Übernatürlich... von abgemeldet (Wenn man das zweite Gesicht hat...) ================================================================================ Kapitel 4: Passfotos, Paul Jeweman und eine rätselhafte Katze ------------------------------------------------------------- KapiteDie Passfotos standen vor der der Tür. Ein Ereignis, das mich ziemlich beunruhigte. „Was ist, wenn meine Gabe auch durch Fotos funktioniert?!“, fragte ich Amina unruhig. In zwei Tagen würden die Klassenfotos und Schülerausweise gemacht werden. „Was ist, wenn jedes Mal, wenn jemand mein Bild ansieht, ich eine Vision bekomme und tausende Menschen verrecken, nur weil sie mein Bild gesehen haben!!“, rief ich und war den Tränen nahe. Amina nahm mich in den Arm und versuchte, mich zu beruhigen. „Ganz ruhig…“, sagte sie leise, „du weißt, ich habe fast die selbe Gabe wie du… Ich wurde schon oft fotographiert und ich hatte nie Visionen, weil Menschen mein Foto gesehen haben…“ „Aber was, wenn es bei mir anders ist…?“, hauchte ich leise. Amina wusste keine Antwort darauf und schwieg. „Der Fotograph wird so oder so durch meine Hand sterben…“, sagte ich, „oder besser gesagt durch meine Augen…“ Ich lachte verbittert. Egal, wie sehr ich mich dagegen sträubte, ich konnte nichts dagegen tun, ich musste fotographiert werden. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich es anstellen sollte, auf dem Foto zu lächeln, wenn ich kurz davor die Vision des Fotographen gesehen hatte. Amina munterte mich auf und sagte immer wieder, es würde schon werden… Auch Bengee (er war mittlerweile wieder der normale, fröhliche Bengee geworden), der ja auch eingeweiht war, versuchte immer wieder mir Mut zu machen. „Komm schon!“, sagte er aufmunternd an dem Morgen des Fototags, „es wird schon gut gehen!“ Ich war ein nervliches Wrack und entgegnete: „Du hast leicht Reden! Du hast ja auch keine Visionen, wenn du Menschen ansiehst!“ Er nickte und musste sich doch eingestehen, dass ich Recht hatte. Die Schüler wurden alphabetisch aufgerufen und so war ich von uns Dreien die Erste, die dran war. Ich atmete tief durch und ließ mich schnell noch mal von Amina durchknuddeln. „Du schaffst das!“, flüsterte sie in mein Ohr und ich ging in den Raum, in dem das Foto gemacht wurde. Ich trat ein und sah mich um. Der Raum war sehr klein. An der einen Wand war der Fotograph mit seiner Ausrüstung und an der gegenüberliegenden Wand war eine hellblaue Leimwand, vor der ein kleiner Hocker stand. Der Fotograph selbst war ein etwas dickerer, sympathisch aussehender, junger Mann. Ich schätzte ihn auf etwa 28 Jahre. Er lächelte mich an und sagte: „Hallo, Minty! Setz dich bitte auf den Hocker dort!“ Schade, dass er sterben muss, dachte ich, während ich mich auf den Hocker setzte, er ist noch so jung… Der Fotograph sah durch seine Kamera und gab mir Anweisungen, wie ich mich hinsetzten sollte. Erst sträubte ich mich dagegen, in die Kamera zu gucken und veränderte absichtlich meine Sitzposition so, dass er mich immer wieder korrigieren musste. „So, dreh dich etwas nach links. Beine zusammen. Kopf gerade. Jetzt wieder nach links drehen. Nein, nach links. Jetzt sind deine Beine wieder zu weit auseinander. Beine zusammen. Kopf gerade…“ Doch dann als der Fotograph mit den Nerven am Ende zu sein schien, überwand ich mich doch. Ich hörte nur noch, wie er fröhlich sagte „Lächeln!“, bevor ich dann ganz wegtrat. Alles um mich herum wurde schwarz. Dann sah ich eine Katze. Sie war grau und rekelte sich genüsslich auf einem Esstisch. Dann hörte ich, wie hinter mir ein Schlüssel ins Türschloss geschoben wurde und klimpernd die Tür aufschloss. Ich drehte mich um und sah den Fotographen durch die Tür schreiten. Er erblickte die Katze auf dem Tisch. „Dana!“, rief er und schmiss seine Tasche auf den Boden, „du sollst doch nicht auf den Tisch!“ Aufgeschreckt von dem Schrei und der Tasche, die ein paar Meter vor dem Tisch landete, sprang die Katze vom Esstisch. Dabei warf sie noch eine dünne, zerbrechliche, sehr teuer aussehende Vase um. Diese fiel auf den Boden und zerbrach so, dass etliche lange, spitze Scherben senkrecht in die Höhe ragten. Fluchend ging der Fotograph in die Küche, um etwas zum Auffegen zu holen. Er kam wieder. „Verdammtes…“, murmelte er. Plötzlich stolperte er über seine Tasche und fiel direkt in die scharfen Scherben. Ich schrie kurz auf, was natürlich niemand mitbekam. Der Fotograph lag am Boden und regte sich nicht… Es wurde wieder schwarz um mich. Dann fand ich mich in dem kleinen Raum in der Schule wieder, wo die Fotos gemacht wurden. Plötzlich blitzte ein helles Licht auf. „Was zum…?!“ Ich zuckte und rieb mir die Augen. Vor mir saß der Fotograph hinter seiner Kamera. Er sah auf einen kleinen Monitor. „Oh…“, sagte er, „das müssen wir noch mal machen!“ Er lachte. „Auf diesem Foto hier siehst du aus, als hättest du den Tod gesehen…“ Nachdem mein Foto gemacht wurde, taumelte ich aus dem Raum heraus. Amina und Bengee kamen bereits auf mich zu. „Wie war’s?“, fragte Amina. Ich zuckte mit den Schultern. „Er wird in Glasscherben fallen…“, sagte ich als sei das etwas ganz Normales, „in drei Tagen…“ Mitleidig sah Amina mich an und nahm mich in den Arm. Schon bald war dann auch Amina an der Reihe. Sie blieb etwa fünf Minuten im Fotoraum. Dann kam sie mit blassem Gesicht und entsetztem Blick wieder heraus. Bengee und ich stürmten auf sie zu. „Was ist?!“, fragte ich. „Es war schrecklich…“, murmelte sie, „ich hatte auch eine Vision…“ Bengee hatte keine Zeit sich um Amina zu kümmern, denn nun war er an der Reihe. Widerstrebend ging er schließlich in den kleinen Raum, um sich fotografieren zu lassen. „Kinder…“, fuhr Amina fort, als habe sie keinen Notiz davon genommen, dass Bengee verschwunden war, „er fotografiert Kinder… in seinem Keller… er lockt sie in seine Wohnung und…“ Sie begann zu weinen. Ich nahm sie in den Arm. „So ein mieses Schwein!“, rief sie schluchzend, „er macht Kinderpornos in seinem Keller! Wie kann man nur so etwas Schreckliches tun?!“ „Ich weiß es nicht…“, flüsterte ich, „bist du sicher, dass er das macht…?“ Amina zuckte leicht mit den Schultern. „In der Vision habe ich gesehen, wie er nackte, kleine Kinder fotografiert hat und wie andere Leute…“, sie brach ab. Was ist nur aus den Menschen geworden…?, dachte ich und bereute es auf einmal, dass es mir vor meinem Foto Leid getan hatte, dass er sterben musste. Es hat es verdient zu sterben!, dachte ich bitter. Es dauerte einen Moment, bis Amina sich wieder gefangen hatte und fortfuhr. „Dann machte es einen kurzen Zeitsprung und ich sah, wie er Magazine mit diesen Fotos verkauft hat…“ Ich beruhigte sie weiter und überlegte, ob wir zur Polizei gehen sollten. Bengee kam wieder aus dem Raum heraus. „So, was ist jetzt los?!“, fragte er uns nun. Wir erzählten ihm, was passiert war und was Amina gesehen hatte. „Meinst du, wir sollten zur Polizei gehen?“, fragte ich zaghaft. Er überlegte. „Ich weiß nicht…“, meinte er schließlich. „Ja, genau!“, sagte Amina mit gespielter Fröhlichkeit, „was sollen wir machen?! Zur Polizei hingehen und sagen >Hey, wir haben übersinnliche Fähigkeiten und haben zufällig gesehen, dass unser Schulfotograph Kinderpornos macht. Können sie das mal bitte überprüfen?<“ Wir schwiegen. Dann sagte Bengee plötzlich: „Ja, genau das!“ Wir sahen ihn beide blöde an, als hätte er vorgeschlagen auszutesten, ob wir fliegen wenn wir vom Hochhaus springen. „Ein Kumpel von mir…“, erklärte er, „sein Vater ist Polizist… den können wir um eine Hausdurchsuchung bitten, oder nicht?“ Wir glotzten ihn immer noch an, als wäre er ein grünes Marsmännchen. Doch dann sagte ich: „Wäre möglich…“ Aber Amina schüttelte den Kopf. „Das geht nicht so einfach…“, sagte sie, „eine Hausdurchsuchung ist Eindringen in die Privatsphäre… Wir können nicht einfach zu denen hingehen und sagen, sie sollen in seine Privatsphäre eindringen… Da müssten wir schon illegale Drogen bei ihm gesehen haben…“ Wir schwiegen wieder für eine kurze Zeit. Dann kam mir eine Idee. „Wieso machen wir das nicht einfach?“, sagte ich. „Hä?“, sagten Bengee und Amina und schauten mich blöde an. „Ja, wieso gehen wir nicht hin und sagen, wir hätten gesehen, wie Mr. Faralley einen Joint geraucht hat oder sich was durch die Nase gezogen hat oder so… Dann würden sie eine Hausdurchsuchung bei ihm machen und schwupps, man würde die Kinderpornos finden!“ Amina und Bengee überdachten diese Idee. „Bisschen riskant…“, sagte Bengee, „was wenn sie uns nicht glauben? Oder noch schlimmer… Was wenn Aminas Vision nicht stimmt?“ Ich winkte ab. „Also darüber mach dir mal keine Sorgen! Also bisher sind unsere Visionen zu 99% wahr geworden. Also das ist unser kleinstes Problem…“, sagte ich. Wieder schwiegen wir alle drei. Alle dachten darüber nach, wie wir es schaffen konnten, dass Mr. Faralley einen Hausdurchsuchungsbefehl an den Hals bekam. „Wisst ihr was…?“, unterbrach Amina die Stille, „ich glaube wir müssen uns gar nicht so viel Aufwand darum machen…“ Sie sah mich an. Ich gab den Blick verwundert zurück. „Ich glaube ich habe mal irgendwo gelesen, dass die Polizei, wenn ein Verdacht auf Kinderpornos besteht, das sofort nachprüfen müssen…“, sagte sie. Ich sah sie verblüfft an. „Nee, jetzt echt?“, fragte ich. Sie nickte. „Das heißt, wir müssen da einfach nur reingehen und sagen >Faralley macht Kinderpornos< und die gehen dem sofort nach, ohne Fragen zu stellen…“ Ich nickte und sah Bengee an. „Wär’ ’n Versuch wert…“, meinte ich, „oder?“ Er nickte. „Ja, hört sich viel versprechend an…“, sagte er. Wir beschlossen heute direkt nach der Schule bei der Polizei vorbei zu gehen. Mittlerweile waren alle Fotos gemacht und wir gingen wieder zu unserer Klasse. Auf dem Weg mussten wir durch die Pausenhalle. Dort stand eine Gruppe etwa 15-jähriger Schüler. Ich merkte, dass zwischen dem einen und Amina eine seltsame Spannung herrschte. Amina blickte zu ihm, ohne ihm in die Augen zu sehen und lächelte verstohlen. Der Junge wusste anscheinend, dass er gemeint war, obwohl sie ihn nicht ansah, und lächelte zurück. Obwohl wir nicht lange Zeit hatten, besah ich ihn mir rasch genauer. Er war etwa 1,77m groß, schlank und hatte braune Haare. Seine Augen sah ich mir nicht an (natürlich nicht, sonst würde er ja in den nächsten Tagen sterben!). Ich wandte den Blick ab und sah Amina an. „Wer ist er?“, fragte ich und grinste. Amina lächelte ertappt. „Paul Jeweman… Er geht mit mir in Katholisch“, murmelte sie und beschäftigte sich mit einem Haargummi. „Ich sah noch mal leicht über die Schulter zurück. „Er ist süß“, stellte ich fest. „Nicht wahr?“, kicherte Amina. Ich nickte. „Also Katholisch, ja?“, meinte ich. Sie nickte. Ich grinste. „Erzähl mal“, sagte ich. Sie sah mich an. „Was denn erzählen?“ „Erzähl mal!“, wiederholte ich mit einer viel sagenden Geste. Amina schien zu begreifen. „Ach sooo…“, sagte sie, „na ja... es gibt gar nicht mal sooo viel zu erzählen…“ „Ja, das habe ich eben gesehen“, lachte ich, „ein Wunder, dass ihr nicht übereinander hergefallen seid!“ Ich kicherte. Amina warf mir einen tödlichen Blick zu und fuhr fort, als habe sie mich nicht gehört. „Jedenfalls sieht er mich im Unterricht, öfter mal an und lächelt mir auch mal zu…“, sagte sie, „ja… und das war’s auch schon…“ „Er steht auf dich“, sagte ich gleichgütig. „Meinst du echt…?“, sagte Amina und wurde rot wie ein kleines Kind. Ich nickte. „Ach, ich weiß nicht...“, sagte sie zweifelnd. Ich wandte mich an Bengee, der die ganze Zeit über schweigend und in Gedanken versunken neben mir hergelaufen war. „Bengee, was würdest du tun, wenn du auf ein Mädchen stehst und es ihr zeigen willst?“, fragte ich. „Na ja…“, sagte er nachdenklich, „ich denke, ich würde sie im Unterricht immer ansehen und auch mal anlächeln...sofern wir hier von einem Mädchen aus dem Unterricht die Rede ist…“ Er sah mich an. Ich wandte mich wieder zu Amina. „Der Beweis!“, stellte ich fest und zeigte auf Bengee, der kein Stück unserer Unterhaltung mitbekommen hatte. Amina zuckte mit den Schultern. Wir hatten die Klasse erreicht. „Danke für deine Mitarbeit!“, sagte ich lachend zu Bengee, der immer noch keine Ahnung hatte, worum es ging. Ich setzte mich neben Amina, denn wir hatten nun eine Vertretungsstunde und die Lehrerin wusste natürlich nicht, wo unsere festgelegten Plätze waren, also ging das. Bengee setzte sich ebenfalls auf seinen Platz, der eine Reihe vor mir auf der anderen Seite der Klasse war. Die Lehrerin gab uns eine Stillarbeit, oder eher eine Lautarbeit, denn still war hier niemand, und setzte sich vorne an den Pult. Ihr schien es völlig egal zu sein, ob wir unsere Aufgaben taten oder nicht, das einzige, was sie interessierte war, dass wir leise genug waren und das waren wir anscheinend. Ich unterhielt mich die Zeit seelenruhig mit Amina. „Wieso fragst du ihn nicht, ob er Lust hat mit dir was zu unternehmen?“, fragte ich sie, „du stehst doch auf ihn oder?“ „Naja-“, begann Amina, doch ich unterbrach sie. „Dann tu es, verdammt!“ Sie lächelte, schien aber immer noch nicht ganz überzeugt. „Ach, ich weiß nicht…“, druckste sie herum. Ich sah sie durchdringend an. „Muss ich noch mal Bengee als Beweis herbei holen…?“, sagte ich und zeigte in dessen Richtung. Amina lachte. „Nein, das geht schon…“, sagte sie und überlegte. „Na okay… ich schau’ mal, was sich machen lässt…“, meinte sie schließlich. Ich lächelte. „So ist’s brav!“, lobte ich sie, als würde ich zu einem Welpen sprechen, „willst’n Keks zur Belohnung?“ Ich lachte. „Hör auf damit!“, sagte sie und haute mir leicht an den Arm, lächelte jedoch, „…aber den Keks nehm’ ich gern!“ Nach dieser Stunde war der Schultag vorbei. Amina und ich packten unsere Sachen zusammen und gingen nach vorn, wo wir auf Bengee warteten. „Auf geht’s…“ Unsere gute Laune schien schlagartig verschwunden zu sein. Die Stimmung war angespannt und irgendwie unangenehm. Wir hatten uns doch entschieden, lieber doch zum Präsidium zu gehen, als extra den Vater von Bengees Kumpel zu belasten. Nach etwa einer halben Stunde Bahnfahrt waren wir da. Unterwegs hatten wir uns darauf geeinigt, dass Bengee sprechen würde. Dieser seufzte und erklärte sich dazu bereit. Wir gingen in das Präsidium, während ich mich an Bengees Arm klammerte. Als er mich seltsam ansah sagte ich: „Was denn? Ich bin nervös… und Polizisten machen mir irgendwie Angst…“ Bengee nickte und ließ zu, dass ich mich weiterhin an ihn klammerte. „Na, was kann ich für euch tun?“, fragte ein großer, bärtiger Polizist. Bengee räusperte sich und schüttelte mich ab. Beleidigt verkroch ich mich bei Amina. Bengee räusperte sich noch mal und sah den Polizisten. „Mr…?“, begann er und sah den Polizisten fragend an. „Jonnson!“, antwortete der Polizist. „Mr. Jonnson, wir haben leider den Verdacht, dass unser Schulfotograph, Bob Faralley, Kinderpornos in seinem Keller macht…“, sagte Bengee ernst. Ich war überrascht, wie gelassen Bengee sein konnte und auch Mr. Jonnson staunte nicht schlecht. „Habt ihr, ja?“, sagte er ernst, „habt ihr auch einen Grund zu dem Verdacht?“ Bengee zögerte kurz und drehte sich kurz zu uns um. „Ja, haben wir!“, sagte er dann, „aber den müssen wir ihnen nicht sagen!“ Mr. Jonnson sah ihn verblüfft an und sagte: „Nicht?“ „Nein!“, meinte Bengee, „wenn ein Verdacht auf Kinderpornografie besteht, müssen sie das nachprüfen, ohne einen Grund zu wissen!“ Mr. Jonnson sah ihn an und musste sich wohl eingestehen, dass Bengee Recht hatte. Er nickte. „Wir werden es nachprüfen…“ Bengee nickte ebenfalls. „Vielen Dank!“, sagte er lächelnd. Als wir wieder vor dem Präsidium standen, sah ich Bengee bewundernd an. „Was?“, fragte er mich. „Nichts…“, sagte ich lächelnd, „es ist nur… ich wusste gar nicht wie cool du sein kannst…“ „Was soll das heißen?!“, fragte er, „dass ich sonst nicht cool bin?!“ Er sah mich böse an. Ich lachte. „Natürlich nicht!“, ich kicherte, „ich mein ja nur, dass sonst nicht so gelassen bist, wie gerade eben…“ „Tse…“, machte Bengee und sah beleidigt weg. „Ach Gottchen, jetzt sei doch nicht beleidigt!“, sagte ich. Ich ging zu ihm und knuddelte ihn. Das schien ihn zu besänftigen. Am nächsten Tag sah ich einen Artikel in der Zeitung: Kinderpornografie im Keller! Der 29-jährige Schulfotograph Bob Faralley wurde gestern in seiner Wohnung festgenommen. Der Grund: Ein verstecktes Studio in seinem Keller. Dort produzierte Faralley schon seit Jahren Kinderpornografie. Nach Angaben der Zeugen lockte Faralley erst Kinder mit Süßigkeiten von der Straße in seine Wohnung. Dann brachte er sie in seinen Keller, um sie dort zu fotografieren .Diese Fotos veröffentlichte er dann später in bestimmten Magazinen, die er auf dem Schwarzmarkt verkaufte. Das Ausschlaggebende für die Durchsuchung von Faralleys Wohnung war ein Tipp anonymer Zeugen. Die Polizei weiß nicht, wie die Zeugen wissen konnten, was Faralley heimlich tat, doch was zählt ist, dass Faralley jetzt endlich sichergestellt wurde. Faralley selbst sitzt nun vorerst in Haft. In einigen Wochen wird der Prozess gegen Faralley laufen. Da wird sich dann zeigen, was für eine Strafe er bekommen wird. Ich war sprachlos als ich das las. Ich riss den Artikel raus, um ihn später in der Schule Amina und Bengee zu zeigen. „Morgen!“, rief ich als ich durch die Tür unserer Klasse schritt. Ich ging zu meinem Platz und legte erstmal meine Sachen ab. Amina tat es mir gleich. Dann kam auch schon Bengee auf mich zugehoppst und knuddelte mich zur Begrüßung. „Schaut mal…“, sagte ich und zeigte Amina und Bengee den Zeitungsausschnitt. Die beiden lasen ihn rasch durch. „Wow!“, sagte Bengee als er fertig war, „also hatte Amina tatsächlich Recht…“ Er lächelte und sah Amina an. „Tse…“, machte Amina beleidigt, „also dass du je an mir gezweifelt hast kränkt mich doch nun sehr…“ Sie rümpfte die Nase. „Ähh… ich hab nie an dir gezweifelt, Ami!“, sagte Bengee rasch, „ich meinte doch nur-“ „Jaja ich weiß schon, was du meinst…“, fiel Amina ihm gespielt beleidigt ins Wort. Belustigt sah ich den beiden zu. Hilfesuchend schaute Bengee zu mir. „Jetzt sag doch auch mal was!“, fuhr er mich an. Doch ich schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, aber ich hab’ leeeider gerade nicht zugehört…“, sagte ich gelassen und sah auf meine Fingernägel. „Ihr seid gemein!“, meinte Bengee. Amina und ich kicherten. Ich wandte mich an Amina. „Und? Was ist jetzt mit… wie heißt er noch gleich? Paul?“, fragte ich und stupste sie leicht mit dem Ellenbogen an. Sie sah mich teilnahmslos an. „Was soll mit ihm sein?“ „Hast du ihn jetzt endlich mal nach einem Date gefragt?“, fragte ich. Amina schwieg kurz. Doch dann sagte sie: „NOCH nicht…“ und betonte das erste Wort besonders. Ich grinste. „Hihi… wann fragst du ihn denn dann?“ „Nach der nächsten Katholisch-Stunde…“, antwortete sie nachdenklich, „denke ich…“ Ich nickte. „Braaav…“, sagte ich und tätschelte ihr den Kopf. Als ich am nächsten Tag nach dem Unterricht nach Hause ging, fragte ich mich, was wohl nun aus Mr. Faralley werden würde. War es möglich, dass er nun doch nicht sterben musste, weil er im Gefängnis saß? Denn im Gefängnis gab es keine Katze und schon gar keine zerbrechliche Glasvase, dessen Scherben ihm ins Gesicht gerammt werden konnten. Doch bei Jodie hatte ich ja auch versucht, ihr zu helfen und ihren Tod zu verhindern und auch sie hatte sterben müssen. Mal sehen…, dachte ich, während ich meine Tür aufschloss. Tatsächlich erwartete mich am Morgen danach ein Artikel in der Zeitung: Todesfall im Gefängnis! Kaum eingesperrt und schon gestorben! Bob Faralley, der gestern wegen Kinderpornografie festgenommen wurde, starb gestern Mittag gegen 12.00 Uhr. Schuld daran war der Mithäftling Joe Brandon, der wegen Betrug in Untersuchungshaft saß, ermordete Faralley. Als Mordwaffe benutzte er eine spitze Glasscherbe, die er anscheinend irgendwann hatte mitgehen lassen. Während der alltäglichen Mittagspause lauerte Brandon Faralley auf und stieß ihm die Glasscherbe dreimal ins Gesicht. Danach suchte er das Weite, doch Brandon wurde von einem Häftling beobachtet. Dieser gab sofort Alarm bei den Wachen und Brandon wurde unter Einzelhaft gesetzt. Was Brandon zu einer solchen Tat trieb und wie er sich die Glasscherbe aneignen konnte ist noch unklar. Brandon selbst wollte noch nichts aussagen. Nachdenklich starrte ich den Artikel an. …und stieß ihm die Glasscherbe dreimal ins Gesicht… Interessant…, dachte ich und riss den Artikel heraus. In der Schule zeigte ich Amina und Bengee sofort den Artikel. „Faralley ist also tot…“, sagte Bengee, nachdem er ihn gelesen hatte. Ich wedelte abwinkend mit der Hand. „Jaja, davon bin ich ausgegangen…“, meinte ich, „was ich viel interessanter finde ist, WIE er gestorben ist…“ Er nickte. Ich sah Amina an, die die ganze Zeit still dagesessen hatte. „Beschäftigt dich das soo sehr oder warum bist du so still?“, fragte ich sie. „Hä? Was?“, fragte sie und sah mich verwirrt an, „tut mir Leid, ich hab gerade nicht zugehört…“ Ich sah Bengee an und zog eine Augenbraue hoch, aber auch er sah mich unwissend an. Doch dann begriff ich. Ich grinste. „Ahh, ich weiß schon…“, sagte ich, „du hast heute Katholisch, nicht wahr?“ Amina nickte leicht verlegen. „Ja, und ich hab immer noch null Ahnung, was ich zu Paul sagen soll…“ Sie ließ den Kopf hängen. Ich piekste sie in die Seite. „Ach, komm, das wird schon!“, sagte ich aufmunternd. Amina zuckte mit den Schultern. Ein paar Sekunden lang schwiegen wir alle. Dann wedelte ich wieder mit der Hand uns sagte: „Wie auch immer…“ Ich deutete wieder auf den Ausschnitt. „Letztens erst habe ich mich gefragt, wie oder ob er überhaupt sterben würde…“, sagte ich und sah Bengee an. Dieser nickte, schwieg aber. Da er nichts sagte, fuhr ich fort. „In meiner Vision habe ich gesehen, wie Faralley in Glasscherben gefallen ist und im Gefängnis wurde er dann umgebracht… mit einer Glasscherbe…“, sagte ich, „ich dachte, Faralley sei dem Tod im Gefängnis vielleicht noch mal davon gekommen… aber jetzt weiß ich, es gibt keine Rettung…“ Meine Stimme verlor sich. Ich bemerkte, dass ich abgedriftet war. Ahh, wie peinlich…!, dachte ich. Ich sah Bengee an und sah, dass er auch nicht ganz bei der Sache zu sein schien. „Hallo?!“, sagte ich laut, „was zum Geier ist mit euch los?!“ Beide reagierten nicht wirklich und ich stöhnte genervt. „Man, ist das schrecklich mit euch!“, murmelte ich und legte das Kinn auf meine Arme. Bengee lächelte. „Na ja…“, sagte er, „genau deswegen liebst du uns doch auch so, ne?!“ Er lachte und sah mich belustigt an. Er piekste mich leicht an den Arm. Ich grummelte irgendwas Unverständliches. In der dritten und vierten Stunde hatten wir schließlich Religion. Bengee und ich gingen in Ethik und Amina verschwand zu Katholisch. Ich stieß sie noch mal mit dem Ellenbogen an und murmelte: „Lass jucken, Kumpel…“ und lachte. Dann ging ich mit Bengee einen Stock höher in Ethik. Ethik war so ein Der-Lehrer-labert-und-kaum-einer-folgt-dem-Unterricht-außer-den-Strebern-die-sich-immer-beteiligen-Fach. Ich hörte fast nie zu, sondern dachte immer nur über Gott und die Welt nach. Wozu denn auch zuhören? Wir schrieben keine Arbeiten, nur hin und wieder mal kleine Referate. Mit dem Kopf auf meinen Ellenbogen gestützt, sah ich zum Fenster heraus. Halb dachte ich an Amina und fragte mich, ob sie in diesem Moment wohl mit Paul sprach. Mein Blick schweifte über die Klasse. Wir waren etwa 15 Leute aus verschiedenen Klassen. Bengee, ich und noch ein anderes Mädchen waren die einzigen aus unserer Klasse. Der Rest war aus zwei anderen Klassen. Unsere Lehrerin war eine alte, recht sympathische Frau, die eigentlich nur mit den drei Strebern aus dem Kurs diskutierte. Ich saß in der letzten Reihe neben zwei Türkinnen aus einer anderen Klasse. Moment, erst muss ich erklären, wie die Klasse aufgereiht ist. Eine Tischreihe ist parallel zur Tafel aufgebaut. An den Ecken der Reihen grenzen dann noch senkrecht zwei gegenüberliegende Tischreihen an. Ist schwer zu verstehen, ich weiß, aber das war der einfachste Weg es zu beschreiben. Wie auch immer, ich saß jedenfalls in der Mitte der Reihe, die gegenüber der Tafel lag. Bengee saß rechts von mir an einem der senkrechten Tische. Ich starrte die Tafel an und wunderte mich, wie es Unterricht geben konnte, der so langweilig sein konnte. Wieder ließ ich den Blick über die Klasse schweifen. Dabei stieß mein Blick auf Bengee, der mich ansah. Er lächelte und so lächelte ich aus Reflex zurück. Dann wendete ich meinen Blick wieder ab. Ich denke ich würde sie im Unterricht immer mal wieder ansehen und auch mal lächeln… Dieser Satz drängte sich plötzlich zwischen meine Gedanken. Bengee war es, der ihn gesagt hatte, als ich ihn gefragt hatte, was er tun würde, um einem Mädchen zu zeigen, dass er sie gern hat. Das hat nichts zu bedeuten…, sagte ich mir. Nach Ethik ging ich mit Bengee vor die Tür und wartete auf Amina. Diese war immer noch in der Klasse, obwohl der Unterricht längst zu ende war. Ein paar Minuten später ging die Tür auf und Amina kam heraus. Sie strahlte. Ich lächelte. Er hat ja gesagt, dachte ich und fragte sie: „Na, wie ist es gelaufen?“ „Wir gehen am Samstag ins Kino!“, erzählte sie mit glitzernden Augen. „Cool!“, sagte ich, ebenfalls strahlend. „Ja!“, meinte Amina begeistert, „er hat mir seine Handynummer gegeben, damit wir uns noch mal um Einzelheiten kümmern können!“ Ich nickte. Wir machten uns auf dem Weg in die Pausenhalle. „Ach ja, bevor ich’s vergesse…“, meinte Amina beiläufig, „ich hab ihm gesagt, du kommst mit…“ Zunächst nickte ich einfach und realisierte gar nicht, was sie gerade gesagt hatte. „Was?!“, sagte ich und sah sie an. „Ich hab gesagt, du kommst mit“, wiederholte sie wie selbstverständlich. Ich sah sie immer noch entgeistert an. „Keine Angst, ich weiß, wie scheiße ein Doppeldate ist, wenn man selbst kein Date hat... Deswegen nehmen wir noch ähm…“, sie machte eine kurze Pause, um Nachzudenken. Dann packte sie Bengee am Arm und zog ihn zu sich. Sie zeigte auf ihn und fuhr fort: „…Bengee mit!“ Ich sah kurz zu Bengee und dann sah ich wieder zu Amina. „Dann ist es für dich kein Date, weil Bengee ja nur dein Kumpel ist“, fuhr sie fort, „aber mitkommen und mir seelisch beistehen kannst du trotzdem!“ Sie lächelte selbstzufrieden und ließ Bengee los, den sie die ganze Zeit über festgehalten hatte. Ich lächelte. Es war erstaunlich, wie überzeugend Amina sein konnte. Ich zuckte mit den Schultern. „Na okay…“, sagte ich und seufzte. Bengee sah Amina und mich verwirrt an. „Könnte mir vielleicht jemand mal sagen, was hier los ist?!“, fragte Bengee, der mal wieder gar nichts von unserem Gespräch mitbekommen hatte. „Du hast am Samstag ein Doppeldate mit Minty, Paul und mir“, sagte Amina beiläufig, während sie die Klasse betrat. Verwirrt blieb Bengee draußen stehen. „O-Okay…“, hörte ich ihn noch sagen, bevor ich zu meinem Platz ging. Als ich dann nach der 6ten Stunde auf dem Weg nach Hause war, dachte ich über das Date nach. Ich musste immer ein paar Haltestellen mit der Straßenbahn fahren und dann noch ein paar Meter zu Fuß laufen. Es ist ja nur für Amina ein Date…, dachte ich, für mich ist es nur Kino mit Bengee und Amina… und ihrem Date… Ich seufzte. „Anstrengend…“, murmelte ich. Ich hatte unser Haus erreicht. Es war ein einfaches, hässliches, graues Mehrfamilienhaus. Ich schob den Schlüssel ins Schlüsselloch und schloss auf. Dann ging ich die Treppe hinauf und schloss unsere Wohnung auf. Dabei fällt mir ein, ich habe noch gar nicht mein Zuhause und meine Mutter beschrieben… Meine Mutter ist groß, schlank und hat braune, kurze Locken. Ich kann mich noch erinnern. Bevor meine Visionen begonnen hatten, war sie ein richtig fröhlicher Mensch gewesen. Doch als ich anfing, die Leute nicht mehr anzusehen, wurde sie immer trauriger und ich hatte sie lange nicht mehr lachen sehen. Unsere Wohnung ist eine einfache 3-Zimmer-Wohnung. Sie ist nicht besonders groß, aber es recht halt für zwei Leute und einen Hund. Unsere Hündin heißt Tequila. Sie ist weiß mit braunen Flecken und uralt, doch immer noch fit wie sonst was. Sie ist irgendwie so ein Mischmasch aus einem Fox-Terrier und einem Jack Russel oder so, irgendwas in dieser Ecke jedenfalls. Ich trat ein und Tequila kam freudig auf mich zugesprungen, um mich zu begrüßen. „Hey, Baby!“, sagte ich und strich ihr über den Kopf. Sie freute sich wie sonst was uns wedelte wie verrückt mit dem Schwanz. Ich ging in mein Zimmer und legte meine Tasche in die Ecke. Dann ging ich ins Wohnzimmer und sah nach, ob meine Mutter zu Hause war. Das Wohnzimmer war menschenleer, sie war nicht zu Hause. Ich zuckte mit den Schultern. „Auch nicht schlecht…“ Ich schnappte mir Tequilas Leine und legte sie ihr um. „Komm, Schatz! Wir geh’n ’ne Runde!“, sagte ich und öffnete die Tür. Tequila freute sich sehr und sprang übermütig hinaus. Abgesehen davon, dass ich Tequila gern sah, war ich eigentlich nicht gern zu Hause. Es war immer so eine drückende, unangenehme Stille bei uns. Ich musste ständig aufpassen, dass ich meine Mutter nicht ansah und sie war immer so traurig. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich wäre wahrscheinlich genauso drauf, wenn meine Tochter niemanden mehr ansehen würde und überhaupt so wie ich werden würde. Ich seufzte tief und bog in eine Seitengasse. Trotzdem, ich war einfach lieber in der Schule. Bei Amina und Bengee. Sie waren mehr oder weniger alles, was ich hatte. Ich hatte die große Hundewiese erreicht. Ich leinte Tequila ab und lief weiter. Tequila stürmte über die Wiese und sprang durch die Gegend, wie ein Hase. Ich lächelte. Die hat’s gut…, dachte ich, „ihr Leben ist so sorglos… Irgendwie beneidete ich sie dafür. Bald war ich mit meiner Runde fertig. „TEQUILA!!“, rief ich und sah mich um, „hey, Baby! Komm her! Wir woll’n nach Hause!!“ Sie war nirgends zu sehen. „Tequila?“, rief ich noch einmal. Plötzlich sprang eine Katze aus einem Gebüsch und rannte über die Straße, hinter ihr war Tequila. „Tequila!!“, rief ich zornig und stemmte die Hände in die Hüften. Tequila ließ von der Katze ab und kam schuldbewusst auf mich zu. „Also wirklich!“, sagte ich und leinte Tequila an, „die arme Katze!“ Ich sah mich nach der Katze um. Diese saß entspannt auf dem Bürgersteig ein paar Meter von mir entfernt. Sie hatte langes, flauschiges Fell. Es war grau und mit braunen und schwarzen Tupfern durchzogen. Die Katze saß da und sah mich mit skeptischen, grünen Augen an, bevor sie aufstand und im Gebüsch verschwand. Ich sah ihr überrascht nach. Doch dann wandte ich mich um und ging nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)