Nachtschatten - Dunkles Inferno von fiZi (Teil vier des Nachtschattenzyklus) ================================================================================ Kapitel 1: .> Letzte Vorbereitungen <. -------------------------------------- Vielen Dank für die lieben Kommis ;) Ich freue mich sehr, dass ich sogar schon zum Prolog so viel Feedback bekommen habe^^ Wie immer - Danke DINO - du bist ein Schatz ^^ Diesmal werden noch keine Rätsel gelöst ( es kommen höchstens noch ein paar Sachen dazu *fg*). Viel Spaß beim lesen *edit* ich hab den uneindeutigen, ersten Satz ausgebessert, den du angemerkt hast, DINO - die Zweideutigkeit ist mir in der Tat nicht aufgefallen (und Ms_FireFly hat ihn auch richtig gelesen) */edit* xXx „Hey Mom! Tante Amy!“ Die beiden überraschten Freundinnen sahen sich plötzlich von einer schlanken jungen Frau mit schulterlangen Haaren, deren Enden in einer Welle nach außen standen, umarmt. Schwarze Katzenöhrchen spitzten vorwitzig zwischen den türkisfarbenen Strähnen hervor, und zwei funkelnde, kobaltblaue Augen mit geschlitzten Pupillen blitzten sie vergnügt aus einem hübschen, gebräunten Gesicht an. Die große Reisetasche fiel achtlos auf den Boden und wurde mit einem Fuß in die nächst beste Ecke katapultiert. „Manx!“ Maya strahlte ihre Tochter, die so unerwartet in die Küche gewirbelt kam, ein wenig sprachlos an. „Der Handscanner an der Haustür hat mich wieder erkannt. Ich stehe also noch nicht auf der schwarzen Liste.“ Witzelte die Achtzehnjährige und schnappte sich den Frischkäse, der noch vom Frühstück auf dem Tisch stand. Hungrig begann sie ihn mit einem Brötchen, das sie sich ebenfalls geangelt hatte, direkt aus der Packung zu essen. „Sorry, Shuu hat mir ein Zeitlimit gesetzt – und da ich verschlafen habe, hab ich heute noch nichts gegessen.“ Entschuldigte sie sich zwischen zwei Bissen. Maya grinste. „Manche Dinge ändern sich wohl nie.“ Die Türkishaarige schnitt ihr zur Antwort nur eine Grimasse und zog sich einen Stuhl heran, um sich zwischen den beiden Frauen niederzulassen. Der hochgeschlitzte türkise Rock, dessen Säume ein Muster aus Flammen in verschiedenen, dunkleren Blautönen zierte, fiel lässig zur Seite, als sie die Beine übereinander schlug. Dabei entblößte er nicht nur violette Hotpants, sondern auch die drei schwarzen Streifen, die seit der erfolgreichen Suche nach den Dragonballs vor zehn Jahren ihren rechten Oberschenkel zierten. Und ein Paar silbergrauer Sandalen. „Andere dafür umso mehr!“ murmelte Amy gedankenverloren, und ließ ihren Blick zufrieden an der wohlgeformten Figur ihres Gegenübers entlang wandern. Oh ja, einige Dinge hatten sich wirklich entscheidend verändert. Das würde zumindest ihrem ganz privaten Plan sehr zugute kommen. Manx hatte sich zu einer außerordentlichen Schönheit entwickelt, und die Blonde hätte Probleme gehabt, in ihr die Jugendliche wieder zu erkennen, die sie vor knapp zweieinhalb Jahren zu Weihnachten das letzte Mal gesehen hatte. Den vorigen Dezember hatte die älteste Tochter der Briefs in irgendeiner Wüste mit irgendwelchen Ausgrabungen von einem alten Tempel verbracht, so dass sie zu diesem Zeitpunkt, an dem sich die beiden Familien normalerweise regelmäßig trafen, und sogar Ice einmal dabei gewesen wäre, leider verhindert war. Und das Jahr davor hatten die Misasais die Feiertage bei ihren Kindern im Internat verbracht, weil dort ein besonderes Turnier stattgefunden hatte. Wenn sie es recht bedachte, hatten sich ihr Größter und Mayas älteste Tochter seit gut zehn Jahren nicht mehr gesehen, weil immer irgendwelche unglücklichen Zufälle dazwischen gekommen waren. Ansonsten tauchte die Achtzehnjährige ohnehin jedes Mal so überraschend und kurzfristig auf, dass sie eigentlich immer nur ihre Familie zu Gesicht bekam. Zwar hatte Amy regelmäßig Briefe von ihrem Patenkind erhalten, aber Fotos waren nie dabei gewesen. Offensichtlich hatte die Achtzehnjährige etwas dagegen, sich ablichten zu lassen. Maya hatte der Blonden vor einem halben Jahr mal einen Schnappschuss gezeigt, den sie zufällig bei dem letzten Besuch ihrer Tochter gemacht hatte, doch ansonsten besaßen selbst ihre Eltern nur sehr wenige Bilder von der jungen Frau. Manx beendete schließlich ihre Mahlzeit, stellte die leere Packung auf den Tisch zurück, schnappte sich die Wasserflasche und lehnte sich dann gemütlich zurück. „Also – wollen wir mit der Fragestunde beginnen?“ erkundigte sich die Türkishaarige, nachdem sie einen Schluck genommen hatte und ihre kobaltblauen Augen blitzten vergnügt. Es war offensichtlich, dass sie sich freute, wieder daheim zu sein. Unbewusst umschlossen die Finger ihrer freien Hand ihren Elementa Kristall, der an einem einfachen Lederband doppelt geschnürt eng an ihrem Hals hing. „Wie euch Ivy sicher gesagt hat, müssen wir schnell handeln. Dazu kommt noch, dass ich morgen schon wieder weiter reisen muss, um die Formalitäten mit der Uni abzuklären. Die Anmeldefrist läuft übermorgen ab, weil das Semester bald losgeht, und sie wollen, dass man die Unterlagen persönlich vorbei bringt und die Erstsemester die Woche vor Unibeginn gleich da bleiben. Soweit ich weiß, nutzen sie die sieben Tage für die Einstufungstests und das Kennenlernen des Geländes. Wir haben also leider nicht sonderlich viel Zeit, um die letzten Monate aufzuarbeiten, die wir uns nicht gesehen haben.“ Sie lächelte ihre Mutter kurz an, ehe sie hinzufügte. „Aber hoffentlich genug, um einen kompletten Plan aus all den Ideen und Entwürfen zu entwickeln, die wir haben. Mum, du musst mir dann mit der Software helfen, die mir Try geschickt hat! Er hat gemeint, du hättest die kompatible Hardware dafür, irgend so ein Lasergerät, das Gegenstände erschaffen kann. Dieses Teil muss angeblich nur noch irgendwo an meinem Laptop angeschlossen werden. Sowas ist für Laien wie mich, die gerade mal die grundlegenden Funktionen ihres Computers kennen, nicht sonderlich anwenderfreundlich. Und bis morgen brauche ich eine neue ID-Card und die anderen Unterlagen.“ Die beiden älteren Frauen mussten grinsen. Dieses Verhalten zeigte mal wieder überdeutlich, dass sich der grundlegende Charakter eines Menschen einfach nicht änderte. Manx war mittlerweile zwar sehr verantwortungsbewusst geworden, sie handelte wesentlich ruhiger und überlegter, aber sie verteilte nach wie vor gerne Aufgaben, und nahm die Sache in die Hand. Dass sie seit drei Jahren alleine und nur in der Begleitung eines mysteriösen Hauslehrers – Maya und auch Ivy waren beide sehr vage geblieben, als die Sprache kurz auf ihn kam - durch aller Herren Länder zog, hatte natürlich sein übliches dazu beigetragen. Amy musste zugeben, dass es ein Schock für sie gewesen war, von ihrer Tochter zu erfahren, dass Manx mit fünfzehn das elterliche Haus endgültig verlassen hatte, um auf eigene Faust, nur begleitet von ihrem Mentor, Nachforschungen anzustellen und diverse, spirituelle Plätze zu erkunden. Doch ihre Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung waren heute innerhalb von wenigen Minuten zerstreut worden. Die Zeit des Herumreisens hatte der Entwicklung der jungen Frau, die ihr da gegenüber saß, keineswegs geschadet. Im Gegenteil wirkte sie reifer und beherrschter als je zuvor. Die Blonde musterte ihr mittlerweile schon recht erwachsenes Patenkind noch einmal verstohlen. Passend zu dem Rock trug sie ein asymmetrisches, bauchfreies Oberteil in der gleichen Farbe und mit demselben Muster, dessen schmaler Träger nur auf der rechten Seite existierte. Darunter blitzte ein unregelmäßig geschnittenes schwarzes Netzoberteil hervor, das einen Teil ihres rechten Armes bedeckte. Dessen Träger saß dafür auf der linken Seite. Die junge Frau erinnerte die Ältere unwillkürlich ein wenig an eine Priesterin. Das Outfit wirkte beinahe wie eine moderne Ordenstracht, und das Auftreten der Achtzehnjährigen unterstützte dieses Bild zusätzlich. Der Eindruck mochte auch dadurch verstärkt werden, dass ihr Ivy gestern am Telefon noch einiges mehr erzählt hatte, was ihre Mutter tatsächlich zu dem Schluss hatte kommen lassen, dass ihr Patenkind eben genau das war. Manx studierte alte Schriften und Rituale, außerdem jagte sie Dämonen und verborgene Schätze, die eine Gefahr für andere werden konnten. So hatte sich zumindest ihre Tochter ausgedrückt, die offensichtlich schon seit Monaten darauf brannte, ihrer Mutter endlich all die Neuigkeiten zu berichten und sie damit beinahe schon ein wenig überfahren hatte. Amy war erstaunt gewesen, dass der Altersunterschied von drei Jahren keinerlei Hindernis dargestellt hatte und sich eine tiefe und innige Freundschaft zwischen den beiden so unterschiedlichen Teenies entwickelt hatte. Jedoch musste sie sich eingestehen, dass Ivy für ihr Alter auch schon sehr ernst und erwachsen war. Während sie nun also ihr weiteres Vorgehen besprachen – besser gesagt Manx’ weiteres Vorgehen, denn von ihr und ihren Fähigkeiten hing der Erfolg des ganzen Vorhabens ab - wurde der Blonden eines immer klarer: Die junge Frau ihr gegenüber hatte sich auf ihren Reisen zweifellos sehr viel Wissen angeeignet. Offensichtlich war ihr Privatlehrer, der sie schon seit zehn Jahren betreute, ziemlich anspruchsvoll. Maya hatte ihr mal gesagt, dass die Achtzehnjährige fünf Sprachen fließend beherrschte, und schon das war sehr beeindruckend gewesen. Und nun erfuhr sie von der jungen Frau ganz zufällig während des Gesprächs, dass diese, weil sie sich ja mit dem Studium von okkulten und besonderen Gegenständen beschäftigte, zudem neben Latein auch noch Keltisch und Griechisch lesen konnte und gerade dabei war, Gaelisch zu lernen. „Okay, wenn wir das geklärt hätten, wäre da noch ein weiteres Problem. Was soll ich mit dem Elementa Kristall machen? Es ist unabdingbar, dass ich ihn trage, sonst erkennen mich die Leute die mir schon mal begegnet sind sofort an meiner Aura, egal wie anders ich aussehe. Hast du nicht irgendeine Maschine, die sein Aussehen modifizieren kann, Mum? Yun hatte so was angedeutet.“ Dank Ivy wusste Amy, dass der geheimnisvolle Stein an dem Hals der Achtzehnjährigen dafür sorgte, dass ihre Ausstrahlung so sehr gedämpft wurde, dass man beinahe denken konnte, man säße einem normalen Menschen gegenüber. Auch wenn die Blonde glaubte, bei der Umarmung einen Hauch der geheimnisvollen und exotischen Aura erhascht zu haben, die die junge Frau mit den kobaltblauen Augen umgab. Aber das konnte auch nur Einbildung sein, weil die Türkishaarige etwas sehr Fesselndes, Einnehmendes an sich hatte. Was zum Teil bestimmt auch an ihrem ungewöhnlichen Aussehen lag. Maya legte den Kopf schief und musterte ihre Tochter streng. „Sag mal, was hat dir Trayun eigentlich noch so alles erzählt? Ich habe das Gefühl, er kennt den ganzen Inhalt meines Labors auswendig, und das beunruhigt mich ein bisschen, weil er das letzte Mal vor drei Monaten zu Hause war!“ Manx grinste spitzbübisch. „Hey, mein Bruder ist schließlich derjenige, der demnächst ins Familiengeschäft mit einsteigen soll. Sei doch froh, dass er sich schon so gut mit dem zukünftigen Sortiment auskennt.“ Ihre Mutter lächelte schief, ehe sie antwortete. „Der Vorgang braucht ein paar Stunden und ist für das Objekt, dessen Oberfläche verändert werden soll, absolut ungefährlich. Es wird mit einer Art Schicht überzogen, die es optisch modifiziert. Die Form bleibt die gleiche und bei Kontakt mit Hitze löst sich der Effekt wieder auf. Normalerweise nimmt man allerdings eine Spezialflüssigkeit dazu.“ Die Achtzehnjährige nickte. „Hört sich gut an – ich kann zwar dann den Kristall nicht vollkommen aktivieren, weil er dadurch ziemlich heiß wird, aber die passiven Effekte wirken trotzdem. Wie groß ist das Gerät denn?“ „Zu groß zum transportieren. Außerdem recht bewegungsempfindlich. Ich befürchte, du wirst es nur hier machen können und musst dann aufpassen. Wenn du warm duschst, ist das auch immer noch okay. Sobald es für dich unangenehm wird, bekommt auch das Material Probleme.“ Manx nickte und erhob sich von ihrem Sitz, während sie gleichzeitig mühsam versuchte, den Knoten der Halskette zu lösen. „Am besten, wir machen das gleich – ich fühle mich besser, wenn das erledigt ist. “ Das Leder hatte sich richtig fest zusammengezogen und widersetzte sich ihren Bemühungen hartnäckig. Es war offensichtlich, dass sie den Stein schon ewig nicht mehr abgenommen hatte. Mit einem amüsierten Funkeln in den Augen beobachteten die Freundinnen die Verrenkungen der Achtzehnjährigen. „Wäre es nicht sinnvoller, eine Silberkette zu nehmen?“ schlug Amy grinsend vor. „Hab ich schon ausprobiert. Da ist mir die Gefahr zu groß, dass sie reißt.“ Nuschelte die Türkishaarige. Sie seufzte erleichtert, als es ihr endlich gelang, das Schmuckstück von ihrem Hals zu lösen. Die beiden Freundinnen erhoben sich ebenfalls. „Okay. Gehen wir runter. Nimm deinen Laptop mit, dann können wir uns auch gleich noch um deine neuen Unterlagen kümmern. Und derweil erzählst du uns ein bisschen mehr von deinem letzten Projekt. Ivy konnte uns noch nichts Genaues sagen. Hast du irgendwas Neues rausgefunden?“ » Absender: Cyan@Nachtschatten.net » Datum: 10.08.2028 » An: Honey@Nachtschatten.net »Betreff: *Heul* Buhu, ich glaub’s nicht! Ich werde seit Ewigkeiten mal wieder für längere Zeit von Shun getrennt sein! Es ist zu riskant, dass er mitkommt! Und das sagt er mir heute, der Doofkopf. Nachdem ich den Großteil des Tages mit meiner und deiner Mom und den Vorbereitungen für morgen verbracht habe. Ich hätte ihn echt würgen können. Wenn ich vorher gewisse Maßnahmen getroffen hätte, wäre mir das vielleicht sogar möglich gewesen *hmpf*. Er hat zwar versucht, mir die positiven Seiten zu vermitteln, von wegen, dass er ja weiter forschen kann, und dass es viel besser für mein Training ist, wenn er nicht ständig in meiner Nähe ist etc. - aber das war noch nicht mal ein schwacher Trost! Und dann hat er auch noch gemeint, dass das alles ja eigentlich nur eine logische Konsequenz ist und ich da selbst hätte drauf kommen können ... womit er wahrscheinlich sogar recht hat, aber … ich weiß auch nicht. Irgendwie hab ich da wirklich nicht mal im Entferntesten dran gedacht :( Oh man, ich könnte echt heulen. Ich bin mir nicht sicher, ob das alles auch ohne ihn machbar ist. Ich mein … er weiß immer noch so viel mehr als ich, und wenn er das Ganze vor Ort gesehen hätte, wären ihm bestimmt Sachen aufgefallen, an die ich nicht mal im Traum denken werde! Und anrufen kann ich dich wegen dieser komischen Versammlung, die du heute hast, auch nicht. Dabei wäre es wesentlich tröstender, mit dir zu reden als das hier. Aber besser als nix. Also *sich zusammen reiß* hier kurz die neuesten Entwicklungen, um dich auf den neuesten Stand zu bringen: Alles hat geklappt. Wirklich alles. Ab morgen wird Leelu eine Internatsschülerin und Studentin an der Universität für Metaphysisches und Übersinnliches sein. Sie hat vor, gegen neun Uhr aufzutauchen. Da hat der Sonderunterricht für die, die bereits da sind denk ich schon begonnen, oder? Dann bleibt ihr genug Zeit, um sich einzurichten. Du bekommst ’ne SMS, sobald sie da ist (wehe, dein Handy ist aus :P ). Du hast doch gesagt, dass du bei den Freiwilligen dabei bist, die die Neulinge herumführen, oder? Deswegen musst du heute auch bei der Versammlung des Zirkels sein, wenn ich das richtig in Erinnerung hab, stimmts?). Also dann Bis demnächst ;-) Eine noch immer unglückliche (aber jetzt geht’s mir schon wieder etwas besser) Manx P.S.: Ach ja, das hätte ich ja beinahe vergessen zu erwähnen. Deine Mum hat Leelu zu allem Überfluss auch noch einen „Sonderauftrag“ gegeben – und obwohl ich mich mit Händen und Füßen gewehrt hab, konnte ich ihr den Gefallen letztendlich nicht abschlagen :/ Drei mal darfst du raten, wen das betrifft. Verdammt! Mehr dazu morgen. » Absender: Manx.Briefs@YsatoriCapsules.Corp.com » Datum: 10.08.2028 » An: Trayun.Briefs@YsatoriCapsules.Corp.com »Betreff: Die letzten Neuigkeiten Hey Brüderchen! Überraschungsmail! Ich weiß doch, dass ich dich heute, wo ihr diese Versammlung vom Zirkel habt, um die letzten Details zu besprechen, ehe es wieder richtig los geht hier an der Uni, nicht telefonisch erreichen kann. Ich hoffe, ihr heckt nicht irgendwelche fiesen Eignungstests aus, die die armen Neueinsteiger absolvieren müssen, und überlegt euch ein paar schöne Aktionen für dieses Semester. Da du meine (zumindest in letzter Zeit entwickelte) Abneigung kennst, mich schriftlich mitzuteilen, nur das Gröbste in aller Kürze: Hier läuft alles wie geplant, dein Programm war Gold wert (auch wenn ich Mum gebraucht habe, um es verwenden zu können – aber das konntest du dir wahrscheinlich schon denken^^), und ich habe neben unseren werten Eltern Tante Amy und Onkel Goten seit Ewigkeiten mal wieder gesehen. Das war’s auch schon ;-) Kümmer dich gut um die Neulinge, die morgen kommen. Ich bin gespannt, ob dir jemand auf Anhieb sympathisch ist :P Liebe Grüße Manx Die junge Frau mit den türkisen Haaren überflog die Zeilen an ihren Zwillingsbruder noch einmal. Nein, die Anspielungen waren okay. Selbst wenn Try so unvorsichtig war, eine Mail von ihr in der Anwesenheit von anderen zu öffnen, würde niemand Uneingeweihtes die Botschaften zwischen den Zeilen lesen können. Auch wenn Trayun in diesem Fall mit Sicherheit ein paar neugierige Fragen würde beantworten müssen, aber das wäre dann schließlich seine eigene Schuld und er war schlau genug, um sich in so einer Situation spontan was Überzeugendes einfallen zu lassen. Zufrieden drückte sie auf den „Senden“-Button, schloss das Programm und schaltete den Laptop aus. Der Raum wurde jäh dunkel, und nur noch das schwache Mondlicht erhellte das Zimmer schemenhaft. Manx hatte trotzdem keinerlei Probleme, sich zurecht zu finden – wie wohl alle Mitglieder ihrer Familie. Lautlos erhob sie sich, nahm das Notebook vom Küchentisch und ging hinaus auf den Flur, um es in ihrem Gepäck zu verstauen. Alle Habseligkeiten, die nicht auf ihre Herkunft hindeuteten oder Verdacht erregen würden, hatte sie in der Reisetasche verstauen können, die ihr schon all die letzten Jahre ein treuer Begleiter gewesen war – ein geräumiges, aber unauffälliges Ding aus robustem, schwarzem Stoff, der schmutz- und wasserabweisend war. Die junge Frau lächelte kurz, ehe sie leichtfüßig und absolut geräuschlos durch das stille, dunkle Haus nach oben ins Gästezimmer eilte. Es war bereits weit nach zwei Uhr, und bis vor einer halben Stunde war sie mit ihren Eltern zusammen gesessen und hatte sich mit ihnen über alles Mögliche unterhalten, was seit ihrem letzten Treffen geschehen war. Goten und Amy hatten sich schon gegen dreiundzwanzig Uhr verabschiedet, davor waren sie zu fünft noch ein letztes Mal alles durchgegangen, um ganz sicher zu gehen, dass nichts Wichtiges vergessen worden war, und die Türkishaarige musste zugeben, dass dies einer der interessantesten und aufschlussreichsten Abende ihres Lebens gewesen war. Sie hatte den beiden versichert, sie über alles, was passierte, auf dem Laufenden zu halten, und eben dieses Versprechen hatte Manx gerade vorhin auch noch einmal Trunks und Maya gegeben. Leise schloss die junge Frau die Tür hinter sich und nach einem kurzen Rundumblick durch das dunkle, verlassene Zimmer durchquerte sie ohne zu Zögern den Raum, um gleich darauf auf die große Dachterrasse hinauszutreten. Es war angenehm warm draußen, die Luft erfüllt vom Duft verschiedener Nachtblüher, die ringsherum im Garten wuchsen und von denen auch hier oben einige in Kübel gepflanzt worden waren. Silbriges Mondlicht tauchte die Welt um sie herum in sanftes Zwielicht und ließ den Marmorboden in milchigem Weiß schimmern. Genauso wie den jungen Mann, dessen schulterlanges Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst war und der wie am ersten Tag ihrer Begegnung Hemd, Kniebundhosen und Lederstiefel trug. Er stand an die Brüstung gelehnt da und starrte hinaus in die Ferne. Lautlos trat Manx neben ihn und umklammerte mit ihren Fingern das kühle Metall des Geländers. Obwohl sie diesen Moment der Ruhe - nachdem der ganze heutige Tag von hektischer Geschäftigkeit und Gesprächen gefüllt gewesen war - zu genießen versuchte, konnte sie nicht verhindern, dass sich in ihrem Hals ein Kloß bildete. Die Stille zu dieser Zeit war beinahe vollkommen, auch wenn eine Millionenstadt wie Satan City niemals gänzlich leise sein konnte, doch sie versuchte erfolglos, die wachsende Anspannung zurückzudrängen, indem sie sich auf ihre Umgebung konzentrierte. Sie hörte den Verkehr, der lediglich zu einem leisen Rauschen im Hintergrund abgeflaut war, sowie das leise Rascheln von ein paar Tieren im Garten unter ihnen und stellte fest, dass ihre Beruhigungstechnik heute gar keinen Erfolg zeigen wollte. Nicht, wenn sie bereits ahnte, was jetzt auf sie zukommen würde. Die Türkishaarige schluckte und nahm einen tiefen, zittrigen Atemzug. Kurz fing sich das Mondlicht in dem vollkommen klaren Stein, der nun um ihren Hals hing und aussah wie ein Bergkristall, während sich ihre Finger fester um den kalten Stahl der Brüstung schlossen. Der ewig junge Mann blickte noch einen Moment länger in die unendliche Weite des Himmels, wo unzählige Sterne funkelten. „Deine Ausbildung dauert nun schon ziemlich genau zehn Jahre.“ Sagte er mit dieser leisen, ruhigen, ihr nun schon so vertrauten Stimme. Und die Achtzehnjährige sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper. Sie wollte das nicht hören. Ihr Lehrer fuhr unbeirrt fort. „Ich habe dir in dieser Zeit alles Wissen über Dämonen und verzauberte Gegenstände beigebracht, das mir bekannt war. Naja, sagen wir sehr viel. Aber du hast keine Probleme, an die nötigen Informationen zu kommen, wenn du sie benötigst – nicht zuletzt, weil deine Bibliothek mittlerweile wesentlich umfangreicher ist, als die, in der du mich gefunden hast, jemals war. Du weißt, wie du Übersinnliches aufspüren kannst und wie du damit umgehen musst. Sämtliche Rituale, die du benötigst, um einen Bannkreis auszuführen, sind dir bekannt, du kannst Runen verwenden und so gut wie alle Bücher lesen, die von Paranormalem handeln.“ Der silbrige Geist verstummte und wandte sich zu ihr um, ehe er mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme fortfuhr. „Außerdem kannst du nun all deine Talente optimal nutzen. Du hast zwar schon jetzt einiges an Übung, aber ein bisschen mehr kann ja bekanntlich nie schaden. Denn gegen würdige menschliche Kontrahenten hast du bislang nicht gekämpft. Auch wenn ich anmerken muss, dass die Dämonen und Geister, mit denen du bis jetzt konfrontiert wurdest, mindestens ebenso ernst zu nehmende Gegner waren, wie die, mit denen du es nun zu tun haben wirst. Alles in allem kann ich sagen, dass du eine ausgezeichnete Schülerin bist.“ Er unterbrach sich, als er sah, dass seinen Schützling ein Zittern durchlief. Obwohl sich Manx dazu zwang, ruhig weiter zu atmen und starr geradeaus zu schauen, konnte sie nicht verhindern, dass das Bild vor ihren Augen langsam verschwamm. „Sieh mich an, Cyan.“ Forderte Shun liebevoll. Tränenumflorte, kobaltblaue Augen blickten den schimmernden Schemen neben ihr vorwurfsvoll an, als ihre Besitzerin zögernd den Kopf drehte. Der junge Mann lächelte schief, als er sah, dass sie ihre Lippen fest zusammengepresst hatte. „Wirklich, jedes Mal wenn du mich so anguckst, erinnerst du mich an das kleine achtjährige Mädchen von damals. Warum willst du nicht, dass ich unsere Abmachung zur Sprache bringe? Ein paar Monate mehr oder weniger …“ Shun brach ab, als er sah, wie die Türkishaarige neben ihm ihre Hände zu Fäusten ballte während sie die Tränen nun trotz all ihren Bemühungen nicht mehr zurückhalten konnte. „Verdammt, Shuu!“ flüsterte sie. Ihre Stimme brach, und sie wandte ruckartig den Kopf ab. Der Geist unterdrückte ein Seufzen und ließ seinen Blick nachdenklich über das Häusermeer vor sich schweifen. Dabei entging ihm nicht, dass die junge Frau neben ihm krampfhaft versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Er musste zugeben, dass der Moment von ihm nicht ganz günstig gewählt worden war. Manx stand in den letzten Wochen einfach zu sehr unter Druck, und das würde sich wahrscheinlich auch in nächster Zeit nicht ändern. Menschen waren so verdammt empfindlich – vor allem, wenn Gefühle im Spiel waren. Er würde sich also noch ein wenig in Geduld üben müssen. Was machten schon ein paar Monate mehr, nachdem sein Dasein bereits Jahrhunderte währte? Trotzdem würde sich die junge Frau früher oder später an den Gedanken gewöhnen müssen, dass… Dieser kleine emotionale Ausbruch gerade eben würde der Achtzehnjährigen mit Sicherheit nicht schaden – vielleicht hatte sie damit sogar ein wenig von der Anspannung abgebaut, die sie seit Tagen fest im Griff hielt. Shun wusste nur allzu gut, dass sie es hasste, sentimental zu werden, und so viel zu viel in sich hineinfraß, bis es schließlich zu einer dieser unvermeidbaren Explosionen ihrerseits kam. „Wir werden noch warten, okay?“ sagte er ruhig. „Du wirst jetzt erstmal diese Aufgabe hinter dich bringen – die du übrigens als eine Art Abschlussprüfung sehen kannst, denn hier sind all dein Können und deine Fähigkeiten gefragt, die du dir in den letzten Jahren angeeignet hast. Und du kannst mir glauben, ich bin wirklich gespannt, wie du das meistern wirst. Du bist besser gerüstet als jeder andere, der mir einfallen würde – weshalb auch niemand sonst mit der Lösung dieses Problems betraut wird. Falls ich noch irgendetwas herausfinde, was dir von Nutzen ist, lasse ich dir die Informationen zukommen. Ansonsten warten an der Uni viele Menschen auf dich, die dir helfen können und werden. Allen voran deine beiden Eingeweihten. Danach sehen wir weiter.“ Manx hatte unterdessen ihre Selbstbeherrschung wieder gefunden. Unwirsch wischte sie sich die letzten Tränenspuren vom Gesicht, während sie mit fester Stimme erwiderte: „Alles klar. Ich bin zwar immer noch nicht von dem Gedanken begeistert, die Sache ohne dich durchführen zu müssen, aber ich sehe ein, dass deine Anwesenheit ein zu großes Risiko darstellt.“ Sie grinste leicht. „Und für den Notfall habe ich sowieso immer alle nötigen Zutaten für ein Geist-Beschwörungsritual in meinem Labor rumliegen. Wenn ich bis zum Hals in Schwierigkeiten stecke, dann hol ich dich einfach her.“ Obwohl die Achtzehnjährige das Alles eindeutig mit einem spöttischen Unterton sagte, war sich der junge Mann im ersten Moment unsicher, ob sie das nicht doch zumindest ein bisschen ernst gemeint hatte. Er legte den Kopf schief. „Das war ein Scherz.“ Die junge Frau verdrehte die Augen. „Wirklich, Shuu, ist das so undeutlich gewesen?“ Seufzend rieb sie sich die Augen. „Es ist einfach zu spät, glaub ich. Ich hab zwar wirklich alle möglichen Sachen für Beschwörungen und Rituale da, aber ich denke, du lässt es mich auch so wissen, wenn du irgendwelche hilfreichen Entdeckungen machst.“ Shun lächelte. „Worauf du dich verlassen kannst. Und jetzt, würde ich sagen, gehst du ins Bett. Du musst morgen um sieben los, und es kann nicht schaden, wenn du bis dahin zumindest einigermaßen ausgeschlafen bist. Aber vorher hab ich noch eine Kleinigkeit für dich. Streck die Hand aus.“ Die Türkishaarige runzelte verwundert die Stirn, tat aber dann wortlos, was er wollte. Sie spürte neblige Kälte, als der Geist seine durchscheinenden Finger wenige Zentimeter über ihrer Haut in Position brachte. Ein paar komplizierte Gesten, und in ihrer Hand materialisierte sich ein silbriges, feingliedriges Bettelarmband. Es war eiskalt, erwärmte sich allerdings rasch, sobald es mit ihrer Körperwärme in Kontakt kam. „Wow – ich bin beeindruckt! Du hast es geschafft, an das Ding zu kommen, ohne dass ich es bemerkt habe? Der Temperatur nach hast du es mit einem Verbergungszauber irgendwo an dir versteckt gehabt. Das ist doch sicher kein normales Schmuckstück, oder? Wie ich dich kenne, hat es irgendetwas mit dem Ding auf sich!“ Der junge Mann grinste zufrieden über seine gelungene Überraschung und trat ein Stück zurück, während Manx den Gegenstand staunend betrachtete. „Kannst du spüren, welches Metall das ist?“ Sein Schützling reagierte nicht, sondern untersuchte stattdessen die kleinen, wie geschlossene Blüten aussehenden Fassungen, die sich in regelmäßigen Abständen an dem schmalen Armbändchen befanden. „Ich würde auf Adamanthril tippen. Es sieht aus wie geschwärztes Silber, hat aber selbst im Mondlicht einen leicht kobaltfarbenen Schimmer. Shuu …“ sie legte den Kopf schief und blickte ihr Gegenüber fragend an. „… etwas Unzerreißbares?“ Der Geist nickte. „Ganz richtig erkannt. Ich bin stolz auf dich, Kitekat.“ Neckte er die Achtzehnjährige. „Diese an Knospen erinnernden Fassungen sind für ein paar besondere, runde Steinchen gedacht, die im Moment in deiner Bibliothek unter Verschluss gehalten werden, wenn ich mich nicht irre. Sie binden alles, was sie umschließen, an sich und bannen es. Nur auf deinen Befehl hin öffnen sie sich wieder, das heißt, ihr Inhalt wird ebenso sicher sein, wie im Moment. Ein Karabinerhaken mit denselben Eigenschaften ist auch dran – für eine ganz bestimmte Hoipoi-Kapsel. Wie du schon beobachtet hast, ist das Armband unzerreißbar und sobald du es verschlossen hast, geht es nicht mehr ohne weiteres ab. Verschlusszauber.“ Fügte er hinzu. „Ich hab mir gedacht, das könntest du für deine Mission ganz gut brauchen. Zumindest wird es dir einige Umstände ersparen.“ Sein Schützling strahlte ihn an. „Du bist ein Schatz! Vielen Dank!“ Der junge Mann lächelte. „Bittschön. Und jetzt ab ins Bett.“ Manx streckte ihm die Zunge raus. „Du schaffst es immer wieder, mir das Gefühl zu vermitteln, noch ein kleines Mädchen zu sein. Gute Nacht.“ „Schlaf gut.“ Shun wartete, bis die junge Frau die Terrassentüre hinter sich geschlossen hatte, ehe er sich wieder dem Sternenhimmel zuwandte. „Du hast schon lange aufgehört, ein kleines Mädchen zu sein. Wir erwarten viel von dir. Und du bist so stark geworden, dass ich mir sicher bin, dass du uns nicht enttäuschen wirst.“ Flüsterte er, während sein Blick in weite Fernen schweifte. xXx TBC. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)