Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 2: Step Two... Money ---------------------------- Vielleicht verdirbt Geld den Charakter. Aber auf keinen Fall macht Mangel an Geld ihn besser. John Steinbeck Massanorie Lenjier Natürlich war mir bewusst, dass dieser Junge überhaupt keine Qualifikation hatte. Aber genau das machte den Reiz ja aus. Mit einem zufriedenen Lächeln setzte ich mich in meinen Sessel und lehnte mich zurück. Ich liebte mein Leben. Ich schlug die Bewerbung des jungen Mannes auf. Das, was dort stand, machte mich neugierig. Das konnte amüsant werden. Seine Bewerbung legte ich in eine Schublade meines Schreibtisches, damit würde ich mich später noch intensiver befassen. Auf meinem Schreibtisch lagen einige Unterlagen, ich nahm mir den Stapel, den ich in zwei Stunden brauchte und öffnete die Tür zu meinem Büro. „Kaffee trinken ist doch schon einmal eine gute Qualifikation für diesen Beruf.“ Mein sarkastischer Tonfall ließ Ayame nur böse schauen. Doch sie war mir gerade egal. „Kopien müssen eingesammelt, sowie Notizen gemacht werden.“ Ich ging und drehte mich herum. Ayame stand unelegant auf und wollte mir gerade hinterher laufen, doch ich hatte andere Pläne. „Ihr ewiges Gemecker über Mutterschaft regt mich auf, also setzten Sie sich. Sie kommen mit, Vertretungen sollte man persönlich anlernen. Sonst kommt dabei nur Mist heraus.“ Ich nickte dem jungen Mann zu. Dieser schien zu verdutzt, als dass er mich verstand. „Sofort. Ich hasse es, zu warten!“ „Gehen Sie mit ihm. Sonst bekommt er noch einen Anfall“, hörte ich Ayame sagen, wahrscheinlich hatte sie mit Absicht so laut gesprochen. Etwas unsicher trottete mein neuer Bürojunge hinter mir her, ich befasste mich nicht mit unwichtigen Sachen, sondern drückte ihm einen Schwung Papier in die Hand und einen Stift. „Erstens: Notizen werden mir nur dann handschriftlich überreicht, wenn ich die Klaue auch lesen kann. Sonst fliegt es in den Müll. Versäumte Termine und anderes sind dann alleine Ihre Schuld. Zweitens: Ich rufe grundsätzlich keine Menschen zurück. Der Standardspruch am Telefon wird also sein: ‚Rufen Sie später noch einmal an’. Drittens: Jeden Morgen und Nachmittag bekomme ich einen Kaffee, aber nicht diesen Mist aus der Firma, sondern – und jetzt hören Sie gut zu – um die Ecke neben dem Bankgebäude gibt es einen amerikanischen Coffee Shop. Und es wird bestellt: ein großer Espresso plus ein Blaubeermuffin. Bekomme ich das nicht, haben Sie ein Problem. Viertens: Es werden immer Mitschriften von allen Konferenzen gemacht. Diese sauber abgetippt und dann einsortiert, damit auch ein Trottel sie wieder findet. Fünftens: Ich wiederhole mich niemals.“ Zynisch wie ich war, warf ich dem Mann einen Blick zu, sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er sich wünschte, im Bett geblieben zu sein. Gute Einstellung, die hatte ich auch jeden zweiten Tag. „Name?“ Der Fahrstuhl brauchte noch einige Minuten, bis er endlich kam, ich hasste Smalltalk. Doch ich hatte nicht die Zeit gehabt, mir den Namen meines neuen Bürojungen anzuschauen. „Chiba Mamoru.“ Na, wenigstens wusste er sofort, was man meinte, ewiges Nachfragen war mir zuwider. Außerdem musste ich mich so nicht wiederholen. „Alter?“ Ich wusste sehr wohl, dass meine Sympathie hier nicht stieg, sondern kontinuierlich sank. Aber in diesem Geschäft brauchte man keine Sympathiepunkte. Hier galt Können und nichts Anderes. Mit zwischenmenschlichem Quatsch konnte ich nichts anfangen. „Steht in meiner Bewerbung.“ Der Tonfall gefiel mir nicht, aber trotzdem war es erheiternd. Ich wandte mich um und sah Mamoru an. Er war einen halben Kopf kleiner als ich und doch schien er sich nicht von mir von oben herab behandeln lassen zu wollen. Meine linke Hand schnellte nach vorne, ich griff sein Kinn und zog sein Gesicht näher zu meinem. „Vierundzwanzig Jahre alt und schon so lebensmüde.“ Das Entsetzen in seinem Gesicht war kaum zu übersehen. Ich ließ ihn wieder los, als ich hörte, dass der Fahrstuhl angekommen war. „Wir werden sicher viel Spaß haben.“ Mein Blick musterte ihn noch einmal, bevor ich in den Fahrstuhl stieg. Mamoru Chiba Ich sah diesen Mann nur sprachlos an. Er hatte mich mit seiner Reaktion so überrascht, dass ich nicht darauf reagieren konnte. Völlig durch den Wind sah ich ihn an, während er den Aufzug betrat. So jemand wie er war mir noch nie untergekommen. Als die Fahrstuhltür sich gerade schließen wollte, erwachte ich aus meiner Starre. Schnell stieg ich noch mit ein und fühlte mich plötzlich sehr unwohl in der Nähe dieses – eigentlich fiel mir keine jugendfreie Bezeichnung für diesen Mann ein. Er hatte also doch meine Bewerbung gelesen, aber warum fragte er mich dann erst, wie ich hieß oder wie alt ich war? Ich schloss daraus, dass er nur noch einmal hören wollte, dass ich jünger war als er, denn genau das machte er sich zunutzen, um mich ungehindert duzen zu können. Also, nicht nur Mann ohne Charakter, sondern auch noch mit nicht vorhandenen Umgangsformen. Die Liste seiner negativen Eigenschaften stieg proportional zu seinem Ego. Aber Frau Midori hatte mir auch gesagt, wie hoch der Lohn dafür war, diesen Mann sechs Tage die Woche ertragen zu müssen und der war so hoch, dass ich der Versuchung kaum widerstehen konnte. Wenigstens probieren wollte ich es, obwohl das wohl wirklich auf Kosten meiner Nerven ging. Ich schaute mir die Blätter in meiner Hand genauer an, als der Fahrstuhl in einer der unteren Etagen hielt, doch was nun geschah, war schon fast beängstigend. Die Tür öffnete sich und die Menschen davor schauten, als ob sie der Pest persönlich ins Auge blickten. Keiner stieg ein, anscheinend warteten lieber alle auf einen anderen Aufzug, als mit diesem Mann in einem kleinen, engen Raum zu stehen. Jetzt verstand ich endlich den mitleidigen Blick der Empfangsdame. Erst jetzt nahm ich mir die Zeit und musterte meinen neuen Chef. Charakterlich war er ja eher verkrüppelt, doch äußerlich war er wohl der ideale Werbeträger für alles, was teuer war. Allein die Schuhe mussten mehr wert sein, als mein ganzer Kleiderschrank, von Anzug und Hemd gar nicht erst zu reden. Massanorie Lenjier schien nicht nur viel Geld zu verdienen, er schien es auch gut auszugeben, für jede Art von Luxus. Na ja, wenn man sich nur auch einen guten Charakter kaufen könnte. Sein Gesicht wirkte wie ein Felsbrocken, hier war kaum eine Gefühlsregung zu erkennen. Blond-braune Haare, wobei ich mir nicht sicher war, ob diese Farbe Natur war oder mit Strähnchen aufgebessert. „Gaijin...“, flüsterte ich leise und eigentlich mehr zu mir selbst. Doch anscheinend waren die Ohren meines Chefs besser als ich dachte. „Schlitzauge!“ Sein Gesichtsausdruck hatte sich kein bisschen verändert, als er mich ansah. Die Türen öffneten sich und wir beide hatten anscheinend geklärt, was wir von unserem Gegenüber hielten. „Da wir nun die Freundlichkeiten ausgetauscht haben, denke ich, wir sollten anfangen zu arbeiten!“ Mit diesen Worten holte er eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackettasche und zündete sich noch im Fahrstuhl eine Zigarette an. , dachte ich mir leise und wusste aber innerlich schon, dass es noch schlimmer kommen würde. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit, Herrn Lenjier hinterher zu laufen. Nicht gerade eine tolle Tätigkeit, aber sich zu beschweren hatte ja sowieso keinen Sinn. Ich merkte recht schnell, dass er nicht gerade einer der beliebtesten Menschen in dieser Firma war. Was mich aber sehr überraschte, war die Tatsache, dass er der Juniorchef dieses ganzen Ladens war. Zeitweise entsann ich mich eines Zeitungsartikels, wo sein Name mal erwähnt worden war. Für ihn schienen alle Menschen um ihn herum nur da zu sein, um seinen Anweisungen zu folgen. Als wir endlich wieder im Büro von Frau Midori ankamen, hatte ich sieben DIN A4 Zettel mit Notizen. Seine Sekretärin sah mich mitleidig an und nachdem Herr Lenjier in seinem Büro verschwunden war, hielt sie mir einen heißen Kaffee entgegen, den ich dankbar annahm. „Ist er immer so?“ Sie nickte nur und sah sich meine Notizen an. „Sie sollten gehen und morgen wieder kommen. Ich konnte nicht ahnen, dass er Sie jetzt schon einspannen würde.“ Ihre Stimme klang besorgt. „Ich hatte sowieso nichts Anderes vor, auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum er mich einstellt, anstatt einer qualifizierten Fachkraft.“ „Das sollten Sie erst gar nicht versuchen zu hinterfragen, das würde Sie nur erkennen lassen, das er ein Egomane ist. Hat er Ihnen schon seine fünf Regeln offenbart?“ Sie startete das Office Programm ihres Rechners und begann damit, meine Notizen sauber abzutippen. „Ja, hat er. Sagen Sie – meint er das mit dem Kaffee wirklich ernst?“ Ich entledigte mich meines Sakkos und stellte mich hinter sie, um ihr etwas über die Schulter zu schauen. „Oh ja. Das ist wohl mit die wichtigste seiner Regeln. Wenn Sie die befolgen, haben Sie schon mal den Status, dass er Sie nicht gleich umbringen wird. Und was die Regel angeht, dass er nur dann handgeschriebene Notizen annimmt, wenn er sie lesen kann – vergessen Sie die gleich wieder. Das sagt er allen, aber er meint es nicht so, ich habe schon Schriften gesehen, die sahen aus wie getippt und trotzdem sagte er, er könne sie nicht lesen!“ Sie drehte ihren Kopf und sah mich mit einem aufmunternden Blick an. Das beruhigte mich zwar nicht, aber es machte mir wenigstens klar, dass dieser Mann alles nach reiner Willkür entschied. Hier hatte nichts einen Sinn, so wie es schien. Ich wollte gerade anbieten, dass ich die Notizen abtippe, aber da wurde auch schon wieder die Tür geöffnet und mein neuer Chef winkte mich hinter sich her. Ich folgte seufzend und schritt hinter diesem Lackaffen her. „Ich hatte gerade eine Eingebung und dadurch fiel mir die passende Beschäftigung für dich ein, mein kleiner Bürojunge!“ Sein spöttischer Unterton war leider nicht zu überhören, doch ich sagte nichts darauf. Wieder stiegen wir in den Fahrstuhl, doch diesmal fuhren wir in den vorletzten Stock. Der Fahrstuhl öffnete sich und machte den Blick auf einen Flur frei. Der azurne Teppich begann bei dem Fahrstuhl und endete circa fünf Meter weiter an der einzigen Tür hier oben. Als diese geöffnet wurde, musste ich schon kurz schlucken, dass ich hier oben so etwas finden würde, hätte ich nicht gedacht. Ich stand nun in einem Raum, welcher wohl als Konferenzsaal genutzt wurde. Nach vorne hin gab es nur Fensterscheiben, da waren nur zwei feste Wände und die befanden sich links und rechts neben der Tür. In der Mitte stand ein runder Glastisch mit zehn beigefarbenen Sesseln. „Dies hier ist der Konferenzsaal für ausgewählte Kunden, heute Abend findet eine Besprechung statt. Alle Stühle werden besetzt sein. Das bedeutet, dass diese Matte in meiner Hand genau zehn mal kopiert werden muss, außerdem muss das Ganze als PowerPoint Präsentation aufgebaut werden. Auf jeden Platz eine Mappe, der Beamer kommt nach links, die Leinwand nach rechts.“ Das war alles, was er sagte, dann drückte er mir den Schlüssel für diesen Raum in die Hand, sowie die zu kopierenden Unterlagen. „Aber...“ „Ich wiederhole mich nicht“, kam es nur zurück und schon stand ich alleine in diesem riesigen Raum. „Was für ein Scheißtag. Ich hätte doch einfach an der Tankstelle anfangen sollen.“ Doch alles Bereuen nützte jetzt nichts, anscheinend musste ich versuchen, das auf die Reihe zu bekommen. Aber bis jetzt hatte ich noch jeden Job zufriedenstellend erledigt und ich wollte bei diesem keine Ausnahme machen. Massanorie Lenjier „Denken Sie nicht, dass Sie etwas übertreiben? Wenn Sie so weiter machen, kann ich morgen wieder eine neue Anzeige in die Zeitung setzen.“ „Sie haben auch immer was zu meckern“, kommentierte ich ihr Gerede nur beiläufig. „Geld bekommt man nicht fürs Nichtstun, sondern von harter Arbeit, die einen auch mal an Grenzen bringt. Wenn er das nicht kann, dann ist er hier fehl am Platz und wird es im Leben zu nichts bringen.“ Damit hatte sich für mich das Gespräch erledigt. Meine Bürotür fiel hinter mir ins Schloss und ich stand in meinem Büro. Ich sah nicht ein, dass ich, nur weil er neu war, Rücksicht nehmen sollte. Mein Blick schweifte zu meiner Uhr und ich bemerkte, dass es bald Zeit für meinen Kaffee war. Es gab nichts Besseres als einen Espresso und einen Muffin, um sich kurz zu entspannen, abgesehen von Sex natürlich. Auf meinem Schreibtisch lag ein kleiner Zettelstapel, auf dem meine zuvor genannten Notizen standen. Ich sah ihn durch und legte sie in der Reihenfolge, wie ich sie brauchte, in eine Schublade. Bei mir verschwand einfach alles in Schubladen. Schweigend drehte ich mich herum und sah aus dem riesigen Fenster hinaus auf diese Stadt, die ich innerlich überhaupt nicht mochte. Irgendwie war mir Japan immer zuwider gewesen, die Menschen, ihr Verhalten, ihre Einstellung. Aber ich hatte keine Zeit, meinem Unmut weiter gedanklich Ausdruck zu verleihen, schließlich musste ich mich auf die heutige Konferenz vorbereiten und obwohl ich diese Konferenzen schon tausendmal abgezogen hatte, so musste man doch mit allen Komplikationen rechnen. Meine Schritte führten mich zu einem Regal, wo einige schwarze Ordner standen und auf mich warteten. Ohne groß überlegen zu müssen, zog ich den mittleren heraus und setzte mich wieder an meinen Schreibtisch. Ich blätterte den Ordner durch und entnahm die Blätter, die ich brauchte. Schnell überflog ich sie und machte mir einen separaten Zettel fertig, auf dem ich mir selber Notizen schrieb, um sie später direkt zur Hand zu haben. Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ mich aufschauen. „Herein!“, kam es schroff von mir und auch als sich die Tür öffnete und sich ein mir bekanntes Gesicht durchschob, wurde es nicht besser. „Halli-Hallo.“ Ich runzelte die Stirn und sah wieder auf meine Arbeit. „Es gibt Menschen, die müssen arbeiten. Ich weiß, für dich ist das ein Fremdwort. Wenn du willst, dann kann ich dir ein Wörterbuch geben, um es nachzuschlagen.“ „Alter Miesepeter. Du oller Brummbär solltest mal lernen, nett zu Anderen zu sein, sonst spendet dir irgendwann keiner ne Niere.“ Die Tür fiel wieder ins Schloss und nur einen Moment später, setzte sich etwas auf den Schreibtisch und schaute mir beim Schreiben zu. „Was kann ich gegen dich tun, Chrissy?“ Ich sah auf und schaute der jungen Frau ins Gesicht. In diesem Moment schwenkte sie einen Pappbecher vor meiner Nase hin und her. „Da ich dich nicht darum gebeten habe, ist das hier ein Geschenk. Nur falls du erwartest, das Geld dafür wieder zu bekommen.“ Ich nahm den Becher und stellte ihn ab. „Von dir erwarte ich nie irgendetwas“, kam es schulterzuckend von ihr, bevor sie sich auf meine Couch schmiss und seufzte. „Du hast einen neuen Sekretär?“ „Nein! Einen Bürojungen, das ist wohl die treffendere Bezeichnung. Oder darf man den Ausspruch ‚Bimbo’ auch noch offiziell sagen?“ „Du bist ja so ein Ekel. Dabei sagte mir Ayame, dass er sehr nett sein soll und auch süß aussieht.“ Ich schaute auf, nahm einen Schluck Espresso und dachte nach, ob es sich überhaupt lohnte, mit ihr zu reden. „Warum dulde ich dich noch einmal?“, fragte ich gereizt. „Weil ich die Patentante deiner Nichte bin, deine Mama mich doll lieb hat und ich irgendwie mit zur Familie gehöre. Außerdem bringe ich dir Kaffee und kümmere mich um deinen Hund!“ Diese Aufzählung war für mich noch immer kein Grund, sie zu dulden, aber ich tat es trotzdem. Hauptsächlich wegen dem letzten Grund. Ich schwieg und öffnete die Tüte, welche sie auf dem Schreibtisch stehen gelassen hatte. „Du musst mir nicht danken, dass ich dir auch einen Muffin gebracht habe.“ „Hatte ich auch nicht vor!“ Ich brach mir ein Stück ab und lehnte mich zurück. Das war wirklich das einzige Highlight an diesem Tag, eigentlich an jedem Tag. „Tschüss, du emotionaler Krüppel.“ Mit diesen Worten verschwand sie aus meinem Büro und ich hatte endlich wieder meine Ruhe. Dass ich dieser Frau überhaupt erlaubte, mit mir zu reden, war schon manchmal selbst für mich ein Wunder. Aber meine Mutter musste sich ja um jeden Schmarotzer kümmern, der ihr über den Weg lief. Eine schreckliche Angewohnheit! Meine nächste Handlung war einfach, mir eine Zigarette anzuzünden. Ich öffnete die Zigarettenschachtel und nahm mir eine der Kippen heraus. Mit der angezündeten Zigarette verließ ich mein Büro erneut, ich wollte schauen, ob Mamoru wirklich alles so machte, wie ich es wollte. Als ich gerade den Fahrstuhlknopf drücken wollte, hörte ich das Geräusch des Kopierers, ich ging also weiter und schaute in den Kopierraum, wo ich auch gleich das Gesuchte sah. Ich trat hinein und nahm mir eine der schon fertig einsortierten Mappen. „Na, wenigstens muss man dir das Kopieren nicht mehr beibringen“, kam es nüchtern von mir. „Dann müssen wir ja nur noch an Ihren Manieren arbeiten“, konterte der Schwarzhaarige selbstbewusst. Ich belächelte diese aufmüpfige Art. „Ich passe meine Manieren meinem Gegenüber an. Rotzige Grünschnäbel sind es einfach nicht wert, das man auf höherem Niveau mit ihnen spricht. Außerdem gehört diese Firma mir, somit gehört mir auch alles, was sich darin befindet, das schließt dich mit ein.“ Mit einem provozierenden Lächeln nahm ich die fertigen Kopien und schmiss diese ohne Mamoru noch einmal anzusehen in den Papier-Schredder, welcher direkt neben dem Kopierer stand. An der Tür angekommen, lehnte ich mich an den Türpfosten und zog vergnügt an meiner Zigarette. Das aufgebrachte Gesicht meines Gegenübers amüsierte mich wirklich. Ich konnte sehen, wie ihm die verschiedensten Schimpfwörter auf den Lippen lagen und ich wollte nur zu gerne wissen, ob er sie mir entgegenschmeißen würde oder sie hinunterschluckte. Ich ging von Letzterem aus, da ich Mamoru so viel Verstand zuschrieb, dass er die Konsequenzen von Widerworten erahnen könne. Doch ich irrte mich und das kam selten vor. Er lächelte! Es war eines dieser Gewinnerlächeln, aber warum? Im nächsten Moment drehte er sich zu mir herum und nahm aus einem Fach über dem Kopierer einen Stapel Blätter. „Sie sollten zuerst auf die Zettel schauen, bevor Sie diese zerschreddern. Außerdem traue ich Ihnen keine zehn Meter über den Weg!“ Zum ersten Mal seit langem war ich sprachlos. So was hatte ich noch nicht erlebt. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck ging er an mir vorbei. „Entschuldigen Sie mich. Aber die Arbeit erledigt sich ja nicht von alleine.“ Er verspottete mich. Ich sah diesem Mann nach, wie er in den Fahrstuhl stieg und mich wie bestellt und nicht abgeholt dort stehen ließ. Ohne dass es jemand sah, zeichnete sich auf meinem Gesicht ein amüsiertes Lächeln ab. Das war lustig und ich glaubte gerade wirklich, dass es mit diesem Kerl noch sehr interessant werden würde. Mamoru Chiba Ich wusste schon, warum ich die Kopien nicht neben mir hatte liegen lassen. Schließlich hatte ich schon in anderen Firmen gearbeitet und dort hatte man so was ja gelernt. Dieser Moment war zu göttlich gewesen, am liebsten hätte ich laut losgelacht. Dieser Egomane dachte doch wirklich, dass er mich verarschen konnte. Den Zahn würde ich ihm schnell ziehen. Zufrieden mit mir selbst sortierte ich die Kopien in der richtigen Reihenfolge in die Mappen und legte diese ordentlich auf die einzelnen Plätze des Tisches. Der Ausblick von hier oben war wirklich toll. Man konnte von hier aus wirklich fast die ganze Stadt überblicken. Ob das abends, wenn die Lichter brannten, auch so herrlich war? Wenn man so von hier oben auf die Stadt hinunter sah, dann konnte man nicht glauben, dass wir vor einem Jahr noch da unten waren und gegen Galaxia gekämpft hatten. Die Zeit verging so schnell und man bemerkte es kaum. Jetzt hatten wir schon Ende Juli, jeder Tag würde nun langsam kälter werden und schneller als man hinsehen konnte würde es Herbst werden. Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster und überlegte, ob ich diesen Job wirklich fast ein Jahr machen wollte. Aber so viele Alternativen hatte ich nicht mehr und hier konnte ich bis April so viel verdienen, um sämtliche Studiengebühren für die nächsten drei Jahre zu bezahlen. Das war schon eine attraktive Aussicht, wenn ich ehrlich war. Auch wenn Geld nicht alles war, so brauchte ich es gerade, also musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und seufzte. Aber rumstöhnen half ja nichts, also legte ich die letzte Mappe auf den Tisch und machte mich dann daran, mit meiner eigenen Kopie wieder hinunter ins Büro zu fahren. Schließlich musste diese dämliche PowerPoint Präsentation noch angefertigt werden. Es war schon fast seltsam, aber ich schaffte es, bis 18 Uhr mit allem fertig zu werden, ohne dass ich diesen Egomanen sah. Frau Midori war mir eine große Hilfe, obwohl sie sagte, dass sie beeindruckt wäre, wie schnell ich diese Präsentation fertig gehabt hätte. Da hatten sich die Medienkurse in der Oberstufe und in der Uni doch bezahlt gemacht. Man wusste ja damals noch nicht, dass man so was mal gebrauchen konnte. Nun war es fast halb sieben abends und ich hatte meinen ersten Arbeitstag recht gut überstanden, sah man von den Konfrontationen mit Massanorie Lenjier ab. Zusammen mit Frau Midori stieg ich in den Fahrstuhl, sie wirkte nicht gerade angespannt oder ähnliches, was mich bei so einem Chef wirklich wunderte. „Eines dürfen Sie nie vergessen, Mamoru. Er ist ein Egomane. Wenn er Sie provoziert, dann reagieren Sie anders, als er es erwartet. Für ihn ist es das Größte, wenn Andere nach seiner Pfeife tanzen.“ Sie lächelte mich an und klopfte mir auf den Rücken. „Ich werde es mir merken“, gab ich amüsiert zurück. „Gut. Dann sehen wir uns morgen um neun Uhr. Wollen Sie ihm seinen Kaffee mitbringen oder soll ich das machen?“ „Da ich sowieso an diesem Shop vorbeikomme, kann ich das auch machen.“ Sie nickte und schaute auf ihre Uhr. Vor dem Gebäude trennten sich unsere Wege und ich war froh, endlich nach Hause zu kommen. Die nächsten Monate würden sicherlich nicht immer lustig werden, aber Herausforderungen sollte man sich stellen. Man konnte an so was ja nur wachsen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)