La Résistance von Ravn ================================================================================ Prolog: -------- Prolog Manon. Das war ihr Name. Mehr wusste man nicht über sie. Nur das sie auf Rache aus war. Manche sagen sie wäre keine Frau sondern ein Todesengel gewesen, der entscheidend zum Niedergang des dritten Reiches beigetragen hatte. Wieder andere meinen sie hätte nie existiert. Aber wer sie gekannt hat, weiß dass das nicht stimmt. Sie war weder ein Geist, noch einen Engel, sondern schlicht eine Frau, die tat, was sie für richtig hielt. Es ist nicht viel aus der Zeit überliefert, zu der sie gelebt hat, aber einige haben versucht die Ereignisse, die sich damals zugetragen haben so gut wie möglich zu rekonstruieren. Dies ist ihre Geschichte. Kapitel 1: 1 ------------ 1 Nachdem die Deutschen 1939 den Krieg begonnen und in die benachbarten Länder eingefallen waren, wie Heuschrecken in ein Maisfeld, bildeten sich in den besetzten Gebieten einzelne, zu Anfang kleine, Widerstandsbewegungen. Vor allem in Frankreich entstand eine Gruppe, die die Deutschen sabotierte wo sie nur konnten. Die Résistance. Sie stoppten Nachschublieferungen für die Deutschen, zerstörten Funkanlagen und verübten Anschläge auf Führungspersonen im dritten Reich. Durch geschickte Propaganda fanden sie bei der unterdrückten Bevölkerung schnell viele Fürsprecher und Unterstützung. Trotz ihrer vielen Erfolge lebten alle Mitglieder in ständiger Angst davor entdeckt und getötet zu werden, was auch das Todesurteil für ihre Familien war. Die Männer und Frauen, die für die Résistance diese gefährlichen Aufträge ausführten und auf den Fahndungslisten der SS standen, hatten meistens nichts mehr zu verlieren. Außer ihr Leben. Sie kämpften für ihre Freunde, für ihr Land aber niemals für sich selbst. Es waren Patrioten. Das mit Raureif überzogene Gras glitzerte schwach im Mondlicht. Die Luft stand still. Nirgends war etwas zu hören oder zu sehen. Die Fenster in dem kleinen Dorf waren dunkel. Über den weiten Feldern hing der Nebel und verlieh den Bäumen in einem nahen Waldstück ein geisterhaftes Aussehen. Obwohl alles ruhig war wälzte Manon sich unruhig in ihrem kleinen Bett umher. Sie konnte nicht schlafen. Irgendetwas hielt sie wach. Etwas störte sie. Nur wusste sie nicht zu sagen, was das war. Neben sich war das leise Atmen ihrer kleinen Schwester und ihres Älteren Bruders zu vernehmen und einen Raum weiter das laute Schnarchen ihres Vaters. All das störte sie normalerweise nie. Außer heute. Ihr war heiß, obwohl sie wusste das Minusgrade herrschten. Ihr Nachthemd war mit Schweiß durchtränkt und sie fühlte sich fiebrig. Manon war in den letzten Monaten, seid die Deutschen im Osten in Frankreich eingefallen waren, immer nervös und darauf gefasst gewesen, eines Tages Hakenkreuzflagen am Horizont zu sehen. Bis jetzt war das nicht geschehen, Gott allein wusste warum. Aber irgendetwas stimmt hier nicht!, dachte sie schwer atmend und drehte sich auf die Seite. Der Mond schien durch das Fenster und beleuchtete ihr Gesicht. Schweißperlen standen darauf und zogen schmalen bahnen über ihre Wange. „Ich halte das nicht aus!“, murmelte sie, schlug die Decke zurück und erhob sich. Sie ging durch den kurzen Flur, griff nach ihrem Mantel und öffnete die Haustür. Die kalte Luft schlug ihr leicht ins Gesicht. Manon genoss die Kälte und setzte sich auf die Bank. Das Dorf lag ruhig vor ihr. Kein Laut war zu hören, außer ihrem Atem, der in silbernen Wolken vor ihrem Gesicht schwebte. Verwundert zog sie die Stirn kraus, als sie meinte einen Schatten an einer Hausecke zu sehen. Als sie jedoch noch einmal hinsah war da nichts. Meine Nerven spielen verrückt!, dachte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Über ihr knarrte ein Dachbalken und dann meinte sie schnelle Schritte zu hören. Manon beugte sich leicht nach vorn und sah um die Ecke. Ein groß gewachsener Mann, gehüllt in einen schwarzen Mantel kam auf ihr Haus zu. Nein! Bitte nicht! Sie betete inständig, dass er sie nicht gesehen hatte, und schlich zurück nach drinnen, auf direktem Weg zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Leise beugte sie sich über ihren Vater, rüttelte an seiner Schulter und flüsterte: „Vater! Vater! Bitte wach auf!“ Müde schlug er ein Auge auf, grunzte verärgert und erwiderte: „Was ist denn los, Manon? Warum bist du so aufgeregt?“ „Bitte steh auf! Da ist ein Mann! Er sieht aus wie ein Deutscher!“ Augenblicklich war ihr Vater hellwach. „Geh und wecke die anderen! Ich wecke Mutter und sehe was er will.“ Sie nickte hastig und ging rasch in ihr Zimmer zurück. „Pierre! Michelle! Wacht auf!“ „Was ist denn los?“, murmelte Pierre schlaftrunken und setzte sich in seinem Bett auf. „Ein Deutscher! Zieh dich an, aber sei leise!“, drängte Manon und rüttelte auch ihre Schwester wach. Sie war gerade 10 Jahre alt und da ihre Eltern jeden Tag arbeiten mussten kümmerte sich Manon viel um sie. „Ein Deutscher?! Was will der denn hier?“, fragte Pierre. „Seid wann bist du so schwer von Begriff? Was werden die Deutschen wohl hier wollen, du Dummkopf?! Geh zu Vater und hilf ihm.“, entgegnete Manon. Sie nahm ihre Schwester auf den Arm und kehrte zu ihrer Mutter zurück. „Kommt her und seid leise!“, flüsterte sie und bedeutete ihnen ans Bett zu kommen. Sie kauerte sich unter das Fenster. Ihr Vater war direkt über ihnen. Mit einer Flinte in der Hand. Pierre erschien in der Tür und hielt eine Axt hoch. „Ist er noch da?“, fragte er. Manon´s Vater zuckte unsicher mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Ich sehe nichts. Bist du sicher, dass du ihn gesehen hast, Manon?“ „Ja, Vater. Er sah genauso aus, wie sie uns immer beschrieben wurden. Ein schwarzer Mantel und diese komische Mütze.“, erklärte sie rasch. Eine Weile sagte niemand etwas, dann geschahen sehr viele Dinge auf einmal. Das Glas zersplitterte und Manon´s Vater stürzte zu Boden. Dann traf ein schwerer Schlag die Eingangstür und ein zweiter Schuss streckte ihren Bruder nieder. Erschrocken schrie Michelle auf und versuchte unter das Bett zu kriechen. Manon warf sich herum und entging knapp einem weiteren Schuss, der sich nur Zentimeter neben ihrem Gesicht in den Fußboden bohrte. Nein, nein! Das darf doch nicht wahr sein! Bitte nicht! Sie sah wie dunkles Blut aus einer Wunde am Hals ihres Vaters sprudelte und wie ihr Bruder versuchte die Blutung an seinem Bauch zu stoppen. Sie kroch zu ihm hinüber, riss sein Hemd in Streifen und presste es auf seinen Bauch. „Bleib liegen!“, flüsterte sie, als ein weiterer Schlag die Tür traf und sie endgültig aus den Angeln hob. „Manon! Michelle! Flieht!“, rief ihre Mutter und schob Michelle auf die Tür zu. Manon erkannte, wie sinnlos es war jetzt anzufangen mit ihrer Mutter zu diskutieren und gehorchte. Im Boden ihres Zimmers war eine Luke eingelassen, unter der sich ein Hohlraum unter dem Haus befand. Michelle und sie stiegen hinab und krochen ein Stück von der Luke weg. Sie verhielten sich vollkommen ruhig und horchten auf die schweren Schritte über ihnen. Von den anderen Häusern drangen ebenfalls Schüsse und Schreie heran. Die Deutschen waren gekommen und hatten sich das Dorf wie ein stählerner Adler, der seine Beute mit der Fangklaue zerquetschte, in ihrem eisernen Griff. Über ihnen wurden einige Stimmen laut und Manon konnte ihre Mutter weinen hören. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen was nicht einmal einen Meter über ihren Köpfen geschah. Tränen rannen ihr über die mit Blut befleckten Wangen. Plötzlich fing ihre Mutter an zu schreien. Manon drückte ihrer Schwester die Hände auf die Ohren und versuchte selbst nicht hin zuhören. Mit einem peitschenden Knall erlosch der Schrei und damit auch das Leben ihrer Mutter. Haltlos zitternd sank Manon nach hinten und lehnte sich gegen die harte Erde. Michelle wippte schluchzend mit dem Oberkörper vor und zurück. Es war nichts zu hören. Offenbar waren die Deutschen aus ihrem Haus verschwunden. „Mutter und Vater sind tot, nicht wahr?“, fragte Michelle nach einigen Minuten. Manon war mehr als erstaunt darüber wie ruhig die Stimme ihrer kleinen Schwester war. Manon nickte, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob Michelle es sah. „Ja. Wahrscheinlich schon.“ „Dann..... dann sind wir jetzt alleine?“ „Ja.... wir müssen weg. Weit weg. Wo sie uns nicht finden. Nur weg von hier.“ Sie selbst hatte Schwierigkeiten nicht sofort wieder anzufangen zu weinen und ihrer Stimme einen einigermaßen kräftigen Klang zu verleihen. „Dann lass uns gehen, Schwester.“ Manon hatte bei weitem noch nicht ganz begriffen was in den letzten Minuten geschehen war und sie glaubte unter Schock zu stehen, denn nur das erlaubte ihr jetzt zu handeln. Sie nickte erneut. „Folge mir.“ Michelle griff nach ihrer Hand und zog sie durch den niedrigen Tunnel. Manon war verwirrt. Sie konnte sich nicht erklären woher ihre Schwester diese Kraft her nahm. Vor allem weil sie gerade fast jeden verloren hatte, den sie je geliebt hatte. Der Morgen graute bereits, als sie in einem nahen Waldstück aus dem Tunnel krochen und sich umsahen. Obwohl dichter Nebel herrschte sahen sie doch, dass einige der Häuser in lodernden Flammen standen. Wieder schossen Manon die Tränen in die Augen, als sie den dunklen Berg auf dem Dorfplatz sah. Sie wollte gar nicht genau wissen was dort lag, aber natürlich hatte sie nicht den geringsten Zweifel an ihrem Verdacht. Die Deutschen – diese Bestien! - hatten einen Großteil der Dorfbewohner ermordet und zu einem Leichenberg aufgetürmt. Manon drehte sich um und stapfte voller Trauer, Zorn und Hilflosigkeit tiefer in den Wald hinein. Michelle hatte Schwierigkeiten ihrer großen Schwester zu folgen. Aber lange konnten sie das Tempo nicht durchhalten. Die Sonne hatte kaum Kraft und leuchtete nur vereinzelt zwischen den dichten Ästen der Bäume hindurch. Der Boden war gefroren und nirgends war eine Spur von Leben zu entdecken. Manon war sich nicht sicher, ob sie verfolgt wurden, aber sie wollte nur so weit weg wie möglich. Als der Abend nahte sahen sie sich nach einem geeigneten Versteck für die Nacht um. Eine gut versteckte Höhle, die unterhalb einer kleinen Anhöhe lag war perfekt für die Beiden. Ein eisiger Wind wehte um die zwei, während sie emsig damit beschäftigt waren Äste von Tannen abzureissen, um die Kälte in der Höhle wenigstens ein wenig zu verdrängen. Sie beide froren erbärmlich. Manon und Michelle kuschelten sich eng aneinander und schließlich vollkommen erschöpft ein. Kapitel 2: 2 ------------ 2 Manon wachte mitten in der Nacht auf. Sie tastete neben sich und fuhr erschrocken hoch, als sie merkte, dass der Platz neben ihr leer war. Ganz ruhig!, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie ist bestimmt nur kurz draußen. „Michelle!“, rief sie leise und kroch auf Händen und Knien zum Ausgang. Die formlose Dunkelheit vor ihr machte es schier unmöglich irgendetwas zu sehen. Sie streckte die Hände weit von sich und tappte wie eine Blinde vorwärts. Hinter ihr knackte etwas. Sie bliebt kurz stehen und versuchte genau hin zu hören. Aber da war nichts. Ihr kroch ein eisiger Schauer über den Rücken. Plötzlich blendete ein strahlend helles Licht ihre Augen und machte sie für einen Moment lang blind. Etwas traf sie hart in den Rücken und warf sie zu Boden. Gelächter war zu hören, dann drückte ihr jemand einen Gewehrkolben in den Nacken. Mühsam hob sie den Kopf und sah das drei Deutsche Soldaten vor ihr standen. Einer von ihnen hielt Michelle gepackt. „Lasst sie los ihr Schweine!“, rief sie und versuchte sich in die Höhe zu stemmen. Wieder war nur Gelächter zu hören. Sie wurde unsanft auf die Füße gezogen. Dann sagte einer der Männer etwas zu ihrem Peiniger. Der Angesprochene schob sein Gesicht ganz nah an ihres und sagte etwas. Sie verstand kein Wort, aber sie roch den Alkohol in seinem Atem. Sie hoffte beinahe, dass sie sie und Michelle einfach töten würden und sie dann in Ruhe lassen würden, aber irgendetwas sagte ihr auch, dass man es ihr nicht ganz so einfach machen würde. Wenige Augenblicke später wollten sie die vier Männer Richtung Dorf schleifen. Als sie sich weigerte drohte ihr einer der Männer mit dem Lauf seines Gewehrs. Ohne darauf zu achten spuckte sie ihm ins Gesicht. Er brach in schallendes Gelächter aus. Dann wurde seine Miene mit einem Mal finster. Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie taumelte benommen zurück und versuchte nicht zu stürzen. Plötzlich traf sie etwas seitlich am Kopf und ließ sie vollends zu Boden stürzen. Einen Moment noch rang sie mit der Bewusstlosigkeit, dann verschleierten sich ihre Augen und alles wurde schwarz. Das erste was sie hörte, als sie erwachte, waren die Schreie. Mühsam öffnete sie die Augen und sah sich um. Sie lag in einem kleinen Verschlag, der mit dicken Gitterstäben gesichert war. Der Boden starrte vor Dreck. Sie setzte sich auf. In ihrem Kopf drehte sich alles und an ihrem Kopf konnte sie eine dicke Beule wachsen fühlen. Direkt vor ihr lag ein kleiner Raum. Die Schreie kamen direkt von hier. Genauer gesagt von ihrer Schwester. Mehrere Männer der Deutschen standen um sie herum. Es war mehr als offensichtlich was sie mit ihr taten. Manon traten die Tränen in die Augen und in ihr kochte ein unbändiger, aber hilfloser Zorn hoch. Sie wendete die Augen ab und versuchte die Ohren vor dem Grauen zu verschließen, aber es gelang ihr nicht. Ihr Gesicht brannte von den Tränen und ihr Atem ging unregelmäßig. Doch plötzlich wurde es ganz still in dem Raum. Vorsichtig öffnete Manon die Augen und sah nach. Michelle lag auf dem Boden. So wie es aussah war sie nicht bei Bewusstsein. Einer der Deutschen stand über ihr und zeigte mit einer Pistole auf ihren Kopf. „Neeeeeeeeeeein!“, schrie Manon und warf sich verzweifelt gegen die Gitterstäbe. Keiner beachtete sie. Ein Schuss peitschte und beendete das Leben von Manon´s Schwester. Die letzte Überlebende aus ihrer Familie war von ihr gegangen. Sie war allein. Als sie das begriff fiel sie erneut in Ohnmacht. Als sie das nächste Mal erwachte war in ihr alles kalt und abgestorben. Nur einmal zeigte sich noch etwas Gefühl in ihr, als sie bemerkte, dass die Deutschen die Leiche ihrer kleinen Schwester an die Gitterstäbe gelehnt hatten. Mit der Zeit fing die Leiche an schlecht zu riechen. Aber auch das kümmerte Manon bald nicht mehr. Sie wollte nur noch eines: endlich sterben. Nicht einmal das was die Deutschen mit ihr taten interessierte sie noch. Am Anfang hatte sie sich gewehrt, hatte gebissen, gekratzt und versucht sich zu entziehen, aber letzten Endes war alles vergebens gewesen. Sie hatte es einfach über sich ergehen lassen. Wenn sie nicht gerade vergewaltigt oder geschlagen wurde, ging es ihr nicht einmal besonders schlecht. Man gab ihr genug zu essen und zu trinken. Und doch überlegte Manon nur wie sie sich am schnellsten das Leben nehmen konnte. Für sie bestand nicht mehr der geringste Grund weiter am Leben zu bleiben. Aber als ihr nach etwa .... 5 oder 6 Tagen – sie konnte nicht sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war – kein Weg eingefallen war, hoffte sie darauf, dass die Deutschen ihrer bald vielleicht überdrüssig waren und sie einfach erschossen. Doch das geschah nicht. Im Gegenteil. Es wurde noch schlimmer. Sie verloren das Interesse an ihr und trieben indessen andere Spielchen mit ihr. Als sie merkten, dass sie ihr mit den Vergewaltigungen nichts mehr antun konnten, fingen sie an sie zu foltern. Meistens war es von psychischer Natur. Zum Beispiel musste sie zu sehen, wie sie einige der Dorfbewohner ermordeten, vergewaltigten oder folterten. Dann schlugen und traten sie Manon so lange, bis sie in Ohnmacht fiel. Das ging etwa drei Wochen so, bis sie vollkommen das Interesse an ihr verloren. Sie bekam nur noch einmal am Tag etwas zu essen und sie merkte, wie sie immer schwächer wurde. Das Ende ist nicht mehr nahe.... bald bin ich bei euch, geliebte Familie, dachte sie. Immer wenn sie kurz davor war einzuschlafen erschien das Bild des Deutschen vor ihrem Inneren Auge, den sie als erstes gesehen hatte. In ihren Augen war er für all das verantwortlich, das mit ihr, ihrer Familie und dem Dorf geschehen war. Nach weiteren Tagen, in denen sich ihr Hunger allmählich in einen hämmernden Schmerz verwandelte, hatte Manon kaum mehr die Kraft sich aufzusetzen. Ihr war es egal. Ihr Geist befand sich in einem Zustand, in dem sie nicht länger mitbekam, was um sie herum geschah. Sie dämmerte eigentlich nur noch vor sich hin und wartete auf das Ende. Sie reagierte nicht einmal mehr, wenn sie etwas zu essen bekam, oder einer ihrer Peiniger etwas zu ihr sagte. Schließlich schlief sie ein, und sie wusste, dass es das letzte Mal sein würde. Lauter Krach weckte sie. Es hörte sich an wie... Schüsse?! Verwirrt setzte sie sich auf und hielt einen Moment inne, als vor ihren Augen bunte Sterne tanzten. Tatsächlich. Es waren Schüsse. Lautes Geschrei drang in die Hütte. Vielleicht hatten die Deutschen noch einige Überlebende gefunden und waren gerade dabei sie hinzurichten. Manon wusste, dass das eigentlich nicht möglich war, aber sie fand in ihrem Zustand einfach keine andere Erklärung dafür. Die Tür zu ihrem Gefängnis wurde aufgerissen und ein blutüberströmter Deutscher taumelte herein. Er kauerte sich neben die Tür und linste hinaus. Aus seinem Gewehr gab er immer wieder einzelne Schüsse ab. Mit einem Mal brach er zusammen. Eine Kugel hatte seinen Kopf getroffen, war hinten wieder ausgetreten und hatte sich nur wenige Handbreit neben Manon in die Wand gebohrt. Plötzlich kehrte draußen wieder Stille ein. Einige Augenblicke verstrichen. Dann kamen schwere Schritte auf sie zu und ein hochgewachsener Mann mit rabenschwarzen, schulterlangen, verfilzten Haaren kam auf sie zu. Seine Jacke war an etlichen Stellen zerrissen und rote Blutspritzer leuchteten darauf wie die Augen eines Dämons. Vor ihrem Gefängnis ging er in die Hocke und sah auf sie hinab. Seine Augen waren Blau wie kalter Stahl, aber sie strahlten eine Wärme, ab die sie zuletzt bei ihrer kleinen Schwester gesehen hatte. „Wie heißt du?“, fragte er auf französisch und lächelte. „M.... Manon“, antwortete sie schwach. „Hallo Manon. Mein Name ist Piérre. Ich hol dich hier raus.“ Das war zu schön um wahr zu sein. Manon war überzeugt davon zu träumen. Über einen Monat lang hatte sie die Gräueltaten der Deutschen ertragen und jetzt kam ein junger, gut aussehender Franzose und wollte sie retten. Ihr wurde schwindelig und vor ihren Augen begann sich alles zu drehen. „Das.... das ist ein Traum, habe ich Recht?“, sagte sie leise. Piérre lachte leise und schüttelte den Kopf. Sein Haare tanzten wild. „Nein. Ich versichere dir das ist kein Traum.“ Ohne weitere Erklärungen machte er sich an dem schweren Vorhängeschloss zu schaffen. Einige Momente später fiel das Schloss laut polternd zu Boden und mit einem Quietschen schwang die Tür auf. Manon drängte sich mit letzter Kraft in eine Ecke und streckte abwehrend die Hände nach vorn. „Nein! Lasst mich in Ruhe! Ihr habt mir schon alles genommen! Lasst mich endlich in Ruhe!“, murmelte sie verzweifelt. Manon wusste, dass es nur eine List der Deutschen war, um sie noch mehr zu quälen. Es konnte nicht wahr sein, was sie hier sah. Piérre, der sich als ihr Freund ausgab, streckte die Hände nach ihr aus und packte sie sanft am Handgelenk. Er zog sie ein Stück weit nach vorn. Sie versuchte sich vergeblich zu wehren. Aber ihre Kraft versiegte rasch. Schließlich schloss sie erneut die Augen und bekam nichts mehr mit, was um sie herum geschah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)