Tales of Crystals von Felidae_Atsutane ================================================================================ Prolog: A Wish to the starry Sky -------------------------------- Es war Nacht. Der Wind blies kühl durch das braune Haar des jungen Schwertkämpfers, der auf einem Rheaird über die wiedervereinte Welt, Aselia, hinwegflog. "Der große Held", so nannten ihn die Leute. Doch sein eigentlicher Name war Lloyd. Lloyd Aurion. »Der Name meines Vaters ...«, dachte er bei sich. Während er über die Ebene hinwegflog, die sein Heimatdorf Iselia mit der Wüste von Triet verband, begann er die Geschehenisse der letzten Jahre Review passieren zu lassen. Drei Jahre war es nun schon her, dass Lloyd und seine Gefährten die Welten Sylvarant und Tethe'alla, die einander weder sehen noch berühren durften, wiedervereint hatten. Die Wiedervereinigung hatte für vielerlei Konflikte gesorgt, doch durch den beherzten Einsatz von Lloyd und seinen Freunden, konnte ein erneuter Krieg verhindert und alle Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden. Nach der Wiedervereinigung war Lloyd auf eine Reise gegangen, dessen Ziel es war, alle noch verbliebenen Exspheres einzusammeln und sie ein für alle Mal zu zerstören. Die Reise war von Erfolg gekrönt gewesen. Ausschließlich Lloyd und seine Gefährten, sowie wenige andere Bewohner Aselias, trugen jetzt noch Exspheres, beziehungsweise Cruxis-Kristalle. Und diese kleine Gruppe von Wesen - zu denen auch die Abtrünnigen gehörten - hatten sich geschworen, sie zum Wohle und zum Schutz Aselias einzusetzen. Die Abtrünnigen existierten auch nach der Wiedervereinigung noch weiter. Ihr neues Ziel war es, die Diskriminierung der Halbelfen vollends auszulöschen. Und die Prognosen dafür standen gut, wie ihr Anführer verlauten ließ. Lloyd pflegte auch weiterhin engen Kontakt mit Yuan, der, wie er erfahren hatte, der Blutsbruder seines Vaters und somit auch sein Onkel war. Von ihm hatte er viel über Kratos erfahren und auch über seine Mutter, Anna. Yuan hatte ihnen oft zur Flucht verholfen und sie vor Mithos beschützt, als sie zu jener Zeit auf Reise waren. Und doch waen unendlich viele Fragen offen geblieben ... Ein leises Lächeln bildete sich auf Lloyds Gesicht, während er das Ossa-Gebirge überflog. Sheena hatte ihn auf jener Reise, die er beging, um alle Exspheres einzusammeln, begleitet, mit ihr gemeinsam hatte er vielerlei Konflikte der Städte geschlichtet und ungemein viele Kämpfe bestanden. Sie war es gewesen, die stets versucht hatte, ihm Trost zu spenden, wenn er mit glasigem Blick in den sternenübersähten Himmel sah und an seinen Vater dachte. Lange Monate waren sie unterwegs gewesen und auch einander näher gekommen. So war es auch kein Wunder, dass er sich in die schöne Mizuhonerin verliebt hatte. Da ihm diese Gefühle jedoch gänzlich neu gewesen waren, hatte er es für sich behalten. Am Ende der Reise jedoch, als ihre Wege im Begriff waren, sich zu trennen und Lloyd erneut eine geliebte Person verloren hätte, hatte er die magischen drei Worte ausgesprochen; an einem Flussufer nahe Mizuho unter blühenden Kirschbäumen. Sheena hatte nach wenigen Augenblicken angefangen zu lächeln, ihre Wangen hatten sich rot verfärbt. Und dann hatte Lloyd etwas getan, was er sich selbst nie zugetraut hätte: Er hatte Sheena geküsst. Von jenem Tage an waren sie ein Paar. Zwar sahen sie einander recht selten, da sie die Anführerin Mizuhos und er "der große Held" war, der auch als Diplomat und - wie er es oft nannte - "Mädchen für alles" fungierte, da man sich mit Problemen jeder Art ständig an ihn wandte, doch wenn sie sich sahen, wofür sie sich oftmals einfach Zeit stahlen, herrschte eine liebevolle Harmonie zwischen den beiden, die die Schmerzen in Lloyds wundem Herzen etwas gelindert hatten. Doch in dieser Nacht hatte er sich aus einem anderen Grund freigenommen. Langsam setzte er zum Landeanflug an. Sanft setzte der Rheaird auf dem jungen, saftiggrünen Gras auf, welches diesen Ort säumte. Lloyd stieg ab und verstaute das Fluggerät wieder in seiner Flügeltasche. Dann blickte er zu der kleinen Insel in dem kristallklaren Bächlein, welches vor ihm floss. Er stand vor dem Sprössling des Göttlichen Baumes. Vorsichtig ging er mit einem Bein in die Knie und berührte mit schon beinahe liebevoller Sänfte einen neuen Trieb des Baumes. Erneut lächelte der junge Schwertkämpfer, als er sah, dass es dem lebensspendenden Baum gut ging. Lloyd sah regelmäßig nach der heiligen Pflanze. Diese Aufgabe gehörte zu seinem Pakt mit der Hüterin des Baumes, doch er hätte sie auch grundlos erfüllt. Ihm lag das Wohlergehen der Welt mehr am Herzen als irgendwem anders auf Aselia. Denn dafür hatte er gekämpft. Dafür, für den Frieden der Welt, hatte sein Vater ihn damals verlassen. Der inzwischen zwanzigjährige Sohn von Kratos, der seinem Vater in Reife und Aussehen noch ein wenig ähnlicher geworden war, erhob sich als auch seinen Blick. Das Licht der Sterne liebkoste seine rehbraunen Augen, die so warm und freundlich waren, eine erneute Windböhe wehte durch sein haselnussbraunes Haar, welches er inzwischen ebenso lang trug wie sein Vater. Eine Sternschnuppe zog über das nächtliche Firmament hinweg. Lloyd lächelte traurig und sprach leise, fast schon so, als wäre es verboten, seinen sehnlichsten Wunsch aus. »Dad ...« »Ja, Lloyd?« Da war sie. Diese Stimme. Diese warme, sanfte, tiefe Stimme, die soviele Erinnerungen weckte. Lloyd glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen, sein Lächeln war vor Schreck erloschen. Langsam, fast, als würde er es das letzte Mal tun, wandte er sich um. Und da stand er. Die gleiche Windböe, die eben noch durch sein Haar gestreichelt hatte, fuhr nun durch die rote Haarmähne seines Vaters, der nur wenige Schritte von ihm entfernt stand. Lloyd starrte seinen Vater an, konnte nicht glauben, dass er wirklich da war. In Fleisch und Blut und nicht als Wunschfigur seiner Träume. Kratos war zurückgekehrt. Und er lächelte das sanfte, warme Lächeln, eines Vaters. Seine Augen verrieten Unsicherheit, jedoch auch Freude, seinen Sohn endlich wiederzusehen. Langsam, ja beinahe schon zaghaft, breitete er seine Arme ein wenig aus. Lloyd konnte nicht mehr anders: Er fiel seinem Vater in die Arme und begann wie ein kleines Kind zu weinen. So lange hatte er es sich gewünscht, so oft hatte er es sich das Widersehen mit seinem Vater in den schillderndsten Farben ausgemalt. Doch nun, wo es endlich soweit war, waren all die auswendig gelernten Sätze, alle Worte und Gesten vergessen. Er konnte einfach nur noch weinen. Kratos umarmte seinen Sohn, der sich regelrecht an ihm festklammerte, fuhr ihm durch das braune Haar. Endlich war es soweit. Endlich konnte er sein Kind, das Synonym der Liebe zwischen ihm und seiner geliebten Anna, wieder in Armen halten. »Du bist wieder da ...! Du bist endlich wieder da ...!«, weinte Lloyd schon beinahe verzweifelt. »Ja, das bin ich ...«, sagte Kratos leise. Lloyd gönnte es sich, in diesem Moment einfach nur das Kind zu sein. Der Rothaarige genoss die Umarmung seines Sohnes. Und doch lief eine einzige Träne über seine Wange, die in Lloyds haselnussbraunes Haar fiel. »... wenn auch nicht mehr für lange ...« Kapitel 1: Crystal skin ----------------------- Chichiue = Ehrenvolle Anrede für den Vater, Japanisch _____________________________ Seit jener Nacht waren einige Monate verstrichen. Die erste große Überraschung für Kratos war Noishe gewesen. Sein alter Freund aus Kriegszeiten hatte sich weiterentwickelt: In seine finale, menschliche Form. Da Protozoen wesentlich schneller heranwuchsen als Menschen, Elfen oder Halbelfen, hatte Noishe ihn bereits in der Gestalt eines etwa Sechzehnjährigen begrüßt und mit seinem noch gebliebenen Schweif gewedelt. Die zweite Überraschung hatte ihn am nächsten Tag erwartet. Lloyd hatte seine Freude über die Rückkehr seines Vaters kaum bändigen können. Kratos hatte reichlich albern aus der Wäsche gesehen, als Sheena am nächsten Tag bei ihnen aufgetaucht war und Lloyd sie umarmt und geküsst hatte. Lachend hatte Lloyd ihm dann erklärt, was sich zwischen Sheena und ihm entwickelt hatte. Zwar hatte sein Vater gelächelt und beide beglückwünscht, doch in seinen braunen Augen war Trauer zu lesen gewesen. Am gleichen Abend noch hatte Lloyd seinen Vater danach gefragt. Er hatte geantwortet, dass er es bereute, sogar sein Zusammenkommen mit Sheena verpasst zu haben. Doch Lloyd hatte das Gefühl, dass das nicht die ganze Wahrheit gewesen war. Noishe, der ein sehr gutes Gespür für so etwas hatte, war der gleichen Meinung gewesen. Doch er kannte Kratos auch schon lange genug, um zu wissen, dass er nicht darüber sprechen würde. Während der Zeit hatte Kratos sich gut in die Vaterrolle eingefunden. Da Dirk inzwischen bei Altessa lebte, war auch genug Platz für den Seraphen gewesen, weshalb er beschlossen hatte, vorerst bei Lloyd wohnen zu bleiben. »Lloyd, komm endlich runter! Das Frühstück ist fertig!« Es war ein Morgen wie jeder Andere. Kratos hatte das Frühstück fertig, aber Lloyd wollte einfach nicht aufstehen. Der Rothaarige seufzte, als Noishe zur Tür hereinkam. »Wusste ich doch, dass mich meine Nase nicht getäuscht hat, als ich dein Essen gerochen habe, Chichiue!« Der Seraph schmunzelte. »Wenn du Lloyd wachbekommst, kriegst du heute mal den Löwenanteil an Speck«, meinte er. Noishe leckte sich über die Lippen. »Nichts leichter als das«, meinte er vergnügt und ging nach oben. Einen Schmerzensschrei später kam Lloyd hellwach die Treppe hinunter. »Jetzt sei doch nicht böse, Nii-san!«, beschwor Noishe den Braunhaarigen. »Du hast geschlafen wie ein Stein!« »Steine schlafen nicht!«, behauptete Lloyd. »Und wenn es so wäre, würde es denen wenigstens nicht wehtun, wenn du sie beißt!« Katos musste lachen und sah zu Noishe. »So war das mit dem Wecken eigentlich nicht gemeint ...«, sagte er und sah dann zu Lloyd. »Guten Morgen, du Langschläfer.« Lloyd grummelte etwas Unverständliches zur Antwort und setzte sich. Noishe tat es ihm gleich. »Dann mal her mit dem Speck, Chichiue!«, forderte er. »Das Wort "Bitte" kennst du anscheinend nicht.« Kratos verschwand kurz in der Küche und kam dann mit drei gut gefüllten Tellern wieder. Rührei mit Speck und eine Scheibe Toast war da bevorzugte Frühstück der Anwesenden. Kratos aß einfach mit, da er durch seinen Cruxis-Kristall keinen allzu ausgeprägten Geschmacksinn hatte und eigentlich ohnehin nichts zu essen brauchte. Zudem er auch keinerlei Appetit mehr hatte. »Ob das ein Symptom ist ...?«, fragte er sich, schüttelte dann aber kaum merklich den Kopf. »Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken ...« »Stimmt etwas nicht, Chichiue?«, fragte Noishe, als er ein Stück Speck heruntergeschluckt hatte. Kratos verfluchte ihn manchmal dafür, dass Noishe ihn besser kannte als er selbst. Doch er schüttelte souverän den Kopf. »Nein, was sollte auch sein?«, fragte er. Noishe hob eine Augenbraue, aß jedoch weiter. Nach einem reichlichen Frühstück und einer Dusche, verließ die kleine Familie das Haus, um zu trainieren. Während Kratos Noishe im Schwertkampf unterrichtete, brachte er Lloyd einige magischen Techniken bei. Er hatte vor, seinen Sohn auch in Engelsmagie zu unterrichten, wenn er soweit war. Doch momentan befasste er sich mit einfacheren Techniken. »Fire Ball!«, ertönte es nicht weit von Kratos und Noishe, die gerade miteinander kämpften. Noishe's Säbel, welchen er führte, glänzte im Sonnenlicht, während er auf die nächste Attacke von Kratos wartete, doch sie kam nicht. »Pass' doch auf, wo du deine Feuerbälle hinwirfst!« Niemand anderes als ein recht angesengter Yuan kam aus dem Wald getreten. Während Kratos und Lloyd zu lachen begannen, verzog Noishe das Gesicht. »Verbrannte Haare ...«, beschwerte er sich und hielt sich seine feine Nase zu. »Bedank' dich bei Lloyd«, meinte Yuan, lächelte dann aber wieder. »Wie ich sehe, seid ihr mal wieder fleißig.« »Klar doch«, meinte Lloyd stolz. »Wir trainieren jeden Tag.« »Wenn du denn aus dem Bett kommst«, fügte Kratos schmunzelnd hinzu. Sein Sohn ließ den Kopf hängen. Der Rothaarige blickte zu seinem Blutsbruder. »Was führt dich hierher?«, wollte er wissen. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Nahe Flanoir ein recht großes Monster sein Unwesen treibt ...« »Davon habe ich auch schon gehört«, meinte Lloyd, der seine Schwerter wieder wegsteckte. »Aber bisher waren es nur Gerüchte.« Yuan schüttelte den Kopf. »Es gab bereits Tote und Verletzte. Letztere haben zuverlässig von einer Art Eiswurm berichtet.« »Klingt mal wieder nach Arbeit«, sagte der Braunhaarige. »Noishe und ich werden dich begleiten«, beschloss Kratos kurzerhand. »Zu viert wird es leichter sein, diesem Eiswurm den Gar aus zu machen.« Lloyd nickte. »Ich hätte dich sowieso gebeten, mitzukommen.« Yuan lächelte. »Wunderbar, dann ist das ja geklärt. Wollen wir gleich aufbrechen oder wollt ihr noch irgendetwas mitnehmen?« Kratos schüttelte den Kopf. »Wir können gleich los. Ich habe alles Nötige in meiner Flügeltasche dabei.« »Wie konnte ich das nur vergessen?«, schmunzelte Yuan. »Deine Berufskrankheit als Söldner.« »Die uns so manches Mal das Leben gerettet hat«, setzte Kratos hinzu. Yuan machte eine wegwischende Handbewegung. »Stimmt, jedoch haben wir jetzt leider keine Zeit um alte Geschichten aufzuwärmen«, sagte der Blauhaarige. »Nach Flanoir ist es ein Flug von etwa zwei Stunden. Wenn wir nicht im Dunkeln nach dem Vieh suchen wollen, sollten wir uns auf den Weg machen.« »Yuan hat Recht«, meinte Noishe. »Nicht, dass noch mehr Leute zu Schaden kommen.« Wenige Stunden später hatte die kleine Gruppe den Kontinenten von Flanoir erreicht und landete im knöchelhohen Puderschnee. »Es ist immer noch genauso kalt wie vor drei Jahren ...« »Du hast noch keinen Winter hier erlebt«, sagte Noishe zu Lloyd, der sie Beschwerde ausgesprochen hatte. »Die sind kalt.« »Wir sollten losgehen«, meinte Kratos, der auf einen Felsen gesprungen war, um sich umzusehen. Yuan hingegen kniete mit einem Bein im Schnee und berührte eine Delle darin. Sein rothaarige Freund landete neben ihm. »Die Spur ist noch recht frisch«, verkündete der Blauhaarige, der als Halbelf ein hervorragender Spurenleser war. »Auf jeden Fall war das Vieh vor Kurzem hier.« Noishe trat ebenfalls an Yuans Seite und nahm sich eine Hand voll des eingedellten Schnees, um daran zu riechen. »Der Geruch ist ziemlich schwach ... unterscheidet sich kaum von dem des Schnees.« Kratos sah seinen alten Gefährten an. »Du kannst ihn also aufspüren?« Noishe grinste. »Selbstredend.« Kratos nickte und die Gruppe ging los, geführt von dem Protozoen in vollendeter Form. Dass seine Tierinstinke nach der Entwicklung noch geblieben waren, hatte vielerlei Vorteile. Auch, wenn Lloyd seine Reißzähne seit de heutigen Morgen weniger schätzte. Je weiter sie zogen, desto stürmischer wurde es. Kalter Wind peitschte ihnen ins Gesicht, der aufwirbelnde Schnee erschwerte ihnen das Sehen. Während Noishe, Lloyd und Yuan jedoch kaum Probleme damit hatten, blieb Kratos immer einige Schritte zurück, was alle Drei doch sehr verwunderte. Kratos hingegen meinte nur, dass er durch die lange Zeit auf Derris-Kharlan ein wenig abgebaut hätte. Glauben tat ihm das jedoch keiner. Der Rothaarige war einerseits froh, dass das Wetter so schlecht war, denn so blieben ihm längere Gespräche erspart, andererseits litt er offensichtlich unter der Witterung. Für Außenstehende sah es aus, als würde seine Arme nur wärmend um sich schlingen, doch in Wahrheit hielt er seinen Arm fest, der ihm Schmerzen bereitete. Und doch schwieg er. Niemand durfte von dem Geheimnis, welches er unter seiner Kleidung verbarg, erfahren. Schon gar nicht Lloyd, der immer wieder besorgt zu ihm blickte. Sie wanderten Stunden durch den Schnee, größtenteilig schweigend, bis Noishe plötzlich stehenblieb und seine Nase in den Wind hob. »Was witterst du?«, fragte Kratos, als er wieder zur Gruppe aufgeschlossen hatte. »Mana ...«, sagte Noishe. »Eismana, fast so hoch konzentriert wie im Tempel von Celsius ...« Kratos legte seine Hand um seinen Schwertgriff. Als Lloyd das sah, tat er es seinem Vater gleich. Yuan rief sein Axtschwert herbei und Noishe zog seinen Säbel. Und tatsächlich. Die Erde begann wild zu beben, bevor ein riesiges, blaues Monster aus dem Boden hervorschoß, dessen rundes Maul mehrere Zahnreihen entblößte. Alle vier stoben in verschiedene Richtungen auseinander, da sich der Eiswurm in die gleiche Stelle fraß, an der sie soeben noch gestanden hatten. »Das Vieh vergräbt sich wieder! Achtet auf den Boden!«, fauchte Kratos in seinem Kasernenton. Alle nickten. Noishe schlug als erster Alarm und sprang beiseite. Keine Sekunde später durchstieß der Wurm wieder die Schneedecke. Dieses Mal jedoch griffen alle vier an. »Rising Phoenix!« »Thunder Explosion!« »Super Lightning Blade!« »Hurricane Thrust!« Während Flamberge im vereisten Panzer des Wurmes stecken blieb, prallten Vorpal und Yuans Axtschwert daran ab. Kratos und Noishe hatten den Bauch ihres Gegners angegriffen, waren jedoch genauso erfolglos gewesen. Lloyd schaffte es gerade noch rechtzeitig, Flamberge wieder herauszuziehen, bevor sich der Wurm erneut vergrub. »So wird das nichts!«, fluchte Yuan. »Wir müssen es mit reiner Magie versuchen!«, rief Noishe. »Noishe hat Recht! Das Vieh scheint gegen physische Angriffe resistent zu sein!«, fügte Lloyd hinzu. »Ich werde es wieder rauslocken!« Noch bevor Kratos widersprechen konnte, hatte sein Sohn begonnen, den Boden zu attackieren, um den Wurm wieder herauszulocken. Also begann er, sein Mana zu sammeln. Yuan und Noishe taten es ihm gleich. Wie erwartet tauchte der Wurm wieder auf und Lloyd sprang in Sicherheit. »Eruption!« »Thunder Blade!« »Air Thrust!« Ausschließlich die Feuerattacke von Kratos verfehlte ihre Wirkung nicht. Die von Noishe und Yuan prallten erneut am eisigen Panzer des Monsters ab. »Das hat gesessen, Dad!«, rief Lloyd begeistert. »Nur leider nicht genug!«, widersprach Kratos. »Stell' dich neben mich und mach' genau das, was ich dir sage!« Während Noishe auf den Boden einzuprügeln begann, um den Eiswurm wieder nach oben zu locken, begann Kratos Lloyd zu zeigen, was er machen sollte. »Du weißt, wie man Feuerbälle wirft!«, meinte er. »Mit Eruption ist es fast das Gleiche! Nur musst du dein Mana aus deinem Körper in den Boden lenken! Glaubst du, du kriegst das hin?« Lloyd nickte. Das genügte Kratos und er begann erneut, sein Mana zu sammeln. Sein Sohn tat es ihm gleich; nur war er wesentlich langsamer dabei. Und wieder erschien der Wurm aus dem Boden. »Eruption!«, rief Kratos und erneut attackierte Feuermana ihren Gegner. Lloyd jedoch war zu langsam gewesen. Der Wurm schrie zornig auf und vergrub sich erneut - jedoch verpasste er Lloyd als auch Kratos einen kräftigen Schwanzschlag. Beide wurden ein ganzes Stück weggeschleudert. Während Lloyd das Bewusstsein verlor, lag sein Vater anscheinend verletzt neben ihm. Yuan verlor die Geduld und breitete seine Flügel aus. »Noishe, lock' ihn hoch!«, befahl er. Der Protozoon tat das Verlangte. Als der Wurm erneut aus dem Boden schoß, hielt er direkt auf Yuan zu, vom Leuchten seiner Flügel angelockt. Doch Yuan war schneller. »SHINING BIND!« Die Engelsattacke war selbst dem Wurm zuviel. Er schrie qualvoll auf und fiel in den Schnee. Als Yuan sich vergewissert hatte, dass er tot war, eilte er zu Kratos und Lloyd. Lloyd war noch immer ohne Bewusstsein, da der Schlag des Wurmes ihn am Kopf getroffen hatte, doch er lebte. Kratos hingegen hatte sich aufgesetzt und hielt sich den offenbar schwer blutenden Arm. »Das sieht übel aus«, meinte Yuan und streckte eine Hand nach seinem Freund aus. »Lass mich mal sehen.« »Fass mich nicht an!«, fauchte der Rothaarige. Sein Blutsbruder zuckte erschrocken zurück, während Noishe an seine Seite trat und Kratos böse ansah. »Es ist das, wonach es riecht, nicht wahr?«, fragte er. »...«, machte Kratos. »Wovon redest du, Noishe?«, wollte Yuan wissen. Der Angesprochene bleckte seine Zähne vor Zorn. »Er soll es dir selbst sagen. Er weiß es nämlich sehr genau.« Yuan runzelte die Stirn und sah zu seinem Blutsbruder, der verkrümmt im Schnee saß und seinen Arm vor Blicken schützte. Dann sagte er gar nichts mehr und sah ihn nur noch an. »Es ist nichts ...«, sagte Kratos und erhob sich. Er wankte stark. »Du lügst«, behauptete Noishe. »Selbst wenn, es geht euch nichts an.« Nun reichte es Yuan. Er packte Kratos unsanft an seinem gesunden Arm und zerrte ihn von dem verletzten weg. Es war nur eine Sekunde, die er hinsehen konnte, doch es reichte. »Wie ist das möglich ...?!«, hauchte er mehr, als dass er es aussprach. Kratos gab auf und entblößte seinen Arm. Es war nicht die Wunde des Wurmes, die Yuan so schockte. Es war die kristalline Haut. Kratos litt unter Chronischem Angelus Crystalus Inofficium. Kapitel 2: Young and old Love ----------------------------- Hahaue = Ehrenvolle Anrede für die Mutter, Japanisch ___________________________________ »Wie kannst du das von uns Verlangen? Er ist dein Sohn!« »Eben deswegen!« Yuan schnaubte wütend. Er und Noishe hatten Lloyd und Kratos nach Flanoir in das Olivenhain gebracht. Yuan hatte Kratos' Wunde und somit den kristallinen Teil seiner Haut verbunden. Und nun hatte ihn sein rothaariger Freund gebeten, Lloyd nichts von seiner Erkrankung zu erzählen. »Warum denn nicht? Wir müssen doch nur eine Runenfassung für dich schmieden lassen! Dann bist du wieder der Alte!« Kratos schüttelte den Kopf. »Nein ... das funktioniert nicht ...« »Wie meinst du das?«, wollte Yuan wissen. Kratos hielt ihm seine Exspherehand hin. Ein einziger Blick des Blauhaarigen genügte, um die Schutzfassung als Runenfassung zu identifizieren. »Aber warum bist du dann nicht geheilt?« »Es ist eine andere Art dieser Krankheit. Ich habe alle Bücher von Derris-Kharlan, die mit Martel's Krankheit zu tun haben, durchsucht. Es ist nichts über eine Mutation zu finden.« »Was sind die Symptome?«, fragte der Halbelf. »Es kristallisiert noch recht langsam. Allerdings habe ich noch weniger Appetit als sonst, dafür schmecke ich ein wenig besser. Was mir jedoch wirklich zu schaffen macht sind die Schmerzen.« »Du spürst Schmerz?« Kratos nickte. »Ich fühle wieder intensiver.« »Also könnte man die These aufstellen, dass die Wirkung des Aionis' nachlässt.« »Die Idee hatte ich auch schon. Ich habe alles aufgeschrieben, was mir sinnvoll erschien.« »Da stellt sich mir jedoch eine weitere Frage«, meinte Yuan. »Warum bist du nach Aselia zurückgekehrt?« Kratos schwieg. »Er hat aufgegeben«, sagte Noishe, der die ganze Zeit zugehört hatte. Yuans Kopf schnellte wieder zu Kratos herum, da er zu Noishe gesehen hatte. »Ist das wahr?« »...«, machte Kratos erneut. »Du bist also nur nach Aselia zurückgekommen, um mit Lloyd deinen Lebensabend zu verbingen?«, hakte Yuan nach. Der Rothaarige seufzte und nickte dann. »Ich sehe keinen Sinn mehr darin, noch weiterzuleben. Selbstredend bin ich Lloyds Vater, aber er ist erwachsen geworden. Er braucht mich nicht mehr. Und außerdem ...« »Es ist Sheena, richtig?«, fragte Noishe. »Sie und Lloyd erinnern dich an Hahaue und dich selbst.« Erneut nickte Kratos langsam. »So ist das also ...«, stellte Yuan fest. »Ich glaube aber kaum, dass Anna damit einverstanden sein wird.« »Wann soll ich denn deiner Meinung nach sterben? Soll ich meinen eigenen Sohn überleben?«, fragte der Rothaarige. »Davon redet keiner. Aber willst du nicht auf der Hochzeit deines Sohnes sein? Willst du denn niemals Großvater werden?« »Lloyd hat Dirk ...« Yuan wusste, dass das eine Ausrede war, die Kratos nie und nimmer ernst meinte. Er war stur, wie schon seit viertausend Jahren. Er sah diese Krankheit als Schicksal an, wahrscheinlich als Strafe für seine Sünden, die er sich noch immer nicht vergeben hatte. »Und was gedenkst du jetzt zu tun? Ewig kannst du es ihm nicht verheimlichen.« »Solange ich es kann, werde ich es tun«, meinte der Seraph. »Und dann?« »Das wird die Zeit zeigen.« »Ist dir schonmal der Gedanke gekommen, dass Lloyd nicht zulässt, dass du stirbst, wenn er davon erfährt?«, fragte Noishe. »Er kann nichts tun. Sobald meine Haut gänzlich kristallisiert ist, gibt es so oder so keine Chance auf Heilung mehr. Und genau deswegen will ich nicht, dass Lloyd es erfährt. Er würde sich in Gefahr stürzen, nur, um ein Heilmittel zu suchen, das es gar nicht gibt!« »Woher willst du das wissen?«, meinte Noishe. »Du solltest gelernt haben, das fast nichts unmöglich ist. Lange genug gelebt hast du ja.« »...« Yuan seufzte. »Wie auch immer. Ich bin dein Blutsbruder und ich werde dir diese Bitte nicht abschlagen; auch, wenn ich damit nicht einverstanden bin«, meinte er und sah Kratos an. »Aber ich werde dafür nach einem Heilmittel suchen.« »Tu', was du nicht lassen kannst«, sagte Kratos nur, womit das Thema für ihn beendet war. Yuan als auch Noishe hielten ihr Versprechen. Lloyd erfuhr nichts von der Krankheit seines Vaters. Yuan beschwor seinen Freund die ersten Tage immer wieder, doch es brachte nichts. Noishe hatte das von Anfang an gewusst und es sein gelassen. Allerdings brachte er seine Meinung anderweitig zum Ausdruck; er machte Anspielungen. Doch Kratos wandt sich jedes Mal heraus. Sheena war gerade zu Besuch, weshalb Kratos die beiden allein ließ. Er nutzte die Gelegenheit, um mit Noishe trainieren zu gehen; zumindest wollte er das. »Ich weigere mich, gegen dich zu kämpfen, Chichiue«, sagte Noishe, als sie weit genug vom Haus entfernt waren. »Warum das?«, wollte der Rothaarige wissen. »Ich kämpfe nicht gegen Kranke.« Kratos schielte. »Es geht mir gut«, meinte er. »Das sagst du. In Wahrheit aber hast du Schmerzen. Diese wiederum schwächen dich. Ich würde dich besiegen. Lloyd mag ja vielleicht auf die "Es ist genug für heute"-Tour hereinfallen, ich jedoch nicht. Außerdem würde es mir nichts bringen, da ich einen ebenwürdigen Gegner brauche. Und dich würde es deprimieren. Und wenn du deprimiert bist, wird es dir noch schlechter gehen als ohnehin schon. Es ist also vollkommen sinnfrei.« Kratos war Schachmatt gesetzt, wie er zugeben musste. Man merkte es Noishe oftmals nicht an, doch er war wahrlich weise. Er bildete sich nur nichts darauf ein. »Dann ... lass uns einfach reden.« »Du willst reden?«, fragte Noishe dann doch leicht verwundert. »Nur, wenn für dich nichts dagegenspricht.« »Tut es nicht«, antwortete Noishe. »Aber wenn du wiederum nichts dagegen hast, könnten wir das bei einem Bad im See tun. Du riechst nämlich unangenehm.« Noishe hatte es höflich ausgedrückt. Kratos war es gewohnt, dass sein Engelskörper sich größtenteilig von Selbst reinigte, zumal er eigentlich nicht schwitzte, daher wusch er sich selten. Die Krankheit jedoch schien an ihm zu zehren; und auch an seiner eigentlichen Perfektion. »Von mir aus«, meinte er schließlich. Am See angekommen, begannen die beiden, sich ihrer Kleidung zu entledigen. Während Noishe sich sofort in die Fluten stürzte, ging Kratos langsam hinein, seinen Arm betrachtend. Die Kristallisierung hatte ein halbes Jahr vor seiner Rückkehr begonnen. Sie schritt langsam voran. An seinem Ellenbogen hatte es angefangen und sich in beiderlei Richtungen ausgebreitet. Noch verdeckte die Stulpe als auch die Handschuhe seiner Söldnerkleidung die kristallinen Hautpartien, doch sobald seine Schulter angegriffen wurde, musste er zu anderer Kleidung greifen. Zudem schmerzte der Arm. Es war, als würde seine Haut austrocknen, es knirschte unangenehm, wenn er den Arm bewegte. Er war froh, sich ins Wasser gleiten lassen zu können. Das kühle Nass linderte die Schmerzen geringfügig. Zumindest jene Teile, die erst zu kristallisieren begannen und folglich noch lebten. An den Kristallen an sich spürte er gar nichts mehr. Es waren die Muskeln darunter, die ihm den Schmerz einbrachten. »Riecht eigenartig ... viel intensiver als bei Martel damals.« Kratos erschrak leicht, als Noishe neben ihm aufgetaucht war. Und es war selten, dass er seine Sinne nicht überall hatte. »Mh«, machte er nur. »Es stinkt förmlich nach abgestorbener Haut. Für mich zumindest. Müsstest du es nicht auch riechen können? Du hast doch immerhin den Geruchsinn eines Engels.« Kratos schüttelte den Kopf. »Inzwischen nicht mehr so ausgeprägt.« »Ich würde dich ja bemitleiden«, meinte Noishe. »Aber wer sich nicht helfen lassen will, hat in meinen Augen selber Schuld.« Mit diesen Worten ließ Noishe sich treiben. Kratos seufzte nur. Er wollte Lloyd schützen. Er wusste, dass sein Sohn sofort aufbrechen würde, um ein Heilmittel zu suchen. Und genau das wollte er nicht. Er hatte auf der Reise der Erneuerung genug Ängste ausstehen müssen, so oft war Lloyd in Lebensgefahr gewesen. Er wollte ihn einfach nur in Sicherheit wissen. Und doch, wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er auch nicht geheilt werden. Er wollte endlich zu seiner über alles geliebten Anna ... Zur gleichen Zeit lagen Lloyd und Sheena eng aneinander geschmiegt auf dem Sofa, welches man inzwischen im Erdgeschoss des kleinen Hauses finden konnte. Lloyd streichelte Sheena durch das schwarze Haar, während sie an seiner Brust lag und seinem kräftigen Herzschlag lauschte. Sie schwiegen. Genossen einfach nur die Anwesenheit des jeweils Anderen. Sie hatten schließlich selten genug Zeit, um sich zu sehen. Schließlich aber durchbrach Lloyd die Stille. »Sheena«, meinte er, wobei er den Namen seiner Geliebten sehr zärtlich aussprach. »was meintest du eigentlich neulich mit: Dein Großvater sei unserer Beziehung nicht wohlgetan?« Sheenas Lächeln, welches eben noch ihr schönes Gesicht geziert hatte, erlosch. »Er ... meint, es zieme sich nicht für die Anführerin Mizuhos, einer, wie er es nennt, "losen" Verbindung nachzugehen ...« »Einer losen Verbindung?«, fragte Lloyd. »Wie meint er das?« Sheena setzte sich auf und mied den Blick des Braunhaarigen. Ihre Wangen waren rot angelaufen. »Huh?«, machte Lloyd. »Er ... meint damit, dass ...«, druckste Sheena. »... dass wir ...« »... uns zu selten sehen?«, fragte Lloyd, der noch immer ein wenig von seiner Naivität behalten hatte. Sheena schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht. Er schätzt sogar, wie wir Beziehung und Pflichten kathegorisieren. Und er schätzt auch dich sehr.« »Wo liegt dann das Problem?«, wollte Lloyd wissen. »Nun, er ...«, begann Sheena von Neuem. »Er will ... sozusagen etwas Offizielles.« Lloyd raffte noch immer nicht, was die Beschwörerin meinte. »Etwas Offizielles?« Sheenas Gesicht wurde immer röter. »Er will dass wir uns verloben«, nuschelte sie. Der Braunhaarige blinzelte. »Verloben?«, fragte er. »Er meint, ich soll um deine Hand anhalten?« Sheena nickte und hielt die Augen geschlossen. Irgendwie hatte sie Angst, Lloyd jetzt anzusehen. »Nun, wenn er das unbedingt für nötig hält, werde ich es tun«, meinte er. Die Mizuhonerin meinte, ihren Ohren nicht zu trauen und konnte nicht anders, als ihn anzusehen. »Du ... du bist einverstanden?!« Lloyd lächelte. »Heh, ich liebe dich«, sagte er voll Zärtlichkeit und legte eine Hand auf ihre Wange. »Ich hätte es ohnehin getan. Ich wollte damit nur noch etwas warten. Obwohl die Wiedervereinigung schon drei Jahre her ist, ist immer noch nicht alles geklärt. Ich wollte es machen, wenn sich auch die letzte Stadt zufrieden gegeben hat.« Der Braunhaarige schmunzelte. »Außerdem meint Dad, wir seien noch zu jung. Aber so, wie die Dinge jetzt stehen, denke ich, dass sogar er nichts dagegen haben wird.« Dann jedoch wurde sein Blick ernst. »Ich werde es jedoch nur tun, wenn du mich wirklich willst ...« Sheenas bernsteinfarbene Augen erstrahlten vor lauter Freude und sie fiel Lloyd um den Hals. »Natürlich will ich dich, du braunhaariger Vollidiot!«, rief sie freudig und küsste ihren Geliebten. Lloyd schlang seine Arme um sie und genoss den Kuss in vollen Zügen. Dann legte er seine Stirn an ihre und blickte sie verliebt an. »Dann frage ich dich jetzt ganz offiziell: Willst du meine Frau werden, Sheena Fujibajashi?« Sheena lächelte voller Liebe. »Nichts will ich lieber sein als deine Frau, Lloyd Aurion ...« Kratos' Blick war unbezahlbar gewesen, wie Noishe meinte. Als sie zurückgekehrt waren, hatten Lloyd und Sheena ihnen die frohe Botschaft verkündet. Kratos hatte erst einmal nur dagestanden und sie angesehen, während Noishe Lloyd umarmt hatte. Dann hatte Lloyd seinen Vater angesehen und auf eine Reaktion gewartet. Kratos hatte gelächelt und sie beglückwünscht. Außerdem hatte er Lloyd umarmt. Und doch war der Braunhaarige der Meinung, erneut etwas Trauer in seinen braunen Augen lesen zu können. Als sein Vater am gleichen Abend vor Annas Grab kniete, ahnte er auch, warum das so war. »Mum fehlt dir sehr, huh?«, fragte Lloyd, der hinter seinen Vater getreten war. Kratos schnaubte leicht belustigt. »Sie würde mich ohrfeigen, wenn ich das leugnen würde ...« »Mum hat dich geohrfeigt?«, fragte Lloyd verwundert. Kratos schmunzelte. »Ja, ab und zu. Wenn ich mich beispielweise unbedacht in deinen Kampf gestürzt habe, um sie zu schützen. Wenn ich dann blutverschmiert und verletzt, aber stolz zu ihr zurückkam, habe ich erstmal ihre Linke zu spüren bekommen«, erzählte der Rothaarige schmunzelnd, während er eine Hand an seine Wange legte. »Das versteh' ich nicht«, meinte der Braunhaarige. »Ich habe auch eine Weile gebraucht, um es zu verstehen. Sie hat sich um mich gesorgt.« »Aber warum ohrfeigt sie dich dann?« »Damit ich es nicht noch einmal mache.« »Hast du dich daran gehalten?« Kratos lachte leise. »Nein, nie«, antwortete er. Dann wurde der Seraph auf einen Schlag ernst. »Lloyd ... mach' das Gleiche. Beschütze Sheena. Versprich mir das.« »Klar mach' ich das!«, lachte Lloyd schon beinahe. »Obwohl sie immer darauf besteht, auf sich selbst aufpassen zu können.« »Es wird vielleicht Zeiten geben, wo sie das nicht kann ...«, meinte Kratos. »Was für Zeiten sollen das sein?«, wollte sein Sohn wissen. »Du wirst es verstehen, wenn es soweit ist ...« Lloyd verstand kein Wort, doch das hatte sein Vater auch nicht erwartet. Die beiden Krieger schwiegen eine Weile, auf Annas Grab blickend. »Glaubst du ... das Oberhaupt wird mir Sheenas Hand wirklich geben?«, fragte Lloyd. Erneut schmunzelte Kratos. »Selbstredend. Schließlich bist du mein Sohn«, antwortete er stolz. »Außerdem schätzt er dich sehr. Der große Held, der der Welt den Frieden und Mizuho eine neue Heimat bescherte und auch noch einen hervorragenden Charakter besitzt. Einen Besseren könnte er für Sheena doch gar nicht finden.« Lloyd lächelte. »Danke, Dad ...«, sagte er leise. »Ich bin wirklich froh, dass du zurückgekommen bist ...« Wäre Kratos nicht Kratos gewesen, hätte er in diesem Moment angefangen zu weinen. Kapitel 3: Chronisches Angelus Crystallus Innofficium Infernale --------------------------------------------------------------- Schon am nächsten Tag war Lloyd mit Kratos und Noishe nach Mizuho geflogen, um das Oberhaupt um Sheenas Hand zu bitten. Nun stand der Braunhaarige in seiner edlen Kleidung vor Sheenas Großvater. Er war sichtlich nervös. Sheena konnte ihm nur durch Blicke helfen, da sie der Sitte nach hinter ihrem Großvater stehen musste. Kratos und Noishe standen wiederum hinter dem großen Helden, der nun eher klein erschien. Dann jedoch fasste sich Lloyd ein Herz. Er ging mit einem Bein in die Knie und küsste die Hand von Sheenas Großvater. »Ich, Lloyd Aurion, bitte hiermit um die Hand Eurer Enkeltochter Sheena Fujibajashi. Ich werde sie lieben und ehren, sie schützen und stützen, bis dass der Tod uns scheidet.« Sheenas Großvater ließ sich Zeit mit der Antwort. Sheena bekam Angst, Lloyd hingegen stand Todesängste aus, hielt dem Blick des Oberhauptes jedoch stand. Dann lächelte er. »Ich könnte mir niemand Besseren für Sheena vorstellen als dich, Lloyd Aurion. Ihr habt meinen Segen.« Der Braunhaarige wäre am Liebsten zusammengesunken, hätte ihn die Freude nicht aufrecht erhalten. Sheena fiel ihm kurzerhand um den Hals und küsste ihn voller Leidenschaft. Lloyd erwiderte es. Kratos' Blick veränderte sich. Zwar lächelte er und freute sich für seinen Sohn, gerade weil er sein großes Glück gefunden hatte, doch zu sehr erinnerten ihn die beiden an Anna und ihn. Es tat einfach weh. Er ließ sich jedoch nichts anmerken. »Dann bist du jetzt also offiziell eine zukünftige Aurion«, beglückwünschte er sie auf seine eigene Art und Weise. Sheena nickte strahlend, die Umarmung mit Lloyd nicht lösend. »Da dem so ist, habe ich von nun an auch nichts dagegen, wenn du mich Vater nennst. Vorrausgesetzt, du möchtest es.« Sheenas Strahlen übertraf nun das von Lloyd. »Das heißt, du bist wirklich einverstanden, dass Lloyd und ich heiraten?« Kratos schmunzelte. »Wie könnte ich mich gegen das Glück meines Sohnes aussprechen?« Nun fiel Sheena ihrem zukünftigen Schwiegervater um den Hals. »Danke, Dad!«, rief sie. Lloyd musste grinsen. Es war seltsam, dass jemand anders seinen Vater so nannte. Aber er freute sich, dass alles so harmonisch verlief. Er war einfach nur glücklich mit seiner kleinen, aber lieben Familie. Einen Monat später ... »Bereit?« »Bereit, wenn du es bist.« Lloyd stürmte auf seinen Vater los, welcher augenblicklich in Blockhaltung ging. Der Braunhaarige aber hatte dazugelernt. »Rising Phoenix!« Die flammende Sprungattacke kam für Kratos unerwartet und er musste mit einem Sprung ausweichen. Dadurch vernachlässigte er seine Deckung kurzfristig, was Lloyd sofort für sich ausnutze. »Lightning!« Doch Kratos war nicht eingerostet. »Guardian!« Während Vater und Sohn gegeneinander kämpften, hatte Yuan sich bereit erklärt, Noishe als Trainingspartner zu dienen. Ihre Schwerter gerieten gerade aneinander, als Yuan das ausnutzte, um ein Gespräch anzufangen. »Wie geht es Kratos?« Noishe beendete das Kräftemessen und griff von Neuem an. Der Blauhaarige blockte. »Soweit gut, allerdings scheinen die Schmerzen schlimmer zu werden.« Yuan schoss einen Blitz auf Noishe ab. Er wich aus. »Woran merkst du das?«, wollte er wissen, Noishe's Reißzähnen ausweichend. »Er belastet den Arm immer weniger und verzieht das Gesicht, sobald er es doch tun muss«, erklärte Noishe, während er einem Angriff von Yuan auswich. »Und wie steht's mit deinen Nachforschungen?« »Schlecht«, musste Yuan bei einer Parade von Noishe zugeben. »Es ist nichts zu finden.« »Hast du es schon in Heimdall probiert?«, fragte der Protozoe in vollendeter Form, als er erneut Blitze auf sich zukommen sah. »Earthly Protection!« »Natürlich. Diese Krankheit scheint gänzlich unbekannt zu sein.« Beide verschnauften einen Augenblick. »Also auch unberechenbar ...«, meinte Noishe. »Ich kann mir nicht helfen, aber Chichiue riecht seltsam. Beinahe ...« Weiter kam Noishe nicht, denn Kratos stieß einen Schmerzensschrei sondergleichen aus. »Dad! Was ist los?!« Yuan und Noishe eilten zu Vater und Sohn. Kratos war in die Knie gegangen und krümmte sich vor Schmerzen. Er zitterte am ganzen Leib und hielt sich den infizierten Arm, der zu zucken schien. Lloyd wollte sich die Wunde ansehen, die er seinem Vater zugefügt hatte, ohne es zu wollen, doch urplötzlich sah Kratos auf und fauchte seinen Sohn an wie ein wildes Tier. Lloyd als auch Yuan und Noishe wichen instinktiv einen Schritt zurück. »... wie Hahaue als Monster ...«, hauchte Noishe seinen Satz zu Ende. Kratos' Augen hatten sich in ein stechendes Türkis verfärbt, welches Lloyd bedrohlich anfunkelte. »Fass mich nicht an, du nichtsnutziges Balg!«, zischte er. Seinem Sohn stand der Schock ins Gesicht geschrieben. »Ich bereue es, dich gezeugt zu haben! Wärst du nicht gewesen, würde Anna noch leben!« Ebenso schnell, wie Kratos begonnen hatte, zu fauchen, wollte er nun Lloyd anfallen. Dieser war zu geschockt um irgendetwas zu machen. Noishe hingegen hatte ein Flashback an jene Nacht, in der Anna gestorben war, da der beißende Geruch von Kratos' kristalliner Wunde ihn so sehr daran erinnerte. Er sprang geistesgegenwärtig vor Lloyd, um ihn wie damals zu beschützen. Doch Kratos berührte keinen von beiden. Yuan hatte ihn von hinten gepackt. »Was ist denn in dich gefahren?!«, brüllte er ihn an und versuchte, seinen mehr als nur kräftigen Blutsbruder in Schach zu halten. »Beruhige dich!« Aber Lloyds Vater war nicht bei Sinnen. Er sträubte und wand sich gegen den Klammergriff von Yuan. Schließlich verbiss er sich im Arm des Halbelfen, welcher schmerzerfüllt aufschrie. Seine jahrelange Kampferfahrung jedoch brachte ihm die Geistesgegenwart, den Schmerz zu ignorieren und Kratos mit der breiten Seite seines Axtschwertes so heftig an den Kopf zu schlagen, dass er das Bewusstsein verlor. Erst danach gönnte er es sich, auf den Boden zu sinken und den verletzten Arm an sich zu pressen. Lloyd und Noishe waren aus ihrer Starre erwacht. Beide machten einen Bogen um Kratos und gingen erstmal zu Yuan. »Ist alles okay mit dir?«, fragte Lloyd. Yuan nickte. »Es wird gehen.« Der Braunhaarige sah zu seinem Vater. »Was um alles in der Welt war das ...? Das ... war doch nicht Dad ...« Noishe seufzte. »Doch, das war Chichiue«, sagte er und sah Kratos' Sohn an. »Er ist krank, Lloyd. Sehr krank sogar.« »Was ...?« Lloyd erhob sich und trat vorsichtig an die Seite seines ohnmächtigen Vaters. Dann endlich entdeckte er den Grund für das Geschehen: Die kristallisierte Haut. »Das ist doch Colettes Krankheit!«, entfuhr es ihm. Yuan hatte sich erhoben und hatte sich zu ihm begeben. »Nicht direkt«, korrigierte er ihn. »Kratos trägt bereits eine Runenfassung. Trotzdem heilt es nicht. Wir haben kein Heilmittel dafür. Alles, was ich dir bieten kann, ist ein Name.« »Welcher?«, wollte Lloyd wissen. »Chronisches Angelus Crystallus Innofficium Infernale.« Sie hatten Kratos ins Haus gebracht und vorsichtshalber mit beiden Armen am Bett festgebunden. Yuan kühlte seine eigene Wunde mit einem nassen Stück Tuch. »Ihr habt also die ganze Zeit davon gewusst ...«, stellte Lloyd fest. »Er wollte nicht, dass wir es dir sagen«, erklärte Noishe. »Er wollte dir in der letzten Zeit seines Lebens ein guter Vater sein und nicht, dass du dir Sorgen um ihn machst.« »Das heißt ... er hat die Hoffnung auf Heilung schon aufgegeben?«, fragte der Braunhaarige, zu seinem Vater sehend. Yuan nickte traurig. »Er ist völlig hoffnungslos. Er will zurück zu deiner Mutter, Anna ... er sieht endgültig keinen Sinn mehr darin, zu leben. Er meint, du seihst erwachsen und bräuchtest ihn nicht mehr.« »Das ist Unsinn!«, entfuhr es Lloyd. »Natürlich brauche ich ihn! Er ist mein Vater! Ich werde ihn immer brauchen! Und ich lasse nicht zu, dass er stirbt!« Während Yuan den Kopf senkte, nickte Noishe. »Genau das wusste er, weshalb er auch nicht wollte, dass du es erfährst. Er will nicht, dass du dich in Gefahr begibst.« »Aber ...!« Lloyd schlug mit seiner Faust auf den Tisch. »Verdammt! Was ist das denn für eine Krankheit, dass keiner ihm helfen kann?!« »Ich kann versuchen, dir das zu erklären, was ich weiß«, meinte Yuan. Lloyd nickt ihm zu. »Es scheint eine Mutation von Colettes Krankheit zu sein«, vereinfachte er es ein wenig. »Die Haut kristallisiert und wie es scheint, lässt die Wirkung des Aionis' nach. Kratos schmeckt und fühlt wieder besser. Mit seinem Cruxis-Kristall scheint es auch etwas zu tun zu haben, denn er kann ihn nicht mehr abnehmen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes festgewachsen.« Lloyd lauschte den Worten seines Onkels aufmerksam. »Noishe meint, Kratos würde den Geruch eines Monsters an sich tragen. Folglich vermuten wir, dass das Mana von Kratos' Körper außer Kontrolle gerät und er sich mehr und mehr wie ein Monster verhält, während sein Körper immer weiter kristallisiert ... das sind jedoch alles nur Thesen. Wir wissen rein gar nichts Genaues.« »Nur, dass es Chichiue immer schlechter geht«, fügte Noishe hinzu. Yuan nickte. »Gibt es denn rein gar nichts, was wir tun können?«, fragte Lloyd verzweifelt. »Es ... gibt Dinge ... die nicht einmal ... du ändern kannst ...« Der Braunhaarige fuhr herum, als er die Stimme seines Vaters hörte. Kratos war aufgewacht und schien wieder normal zu sein. Zumindestens waren seine Augen wieder braun. »Dad ...«, hauchte Lloyd und trat an die Seite des Rothaarigen. »Wie geht es dir ...?« »Den Umständen ... entsprechend gut ...«, antwortete Kratos mit leiser Stimme und wollte sich aufsetzen, doch sein Sohn hielt ihn zurück. »Du solltest liegen bleiben.« Kratos tat sogar, um was Lloyd ihn bat. »Jetzt weißt du es also ...«, meinte er resignierend. »Warum hast du es mir nicht gesagt? Ich hätte mich schon nicht kopfüber in irgendwelche Gefahren gestürzt. Aus dem Alter bin ich raus.« »...«, machte Kratos. »Ich werde jedoch auch nicht zulassen, dass du stirbst«, sagte Lloyd entschlossen. Sein Vater schwieg. Doch in seinen Augen konnte der Braunhaarige seine Antwort lesen. »Warum lässt du mich nicht gehen?« Milchig spiegelte sich das Mondlicht in Lloyds warmen, braunen Augen wieder. Er saß vor dem Sprössling des Göttlichen Baumes und blickte in den Sternenhimmel. Es war das erste Mal seit Kratos' Rückkehr, dass er dies wieder tat. Denn dort oben, so hatte er gedacht, war nichts mehr, was für ihn von Belang war. Doch er hatte sich geirrt. »Was soll ich nur tun, Mum?«, fragte er. »Möchtest du Dad wiedersehen? Soll ich ihn wirklich einfach sterben lassen?« »Die Toten sprechen nicht gern zu den Lebenden ...«, ertönte eine Stimme hinter ihm. »Eine Erfahrung, die ich bitterlich machen musste.« Sein Vater war hinter ihm aufgetaucht. Lloyd sah über seine Schulter. »Wie kommst du hierher?«, wollte er wissen. »Du solltest noch im Bett liegen!« »Es geht mir besser«, antwortete der Rothaarige, als er sich neben seinen Sohn setzte. »Und ich bin hergeflogen. Noch habe ich Flügel, die mich tragen können.« »Noch ...«, wiederholte Lloyd. »Du redest schon wieder so.« »Was meinst du?«, fragte Kratos. »Das weißt du doch! Du redest schon wieder so, als wärst du ... bald nicht mehr da!« Kratos schwieg einen Augenblick, bevor er in die Sterne blickend antwortete. »Kannst du mich denn überhaupt nicht verstehen?«, wollte er wissen. »Stell' dir vor, Sheena wäre dort oben. Würdest du nicht zu ihr wollen?« »Doch«, gab Lloyd zu. »Aber ich wüsste, dass sie nicht einverstanden damit wäre, dass ich unser Kind allein lasse.« Kratos war doch tatsächlich ein wenig erstaunt über die Antwort seines Sohnes. »Du bist erwachsen geworden ...«, meinte er dann aber. »Und immer noch dein Sohn«, konterte der Braunhaarige. »Ich weiß ...« Nun schwiegen beide eine Weile. Auch sahen beide in das nächtliche Firmament hinauf. Eine Angewohnheit, die viele Menschen besaßen. Wenn sie Probleme hatten, sahen sie oft in die Sterne. So, als ob dort die Lösung all ihrer Probleme liegen würde. Schließlich aber senkte Lloyd den Kopf. »Hast du ... eigentlich ernst gemeint, was du vorhin zu mir gesagt hast ...?«, fragte er. »Dass ... Mum noch leben würde, wenn ich nicht gewesen wäre ...?« »Das soll ich gesagt haben?«, fragte Kratos, der sich an kaum etwas erinnern konnte. Sein Sohn nickte. »Ich muss wirr gesprochen haben«, meinte er. »Das ist vollkommener Unsinn. Anna wäre auch dort oben, wenn sie dich nicht geboren hätte. Nur wäre sie unglücklich, da die Welten wahrscheinlich nie gerettet geworden wären ... und ich nie wieder gelächelt oder gelacht hätte.« Lloyd war erleichtert, dass zu hören. Bevor sich jedoch wieder die Mauer des Schweigens zwischen ihnen aufbauen konnte, führte er das Gespräch fort. »Das wäre sie auch, wenn einer von uns traurig wäre, oder nicht?«, wollte er wissen. Kratos nickte. »Sie hat sich nur wohlgefühlt, wenn du und ich auch glücklich waren.« »Dann wäre sie auch traurig, wenn du sterben würdest ...«, sagte Lloyd. »Denn ich würde um dich weinen.« »Aber du hast hier doch alles«, meinte sein Vater. »Du hast Dirk. Er hat dich großgezogen. Du hast Sheena, die du bald heiraten wirst. Vielleicht werdet ihr eigene Kinder haben. Ich habe auf dieser Welt nichts mehr verloren.« Kratos seufzte. »Ich habe meine Chance versäumt.« Lloyd schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr! Ich will dich hier haben! Ich will, dass du auf meiner Hochzeit dabei bist! Ich will, dass meine Kinder einen Großvater haben! Ich hatte nie einen! Sheena hatte nie einen Vater, für sie bist du auch wichtig!« Der Braunhaarige wurde richtig wütend. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass es nichts bringt, zu sterben! Aber damals sagte ich, dass du mit deinem Tod nichts erreichst. Das war nicht wahr. Du erreichst damit, dass ich dich wieder vermissen werde ...! Mehr denn je sogar!« Kratos war mehr als nur erstaunt über die Worte seines Sohnes. Lloyd war aufgestanden und blickte zu seinem Vater herunter. »Du bist mir wichtig, Dad ...!«, sagte er, wobei seine Stimme zittrig wurde. »Wenn du unbedingt sterben willst ... wenn dir die Familie, die ich vielleicht gründen werde, so wenig bedeutet ... wenn du alle, die dich gern haben, zurücklassen willst ... wenn du zurück zu Mum willst ... dann werde ich nichts unternehmen. Weil du mir wichtig bist. Ich will, dass du glücklich bist.« Lloyds Vater starrte seinen Sohn völlig entgeistert an. »Aber ich werde um dich trauern. Ich werde dich vermissen. Und ich werde mir nie vergeben, dass ich dich habe sterben lassen. Aber wenn dich das glücklich macht, werde ich nichts tun. Ich werde ganz normal weiterleben und solltest du Schmerzen haben, werde ich versuchen, sie zu lindern, aber sonst kein Wort darüber verlieren.« Lloyd sah Kratos an. Eindringlich, bittend, schon beinahe verzweifelt. »Aber ich bitte dich als dein Sohn ... geh' nicht ... ich habe dich doch erst wiedergefunden. Ich will dich kein drittes Mal verlieren!« Schweigen. Ein Schweigen, so erdrückend wie die Stille in einer Gruft. Kratos erwiderte den Blick von Lloyds Augen, in welchen Tränen schimmerten. »Bin ... ich dir wirklich so wichtig?«, fragte er dann. »Sonst hätte ich es nicht gesagt«, antwortete Lloyd. »Zwergenregel Elf ... Lügen ist der erste Schritt zum Diebstahl.« »...«, machte sein Vater und senkte seinen Kopf. Der Braunhaarige wartete. Er würde solange hier bleiben, bis er eine Antwort hatte. Egal, wie sie ausfiel. Schließlich atmete Kratos laut aus und bat seinen Sohn mit einer Kopfbewegung, sich neben ihn zu setzen. Er tat das Gewünschte. »Anna und ich waren immer auf der Flucht«, begann er plötzlich zu erzählen. »Von Stadt zu Stadt sind wir gereist ... sind immer nur wenige Tage oder Wochen geblieben. Selbst unsere Hochzeit war mehr Kampf als Fest, da wir überfallen wurden.« Lloyd hörte zu. Es war selten, dass sein Vater über seine Mutter sprach. »Unsere Flitterwochen mussten wir unterbrechen, da ich einen vielversprechenden Auftrag erhielt. Und so ging es weiter ... als sie mir sagte, dass sie schwanger sei, war meine Freude erst unbändig groß, doch wenig später wurde mir klar, dass ich ein Leben mehr zu schützen hatte. Ein kleines, vollkommen wehrloses Leben. Und während der Schwangerschaft durfte Anna sich auch nicht aufregen. Ich musste also das Risiko eingehen und uns eine Stadt suchen, in der wir länger bleiben konnten. Das hat auch ganz gut funktioniert, allerdings wurden in Annas achtem Monat Desians gesichtet und wir mussten erneut fliehen. Wir waren auf dem Weg nach Luin, als plötzlich ihre Wehen einsetzten.« Kratos legte eine kurze Pause ein. Sein Blick war warm und liebevoll geworden, Zärtlichkeit funkelte in ihnen. »Wir hätten es nie bis nach Luin geschafft, also war ich gezwungen, selbst als Hebamme zu fungieren. Du lagst verkehrt herum und ich musste dich drehen. Anna hätte dabei ihr Leben verlieren können. Ich fragte sie, wen ich retten soll und flehte sie an, dass sie sich für sich selbst entschied. Das hatte nichts mit dir zu tun. Es wäre einfach wahrscheinlich gewesen, dass auch du nach der Geburt gestorben wärst. Ein Säugling braucht nun einmal seine Mutter. Aber ... Anna wollte unbedingt, dass ich dich rette. Dich, unser gemeinsames Kind, dass die Chance zu leben noch nicht gehabt hatte.« Lloyd hätte schwören können, Tränen in Kratos' Augen zu sehen, doch er verbarg sein Gesicht unter seiner Haarmähne. »Ich drehte dich also. Anna verlor Unmengen an Blut. Davon wurden Monster angelockt. Es schien aussichtslos. Ich warf mich über Anna, um sie zu schützen, als plötzlich Yuan auftauchte und uns verteidigte. Letztendlich haben Anna und ich dir gemeinsam auf die Welt geholfen ... und ich war froh, dass ich auf Anna gehört hatte. Denn so konnte ich euch beide in Armen halten.« Erneut pausierte Kratos. Lloyd lächelte ganz leicht. So war er also auf die Welt gekommen ... »Und deswegen ... weil ich weiß, dass Anna es möchte ... und weil du mein Sohn bist ... werde ich nicht sterben.« Nun war Lloyd der Fassungslose. Kratos hob seinen Blick wieder und sah seinen Sohn an. Es war das erste Mal, dass er seinen Vater weinen sah. Stumme Tränen, die man seiner Stimme nicht einmal anhörte, liefen über seine Wangen. Aber er lächelte. »Wir werden ein Heilmittel finden«, sagte er dann. »Gemeinsam, wie du es immer wolltest.« Lloyd ertrug es nicht länger. Er fiel seinem Vater in die Arme, wie in jener Nacht, in der er zurückgekehrt war. Und wieder streichelte Kratos ihm über das braune Haar. Während Lloyd sich an seiner Brust vor Erleichterung ausweinte, hob der Rothaarige erneut den Kopf und sah in die Sterne. »Ich werde leben, Anna ... für Lloyd.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)