz traf sich mein Blick mit dem Ihren, auch wenn ich sie nicht wirklich kannte, tat sie mir jetzt leid. Ich würde dem Blick des Lehrers nicht ausgesetzt werden wollen. Langsam wurde dieser immer ungeduldiger, was Michelle noch nervöser machte. Irgendwie fühlte ich auch etwas anderes als Mitleid. Kaum zu glauben, ich ertappte mich dabei, wie ich anfing zu grinsen. Dem einen Teil von mir tat sie leid, doch anscheinend gefiel es einem Anderen, sie in solch einer Situation zu sehen. Auch wenn ich nie mit ihr gesprochen hatte, sie war zu ihren Mitmenschen nie wirklich freundlich gewesen. Wenn es darum ging Andere bloß zu stellen, war sie immer vorne mit dabei. Deswegen hatte sie in der Klasse nur drei Freundinnen, sie fand der Rest war nicht gut genug für sie. Was ihr an Freundlichkeit fehlte, das glich ihr Aussehen wieder aus. Es gibt nur eine Sache die schlimmer ist als ein arrogantes und schönes Mädchen, nämlich ein Mädchen, das auch weiß, dass es schön ist. Sie nutzte das bei jeder erdenklichen Möglichkeit aus und innerhalb kürzester Zeit waren fast alle Jungs in der Klasse hinter ihr her. Diejenigen, die nicht hinter ihr her waren, waren entweder zu klug, um auf ihre Masche hereinzufallen, oder sie gab ihnen deutlich zu verstehen, dass sie nichts von ihnen wollte. Kurz darauf wurde ich von einem sanften Tritt gegen mein rechtes Bein aus meinen Gedanken gerissen. Leicht erschrocken blickte ich nach rechts und sah den leicht grinsenden Julian vor mir sitzen. Ich starrte förmlich in seine blauen Augen, die mich völlig in ihren Bann gezogen hatten. Was machst du denn da, ermahnte ich mich plötzlich in meinen Gedanken, du starrst ihn an. Was soll er denn denken, wenn du ihn die ganze Zeit anstarrst? Ich zwang mich schlussendlich dazu, wegzusehen und hoffte, dass es ihm nicht allzu seltsam vorgekommen ist, dass ich ihn angestarrt habe. Doch diese Hoffnung schien vergeben, als ich mich endlich von meinen Augen lösen konnte, bemerkte ich, dass er den Kopf schief gelegt hatte und mich etwas skeptisch und fragend ansah. „Alles in Ordnung?“ „J-ja, alles in Ordnung“, versicherte ich ihm und danach richtete ich meinen Blick wieder in den vorderen Teil der Klasse, wo unser Lehrer gerade dabei war den Stoff der letzten stunde nochmals zu erklären. Normalerweise hatte ich in diesem Fach keinen Durchblick, doch erstaunlicherweise hatte ich den Stoff der letzten Stunde mal verstanden. So kam es, wie es kommen musste, ich begann mich langsam aber sicher meiner Zeichnung zu widmen und vergaß alles um mich herum. Und, wie nicht anders zu erwarten, wurde der Lehrer auch prompt auf mich aufmerksam. „Langweile ich dich Oliver??“, fragte er provokant. Ich schreckte hoch und vernahm leises Kichern aus der rechten vorderen Reihe der Klasse. Ein flüchtiger Blick genügte, um zu sehen, dass sich Michelle königlich amüsierte. Gleich wird ihr das Lachen vergehen, dachte ich mir und begann leicht zu grinsen. „Ehrlich gesagt ja. Sogar ich habe den Stoff der letzten Stunde verstanden, ich kann nicht verstehen, wie das jemand nicht verstehen kann!“ Ein Blick zu Michelle genügte, um zu sehen, dass ihr das Lachen ganz schnell vergangen war. Auch der Lehrer hatte mit solch eine Antwort nicht gerechnet. „Nun ja, wie du siehst, gibt es das doch, als bitte versuch dem Unterricht zu folgen, auch wenn du den Stoff schon beherrschst. Ein bisschen Wiederholen schadet auch nicht“, sagte der Lehrer und konnte sich ein leichtes Grinsen auch nicht verkneifen. Viel zu schnell wandte er sich wieder seinem Stoff zu und ich versuchte irgendwie aufzupassen. Ich rückte mit meinem Sessel etwas zurück und lehnte mich dann an die Rückwand der Klasse. Trotz des festen Vorsatzes aufzupassen gab es 1.000 Dinge zu sehen, die interessanter waren, darum fing ich an mich in der Klasse umzusehen. An der Decke sah ich zehn Spinnen, die gerade damit beschäftigt waren ein Netz zu konstruieren. Danach weckte ein Riss in der Decke meine Aufmerksamkeit, der genau über den Leuten zu sehen war, die keine Gelegenheit ausließen Andere fertig zu machen. Wenn doch nur die Schule in sich zusammenbrechen würde... Ein Grinsen machte sich auf meinen Lippen breit. Als würde eine Schule in sich zusammenfallen. Jeder Schüler hoffte auf so ein Wunder, warum sollte es ausgerechnet bei uns passieren. Dann fiel mein Blick auf Julian, der gerade dabei war eine Aufgabe unseres Lehrers zu lösen. Es schien ihm wirklich Spaß zu machen, für mich völlig unverständlich und umso glücklicher war ich, als endlich das erlösende Klingeln der Schulglocke zu hören war. Vor mir lagen 15 Minuten Pause und dann hatten wir nur noch zwei Stunden Kunst und zu guter Letzt eine Stunde Musik. Die Pause verging mal wieder viel zu schnell. Julian und ich haben unser Gespräch weitergeführt und schon waren wir wieder in der Klasse und warteten darauf, dass unsere Kunstlehrerin endlich zu uns kam. Kaum hatte ich den Gedanken vollendet, kam sie auch schon durch die Tür ins Klassenzimmer. „Guten Morgen Klasse, da wir das letzte Mal mit unserer Arbeit fertig geworden sind, beginnen wir heute eine Neue. Jeder von euch wird ein Thema bekommen, zu dem er etwas zeichnen darf. Für diese Arbeit habt ihr zwei Doppelstunden Zeit, das heißt, am Freitag wird diese Arbeit fertig sein! Ich gehe nun zu jedem von euch und gebe euch euer Thema, ihr könnt dann sofort anfangen. Ansonsten gilt das Übliche!“ Ich liebte diese Kunststunden. ‚Das Übliche’ bedeutete, dass, solange alle an ihren Arbeiten zeichneten, durften wir nebenbei machen, was wir wollten. Musik hören, mit Banknachbarn sprechen, essen oder auch trinken, es war ihr völlig egal, solange wir mit unseren Arbeiten vorankamen. Nach wenigen Minuten kam die Lehrerin auch zu uns und gab uns zwei zusammengelegte Zettel in die Hand, bevor sie zum nächsten Tisch ging. Ich entfaltete den kleinen Zettel und überlegte in der Zwischenzeit, was darauf stehen könnte. Als ich die Worte darauf erkennen konnte, war ich nicht wirklich überrascht. ‚Silvesterfeier’, genau so schätzt man unsere Lehrerin ein, wenn man sie sieht. Sie gibt uns keine schweren Aufgaben, gerade mal so schwer, dass jeder irgendwie damit zurechtkommen kann. Außerdem war es egal, wie man zeichnete, sie fand in jedem Bild etwas, das sie in den Himmel loben konnte. Ich sah zu Julian, der mir seinen Zettel zeigte ‚Schwimmbadbesuch’. Auch nicht wirkliche eine Herausforderung, doch es war nun mal unsere Aufgabe für ganze vier Stunden. Ich kramte meinen Block heraus, nahm einen Bleistift und begann eine Silvesterfeier zu skizzieren. Auch Julian fing an zu zeichnen und wie es aussah, tat er sich schwer dabei. Als ich meine Feier bereits fertig skizziert hatte, war er erst gerade am Anfang und das nach bereits einer Stunde Kunst. „Wir machen keine Pause, aber wenn jemand auf die Toilette muss, kann er jederzeit gehen!“, meldete sich die Lehrerin noch mal zu Wort. Dieses Angebot nahm Julian sofort an. Er stand auf und verließ mit ein paar anderen Schülern die Klasse. Ich nutzte diese Zeit und begutachtete seine bisherige Arbeit. //Da er jetzt nicht da ist...//, dachte ich und fing an bei seiner Zeichnung weiterzuarbeiten. Als sich die Türe erneute öffnete, war ich bereits mit einer Skizze seiner Zeichnung fertig, legte sie zurück auf seine Seite des Tisches und widmete mich wieder meiner Zeichnung. Julian ging langsam zurück und setzte sich wieder auf seinen Platz. Er nahm seinen Bleistift und wollte sich gerade wieder seiner Zeichnung widmen, als er es bemerkte und überrascht zu mir sah. „Danke.“ „Kein Problem“, sagte ich grinsend, ohne aufzublicken. Anscheinend tat er sich jetzt leichter, denn er begann sofort die Skizze zu erweitern und weiter zu zeichnen. „Wie sieht der Stundenplan morgen aus?“, fragte er mich zehn Minuten, bevor die Stunde zu Ende war. „Eine Stunde Religion, eine Stunde Englisch, eine Stunde Französisch, eine Stunde Biologie und eine Stunde Latein, um 12.00 Uhr können wir heimgehen!“ „Toll, nach solchen Stunden würde ich auch keine weitere mehr aushalten.“, meinte er. „Da wir keine Pause gemacht haben, hören wir um fünf Minuten früher auf. Wir sehen uns am Freitag wieder, dann werde ich eure Zeichnungen absammeln und benoten. Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Woche!“, verabschiedete sich die Lehrerin, bevor sie die Klasse verließ. „Wie ist der Lehrer, den wir in Musik haben?“, kam von Julian, während er seinen Zeichensachen im Rucksack verstaute. „Wir haben eine Lehrerin und meistens ist sie ganz in Ordnung. Entweder singen wir, manchmal hören wir auch nur Musik. Ist nicht wirklich anstrengend.“ Inzwischen hatte das rege Treiben im Klassenzimmer begonnen, wie es in den meisten Pausen stattfand. Schüler aus anderen Klassen kamen ihre Freunde besuchen und tratschten mit ihnen die ganze Pause lang. Doch auch die längste Pause ist mal zu Ende und schon kam die Lehrerin ins Klassenzimmer. „Guten Tag, ich habe gestern eine neue CD gefunden, die ich euch heute vorspielen werde und da so ein schöner Tag ist, hören wir jetzt eine halbe Stunde Musik und dann hören wir auf.“ Sie steckte ihren CD-Player ein, legte die CD ein und begann ihre Musik vorzuspielen. Ich hatte keine Ahnung, welche Musik sie uns da vorspielte, doch sie klang angenehm beruhigend. So stellte ich mir die optimale Einschlafmusik vor, leise, sanfte Töne und wenig Gesang. Es war richtig angenehm, auf Dauer jedoch zu langweilig. Ich könnte mir nicht vorstellen, das jeden Tag zu hören. Ohne Vorwarnung schob Julian plötzlich wieder einen Zettel zu mir rüber. Ich schaute auf und fand schnell heraus, wen er gemeint hatte. Immer wieder las ich mir den letzten Satz durch und obwohl ich den Inhalt verstanden hatte, wusste ich nicht, was ich darauf erwidern konnte, also zuckte ich nur mit den Schultern und schob den Zettel kommentarlos zurück. Die Musik verstummte und die Lehrerin packte ihre Sachen zusammen, verabschiedete sich und verließ die Klasse. Julian und ich schnappten unsere Schulsachen und machten uns auf den Weg zum Bus. Wir verließen die Schule und machten uns auf den Weg zum Bus. Inzwischen war die Kälte, die noch am Morgen herrschte verschwunden und es war angenehm warm. Der Nebel ist gewichen und keine Wolke war am Himmel zu sehen. Die vorherrschende Wärme machte sich auch auf den Straßen bemerkbar. Es waren ungewöhnlich viele Leute unterwegs. Eltern gingen mit ihren Kindern spazieren, einige ältere Damen zogen mit ihren Einkaufstaschen durch die Straßen und auf der Straße waren mehrere Radfahrer unterwegs. Inzwischen hatten wir uns in eine Kolonne von Schülern aus meiner Klasse eingereiht, die alle auf den Weg zum Bus waren. Wie üblich hielten alle Schüler Abstand zu mir, aber das störte mich nicht mehr, nur Julian schien etwas irritiert zu sein. „Warum halten die alle Abstand zu dir?“, fragte er sichtlich verwirrt. „Ich werde es dir mal erklären, wenn ich sicher bin, dass ich es dir erzählen kann.“ Julian war zwar jetzt anscheinend noch verwirrter, doch er schien sich mit der Antwort zufriedenzugeben, vorerst zumindest. Danach herrschte einige Zeit Stille zwischen uns, nur das Getuschel der Anderen konnte man hören. Dieses Getuschel war einfach zu komisch, es war unglaublich, dass meine Klassenkollegen jetzt endlich ein anderes Gesprächsthema hatten als mich. Sie hatten jemand neuen gefunden, über den sie Gerüchte verbreiten konnten und das Beste daran war, dass sie gleichzeitig über mich auch herziehen konnten. Julian nahm das Ganze erstaunlich gelassen hin, einem Anderen wäre das sicher in kürzester Zeit zu viel geworden, doch er ließ sich nichts anmerken. Im Gegenteil sogar, er grinste vor sich hin, schien die Aufmerksamkeit fast zu genießen. Schließlich unterbrach er die anhaltende Stille zwischen uns und er sah kurz zu mir. „Hast du heute Nachmittag Zeit?“ Nachdem er das gesagt hatte, richtete er seinen Blick schnell wieder auf den Boden. Auf solch eine Frage war ich nicht wirklich vorbereitet. „Ja, ich denke, dass ich heute Zeit habe, warum?“, fragte ich ihn und wartete auf eine Reaktion von ihm. „Na ja...“, begann er rumzudrucksen, jedoch ohne seinen Blick vom Boden zu lösen, „wir könnten ja irgendwas machen?“ „Und was ist mit July?“ „Die Woche ist ja noch lang und ich will nicht gleich am ersten Tag auf irgendein Date gehen.“ „Na gut“, kam es von mir, „was hast du dir so vorgestellt?“ „Wir könnten ja die Hausaufgaben von heute machen?“ In dem Moment schaltete mein Gehirn ab. Es hatte so gut angefangen, zuerst das mit dem ‘Date’ und dann kommt so was. Hausaufgaben machen? Normalerweise machte ich die Hausaufgaben einen Tag, bevor ich sie abgeben musste, doch es hatte ja auch was Positives. Ich durfte mit Julian Hausaufgaben machen, kaum hatte ich diesen Gedanken beendet, bemerkte ich, wie sich ein Grinsen auf meine Lippen schlich. Kaum hatte ich das realisiert, unterdrückte ich es schnellstmöglich wieder. .“.. sicher was ein! Was hältst du davon?“ Verdammt! Er hat die ganze Zeit geredet und ich hab nichts mitbekommen. .“.. hört sich toll an!“, antwortete ich, in der Hoffnung, dass das, was er geplant hatte, auch wirklich toll war. „Schön, wo und wann treffen wir uns?“ „Wenn du willst, kannst du gleich zu mir kommen, meine Eltern haben sicher nichts dagegen. Du kannst ja deine Eltern anrufen und ihnen sagen, dass du erst am Abend nach Hause kommst!“ Ein kurzes Nicken war die Reaktion, bevor er sich daran machte, sein Handy aus seiner Tasche zu suchen. „Hallo Mum. Ich komme heute später nach Hause, ich fahr zu einem Schulfreund und mach mit ihm Hausaufgaben.“ Danach steckte er das Handy wieder in die Tasche zurück. „Ok, erledigt“ meinte er grinsend. Ich konnte es kaum glauben, Julian war gerade mal einen Tag an unserer Schule und ich war schon mit ihm auf dem Weg zu mir nach Hause. Seit ich an dieser Schule bin, ist es noch nie vorgekommen, dass jemand freiwillig mit zu mir kam. Endlich kamen wir bei der Bushaltestelle an, wo wie immer viel zu viele Leute auf den Bus warteten. Die Straßen wurden inzwischen immer voller, immer mehr Autos fuhren an uns vorbei. Vor einiger Zeit habe ich die Autos gezählt, die innerhalb von zehn Minuten an der Haltestelle vorbeigefahren sind. 79 Autos und 17 LKWs sind an mir vorbeigerauscht. Ich wusste nicht, warum ich mir diese zwei Zahlen merkte, eigentlich gab es wichtigere Dinge, die ich mir merken könnte. Endlich war es so weit, der Bus kam näher, blinkte und hielt vor uns an. Die Türen öffneten sich und wie nicht anders zu erwarten stürmten alle Leute, die um uns standen in den Bus hinein. Alle versuchten verzweifelt einen Sitzplatz zu ergattern. Julian und ich stiegen unter den Letzten ein und blieben direkt vor der Türe stehen, da wir ansonsten ohnehin keinen Platz mehr gehabt hätten. Alles Sitzplätze waren belegt und auch im Gang standen bereits mehrere Leute. „Ist der Bus immer so voll?“, fragte Julian, während der Busfahrer die Türen schloss. „Normalerweise nicht, doch bei dem schönen Wetter kommen alle aus ihren Häusern. Wir müssen ja nur neun Minuten mitfahren, den Rest gehen wir dann.“ Ich hoffte, dass er mich verstanden hatte, da der Lärm im Bus immer unerträglicher wurde. Langsam aber sicher näherten wir uns der ersten Haltestelle und wie nicht anders zu erwarten, warteten bereits auch dort mehrere Personen auf die Ankunft des Busses. Als wir uns der Haltestelle näherten, wurde der Bus langsamer und blieb punktgenau an der Haltestelle stehen. Die Türen öffneten sich und es stiegen einige Personen ein. Schließlich war der Bus dermaßen überfüllt, dass wir uns nicht umdrehen konnten, ohne gegen einen Mitfahrer zu stoßen. Dem Busfahrer schien das Gedrängel egal zu sein, er konzentrierte sich auf die Straße und ignorierte den Lärm um sich herum. „An der nächsten Station steigen wir aus!“, schrie ich schon fast, in der Hoffnung, dass Julian mich verstand. Mit einem kurzen Nicken bestätigte er die Information, die er gerade von mir bekommen hatte und kam zur Tür. Erneut wurde der Bus langsamer und blieb bei der nächsten Haltestelle stehen. Wir drängten uns aus dem Bus und nachdem wir ihn verlassen hatten, stürmten schon wieder mehr Leute hinein. Nun stand uns ein kurzer Spaziergang, auf einer kaum befahrenen Straße, bevor.. Irgendwie wollte mir einfach nichts einfallen, worüber ich mit Julian reden konnte. Die Stille zwischen uns wurde immer unerträglicher und wir hatten immer noch ungefähr zehn Minuten Fußmarsch vor uns. Schlussendlich beendete Julian das Schweigen. „Sind wir schon da?“, fragte er mit verstellter Stimme. Er hörte sich so an, wie ein kleines, quengelndes und ungeduldiges Kind. „Nein, noch nicht ganz!“, antwortete ich schmunzelnd. „Und jetzt?“, erwiderte er erneut mit verstellter Stimme. Ungläubig sah ich zu ihm. „Geht das jetzt so weiter, bis wir bei mir sind?“ „Ich könnte auch weitermachen, wenn wir bei dir sind.“, grinste er, „sind wir mit den Hausaufgaben fertig? Kann ich was zu trinken haben? Oliver, ich hab Hunger! Es ist viel zu dunkel in deinem Zimmer!“ „Ok, ist ja schon gut“, sagte ich lachend, „wir sind gleich da, dann bekommst du was zu trinken und was zu essen. Keine Panik, in meinem Zimmer ist es sicher nicht zu dunkel!“ Daraufhin begann er zu grinsen, kein fröhliches oder freundliches, ich sah ihm in die Augen und versuchte zu sehen, was in ihm vorging. Meiner Meinung nach konnte ich so was ziemlich gut. Meine Familie sagte immer, dass ich ein Talent hätte, Gefühle und Gedanken in den Augen meiner Mitmenschen zu lesen. Darum habe ich mir auch angewohnt, die Informationen, die ich von meinem Gegenüber brauche, in seinen Augen zu suchen, denn die meisten Menschen lügen, doch in den Augen findet man immer die Wahrheit. Nur Wenige schaffen es, zu lügen, ohne dass man es in ihren Augen sehen kann. Ich sah so genau hin, wie es mir möglich war und ich fand etwas in seinen Augen, doch konnte ich es nicht einordnen. So etwas habe ich bis jetzt noch nie bei einem Menschen gesehen, aus dem ich versucht habe schlau zu werden. Plötzlich drehte er seinen Kopf in meine Richtung und sah mich direkt an. Schnell richtete ich meinen Blick wieder nach vorne auf die Straße. Er wollte gerade etwas sagen, als ich ihm zuvorkam. „Da sind wir schon“ und deutete auf das Haus zu seiner linken. Ich öffnete die Tür zum Garten, ließ Julian eintreten und schloss sie hinter uns wieder. An unserer Tür klingelte ich einige Male und wartete dann, dass mir meine Mutter die Tür öffnete. Mein Vater war fast nie zu Hause, er arbeitete von früh morgens bis abends. Die letzten Tage hörte ich ihn nicht mal nach Hause kommen. Vor uns öffnete sich die Tür, vor uns stand meine Mutter die mich fragend, beinahe überrascht ansah. „Hast du heute einen Freund mitgebracht?“ Diesen überraschten Tonfall hätte sie sich wirklich sparen können. Ich weiß selbst, dass das bis jetzt noch nicht oft vorgekommen ist, aber es gibt eben für alles ein erstes Mal. „Ja, du hast doch nichts dagegen oder?“, fragte ich sie, obwohl ich wusste, dass es ihr nichts ausmachte und auch wenn es ihr was ausmachen sollte, habe ich bis jetzt immer das bekommen, was ich wollte. Das war das Tolle an meiner Mutter, ich wusste genau, was ich tun musste, um das zu bekommen, was ich wollte. Ein trauriger oder unschuldiger Blick reichte, um sie umzustimmen. „Nein, natürlich habe ich nichts dagegen. Geht schon mal in die Küche, in fünf Minuten gibt es Essen!“ Sie trat einen Schritt zur Seite, um uns ins Haus zu lassen. Beim Vorbeigehen spürte ich ihren Blick auf uns ruhen. In den Augenwinkeln sah ich, dass sie zu grinsen begann, was bei ihr selten etwas Gutes hieß. Ich zog meine Schuhe aus und bemerkte dabei, dass sie Julian von oben bis unten musterte. Danach schloss sie die Haustür und ging fröhlich pfeifend an uns vorbei, zurück in die Küche. Julian war das zum Glück nicht aufgefallen, er zog seine Schuhe und Jacke aus und folgte mir dann in die Küche, wo wir uns an den bereits fertig gedeckten Tisch setzten. Immer noch pfeifend brachte meine Mutter das Essen an den Tisch und setzte sich schließlich zu uns. „Ich hoffe, du magst Lasagne?“, fragte sie Julian. „Ja, natürlich mag ich Lasagne, danke sehr!“ Ein kurzes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, ein kurzer Blick zu mir und ein Zwinkern waren die Folge. Ich war froh, als ich das Essen hinter mir hatte, das Dauergrinsen meiner Mutter hätte ich auf Dauer nicht mehr ausgehalten. Nach dem Essen schnappten wir uns unsere Schulsachen und gingen die Treppen hoch in mein Zimmer. Ich ging noch mal in die Küche um etwas zu trinken zu holen, während Julian mein Zimmer inspizierte, auch wenn ich nicht wusste, was er Interessantes finden könnte. In der Küche war meine Mutter gerade dabei abzuwaschen, als ich zwei Gläser aus dem Schrank und eine Flasche Saft nahm. Kurz bevor ich die Küche verlassen hatte, meldete sich meine Mutter zu Wort. „Julian ist nett, du kannst ihn gerne öfter zu uns einladen!“ Was sollte man auf so eine Aussage antworten? Kurz überlegte ich, da sie sicherlich eine Antwort hören wollte. „Okay, danke. Er wird sich freuen!“ Im nächsten Moment bereute ich die Antwort, als ich die Treppen hochging, fing meine Mutter erneut an zu pfeifen. Langsam öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer, in dem sich Julian gerade umsah. Ich stellte die Gläser und die Flasche auf meinen Schreibtisch. „Na? Fertig gestalkt?“, fragte ich ihn grinsend. „Fast“, antwortete er, ohne seinen Blick abschweifen zu lassen. „Was ist denn so interessant?“ „Alles, Oliver, einfach alles“, grinste Julian, „dein Musikgeschmack, deine Bücher, deine Einrichtung, die Poster und Flaggen an deinen Wänden, dass dein Zimmer erstaunlich ordentlich ist, im Vergleich zu meinem.“ Ich begann mich umzusehen, meinen Musikgeschmack kannte er doch schon seit heute Morgen. Meine Bücher? Hauptsächlich Fantasy und mehrere Bücher über Magie, Hexen, Geister, Zauber- und Bannsprüche und andere Rituale. Für die Meisten sind meine Bücher ein weiterer Grund mich zu meiden. Meine Einrichtung ist eher schlicht, ein Futonbett, einen Kleiderschrank, ein Bücherregal und einen weiteren Schrank, alles in einem einheitlichen Farbton. Ja, ich hatte wirklich viele Poster und Flaggen an meinen Wänden, jedoch nicht zu viele. Links und rechts vom Bett je ein Poster mit japanischen Schriftzeichen und dazwischen eine Gothic-Flagge. Über der Tür hing ein Poster mit chinesischen Zeichen und zwei Drachen und daneben noch eine Flagge. Auf der anderen Seite stand mein Schreibtisch und auf diesem vier Bonsais, die genau vor einem Fenster standen. Julian riss mich plötzlich aus meinen Gedanken. „Was ist das?“, fragte er und zeigte auf etwas in meinem Schrank. „Das ist eine Plasmakugel, kennst du sicher, wenn du sie einschaltest, ziehen Blitze von der Spule in der Mitte bis zum Rand der Kugel.“ Ein kurzes Nicken war die Reaktion. „Wollen wir anfangen? Ich will nicht ewig an den verdammten Hausaufgaben sitzen?“ Wir kramten unsere Schulsachen raus und begannen mit den Hausaufgaben. Auch wenn alles ziemlich einfach war, gingen wir sicher, ob wir beide alles verstanden hatten. So verging Stunde um Stunde, die Aufgaben wurden immer schwerer und was um halb zwei angefangen hatte, endete erst um 6.00 Uhr abends. Eigentlich waren wir um kurz nach vier fertig mit den Hausaufgaben, doch Julian wollte noch den Stoff in Französisch und Psychologie erklärt bekommen und dafür erklärte er mir noch ein Kapitel in Buchhaltung, welches ich nicht verstanden hatte. „Ich werde mal besser nach Hause gehen. Wir sehen uns dann morgen“, verabschiedete sich Julian, nachdem er seine Sachen gepackt hatte. Wir waren gerade auf dem Weg nach unten, als mein Vater aus dem Wohnzimmer kam. „Seid ihr fertig mit lernen?“, fragte er, wobei er das letzte Wort etwas mehr betonte, „soll ich dich nach Hause fahren Julian?“ „N...“ „Wäre toll, wenn du ihn nach Hause bringen könntest, Dad!“ „Aber...“ „Ok, dann zieh dich schon mal an, wir fahren gleich. Oliver, deine Mutter braucht dich dann kurz im Wohnzimmer“, grinste mein Vater. Ich verabschiedete mich bei Julian und ging ins Wohnzimmer, wo meine Mutter auf der Couch saß und auf mich zu warten schien. Ich setzte mich ihr gegenüber hin und sah sie an, um ihr zu sagen, dass sie anfangen sollte, während ich versuchte, in ihren Augen zu sehen, was los war. Sie wollte gerade anfangen, als ich das sah, was ich schon den ganzen Tag vermutet hatte. Noch bevor sie etwas fragen konnte, erzählte ich ihr, was sie wissen wollte. „Sein Name ist Julian, er ist gerade aus Deutschland hergezogen. Ja, ich verstehe mich gut mit ihm, es ist nicht weniger und es ist nicht mehr! Sonst noch was?.“ Meine Mutter saß einfach da und starrte mich an, anscheinend versuchte sie, die richtigen Worte zu finden. „Schade eigentlich, dass es nicht mehr ist, ich finde ihn sehr nett!“ Ungläubig sah ich zu ihr. Hat sie das gerade wirklich gesagt? „Nun ja, was nicht ist, kann ja noch werden“, fügte sie grinsend hinzu. Ich beschloss sie in dem Glauben zu lassen und ihr nicht zu sagen, dass er wohl demnächst ein Date mit July haben würde. Sie wusste seit einer Ewigkeit, dass ich schwul war und hatte auch kein Problem damit. Sie hoffte nur andauernd, dass ich jemanden finden würde und machte auch keinen Versuch, das zu verheimlichen. Danach stand sie auf und verließ das Zimmer, während ich mich noch immer fragte, ob sie das wirklich ernst gemeint hatte. Ich beschloss, in meinem Zimmer weiter darüber nachzudenken, um einer weiteren Befragung zu entgehen. Ich schloss die Tür hinter mir, legte eine CD in meine Anlage ein und hörte leise Musik. Normalerweise konnte ich Musik nicht leise hören, doch meine Eltern würden mich umbringen, wenn ich am Abend zu laut Musik hörte, während sie unten fernsahen oder sich unterhielten. Ich löschte das Licht und legte mich auf mein Bett um mich von den Strapazen des heutigen Tages zu erholen und um alles, was heute passiert war, aufzuarbeiten. Wie es der Zufall so wollte, startete gleich zu Anfang ein mehr als deprimierendes Lied. Panisch suchte ich die Fernbedienung meiner Anlage. Auch wenn ich normalerweise kein Problem damit hatte, so konnte ich diese Art von Musik jetzt keinesfalls brauchen. Nach mehrmaligem Weiterschalten warf ich die Fernbedienung zur Seite, ließ mich in mein Bett zurückfallen und genoss die Musik. Es war so weit, ich vergaß alles um mich, konzentrierte mich voll und ganz auf die Melodien und den Gesang und nahm nichts mehr um mich herum wahr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)