Wounded Soul von Redbird2 ================================================================================ Kapitel 2: Ein schlecht gelaunter Hiwatari... --------------------------------------------- Hier mal kurz die Erklärung der Schriftformatierungen: Normaler Text „Gesprochener Text in der Gegenwart“ Kais/Rays Gedanken bzw. Selbstgespräche „Gesprochener Text aus Kais Erinnerungen“ Kapitel 2 Schwer atmend richtete sich Kai auf. Für einen Moment verstand er nicht, wo er war. Sein Blick glitt ziellos durch das dunkle Zimmer und blieb dann an seinem Koffer hängen, der in der Ecke stand. Koffer? Natürlich... Das Hotelzimmer. Mit dieser Erkenntnis ließ er seinen Kopf wieder auf das Kissen fallen und fuhr sich mit der Hand über das schweißnasse Gesicht. Nur ein Traum. Mehr war es nicht. Du hast nur geträumt, Hiwatari, also stell dich nicht so an! Doch so sehr er auch versuchte, sich selbst zur Ordnung zu rufen: das Zittern seines Körpers ließ nicht nach und im nächsten Moment überkam ihn ein heftiges Gefühl der Übelkeit. Wankend erhob er sich und taumelte in das kleine Badezimmer. In der Dunkelheit tastete er nach dem Toilettendeckel, hob ihn an und erbrach sich über der Schüssel. Keuchend und ermattet sank er zu Boden, wartete darauf, dass sein Körper ihm wieder gehorchte. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. Er hasste dieses Gefühl der Schwäche und schämte sich für sich selbst. Elendes Weichei! Es war nur ein beschissener Traum, nichts weiter! Okay, vielleicht war er verdammt heftig und realitätsnah, aber trotzdem nur ein Traum! Das ist doch schon elf Jahre her, eine Ewigkeit! Davon lässt du dich nicht aus der Fassung bringen. Verdammt noch mal, du bist Kai Hiwatari! Hör auf, hier wie ein kleines Kind herumzuliegen und dich von alten Erinnerungen peinigen zu lassen! Mühsam rappelte er sich auf, schaltete das Licht an und ging zum Waschbecken. Nachdem er sich den Mund ausgespült und eine Ladung eiskalten Wassers ins Gesicht geklatscht hatte, fand er langsam zu seiner normalen Fassung zurück. Sein Blick fiel in den Spiegel. Dort stand er: ein schlanker, muskulöser Teenager von sechzehn Jahren. Die grauen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, seine Haut war immer noch ein wenig blass und mitten im Gesicht funkelnden zwei rubinrote Augen. Eine Eiseskälte strahlte von ihnen aus. Mürrisch betrachtete Kai sein eigenes Spiegelbild und wie so oft, glitt sein Blick über die Narben auf seinem nackten Oberkörper. Die Narben, die… Nein, jetzt reicht’s! Eine schlechte Erinnerung am Morgen ist genug! Entschlossen wandte er sich ab und ging zurück ins Schlafzimmer. Ein Blick auf den Hotelwecker sagte ihm, dass es gerade halb fünf in der Früh war. Sein Team würde er jetzt noch nicht wach kriegen, aber selber schlafen konnte er auch nicht mehr. Er versuchte sich einzureden, dass er bereits vollkommen ausgeruht war, doch eigentlich wusste er den wahren Grund: er hatte Angst, erneut zu träumen. Dieser Gedanke besserte Kais Laune nicht im Geringsten und so riss er zornig die Schranktür auf, schmiss seine Klamotten achtlos auf den Boden und griff dann nach dem erstbesten T-Shirt, das ihm in die Finger kam. Nicht dass die Auswahl üppig gewesen wäre: der Großteil seiner Kleidung war in düsteren Farben gehalten, schwarz oder dunkelblau oder ähnliches. Er war nun mal bei weitem nicht der fröhlichste Mensch und genau das wollte er auch verdeutlichen. Er hatte sich schon des Öfteren dämliche Kommentare von Tyson über seinen Klamottenstil anhören müssen, doch er hatte ihm sehr bald zu verstehen gegeben, was es bedeutete, einen Kai Hiwatari zu verspotten. Nachdem er sich angezogen hatte, ging Kai noch einmal zu seinem Nachttisch und hob etwas von dort auf. Für einen Moment wog er den Gegenstand in der Hand, fuhr mit dem Finger über das blau schimmernde Metall und betrachtete den herrlichen Phönix in der Mitte. Dann ließ er Dranzer in seine Hosentasche gleiten. Training, das ist es, was du jetzt brauchst. Gibt nichts Besseres, um wieder klar im Kopf zu werden. Und mit diesem letzten Gedanken verließ er das Zimmer. Als die Bladebreakers sich an diesem Morgen zum Frühstück im Hotelrestaurant zusammen fanden, trafen sie bereits auf ihren missgelaunten Teamleader, der mit finsterem Blick über einer Tasse Kaffee brütete. „Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon, ihr taucht gar nicht mehr auf!“, schnauzte Kai ihnen als Morgengruß entgegen. Ray, Hilary und Kenny tauschten verwunderte Blicke. „Was hat dich denn schon so früh gebissen?“, beschwerte sich Tyson, doch ein einziger Blick von Kai ließ ihn verstummen. Offenbar war ihr Kapitän wirklich mies drauf und so beschlossen die übrigen Bladebreakers lieber still und unauffällig ihre Plätze am Frühstückstisch einzunehmen, ehe sie sich auch den Zorn des Hiwatari zuzogen. Dieser fixierte jeden von ihnen noch einmal mit seinen kalten Augen und starrte dann wieder in die Abgründe seiner Kaffeetasse. So entging ihm, dass Ray ihn beobachtete. Wie üblich saß er Kai gegenüber und konnte ihn so genau mustern. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Klar, er war nicht gerade für sein sonniges Gemüt bekannt, aber dass er schon beim Frühstück so sehr austickte, geschah höchst selten. Er schien schon seit einer ganzen Weile auf den Beinen zu sein, und Ray war sich ziemlich sicher, dass er bereits eine Runde morgendliches Training hinter sich hatte. Bei genauerer Betrachtung erschien Kai ihm auch blasser als sonst und er glaubte, dunkle Schatten unter seinen Augen zu sehen. Vielleicht hab ich mir das doch nicht eingebildet… In den frühen Morgenstunden war Ray von etwas geweckt worden, das er für einen Schrei gehalten hatte. Er war bereits verklungen, ehe Ray überhaupt richtig wach gewesen war, aber trotzdem war er sich für einen Moment sicher gewesen, ihn gehört zu haben. Der Schrei kam aus dem Zimmer nebenan, von dem er wusste, dass Kai es bewohnte. Eine Weile hatte er in die Dunkelheit gelauscht, doch als er nichts weiter mehr hörte, entschied er, dass er geträumt haben musste. Warum sollte Kai auch mitten in der Nacht schreien? Lächerlich. Ohne sich noch weiter Gedanken zu machen, hatte sich er wieder rumgedreht und war eingeschlafen. Als er nun aber seinen Teamleader vor sich sah, beschlichen Ray doch ernste Zweifel daran. „Sag mal, willst du mich porträtieren oder warum starrst du mich so an, Ray?!“ Erschrocken fuhr der Angesprochene auf und blickte in zwei zornig funkelnde Rubine. Anscheinend hatte Kai doch etwas bemerkt. Sofort senkte er seine Augen und konzentrierte sich jetzt voll und ganz auf sein Rührei. Er spürte förmlich, wie Kais wütende Blicke auf ihm ruhten und beschloss zur Sicherheit für eine Weile nicht aufzusehen. Bei genauerer Betrachtung war das Muster der Tischdecke doch recht interessant… Alles in allem war es kein besonders lustiges Frühstück. Kai schien an diesem Morgen wirklich einen neuen Rekord in Übellaunigkeit aufstellen zu wollen und so vermied es selbst Tyson, ihn herauszufordern. Er hatte kaum seinen letzten Bissen Toast hinuntergeschluckt, als Kai auch schon aufsprang und sie nach draußen in den Hotelgarten scheuchte. Dieser lag im Innenhof der Anlage, welche eigentlich eher einer kleinen Herberge glich. Sie hatte gerade einmal drei Etagen und wurde nur von wenigen Gästen besucht. Gerade deshalb hatte Mr Dickenson ihnen diese Unterkunft besorgt, denn er wusste genau, welche Ansprüche Kai an ein Trainingslager stellte und ganz oben auf der Liste standen Abgeschiedenheit und Ruhe. Besonders nach ihrem letzten Sieg im großen Turnier gegen die BEGA waren die Reporter immer aufdringlicher geworden. Die Tatsache, dass sich die einstigen Bladebreakers wieder zusammengefunden und ihren alten Teamnamen angenommen hatten, und der plötzliche Weggang von Daichi, der in sein Heimatdorf zurückgekehrt war, lösten eine wahre Sturmflut an Berichterstattungen über „das einzig wahre Champion-Team“ und „die Helden des Beybladesports“ aus. Tyson genoss den Trubel natürlich und auch Ray, Hilary und Max freuten sich hin und wieder darüber, ihre Gesichter über die Bildschirme flackern zu sehen, doch Kai fand den ganzen Rummel einfach nur lästig. Deshalb hatte er kurzer Hand beschlossen, das Dojo von Tysons Großvater in Tokyo, welches mittlerweile Tag und Nacht von Journalisten belagert wurde, mitsamt seinem Team für ein paar Tage zu verlassen, und dieses Trainingslager am Rande von Osaka einberufen. Es war schon eine ganze Weile her, dass sie gemeinsam trainiert hatten, und Kai war sich sicher, dass es eine Menge Fehler auszumerzen gab. Diese Befürchtung bestätigte sich nun, als sein Team sich um das Trainingstableau geschart hatte. Es vergingen keine fünf Minuten und Kai war in seinem Element. „Tyson, du verlierst bei der Wendung zu viel an Schwung! Konzentrier dich gefälligst auf deinen Blade!“ „Du musst dein Tempo konstant halten, Max! Bei solcher Unregelmäßigkeit kippt dein Blade schon um, wenn nur ein Schmetterling hustet!“ „Verdammt noch mal, Ray! Wann kapierst du endlich, dass du bei solchen Manövern die Power runterschalten musst!“ „Ihr seid wirklich absolut unfähig!“ So ging es eine ganze Weile. Kai bestritt gegen jeden von ihnen einen Übungskampf und nachdem er jeden einzelnen Blade unrühmlich aus der Arena gekickt hatte, machte er seine Teamkameraden zur Schnecke. Sie zogen die Köpfe ein und ließen ihn meckern. Ihm in dieser Stimmung zu widersprechen, hätte ohnehin nichts gebracht und wäre äußerst schädlich für die Gesundheit gewesen. Selbst Hilary, die sich sonst immer um den Frieden im Team bemühte, wagte es nicht, den Mund aufzumachen. Stillschweigend sah sie zu, wie Kai seine Teammitglieder zu einem Dauerlauf um den Innenhof antrieb, sie verschiedene Fitnessübungen absolvieren ließ und Tyson anschnauzte, als dieser kleinlaut nach einer Imbisspause fragte. Nach einer Weile jedoch schien Kais Wut langsam abzuflauen und mit einem etwas ruhigeren, wenn auch immer noch eiskalten Ton, wies er Tyson, Ray und Max an, einen Beybladekampf zu dritt auszutragen. Er selbst entfernte sich ein paar Schritte vom Tableau und lehnte sich gegen die Häuserwand, von wo aus er seine Teamkameraden beobachtete. Allmählich beruhigte er sich. Es war dumm von ihm gewesen, seine miese Laune an ihnen auszulassen. Für gewöhnlich zeigte er keine Gefühle und das passte im Grunde auch fiel besser zu ihm. Nichts von sich preisgeben und niemanden an sich heranlassen. War es nicht das, was man ihn gelehrt hatte? „Es tut weh, nicht wahr, Kai? Es schmerzt dich so sehr, dass du dir wünschst, sie hätten nie existiert, hab ich recht? Deine Gefühle sind es, die dir diesen Schmerz bereiten. Deine Gefühle sind es, die dich schwach machen. Willst du stark sein, Kai? Ich kann dir beibringen, wie du Stärke erlangst. Ich kann dich lehren, nie wieder solchen Schmerz zu fühlen…“ Mit einem Ruck vertrieb Kai die Stimme aus seinen Gedanken. Warum wurde er an diesem Tag so oft von seiner Vergangenheit eingeholt? Es war viele Jahre her, dass die Stimme ihm diese Worte gesagt hatte, doch er hörte sie in seinem Kopf als stünde der Sprecher direkt neben ihm. Bei der Erinnerung daran zog sich alles in ihm zusammen. Denk nicht zurück! Niemals! Das ist Vergangenheit! Allmählich ging er sich mit seinen Ermahnungen selbst auf die Nerven, aber er wusste, dass es sein musste. Wenn er sich auch nur für einen Moment gestattete, wieder in seine Vergangenheit einzutauchen, würde seine ganze Fassade, die er mit soviel Mühe aufrecht erhielt, zusammenbrechen. Das durfte nicht geschehen. Diese Maske aus Eis war der einzige Schutz, den er besaß. Das einzige, woraus er Stärke schöpfte. „Sei stark.“ Das war ihr Wunsch gewesen. Er bemühte sich jeden Tag aufs Neue, ihn zu erfüllen. Es war das letzte, was sie ihm gesagt hatte. Nein… nicht das Letzte. Sie hatte noch etwas anderes gesagt… „Passt aufeinander auf.“ Eine Eiseskälte breitete sich in ihm aus. Er wusste, von wem sie gesprochen hatte. „Passt aufeinander auf.“ Das war ihr letzter Wunsch gewesen. Und er… er hatte sie enttäuscht. Das war's auch schon wieder. Ich hab beschlossen, die Kapitel nach Inhalt statt nach Länge festzulegen, deswegen wundert euch nicht, dass dieses hier im Vergleich zum ersten so kurz geraten ist. Dafür wird das nächste wieder umso länger!^^ Wie immer danke, dass ihr bis hierhin gelesen hab! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)