Nur ein Kuss von Namida_Hyuga ================================================================================ Kapitel 1: Nur ein Kuss ----------------------- N U R E I N K U S S „Meine Nachbarin ist vor ein paar Tagen gestorben ...“ Was für ein Aufhänger für ein Gespräch! Uruha wurde ruhig und schaute zu seinem Bandkollegen Aoi herüber, der diesen Satz gerade in die Stille des Raumes fallen ließ. Seit einer halben Stunde waren die anderen nun schon zu Hause, die Probe hatte heute länger gedauert. Beide Gitaristen waren schließlich noch geblieben, um ein gemeinsames Solo einzustudieren, was die Fans immer besonders liebten. Aoi zupfte sich gerade vor dem großen Spiegel ein paar Strähnen zurecht, sie hatten eine Pause eingelegt und Uruha hatte derweil auf der Couch gesessen, seine schwarze HELLION auf dem Schoß, um die Melodie zu verfeinern. Doch als Aoi auf diese groteske Art und Weise wieder das Gespräch anfing, hatte er aufgehört die Saiten zu beanspruchen und war zum aufmerksamen Zuhörer geworden. „Was wirklich? Das tut mir Leid ...“, brachte er nur ruhig hervor. „Ja ... ich hab sie lange nicht mehr gesehen. Sie war erst dreiundvierzig und hatte einen Autounfall ...“, plötzlich betrat eine seltsame Atmosphäre den Raum. „So jung?!“ „Ja, ich war auch ganz geschockt, dabei war sie immer so lebensfroh ...“ Aoi stützte sich auf der kleinen Kommode ab. „So schnell kanns gehen“, meinte er noch und starrte durch den Spiegel hindurch. Das war nicht abwertend gemeint, sondern voller Bedauern. „Wenn man es sich genau überlegt ... darf man gar nicht darüber nachdenken.“ Was für ein Paradoxon. Aber Uruha verstand, was er meinte, dann fuhr Aoi fort: „ Ich hab gestern so da gesessen und hab überlegt, was ich in meinem Leben alles noch unbedingt machen wollte ... Stell dir mal vor, morgen wäre alles zu Ende und du hättest nichts von dem getan, was du wolltest, nichts erreicht ... Ich hab mir überlegt, was dann wäre ... wenn ich morgen stürbe, würde es Dinge geben, deren Versäumen ich bereut hätte?“ Uruha stockte der Atem. Er hatte seinen Freund selten so reden hören. Das erklärte warum er den ganzen Tag schon so nachdenklich gewesen war. Er konnte nicht verhindern, dass Bilder in seinem Kopf erschienen, die ihm einen Kloß in den Hals drückten. Er wollte sich diese Situation gar nicht erst vorstellen. „Aber weißt du ... ich habe bereits jetzt so viel erreicht, mit der Band, meine ich, dass ich mich, glaube ich, nicht davor fürchten bräuchte, was zu bereuen. Ehrlich gesagt, bin ich echt dankbar für jede Sekunde mit Euch.“ Aoi schaute zu seinem Freund, der sich ein wenig zu ihm gedreht hatte und ihn über die Lehne der schwarzen Ledercouch tapfer anlächelte, mit seinem schönen Mund, der dann immer katzenhaft aussah. Aoi mochte dieses Lächeln sehr, also erwiderte er es ehrlich. „Das geht mir genau so“, sagte Uruha sanft und einen Augenblick herrschte wieder Stille, in der sie sich einfach nur ansahen. Dann wendete sich Aoi zurück an sein Spiegelbild. Auch Uruha machte sich wieder über die Saiten her. „Du~?“, fing der Dunkelhaarige wieder an. „Darf ich sich mal was fragen ...?“ Uruha nickte und warf nebenbei einen Blick auf seine Notizen. „Klar“, fügte er hinzu, weil er glaubte Aoi hätte sie Geste nicht bemerkt. „Was wolltest du schon immer mal tun ... hast es dich aber nie getraut ...?!“ Uruha hob den Kopf. „Hm“, machte er und überlegte, schaute in die obere Zimmerecke ihm gegenüber, also in die Leere. „Ich weiß gar nicht so recht ... Ich glaube ... ich habe eigentlich alles gemacht, was ich machen wollte. Ich bin jemand, der sich so was nicht aufhebt ... sobald sich die Gelegenheit bietet, tu ichs einfach und denk nicht darüber nach, ob ich Angst habe oder nicht“, sagte er dann ganz gelassen. Und es stimmte, wenn Aoi mal so darüber nachdachte. Uruha hatte schon oft Dinge gemacht, von denen er nicht geglaubt hatte, er würde sie sich trauen. Insgeheim bewunderte er ihn dafür ein wenig. „Und du?“ Aoi blieb erst mal still. Er schluckte. „Bei mir ist es eigentlich ähnlich ... aber es gibt da seit geraumer Zeit eine Sache, die ich unbedingt noch tun möchte ...“ „Aha ... und was ist das?“, fragte Uruha und dachte sich nichts dabei, kritzelte was auf den Zettel und legte die Hand zurück an die Gitarre, die er so liebte. Ein paar Töne erklangen. „Ich würde dich gerne ... mal ... küssen ...“ Beoau~, Uruha hatte eine Saite verrissen. Was?! Er hielt erschrocken inne und gleichzeitig die Luft an ... Dann hörte er hinter sich Aois liebliches Lachen. „Ich wusste, dass du so reagierst ...“ Langsam drehte er sich um. „Was meinst du denn ... mit ... küssen?“, wollte er unsicher wissen. „Na küssen halt ...“ „Aber wir haben uns doch schon öfter geküsst, auf der Bühne, meine ich ...“ Aois Augen funkelten ihn verschmitzt an. „Ich red aber nicht von Fanservice …“ Uruha wendete sich aus Verlegenheit wieder seinem Instrument zu. „Aha, und was ... meinst du dann?!“ Als er Schritte hinter sich hörte und Aois gefährliches Grinsen im Nacken spürte, wünschte er sich, er das hätte nicht gefragt. „Lass dich drauf ein ... dann weißt du, was ich meine ...“ Er hatte die Hände auf die Schultern seines Freundes gelegt und ihm den Satz beinahe ins Ohr gehaucht, weswegen Uruha eine Gänsehaut bekam. Er drehte den Kopf wieder ein Stück zum Älteren hinter ihm. „Du meinst, ich soll dich küssen ...?!“ „Nein, ich bitte dich lediglich darum, dich küssen zu dürfen ...“ Aoi wusste selbst nicht, warum er gerade so mutig war. Aber Uruhas Worte von eben hatten ihm Kraft gegeben, er wollte beweisen, dass er auch über seinen Schatten springen konnte. Er schlich um die Couch herum, auf der sein Freund saß und unsicher auf den Tisch schaute, bevor eine Hand ihn zurück an die Lehne drängte. „Oder traust du dich nicht ...?!“ Gute Idee, an seinen Stolz zu appellieren. „Nur ein Kuss?“ „Nur ein Kuss – ganz einfach und unverbindlich“, garantierte Aoi und schnappte sich die HELLION, lehnte sie ganz behutsam an das freie Polster neben Uruha. Dann stützte er selbst sich auch an der Lehne ab und grinste ein wenig triumphierend, als er bemerkte, dass sein Freund sich offenbar nicht wehren würde. „Wie kommst du überhaupt darauf?!“, versuchte Uruha die Situation hinauszuzögern, doch Aois Gesicht kam unaufhaltsam auf ihn zu, er taxierte Uruha mit einem Blick - so sinnlich, dass diesem mit einem Schlag klar wurde, um welche Art Kuss es sich handeln würde. „Ich weiß nicht ... Mir gefällt dein Mund ... und ich würde gerne wissen, wie sich deine Lippen anfühlen ...“ Uruha ertappte sich doch tatsächlich dabei, wie er ein wenig rot wurde. Aois Grinsen wurde wieder breiter. „Was?“ Ein leises Lachen folgte. „Du schaust mich gerade an, wie ein scheues Reh …“ Uruha war ein scheues Reh! Diese ganze Situation überforderte ihn gerade maßlos. Sein bester Freund wollte ihn küssen – ein Mann!! Und das scheinbar aus einer Laune heraus. Er schluckte, ließ konzentriert seinen Blick auf Aois Mund gleiten, die Augen halb geschlossen. Er konnte jetzt nicht mehr zurück, dachte an ihr Gespräch, wollte Aoi seinen Wunsch ohne Widerworte erfüllen, weil er wusste, dass ihm so was wichtig war. Selbst solche Kleinigkeiten. Das war so typisch für ihn. Trotzdem merkte er, wie er sich mehr und mehr verkrampfte. Verdammt, er wollte doch, dass dieses Erlebnis für Aoi schön wurde. Wenn er schon so unsicher war, was sollte sein Freund denn erst sagen? Er war es schließlich, der ihn darum gebeten hatte. Aois Schatten schlich über sein Gesicht und ließ seine Augen immer dunkler werden. Uruha begann zu zittern. Was war denn nur los? Er ließ schließlich ganz die Lider sinken, als er Aois weiche Haut auf seiner spürte. Wie vorsichtig er war. Wie feinfühlig. Hatte offenbar die Intensität der Zweifel seines Freundes begriffen. Ihn küssen zu wollen, ohne einen plausiblen Grund, war ja auch ein wenig absurd – oder ging es ihm lediglich darum, einmal einen Mann zu küssen? Vielleicht hatte er sich deshalb gerade Uruha ausgesucht, weil dieser so verzaubernd feminin war ... Hoffte er seinen wahren Wunsch dahinter verstecken zu können? Scheinbar unendlich lange bewegte Aoi einfach nur seinen Mund gegen den seines Freundes ohne besondere Forderung, doch dann wurde er mutiger und leckte ihm kurz über die Lippen. Uruha zog zischend die Luft ein. Er hatte ja damit gerechnet, aber ... Aoi wusste in diesem Moment genau, was er wollte. Er versuchte es noch mal und diesmal gab Uruha bebend nach, ließ den Älteren in sich eindringen und musste sich plötzlich eingestehen, dass es sich nicht so verboten anfühlte, wie er geglaubt hatte. Doch Aoi wollte immer mehr, seine Zunge wurde immer fordernder. Langsam gewöhnte sich Uruha an das Gefühl und beschloss, er wusste nicht mehr genau wann, selbst auch mehr davon zu wollen. Als hätte Aoi sein stilles Eingeständnis gehört, zog er sein Bein an und kniete sich rechts und links auf die Couch, um sich gleich darauf besitzergreifend auf Uruhas Schoß zu setzen. Dieser stöhnte einen Augenblick überrascht auf, legte eine Hand in Aois Armbeuge – ein wenig überzeugender Versuch, sich zu wehren, die Nähe zu unterbinden. Er hatte keine Chance mehr. War gefangen. Aois Kuss raubte ihm den Verstand. Wo hatte dieser Mann gelernt, so sinnlich zu küssen? Ihm wurde fast ein wenig schwindelig. Aoi hatte recht, er hatte sich einfach nur darauf einlassen müssen. Uruha legte den Kopf in den Nacken, als er merkte, dass sein Freund sich wieder ein wenig aufkniete, um sich besser an seinen Oberkörper schmiegen zu können. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, als er zärtliche Finger an seinem Hals hinab wandern spürte, die über seine Halskette strichen, kurz damit spielten und er fühlte wie sich in seiner Körpermitte das Blut sammelte, als diese Finger sich, geschickt und wendig, über die Knöpfe seines schwarzen Kunstlederhemdes hermachten. Nur ein Kuss ... nur ein Kuss, hatte er gesagt ... ganz einfach und unverbindlich ... Es war ja auch nur ein Kuss, doch das Zubehör hatte Aoi ihm wohl dezent verschwiegen. Uruha bemerkte nur unterschwellig, wie eine Hand seine freie Brust hinauf strich, um gleich darauf wieder hinab zu geistern. Sein Körper schien die Bewegung wellenartig mitzumachen, seine Finger krallten sich ins Polster neben ihm. Aoi ließ schließlich schweratmend von seinem Mund ab und versorgte stattdessen seinen Hals mit Zärtlichkeiten. Uruha riss entgeistert die Augen auf, als er das Klappern seiner Gürtelschnalle hörte, an der Aois flinke Hände sich zu schaffen machten. Blitzschnell griff er danach, was ein klatschendes Geräusch mit sich brachte. Der Dunkelhaarige hielt inne. „Aoi ... das ... das geht zu weit“, sagte er, immer noch atemlos. Angesprochener ließ sofort die Finger von ihm und schaute ihn entschuldigend an. „Tut mir Leid ... Ich wollte dir nicht zu nahe treten“, sagte er ruhig und schenkte ihm ein ehrliches, aber unsicheres Lächeln, was Uruha nach einer kurzen Weile ebenso hilflos erwiderte. Ein Handyklingeln durchbrach die kurze peinliche Stille und Aoi drehte sich, Kami-sama dankend, sofort um, rutschte fast nebenbei von Uruhas Schoß herunter, um sich geschmeidig neben ihm nieder zu lassen. „Kai, hi, was ist denn los?“ Er kratzte sich kurz am Kopf. „Ja, wir sind noch hier ... Ach so, wegen dem Vertrag ... ja ...“ Er ließ kurz das Handy Handy sein und wendete sich an Uruha, der inzwischen wieder nach seiner Gitarre griff. „Das könnte ein bisschen dauern, ich geh kurz raus, ja? Machst du hier weiter?“ „Ja, klar, mach das ...“ Mehr brachte Uruha jetzt nicht zu Stande. Aoi grinste kurz, warf einen letzten Blick auf Uruhas dunkelroten, nassgeküssten Mund und sprang dann auf, um im nächsten Moment in der Tür zu verschwinden. Uruha atmete erst mal ziemlich erleichtert auf. Er bemerkte, dass sein Hemd noch immer offen war, also legte er die Gitarre auf seinen Oberschenkeln ab, um es von unten zuzuknöpfen, kurz seine Halskette wieder zu richten, fuhr unabsichtlich über die feuchte Stelle an seinem Hals ... Was hatte Aoi sich dabei nur gedacht? Aber er war sich schon klar, dass morgen, vielleicht sogar schon später, alles wieder sein würde wie vorher. Er wollte ihm ja nur diesem Wunsch erfüllen, damit Aoi nichts zu bereuen hatte und er selbst bereute es scheinbar auch nicht sich von ihm küssen gelassen zu haben. Ihre Freundschaft hielt solche Merkwürdigkeiten aus, da war er sich sicher. Es war schließlich auch nur ein Kuss ... nur ein Kuss ... nichts weiter ... Er strich sich fahrig mit dem Finger über die Lippen, registrierte erst wirklich, dass diese angenehme Feuchte von Aoi stammte, als er sie abwischte, seinen glänzenden Finger betrachtete, nur um ohne darüber nach zu denken, gleich noch einmal daran zu nippen und er war sich sicher, dass es nie etwas gegeben hatte, was süßer schmeckte ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)