Familienbande von Imogen ================================================================================ Kapitel 1: Familienbande ------------------------ Sakura rannte so schnell sie konnte über den Gang zu Kakashis Büro, als ob zu spät kommen bereits ausreichen würde, um diese wahnsinnige Hoffnung zu zerbrechen. Sasuke! Zuerst hatte ihre Wut keine Grenzen gekannt, als Sai plötzlich in ihrem Badezimmer stand. Sie hatte sich gerade so ihren Bademantel schnappen können und hätte beinahe auf ihn eingeschlagen, als er ihr die Botschaft des Hokagen überbracht und sich somit gerettet hatte. „Sasuke-kun ist zurück.“ Ihr Herz schlug schneller, als sie vor der Tür des Büros schlitternd zum Stehen kam. Hinter sich hörte sie Sai, der nicht mit ihr hatte Schritt halten können. Sie hatte ihn sofort aus dem Bad geworfen und sich angezogen, nur um so schnell sie konnte zum Hokageturm zu sprinten. Jetzt erst bemerkte sie das starke Zittern ihrer Hände. Hinter dieser Tür wartete er… um zurückzukehren – nach Hause! Endlich würden sie wieder zusammen sein… nach Jahren der Suche, immer wieder gestört oder zurück gestellt, durch Akatsuki und später den Aufbau Konohas… endlich würde ihr Team – ihre Familie! – wieder vereint sein. Entschlossen stieß Sakura die Tür auf und betrat das Büro. „Ah, Sakura. Und Sai… damit wäre unsere Runde komplett.“, kommentierte Kakashi, der hinter seinem Schreibtisch stand. Zu seiner Rechten stand Naruto, übers ganze Gesicht strahlend. Zu seiner Linken stand Yamato mit seiner üblichen ausdruckslosen Miene. Und vor dem Schreibtisch, eingehüllt in einen schwarzen Mantel stand Sasuke. Während Sai sich neben Yamato stellte, ging Sakura vorsichtig auf Sasuke zu. Er würdigte sie keines Blickes, bis sie direkt vor ihm stand. „Sasuke-kun…“, flüsterte Sakura fast und verfluchte innerlich, dass nur ein Blick von ihm ihr Selbstbewusstsein erschüttern konnte. „Willkommen zu Hause.“ Zu ihrer Überraschung verengten sich seine Augen und für einen Moment erkannte sie seine unterdrückte Wut, bevor er den Blick abwandte. „Können wir beginnen, Kakashi?“, fragte Sasuke ungeduldig. „Immer mit der Ruhe.“, erwiderte der Hokage. „Als dein Team haben Naruto und Sakura ein Recht dazu, als Zeugen diesem Gespräch beizuwohnen und ihre Meinung zu sagen.“ Sasuke verdrehte die Augen, widersprach aber nicht. Unsicher trat Sakura zurück. Das war nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte… Trotzdem stellte sie sich neben Naruto und wartete, was nun passieren würde. „Gut, dann können wir jetzt beginnen.“, stellte Kakashi fest. „Sasuke bittet um Wiederaufnahme in Konoha.“ „Ja!“, schrie Naruto begeistert und stieß die Faust in die Luft. „Ich wusste es!“ Sakura spürte Tränen der Erleichterung und Freude in ihren Augen. Es stimmte also – ihre Hoffnungen waren berechtig gewesen! „Die Frage ist, ob wir das gestatten können.“, fuhr Kakashi fort und erstickte damit das Hochgefühl. „Was soll das heißen!?“, protestierte Naruto sofort. „Wir haben fünf Jahre lang nach ihm gesucht – und jetzt willst du ihn nicht nach Konoha lassen?!“ „Die Sache ist etwas komplizierter, Naruto.“, mischte Yamato sich ein. „Sasuke ist zum einen aus Konoha desertiert und hat sich Orochimaru angeschlossen. Zum anderen ist er Akatsuki beigetreten und hat durch seine Aktionen einen Konflikt mit Kumogakure riskiert.“ Kakashis Blick ruhte auf dem Schreibtisch vor ihm und Sakura hätte ihm am liebsten eine Hand auf die Schulter gelegt, um zu zeigen, dass sie verstand. Er war in einer mehr als schwierigen Situation – die Zerstörung Konohas durch Akatsuki und der Tod Tsunades lagen kaum zwei Jahre zurück und die Erinnerung daran war noch immer frisch. Drei Jahre davor hatte Orochimaru das Gleiche versucht. Und Sasuke hatte zu verschiedenen Zeiten mit beiden zusammen gearbeitet. All das sprach gegen ihn und Kakashi hatte als Hokage eine Verantwortung gegenüber Konoha. Die Entscheidung war nicht einfach, außerdem fiel es ihm bestimmt nicht leicht, Sasukes Handlungen zu verzeihen. Und doch… „Was hast du dagegen vorzubringen, Sasuke?“, fragte Kakashi scheinbar ungerührt. Sasuke atmete hörbar ein und aus, bevor er seinen früheren Lehrer fixierte und begann zu sprechen. „Ich habe Orochimaru zu keiner Zeit bei Handlungen gegen Konoha unterstützt. Er hat von mir nichts erfahren, das dem Dorf irgendwie hätte schaden können. Ich habe über mein Leben entschieden und ihn als Lehrer aufgesucht – und wie du vielleicht noch weißt, war ich derjenige, der Orochimaru getötet und damit eine der größten Bedrohungen Konohas ausgelöscht hat.“ Kakashi nickte zustimmend und Sakuras Hoffnung wuchs wieder. „Darüber hinaus“, fuhr Sasuke fort, „habe ich an der Zerstörung Konohas nicht teilgenommen – die geht auf die Rechnung anderer Mitglieder von Akatsuki, ich selbst war zu diesem Zeitpunkt in einen Kampf gegen Shinobi aus Kumogakure verwickelt. Was diesen Vorwurf angeht – der Angriff, der die Aufmerksamkeit des Raikagen auf sich zog, wurde von mir als ein klar erkennbares Mitglied von Akatsuki ausgeführt und wurde auch als solcher behandelt. Darüber hinaus hab ich den Idioten da hinten im Kampf gegen Uchiha Madara unterstützt und ihm zum Sieg verholfen.“ Naruto wollte protestieren, aber Sakura hielt ihn mit einem Klaps auf den Hinterkopf davon ab. Das war nicht der richtige Zeitpunkt für Streitereien. „Nun…“, begann Kakashi bedächtig. „Ich verstehe, was du-“ „Ich war noch nicht fertig.“, unterbrach Sasuke ihn, doch jetzt klang seine Stimme deutlich aggressiver. Mit Wucht schlug er seine Hand auf Kakashis Schreibtisch und beugte sich vor, die Augen verengt und das Gesicht wieder von der gleichen Wut erfüllt, die Sakura zuvor gesehen hatte. „So viel schuldet ihr mir.“, zischte Sasuke mit vor Gift triefender Stimme. „So viel schuldet mir Konoha dafür, dass es mein Leben zerstört hat! Dafür, dass es meinen Clan und meinen Bruder zerstört hat!“ „Was?!“ Mit einem Wort brachte Naruto zum Ausdruck, was sie alle gedacht hatten. „Konoha hat Uchiha zerstört.“, sagte Sasuke, ohne den Blick von Kakashi zu nehmen. „Die Ältesten von Konoha haben Itachi dazu gezwungen, seinen eigenen Clan auszulöschen!“ „Das ist doch lächerlich!“, protestierte Sakura. „Genau, das hätte der alte Hokage doch nie zugelassen!“, stimmte Naruto ihr sofort zu. Sasuke wandte ruckartig den Kopf zu ihnen um. „Was wisst ihr davon?!“, fragte er. „Du musst zugeben, dass diese Geschichte ziemlich unglaubwürdig ist.“, gab Kakashi zu bedenken. „Also, wenn ich mich einmischen darf…“, begann Sai mit einem Lächeln auf dem Gesicht. „Und was hast du damit zu tun?!“, fuhr Sasuke ihn an. „Nichts, aber ich habe unter Danzou, dem Anführer von Root, gearbeitet.“, erklärte Sai. „Ich wollte nur anmerken, dass das Szenario nicht einmal so unwahrscheinlich ist.“ Jetzt waren alle Augen auf Sai gerichtet. „Wie meinst du das?“, fragte Kakashi mit Anspannung in der Stimme. „Ich sage nur, dass Danzou zu der Zeit, als ich Root beigetreten bin, sehr um Uchiha besorgt war – er sprach einmal von einem bevorstehenden Staatsstreich. Und da es allgemein bekannt ist, dass Root zu radikalen Methoden neigt…“ Sai beendete den Satz nicht, aber es war auch nicht nötig. „Das muss untersucht werden.“, sagte Kakashi nach kurzem Nachdenken. „Wenn es der Wahrheit entspricht…“ „Ich habe nicht die Zeit, auf eure Untersuchungen zu warten!“, fuhr Sasuke dazwischen. „Ich brauche jetzt eine Antwort!“ „Es reicht!“ Kakashis Stimme war leise aber bedrohlich und in seinem nicht verdeckten Auge funkelte es beunruhigend. „Du wirst mich nicht mehr unterbrechen sondern meine Fragen beantworten.“ Sasuke schnaubte kurz, widersprach aber nicht. „Ich habe nur eine Frage.“, fuhr Kakashi fort. „Warum, Sasuke? Warum willst du unbedingt nach Konoha zurück? Gerade eben hast du es noch für den Tod deiner Familie verantwortlich gemacht. Warum willst du dann hier leben?“ „Für die Ausrottung meiner Familie.“, verbesserte Sasuke. „Und um das klarzustellen, das hat nichts mit wollen zu tun. Ich bin hier, weil ich keine andere Wahl habe.“ „Inwiefern?“, fragte Kakashi. Sasuke zögerte, bevor er darauf antwortete. Er brach sogar den Blickkontakt und richtete seine Augen stattdessen auf Kakashis rechte Schuler. „Seit dem Untergang von Akatsuki bin ich mit meinem Team auf der Flucht vor verschiedenen Fraktionen, die uns als die letzten Überreste der Organisation ansehen. Sämtliche Zufluchtsorte, die uns zur Verfügung stehen, haben sich als nicht mehr sicher herausgestellt. Und außerdem braucht meine… Gefährtin, Karin, dringend medizinische Betreuung.“ Sakura senkte ebenfalls den Blick, als ihr klar wurde, wie schwer es Sasuke fallen musste, das zu offenbaren. Es war immerhin eine Schwäche, und Schwächen zuzugeben war noch nie leicht für ihn gewesen. Sasuke sah wieder auf und sein Blick traf den Kakashis. „Wenn ich eine andere Wahl hätte, dann wäre ich nicht hier. Aber im Moment trage ich nicht nur die Verantwortung für mein Leben. Also, wie lautet deine Entscheidung?“ Sakura hielt unbewusst die Luft an, während sie auf Kakashis Antwort wartete. Es war mehr als riskant, ihn so schnell zu einem Urteil zu drängen… Die Fakten, seine Taten sprachen gegen Sasuke, zumindest in den Augen der Bevölkerung, die seiner Verteidigung bestimmt nicht widerspruchslos glauben würde… Sie sah besorgt zu ihrem Lehrer, der die Augen geschlossen hatte und nachdachte. Schließlich wandte er sich um und sah sie an. „Naruto, Sakura, möchtet ihr noch etwas dazu sagen?“ „Kakashi-sensei, du kannst ihn-“ „Sasuke-kun gehört immer noch-“ „Nicht gleichzeitig.“, unterbrach Kakashi beide. „Naruto?“ Sakura schob ihre Enttäuschung beiseite und wandte sich ihrem Teamkameraden zu. „Sensei, du kannst ihn nicht einfach wegschicken! Sasuke gehört zu uns! Er ist genauso ein Teil von Team 7 wie du! Du musst ihn wieder aufnehmen, sonst waren die ganzen letzten Jahre umsonst!“ Naruto schluckte und Sakura glaubte ihn zittern zu sehen. „Konoha ist auch sein zu Hause. Bitte, Kakashi-sensei!“ Kakashi nickte bedächtig. „Ich verstehe. Sakura?“ Vorsichtig trat sie einen Schritt nach vorne. Ihr Herzschlag klang laut in ihren eigenen Ohren. Einen Moment lang spürte sie die Verantwortung auf sich lasten, die Kakashi tragen musste. Wenn es jetzt von ihr abhing… „Kakashi-sensei, ich glaube nicht, dass Sasuke-kun Konoha schaden will. Ich bin mir sicher, wenn er hierher kommt und darum bittet, wieder aufgenommen zu werden, dann ist es ihm auch ernst. Wenn er Konoha angreifen wollte, hätte er dich bestimmt nicht vorher aufgesucht. Und als er damals das Dorf verlassen hat, ist er bereits zum Nuke-Nin erklärt worden – aber das hat uns auch nicht davon abgehalten, ihn wieder nach Hause bringen zu wollen! Warum sollten wir dann jetzt unsere Meinung ändern? Außerdem… wenn sie einen Verwundeten dabei haben, dann müssen wir ihnen helfen! Zumindest diese Versorgung wäre meine Pflicht als Medic-Ninja. Und… und ich möchte ihm helfen.“ Wieder nickte Kakashi. „Ich verstehe… allerdings ist das eine schwer wiegende Entscheidung, für die ich mich noch mit weiteren Personen beraten muss.“ „Ich sagte doch, ich brauche jetzt eine Entscheidung!“, drängte Sasuke. „Deswegen“, fuhr Kakashi fort, als hätte er nichts gehört, „spreche ich vorerst ein vierwöchiges Asyl für dich und deine Begleiter aus. Sakura wird dich begleiten und die übrigen Mitglieder deines Teams nach Konoha bringen und darüber hinaus die medizinische Versorgung übernehmen. Ihr alle seid allerdings auf das Uchiha-Anwesen beschränkt, das darüber hinaus rund um die Uhr von Anbus bewacht wird. Solltet ihr etwas von außerhalb brauchen, dann wendet euch an Sakura oder Naruto. Außer mir und den beiden ist es niemandem gestattet, das Anwesen zu betreten und ihr werdet mit niemandem sonst Kontakt haben. Diese Bedingungen werden nicht diskutiert, entweder du akzeptierst sie oder du hast zehn Minuten, bevor Anbu auf dich angesetzt wird.“ Sasukes Haltung versteifte sich während Kakashis Vortrag. Als der Hokage geendet hatte, nickte er kaum merklich. „Ich akzeptiere.“ Mit einem Freudenschrei stürzte Naruto sich auf Sasuke und warf ihn in einer Umarmung zu Boden. „Du bist zurück!“ rief er, unfähig, etwas anderes zu sagen. „Ich weiß.“, erwiderte Sasuke und schob Naruto von sich. Er stand wieder auf und klopfte sich so würdevoll wie möglich nicht vorhandenen Staub von den Kleidern. Sakura hatte das Gefühl, ihre Beine würden jeden Moment nachgeben. Es war… real… Sasuke würde – zumindest vorerst – in Konoha bleiben. Er war nach Hause zurückgekehrt. „Sasuke, muss deine Kameradin sofort behandelt werden oder schafft sie vorher noch den Transport nach Konoha?“, wandte Kakashi sich wieder an Sasuke. „Sie wird den Transport schaffen.“, antwortete dieser ruhig und wirkte auf einmal etwas entspannter. „Es ist noch kein akuter Notfall… hoffe ich zumindest.“, fügte er noch hinzu. „Gut. Sakura, bring sie zum Uchiha-Anwesen. Wenn du Ausrüstung brauchst, melde dich bei Shizune. Noch irgendwelche Fragen?“ Ohne zu antworten öffnete Sasuke das Fenster. „Komm.“, sagte er nur zu Sakura, bevor er nach draußen sprang. „W-warte!“, rief sie und folgte ihm. Ihre Muskeln gehorchten ihr zum Glück wieder und auch ihr Puls hatte sich beruhigt. Er war zurück… Sie konnte es kaum glauben! Mit einem kräftigen Sprung stieß sich Sakura von einem Ast ab und war jetzt auf einer Höhe mit Sasuke, während sie mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Wälder um Konoha reisten. „Es ist gut, dass du wieder zu Hause bist, Sasuke-kun.“, begann sie. „Ich bin wirklich froh, dass-“ „Von mir aus könnte Konoha brennen.“, erwiderte Sasuke ohne sie anzusehen. „Die Entscheidung hierher zu kommen war eine pragmatische, keine sentimentale.“ „Aber warum hast du…“, versuchte sie es wieder. „Sakura – ich habe kein Interesse an Small Talk.“, unterbrach Sasuke sie. Ein trauriges Lachen entrang sich Sakuras Kehle. „Ob sich das je ändern wird?“, fragte sie leise ohne eine Antwort zu erwarten. „Was?“ Sasukes Stimme klang wieder gereizt. „Du wolltest mir nie etwas erzählen oder mit mir darüber sprechen, wie es dir geht…“, erklärte Sakura. „Bin ich immer noch nervig?“ Das entnervte Seufzen Sasukes schien die Frage zu beantworten. „Ich verstehe…“, murmelte Sakura und lächelte, obwohl sie sich wieder so hilflos, so nutzlos wie vor fünf Jahren fühlte, trotz all der Stärke, die sie in der Zwischenzeit gewonnen hatte. Aber das war zu erwarten gewesen… Dinge würden wieder wie früher sein. Das war es doch, was sie wollte, oder? Dass ihre „Familie“, Team 7, wieder zusammen war wie früher… Sasuke warf ihr einen Seitenblick zu, bevor er den Kopf schüttelte. „Es gibt nichts, worüber es sich zu reden lohnt. Ich bin wieder in Konoha. Es ist unnötig, darüber zu diskutieren.“, führte er seinen Punkt weiter aus. „Wir sind gleich da – mein Team wird durch ein Genjutsu geschützt.“ „Dieses Mädchen… ist sie schwer verwundet?“, fragte Sakura. Sasuke schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht verwundet.“ „Was? Aber du sagtest doch…“ „…dass sie medizinische Betreuung braucht. Dringend. Von Wunden habe ich nichts gesagt.“, erinnerte Sasuke sie. „Was hat sie dann?“, fragte Sakura. „Ich muss das wissen!“ „Du wirst es schon sehen.“, erwiderte Sasuke, der offensichtlich nicht darüber sprechen wollte. Eine Weile lang schwiegen beide. “Sasuke-kun?“, fragte Sakura schließlich. „Was?!“, fuhr Sasuke sie an. Sakura zögerte, bevor sie ihre Frage stellte. „Dieses Mädchen… sie ist dir wichtig, oder?“ Einen Moment lang starrte Sasuke sie an und zum ersten Mal hatte Sakura das Gefühl, dass er ihr wirklich zuhörte… Er wandte sich ruckartig ab und landete auf dem Waldboden. „Wir sind da.“, sagte er. Mit einigen Handzeichen löste er das Genjutsu und die Baumgruppe vor ihnen verwandelte sich in eine Mulde im Boden, in der sich Sasukes Team befand. Zwei junge Männer hatten sich vor dem dritten Mitglied aufgebaut und schützten sie vor Sakuras Blicken. „Na endlich, hat ja lange genug gedauert!“, murrte einer von ihnen, dessen silberne Haare wie ein Helm um seinen Kopf lagen und der sich auf ein übergroßes Schwert stützte, das erschreckende Ähnlichkeit mit dem Zabuzas besaß. Mit einem Grinsen entblößte er zwei Reihen spitzer Zähne. „Ist alles gut verlaufen, Sasuke?“, fragte der andere, ein regelrechter Hüne mit wirrem, rotblondem Haarschopf. „Und wer ist die Kleine?“, fügte der Erste hinzu. „Suigetsu, halt den Mund.“, wies Sasuke ihn an. „Wir haben Aufenthaltsrecht in Konoha. Sakura ist eine Medic-Nin, sie wird sich um Karin kümmern. Wir brechen sofort auf. Sakura, zeig Suigetsu und Juugo den Weg. Ich werde Karin helfen.“ Endlich konnte Sakura auch einen Blick auf ihre zukünftige Patientin werfen. Das Erste, das ihr auffiel, waren ihre ungewöhnlichen, dunkelroten Haare. Die Augen hinter ihrer Brille schienen eine ähnliche Farbe aufzuweisen. Sakura schluckte. Dieses Mädchen war… schön, auf eine erwachsene, faszinierende Weise. Schön – und hochschwanger. „Ihr werdet in diesem Anwesen bleiben.“, erklärte Sakura, als sie endlich angekommen waren. „Ich muss noch einige Dinge im Krankenhaus besorgen, werde aber gleich wieder zurück sein. Anbu hat das Anwesen umstellt, also kommt gar nicht erst auf irgendwelche dummen Ideen, verstanden?“ Der Hüne – Juugo – nickte bedächtig, während Suigetsu in einer Ecke lehnte und aus einer Wasserflasche trank Sasuke half Karin sich auf einen Futon zu legen. „Ich werde nicht lange weg sein – wenn ihr irgendwas braucht, dann wartet so lange, bis ich wieder zurück bin, in Ordnung?“, fragte Sakura. „Ist ja gut, ist ja gut, wir haben es verstanden.“, meinte Suigetsu und gähnte. „Hauptsache, ich kann mich endlich mal ausruhen, ohne dass die Furie mich die ganze Nacht mit ihrem Gezeter wach hält.“ „Das habe ich gehört, Freak!“, rief Karin durch den Raum. „Tss… so was von anstrengend…“, murrte Suigetsu. Ein Lächeln erschien auf Sakuras Gesicht. Anstrengend? Das erinnerte sie zu sehr an Shikamaru und die Art, wie er eine gewisse blonde Kunoichi bezeichnete… „Suigetsu, lass sie in Ruhe.“, sagte Sasuke, der zu ihnen getreten war. „Und halte Sakura nicht auf.“ „Schon gut.“, sagte Sakura schnell. „Ich mache mich dann auf den-“ Sie wurde durch einen Aufschrei Karins unterbrochen. Sasuke und Suigetsu starrten sich an und sämtliche Farbe wich aus ihren Gesichtern. Dann blickten sie zu Karin. „Jetzt?!“, schrie Suigetsu. „Oh Gott, Frau, du hast das grauenvollste Timing in der gesamten Welt!“ „Sei still!“, zischte Sasuke. „Sakura – kannst du ihr helfen?“ „Besorgt Handtücher und warmes Wasser.“, wies Sakura ihn an, während sie zu Karin lief. „Ich kümmere mich um alles. Karin, hattest du vorher schon Wehen?“ Sie nickte schwach. „Aber… nicht so…“ Im Augenwinkel sah Sakura, dass Sasukes Hand sich um ein Kunai schloss, sodass seine Knöchel hervortraten. „Was tust du da?!“, schrie sie. „Ich habe gesagt, du sollst Handtücher holen!“ Zu ihrer Überraschung zuckte Sasuke richtig zusammen, bevor er wortlos den Raum verließ. „Und du!“, rief Sakura zu Suigetsu. „Du kommst sofort hierher!“ „I-ich?“, fragte Suigetsu ungläubig und blickte zwischen ihr und Karin hin und her. „Ja, du! Sofort!“, erklärte Sakura in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Vorsichtig und misstrauisch näherte Suigetsu sich den beiden. „Setz dich dahin und nimm ihre Hand.“, wies Sakura ihn an. „Was?!“, schrieen Suigetsu und Karin gleichzeitig, wobei Karin in einen Schmerzensschrei verfiel, als eine weitere Wehe einsetzte. „Du brauchst etwas, das du zerquetschen kannst.“, erklärte Sakura. „Und jetzt hört endlich auf, mir dauernd zu widersprechen!“ Wieder schrie Karin auf. Das war nicht gut… Sakura war mit Sicherheit keine Expertin was Geburten anging, aber sie hatte das Gefühl, dass das hier zu schnell vor sich ging. Sie schüttelte den Kopf. Sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen! Wenigstens trug Karin einen Rock… Ohne weiter zu zögern schob Sakura den Stoff aus dem Weg und zog den darunter liegenden Slip herunter. „Jackpot!“, rief Suigetsu grinsend, nur um zusammen mit Karin in einen Schmerzensschrei einzustimmen, als sie von einer neuen Wehe gepackt wurde und dabei ihre Fingernägel in seine Hand schlug. Sakura rollte die Augen. Normalerweise hätte sie zugeschlagen, allerdings war sie zu beschäftigt. Sie richtete ihren Blick wieder auf die vor ihr liegende Arbeit – und schnappte nach Luft. „Das ist schon der Kopf!“, rief sie ungläubig. Ruhig… Es gab manchmal überschnelle Geburten… wie bei Kurenai damals… kein Grund zur Panik… und wo zur Hölle bliebt eigentlich Sasuke?! Wieder schrie Karin und der Kopf ragte ein bisschen weiter hervor. „Du hast es fast geschafft!“, sagte Sakura fest. „Press weiter.“ „Was glaubst du, was ich hier mache?!“, zischte Karin unter Schmerzen. Schritte – endlich! Sakura sah kurz über die Schulter. Sasuke hatte das Zimmer wieder betreten, er trug eine Schüssel mit warmen Wasser und mehrer Handtücher lagen über seiner Schulter. „Schnell, es ist schon fast da!“, trieb Sakura ihn an. Mit ausdruckslosem Gesicht stellte Sasuke die Schüssel neben ihr ab, aber sie konnte in seinen Augen Besorgnis erkennen. Eine weitere Wehe, ein weiterer Schrei, „Verdammt, Frau, lass meine Hand los!!!“ von Suigetsu… Der Kopf war draußen, bedeckt von verklebtem, schwarzen Haar. „Fast! Du hast es schon so gut wie geschafft!“, rief Sakura noch einmal. Karin kniff die Augen zusammen, dann öffnete sie sie wieder und blickte Sasuke mit schmerzverzerrtem Gesicht an. „Noch ein bisschen, Karin.“, sagte er leise. Sie nickte, begann wieder zu pressen… die Schultern… ein letzter Aufschrei und dann… Der Rest des Körpers war da und der Säugling begann zu brüllen. Schnell nahm Sakura das Kind und wusch es kurz mit dem Wasser ab, bevor sie ihr Chakra benutzte, um die Nabelschnur zu durchtrennen und es in eines der Handtücher zu wickeln. „Herzlichen Glückwunsch – es ist ein Junge.“, sagte sie strahlend und legte das Kind in Karins Arme. Die andere Kunoichi starrte sie fast ungläubig an, dann blickte sie auf das noch schreiende Baby, das an ihrer Brust lag. „Am Besten du stillst ihn.“, schlug Sakura lächelnd vor. Karin nickte wortlos und begann ihre Bluse aufzuknöpfen. Glücklich betrachtete Sakura das Bild vor ihr – die junge Mutter, die jetzt begann, ihren Sohn zu stillen, neben ihr Suigetsu, der immer noch seine Hand rieb und vor sich hinmurmelte und versuchte, möglichst unauffällig einen Blick auf Karins entblößte Brust zu werfen, auf der anderen Seite Juugo, wohl ein sanfter Riese, der alles zu überwachen schien… Als Karin wieder aufblickte, strahlte sie. Sakura erwiderte das Lächeln – bis ihr klar wurde, dass es nicht an sie gerichtet war. Sasuke, der noch neben ihr gestanden hatte, trat jetzt vor und schob Suigetsu zur Seite. Er bewegte sich dabei wie in Trance. Neben Karin ging er auf die Knie und streckte eine Hand aus, um die Wange des Kleinen zu berühren. Mit einem Lächeln nahm sie das Kind – das schreiend über die unterbrochene Nahrungszufuhr protestierte – und legte es ihm in die Arme. Es kam Sakura so unwirklich vor, Sasuke hilflos oder unsicher zu sehen, aber anders konnte man die Art nicht beschreiben, wie er das Kind hielt. Er schien sogar zu zittern. „Sasuke-kun?“, fragte Sakura vorsichtig. Er blickte auf und Sakura glaubte, die Welt würde stehen bleiben. Sasuke… Uchiha Sasuke… …weinte …lächelte Eine einzige Träne lief seine Wangen hinunter, sein Mund war zu einem kaum erkennbaren Lächeln verzogen, er wirkte so hilflos, glücklich, ungläubig, dankbar, voller Emotionen und Sakura konnte nicht atmen, denn jetzt verstand sie, verstand, warum Sasuke so dringend nach Konoha kommen musste, damit dieses Kind – sein Kind – sicher aufwachsen konnte, und wer dieses Mädchen, diese Frau war, und… Und sie erkannte erst, dass sie weinte, als ihre erste Träne die Wasseroberfläche in der Schüssel traf. Das Bild vor ihr zeigte in der Tat eine Familie… eine – mehr oder weniger – glückliche, chaotische, funktionierende Familie. Sasuke… und seine Gefährtin Karin – die Wortwahl war ihr gleich seltsam vorgekommen… und ihr Sohn. Und die anderen beiden als verschrobene Geschwister oder Onkel, mit denen es Ärger gab oder auch nicht… Langsam verließ Sakura den Raum, ohne dass es einem der Anwesenden auffiel. Weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren… mit ihrem Team und dem Zuwachs. Sie konnte es nicht mit ansehen. Eine Stunde später fühlte Sakura sich immer noch nicht besser. Sie hatte Shizune gebeten, sich um Karin zu kümmern und Kakashi dazu gebracht, wenigstens diese eine Ausnahme in seinen Regeln zuzulassen. Sie selbst war sich nicht sicher, ob sie sich jetzt schon mit Sasuke und seiner Familie auseinandersetzen wollte. Das war der Punkt. Sie hatte so sehr gehofft, dass alles wieder wie früher werden würde, dass Team 7 wieder zu der Familie werden würde, dass es einst war… Aber manche Dinge konnte man einfach nicht wieder auf den alten Zustand zurückversetzen. Sasuke hatte sich ein neues Team – eine neue Familie – gesucht. Und obwohl sie selbst und Naruto sich geweigert hatten es anzuerkennen, war es längst nicht mehr möglich, Sasuke einfach wieder in ihr Team zu integrieren… weil er das nicht mehr brauchte oder wollte… „Sakura-chan? Alles in Ordnung?“ Sie blickte langsam auf, als sie Narutos Stimme direkt vor sich hörte. Sie war zu sehr in Gedanken versunken gewesen… Einen Moment lang sahen sie sich nur an, aber dann hielt Sakura es nicht mehr aus. Sie fiel Naruto um den Hals und ließ den Tränen, die sie unterdrückt hatte, freien Lauf. Sie weinte, weinte um ihre Träume, ihre Hoffnungen, die Familie Team 7, die nie wieder so sein konnte, ihre Naivität und darüber, dass sie immer noch nicht erwachsen genug war. Naruto erstarrte erst, legte dann aber die Arme um sie und hielt sie einfach nur fest. Und während Sakura sich ausweinte, dämmerte ihr langsam, dass nicht nur Sasuke eine neue Familie gefunden hatte. Sie hatte Naruto, mit dem sie sich viel besser verstand als damals, sie hatte Kakashi, Sai und Yamato. Es konnte nicht mehr wie früher werden, aber deswegen war das Neue nicht schlechter als das Alte. Langsam beruhigte sie sich wieder und ihre Tränen verebbten. „Sakura-chan, was ist denn los?“, fragte Naruto vorsichtig. Sakura löste sich aus der Umarmung und sah ihren Teamkameraden mit einem ehrlichen Lächeln an. „Sasuke-kun hat einen Sohn bekommen.“, sagte sie. „Was? Das ist ja…“ Naruto schwieg abrupt und sah Sakura vorsichtig an. „Das ist wundervoll.“, erklärte sie. Naruto musterte sie skeptisch. „Bist du dir sicher…“, begann er, aber Sakura unterbrach ihn. „Es geht mir gut, Naruto.“, versicherte sie ihm. „Wunderbar! Kommst du dann mit, Hexe?“, fragte Sai von einem der niedrigeren Dächer aus. Neben ihm lehnte Yamato am Kamin. „Was wird das?“, fragte Sakura verwundert. „Kakashi-sensei lädt uns alle zum Ramen-Essen ein, deswegen haben wir dich gesucht.“, erklärte Naruto. „Was sagst du?“ Sakura sah von dem strahlenden Naruto vor ihr zu den beiden neueren Mitgliedern des Teams – ursprünglich nur Platzhalter, die jetzt aber einfach dazugehörten, ein Teil von Team 7… nein, Team Kakashi geworden waren. Ihre Familie. Sakura lächelte. „Worauf warten wir?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)