Schon lange tot von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Tut mir leid, dass mir kein besseres Wort für *piep* eingefallen ist… -.- ## Piep. Piep. Piep. Dieses Geräusch, dass mir zeigte, dass du noch lebst. Was mir die letzte, allerletzte Hoffnung lies. Denn meinen Glauben hatte ich schon längst verloren. Das einzige, was mir blieb, war ein kleines Fünkchen Hoffnung gewesen. Ob ich schon einmal daran gedacht hatte, dich hinter mir zu lassen? Und wie oft. Jeder hatte es mir geraten. >Du machst dich bloß kaputt< hieß es. >Fang ein neues Leben an< Ohne dich? Niemals. Ich hätte dich nie vergessen können. Selbst wenn ich es so gewollt hätte. Niemals hätte ich jemanden wieder so lieben können wie dich. Es hätte mich nur noch mehr verletzt, als so zu leben. Ich hätte das Gefühl gehabt, dich im Stich gelassen zu haben. Nach und nach waren sie alle gegangen. Selbst deine Familie... Ich wollte nicht auf das hören, was die Ärzte sagten. Ich wusste du würdest aufwachen. Mich in den Arm nehmen. Wie immer. Meine Tränen waren schon lange versiegt. Es war nicht so, dass ich mein Leben verschwendete. Für dich war nichts eine Verschwendung. Komm schon, wach auf! Tu nicht so als ob du schlafen würdest. Ärgere mich nicht. Wie oft habe ich das gedacht? Gesagt? Geschrien? Zu oft. Ich verließ das Krankenhaus am Hinterausgang. Hier war ein Krankenhaus eigener Friedhof. Damit die Patienten nicht so „weit“ transportiert werden müssen. Ist das nicht... ironisch? Für dich war schon ein Platz reserviert. Dein Grabstein stand schon da. Nur noch dein Todesdatum und du selbst fehltest. Aber so wird das nicht, nicht wahr? Wir werden zusammen hier stehen und darüber lachen, dass man so etwas getan hat. Du wirst mir sagen, dass der Grabstein hübsch ist, ich habe ihn ausgesucht, aber wir werden ihn wegwerfen, wer hat schon gerne seinen eigenen Grabstein bei sich zuhause rumstehen? Erst wollte ich natürlich keinen Grabstein aussuchen. Aber dann habe ich es doch getan, weil ich nicht mehr genervt werden wollte. Hier war ein schönes Ambiente. Gras, Blumen, Bäume, Schatten. Fast zu ’schön’ für einen Ort wie diesen. Der Schatten vermehrte sich, sowie die Blätter an den Bäumen. Es wurde langsam Hochsommer. Letztes Jahr... war es heiß gewesen. Ja, solange wartete ich schon...Eins, fast zwei Jahre. Auf dich. Wo bliebst du nur? Sonst bist, warst du der pünktlichste Mensch, den ich kannte. Ein bisschen pingelig, das fand ich so süß an dir. Und wie du dich immer *aufgeregt* hast, wenn ich deine Haare zerzauste... einfach nur liebenswert. Deine Person war liebenswert. Eine Krankenschwester kam auf mich zu. Frau Shimiko, oder wie sie heißt. Ich merkte mir ihre Namen nicht. «Ähm, Saga?» Sie alle duzten mich. Kannten mich schon lange genug. Ich war wie ein Möbelstück, dass dazugehört. «Was?» Meine Stimme. Sie wurde kaum noch benutzt. Wozu auch? Alles, was ich dir sagen wollte, brauchte ich schon immer nur zu denken, du konntest mich verstehen und meine Blicke deuten. Für andere Menschen musste ich den Mund aufmachen. Andere Menschen, die ich jetzt aus meinem Leben gestrichen habe. Du hattest meine Blicke verstanden. «Aoi...» «WAS IST MIT IHM?» Selten redete ich mit den Krankenschwestern, und wenn, war es meistens etwas belangloses. Und jetzt sprach sie Aoi an? Was konnte das sein? Von meinem etwas prüden Ton wirkte sie überrascht, ließ es sich aber nicht anmerken. Sie sah aus, als ob sie mir etwas unangenehmes sagen musste... «Vielleicht solltest du selbst...» Bevor sie zu Ende gesprochen hatte, rannte ich zu dir. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Nicht, dass ich seit ich hier praktisch wohnte immer ein ungutes Gefühl gehabt hätte. Die Treppe hoch. An Rollstuhlfahrern vorbei. Den Gang hinunter. Stand vor deiner ekelhaft weißen Tür. Die Türklinke starrte mich an. Aber lang wartete ich nicht. Ich war schließlich nicht in so einem öden Film, wo die Schauspieler oft sehr lange zögern bevor sie etwas tun. Wofür sollte ich Zeit verlieren? Nun ja die letzten Jahre hatten schon sehr lange gedauert, da war ich eigentlich... nie gehetzt. Aber jetzt ging es wieder um dich. «Aoi?» Ich ging auf dich zu. Piep. Da war es. Das Piepen, ja. Daran hatte ich mich gewöhnt. Aber es war kein hoffnungsvolles Piepen. Es war ein langer Piep, der nicht aufhört. Ohne Ende. Leise, traurig und endlos. Nein. «A..Aoi?» Meine Stimme zittert. Du warst ganz kalt. Das war aber schon lange so. Du wirktest fast wie immer. Seit du hier lagst. Ein bisschen verträumt. Die Lippen leicht zu einem Schmollmund verzogen, wie immer beim schlafen. Die Haare zu lang, schließlich lagst du hier schon lange… Bitte lass das Ding kaputt sein… Diese Shimiko kam rein. Legte ihre Hand auf meine Schulter. Ich wollte, dass sie das ließ. «Du wusstest doch, dass das kommt.» Nein. Wusste ich nicht. Wollte ich nicht. «Saga…» Ich sah sie an. «Begreif es endlich!» Sehr motivierend. Dankeschön. «Willst du dich noch verabschieden, oder haben dir die letzten zwei Jahre gereicht?» Böse sah ich sie an. So böse, wie ich konnte, denn ich hatte das Gefühl, ich kippte gleich um. «Na gut, ich lasse euch noch ein bisschen allein. Komme dann wieder.» Klick. Die Tür fiel ins Schloss. Dein Gesicht… bildete ich mir das jetzt ein, oder lächeltest du auf einmal? «Aoi…» Dein Name. Ein einziges Hauchen. Ein Wimpernschlag. Ein Pochen. Ein kurzer Moment. «Weißt du noch? Wie wir uns kennengelernt haben. Wie wir uns das erste Mal geküsst haben. Wie wir zusammengezogen sind. Wie wir miteinander geschlafen haben. Wie wir….» Ich schluchzte. Trocken. Ein allerletzter Kuss noch. Ein allerletzter Blick. «Frau Shimiko? Ich habe eine Frage. Könnte ich neben Aoi beerdigt werden?» «Natürlich. Ich hoffe, dass es noch lange dauert, bis wir uns wiedersehen...» Das hätte ich dann wohl erledigt. ______________________________________________________________ Jetzt stehe ich hier. Auf einer Brücke. Nachts. Wann sollte man sonst Abschied nehmen. Von der Welt. Der Wind weht mir kalt ins Gesicht. Ich würde nicht wirklich sterben. Wirklich gestorben war ich an dem Tag, an dem du nicht mehr aufgewacht bist. Wirklich gestorben bin ich schon lange. Nur Mein Körper wollte an deiner Seite bleiben. Ich bin mit dir gegangen, seitdem du nicht mehr aufgewacht bist. Nur mein einsamer Körper war noch hier. Jetzt komme ich zu dir. »Weißt du noch? Wie wir uns dass letzte Mal umarmt haben. Geküsst. Das war nicht heute. Das ist schon lange her... Weißt du noch, was du gesagt hat? Als letztes? Pass auf dich auf. Ich liebe dich nämlich! Ja. Das hast du gesagt. Du hättest aufpassen sollen. Nicht ich. Weißt du noch, wie wir uns geschworen haben? Bis dass der Tod uns scheidet. Ich habe immer gedacht, dass ist nur ein kitschiger Spruch. Aber bei uns ist er kalte Wahrheit. Ich habe ihn wahrscheinlich nicht ernst genommen, weil ich nicht wollte, dass es so wird. Ich wollte, dass wir wenigstens... uns anders trennen. Nicht so. Dass einer den anderen alleine lässt. Dass der eine vor Einsamkeit fast umkommt...fast? Aber jetzt werden wir wieder vereint sein. Aoi. Ich liebe dich doch auch.« Hauche ich. Ich springe nicht. Ich gehe einfach nur. Los. Zu dir. Nicht die Dunkelheit fängt mich auf. Das bist du, oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)