Fragmente von TalonOne (Kurzstory-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 6: Schwäche ------------------- Eine Marktstraße irgendwo im Imperium. Überall Menschen, die ihr tägliches Leben führten, ohne Wissen über die Schrecken des Warp. Manchmal beneidete Ralei sie. Als Inquisitor hatte er exklusives Wissen über Dämonen und andere Warpwesen. Wissen, dass einen untrainierten Geist in den Wahnsinn treiben könnte. Aber diese Leute, durch deren geschäftiges Treiben er sich gerade unerkannt einen Weg bahnte - Diese Leute wachten jeden Morgen auf, gingen zur Arbeit, kehrten abends nach Hause zurück, stets im festen Glauben, dass ihre Welt unerschütterlich sicher war. Krieg war immer nur auf anderen Welten. Dort, wo die Zehntregimenter hingeschickt wurden. Nie würde hier etwas derartiges... Ein dumpfer Einschlag an seinem Bein riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte nach unten und sah ein kleines blondes Mädchen am Boden liegen, das sich den Kopf rieb, mit dem es gerade von der Keramikplatte unter Raleis langem Mantel abgeprallt war. "Mirija!" Eine junge Frau elite an ihre Seite und schimpfte das Kind während sie es wieder auf die Beine stellte. Sie hatte die selbe Haarfarbe wie das Mädchen und ihre abgerissene Kleidung bildete einen starken Kontrast zu Raleis edlem Ledermantel. Noch bevor sie eine Entschuldigung hervorbringen konnte kniete der fremde Mann schon vor ihrer verschreckten Tochter, hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt und redete beruhigend auf sie ein. Als er sich wieder aufrichtete hatte sie sich beruhigt und knabberte glücklich an einer knallroten Süßfrucht. Der jungen Frau stockte der Atem. Nicht nur, dass die Frucht sehr teuer war. Sie kannte diesen Mann. Und er erkannte sie. "M- Milord..." Begann sie zu stammeln. Ralei hob seine freie Hand: "Nicht. Es gibt Gestalten, die nicht wissen müssen, wer ich bin." Sie verstand. "Entschuldigt vielmals. Es ist nur... Seit mein Mann mit Euch gegangen ist wurde das Leben schwerer. Der Krieg vor zwei Jahren." Sie seufzte. "Mir ist nur unsere Tochter geblieben." Während sie noch redete, ging Ralei seine Erinnerungen durch. Er war sicher, dass er einen seiner persönlichen Gardisten von diesem Planeten rekrutiert hatte. Nur welcher der dutzenden Soldaten, die ihn die letzten drei Jahre begleitet hatten, war ihr Ehemann? "Slivio hat von Euch in höchsten Tönen gesprochen, darum ließ ich ihn auch gehen. Aber nun flehe ich Euch an, gebt ihn..." Sie sprach weiter, doch Ralei hörte sie nicht mehr. Er hörte nur seine eigene Stimme, zornig und unnahbar: "Soldat Slivio! Für das Verbrechen der Feigheit vor dem Feind verurteile ich dich zum Tod!" Ihre Lippen bewegten sich, doch Ralei sah ihr Gesicht nicht mehr. Er sah nur das Gesicht des Gardisten, den er soeben zum Tode verurteilt hatte. Wie er sich danach umdrehte um feige die Flucht anzutreten, wie er es einen Moment zuvor bereits versucht hatte. Ralei, der Mensch konnte es verstehen. Die Horden des Erzfeinds waren schreckliche Gegner. Doch Ralei, der Inquisitor, der Feldherr, konnte keine Schwäche in seinen Reihen dulden. Seine Hand lag noch immer auf der Schulter ihrer Tochter, doch er fühlte den groben Stoff nicht. Er fühlte das Leder, das den Griff seiner Boltpistole umgab. Den kühlen Stahl des Abzugs. Den scharfen Ruck als die Waffe das Leben eines Mannes beendete. Ralei realisierte, dass er noch immer die Hand auf der Schulter des Mädchens liegen hatte. Dieselbe Hand mit der er ihren Vater erschossen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)