Neuneinhalb von CocaBeliLight ================================================================================ Kapitel 2: Zwei --------------- 10.10.1992 Axel, ich muss schon sagen, dass Dein Brief mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Was soll ich nur darauf antworten? Du bist dort und ich bin hier. Wir sind so weit entfernt voneinander. Jeden Tag, wenn ich nach Hause gehe und der Abenddämmerung entgegenlaufe muss ich an Dich denken. Weißt Du? Die Sonne hier sieht so aus, wie Dein Haar. Wirklich verdammt rot. Dann bin ich in meinem Zimmer und muss lächeln, doch wenn ich zu meinem Schreibtisch Blicke und Deinen Brief sehe, grüble ich wieder über uns. Es ist nicht leicht. Du bist mein bester Freund. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Jedes mal, wenn ich den Brief lese und antworten will, bringe ich keine Worte hervor. Nun endlich habe ich begonnen etwas zu schreiben und weiß nicht wie. Ich ... wir sind Jungs... stört Dich das nicht? Vergiss das letzte bitte. Was ich sagen will ist, ob es nicht schwierig ist. Ich meine wenn man mit einem Jungen zusammen ist, wird man dann nicht verurteilt? Haben nicht gerade Menschen Vorurteile? Manchmal so viele, dass man glauben könnte, sie hätten sie selbst erfunden. Heute erst haben wir in der Schule über Homosexualität gesprochen. Viele Jungen haben sich gleich vor Ekel geschüttelt. Einige haben gemeint wenn sich ein Freund outen würde, würden sie nichts mehr mit ihm zutun haben wollen, weil sie Angst hätten, dass er sie angraben würde. Vorurteile haben sie auch genug geäußert: Schwule sind Tunten, Schwuchteln, ziehen sich mit rosanen Sachen an, beginnen wie Frauen zu denken... all so was. Das ist etwas, was mir Angst bereitet. Ich mag Dich sehr, Axel, aber ich weiß nicht ob es Liebe ist... ich will Dich nicht verletzen, bitte verzeih. Sei umarmt, Roxas Axel saß wieder auf der selben Bank, im selben Park und hatte gerade den Brief zuende gelesen, als Roxana sich neben ihn setzte. Er faltete ihn zusammen und steckte ihn in seine Tasche. „Von Ihrer Freundin?“, fragte Roxana. Axel lächelte und sagte, dass es von einem Freund wäre, den er seit knapp drei Monaten nicht mehr gesehen hatte. Roxana lächelte und gab ihm einen Becher in dem sich Kaffee befand. Axel bedankte sich und trank vorsichtig einen Schluck. An diesem Tag waren keine Eltern mit ihren Kindern da, denn es war ein Schultag, nur Roxana hatte heute erst am späten Nachmittag eine Vorlesung. Den Vormittag verbrachten die Beiden zusammen. Die Bäume hatten von einem Tag auf den anderen ihr einst so grünes Blätterkleid in ein schimmernd rotes mit unterschiedlichen Farbnuancen ausgetauscht. Auch der Himmel war nicht mehr so blau, denn immer wieder zogen dunkle Wolken an ihm auf und die Tage wurden kälter. Die Anzeichen, dass es Herbst wurde, wurden immer stärker. Roxana betrachtete Axel. Dieser schien mit seinen Gedanken wiedereinmal ganz wo anders zu sein. Sie musterte ihn ganz genau und sagte schließlich: „Mir ist kalt.“ Axel wurde dadurch aus seinen Gedanken gerissen und sah sie nun an. „Dann sollten wir in ein Café gehen. Ich lade Sie zu einem warmen Stückchen Apfelkuchen ein.“, lächelte er. Die beiden standen auf und gingen in ein kleines Café. Drinnen roch es nach allerlei Gebäck und der Raum war erfüllt von dem Geplapper der Gäste. Sie setzten sich an einen Tisch nahe der Bar. Axel bestellte zwei warme Stückchen Apfelkuchen und Tee. Als sie gemeinsam warteten begann Roxana Axel über einige Dinge auszufragen. „Dieser Brief... der war sicher nicht von Ihrer Freundin? Denn wenn doch, dann sollte ich mich lieber nicht mehr mit Ihnen treffen.“ „Nein, Roxana. Der Brief ist nicht von meiner Freundin. Und wissen Sie warum nicht? Weil ich keine habe.“, lächelte Axel. „Oh, wirklich?“, strahlte Roxana. Axel nickte nur. Der Kellner brachte ihnen ihren Apfelkuchen und den Tee. Roxana bedankte sich und begann wieder zu erzählen. Sie studierte Geschichte im dritten Semester und es mache ihr viel Spaß, allerdings sei sie Abends immer alleine, da sie ja niemanden kenne. „Darf ich Sie dann morgen Abend zum Essen einladen? Ich kenne hier ein kleines italienisches Restaurant, in dem es sehr Gemütlich ist.“, lächelte er. Roxana fand die Idee großartig und stimmte zu. ~ Roxas schaute in seinen Briefkasten und sah, dass genau ein Brief darin lag, diesmal war es keine Rechnung, sondern der lang erwartete Brief eines Freundes. 20.10.1992 Roxas, Dein Brief macht mich froh, aber auch traurig. Froh bin ich, weil ich weiß, dass es Dir gut geht. Traurig, weil Du wegen mir nur noch grübelst. Mach dir bitte nicht so viele Gedanken über deine Antwort. Das hat Zeit. Ich wollte es nur endlich loswerden. Seid einem Jahr habe ich diese Gefühle nun mit mir herumgetragen und zerbreche fast daran. Nun, da Du weg bist, wird es etwas schlimmer. Ich vermisse dich unendlich doll. Was Freunde über Homosexualität denken, ist mir egal. Ich habe meinen eigenen Weg gewählt. Und damit müssen meine Freunde klar kommen. Ich glaube außerdem kaum, dass irgendeiner Dich oder mich oder einen anderen Freund, der schwul ist verstoßen würde. So etwas sagen die meisten nur, weil sie „cool“ sein wollen. Vermutlich sind gerade die, die so etwas sagen selbst nicht „normal“. Mach Dir über so was keinen Kopf! Das wird nur bluff sein. (smile) Bei uns wird der Herbst immer mehr spürbar. Es wird kalt, die Blätter werden rot und der Himmel wird immer grauer. Tristes Wetter haben wir. Es regnet oft und der Wind peitscht einem immer um die Ohren. Ich sitze fast jeden Tag in einem Park und unterhalte mich mit einer jungen Frau namens Roxana, sie ist blond und blauäugig. Ich weiß gar nicht warum ich Dir das erzähle. Wahrscheinlich, weil ich einfach sonst keinem zum reden habe. Jeden Tag erzählt sie mir von ihrer Uni, sie studiert Geschichte im dritten Semester. Sie ist wirklich sehr nett und es ist interessant ihr zuzuhören. Ich muss langsam wieder mal mein Zimmer aufräumen. Es sieht aus, wie im Saustall. Sei geküsst, Axel Roxas lächelte als er den Brief zu Ende gelesen hatte. ~ Die Tage wurden kürzer und die Nächte länger. Einmal in der Woche gingen Axel und Roxana in das kleine italienische Restaurant etwas essen. Immer teilten sie sich die Rechnung. Immer brachte Axel Roxana bis nach Hause. Vor ihrer Eingangstür blieben sie stehen. Diesmal trafen sich ihre Blicke. Axels Gesicht näherte sich dem von Roxana. Sie schloss ihre Augen und Axel hielt vor ihren Lippen inne. Er entschuldigte sich und wünschte ihr einen schönen Abend. Dann ging er die Treppen nach unten und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)