Oblivion - Rahirs Erwachen von Rahir ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Kapitel ------------------------- Die Rechte an den Charakteren, Orten usw. liegen bei Bethesda Softworks. Und nein, ich verdiene auch keinen Cent damit. „Wach auf, Rahir!“ Ein Schock ging durch seinen Körper. Seine Muskeln fühlten sich steif und kalt an, als lägen sie seit langer Zeit in Eis eingelegt. „Wer spricht da?“ Seine Stimme drang kaum hörbar aus seiner Kehle. Staub und Trockenheit verklebten seine Stimmbänder. Selbst seine Augenlider öffneten ich nur zäh und widerwillig. Hustend setzte er sich auf. Der Boden unter ihm war hart und kalt. Vor Feuchtigkeit glänzendes Gemäuer war das erste, das er sah. Als er den Blick zu einem winzigen, vergitterten Fenster über ihm hob, schmerzten seine Augen durch den dünnen Lichtstrahl, der in den Raum fiel. Seine Augen... irgendetwas stimmte nicht, er konnte aber noch nicht sagen, was. Er sah sich um. Der Raum, in dem er aufgewacht war, durchmaß vielleicht sechs Schritte in der Länge und drei in der Breite. Ein kleiner Tisch war das einzige Möbelstück. Ein Becher und ein Teller, beide aus Holz, standen darauf. Begrenzt wurde der Raum von einer Tür aus... massiven Gitterstäben. Eine Zelle. Seine Gelenke stachen vor Schmerz, als er aufstand. Seine Beine fühlten sich taub an, er humpelte die ersten Schritte. Als er sich zu voller Größe aufgerichtet hatte, betrachtete er seine Hände. Eisenringe, das Zeichen Gefangener, hingen an seinen Handgelenken. Warum bin ich hier? Wo bin ich hier? Dann stieg in ihm die alles entscheidende Frage hoch. Wer... bin ich? Rahir...? Ist das mein Name? Er sah seine Hände und seine Brust, die notdürftig von einem Sackleinenhemd bedeckt war, genauer an, sowie seine nackten Füße. Kurzes, hellbraunes Fell bedeckte seinen Körper. Seine Hand tastete nach seinem Gesäß und fand dort einen pelzigen Schweif, der aus einem Loch in der Hose hing. Dann befühlte er sein Gesicht. Er spürte den Schatten am linken Rand seines Sichtfeldes... seine raubtierartige Schnauze. Ich bin ein... Khajit. Und ich habe nur ein Auge. Eine lange Narbe zog sich von seiner Stirn über sein rechtes Auge bis auf die Wange. Dort, wo sein Auge gewesen war, fühlte er nur Narbengewebe. „Ich habe nur ein Auge... wie ist das passiert?“ Seine Stimme hallte in den düsteren Zellentrakt wieder, fast erschreckte in der Klang. „Tja, ich vermute, es hat etwas mit dem zu tun, was dich hier hergebracht hat.“ Sein Kopf fuhr herum. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm jemand antworten würde. Seine empfindlichen Khajitohren schwenkten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er näherte sich der Gittertür. Die Stimme kam von der gegenüberliegenden Zellentür. Ein ältlicher Altmer stand an den Gitterstäben. Neugierig betrachtete er ihn. „Hast du mir vorher etwas zugerufen? Hast du ‚Wach auf, Rahir’ gerufen?“ Der Altmer, dessen Blick Resignation ausdrückte, antwortete müde. „Ich? Sicher nicht. Das musst du geträumt haben.“ Er schüttelte den Kopf und murmelte mehr zu sich selbst. „Rahir... das muss mein Name sein...“ „Hä?“ „Ach, nichts. Kannst du mir sagen, warum ich hier bin?“ Der Altmer lachte heiser. „Wenn du das selbst nicht mehr weißt, müssen sie dir ja ziemlich übel mitgespielt haben. Die kaiserlichen Wachen können ganz schön brutal sein. Besonders auf euch Tiermenschen haben sie es abgesehen.“ Rahir betastete sein Gesicht. „Vielleicht haben die... kaiserlichen Wachen mir das angetan.“ Der Altmer schüttelte den Kopf. „Glaub ich nicht. Die Narbe sieht aus, als hättest du sie schon ziemlich lange.“ „Hm... wie lange bin ich schon hier?“ „Bei den neun, dir muss wirklich übles widerfahren sein! Na ja, wenn du mich so fragst, gestern warst du noch nicht hier, daran hätte ich mich erinnert.“ Rahir nickte langsam. „Wie ist dein Name?“ „Mein Name?“ Der Altmer schnaubte verächtlich. „Durandil, aber das zählt hier unten nicht viel. Warum richten sie uns nicht einfach hin? Stattdessen lassen sie uns hier unten verfaulen.“ Der alte Mann brüllte jetzt regelrecht und sah dabei in Richtung der Treppe, die links von seiner Zelle hinauf führte. „Ein Hoch auf unseren gnädigen Kaiser, der die Todesstrafe abgeschafft hat und durch etwas viel schlimmeres ersetzt hat!!“ Durandil seufzte, das Geschrei hatte ihn sichtlich angestrengt. Rahir beäugte ihn skeptisch. „Kannst du mir verraten, wo wir hier überhaupt sind?“ Durandil sah ihn ungläubig an. „Wenigstens das musst du doch wissen? Egal, wir sind ‚Gäste’ im Gefängnis der Kaiserstadt, was sonst.“ Er winkte ab und zog sich in die Zelle zurück. Ächzend setzte er sich auf den Boden. „Durandil. Wie komme ich hier raus?“ Der Altmer starrte ihn an. Dann begann er zu lachen. „Ganz einfach. Warte noch eine Weile, dann werden sie deinen verschimmelten Körper raustragen und in den See Rumare werfen, damit die Schlachterfische etwas zum Kauen haben. Khajitknochen nagen sie besonders gerne ab, weißt du?“ In den Augen des alten Mannes funkelte aufkeimender Wahnsinn. Rahir fragte sich, wie lange er wohl schon hier unten war, und ob er sich daran überhaupt noch klar erinnerte. Jetzt schien sich der Altmer wieder zu beruhigen. „Sag einmal, wie hat es dich eigentlich aus Elsweyr hier her verschlagen? Warst du auch auf der Suche nach dem Glück in der wohlhabenden Provinz Cyrodiil?“ Rahir schüttelte verlegen den Kopf. „Tut mir leid, ich kann mich an nichts erinnern... an gar nichts.“ Durandil fasste sich an den faltigen Kopf. „Gute Güte, in deinem Katzenschädel muss es ja ganz schön gedonnert haben. Weißt du denn gar nichts mehr?“ „Nein. Nicht das geringste.“ Seufzend lehnte sich der Altmer an die Zellenwand. „Na toll. Gesprächspartner sind hier unten eh Mangelware, und dann müssen sie mir eine Miezekatze mit Gedächtnisverlust gegenüber einquartieren.“ Rahir überlegte angestrengt. „Miezekatze... du meinst meine Rasse?“ „Erraten. Du weißt schon, ein Kopf, wie eine Raubkatze, der Rest wie ein Mensch. Hast du bestimmt schon mal im Spiegel gesehen, früher zumindest.“ „Und du... bist ein Hochelb, richtig?“ In den Augen Durandils glänzte einen Moment die Erinnerung an glücklichere Zeiten. Er sprach flüsternd. „Oh ja. Dem ‚schönen Volk’ gehöre ich an und Valenwald ist meine Heimat. Auch wenn von ‚schön’ keine Spur mehr ist, und ich meine Heimat nie mehr wieder sehen werde.“ Er unterdrückte mühsam eine Träne. „Egal. Scheißegal. Wir werden hier unten sterben. Deine Muskeln werden schon bald verschwunden sein, dann wirst du genauso dürr sein wie ich.“ Nachdenklich betrachtete Rahir seinen Körper. In der Tat war er ausgesprochen kräftig, als hätte er in der Vergangenheit schwere Arbeit geleistet. Oder als ob er Soldat gewesen wäre, der schwere Rüstungen hatte tragen müssen. Hm, ein Soldat... Das würde mein fehlendes Auge erklären... Schritte, die durch den Zellentrakt hallten, rissen ihn aus seinen Gedanken. Der Altmer blickte erschrocken in Richtung der Stufen. „Da, sie kommen dich holen! Ich sagte dir doch, dass sie Tiermenschen gerne foltern! Wenn du zurückkommst, hast du wahrscheinlich gar keine Augen mehr!“ Der Altmer lachte wie ein Irrer. Der Wahnsinn hatte in seinem Verstand offenbar schon Fuß gefasst. Dann sprach er übertrieben ernst weiter. „Falls du zurückkommst.“ Rahir schüttelte verwundert den Kopf, dann blickte er die Treppe hinauf. Er hatte zwar nur ein Auge, aber eben ein Khajitauge. Es durchdrang die Dunkelheit mühelos und sah eine Gruppe von vier Männern, die die Stufen herabschritten. Es waren drei Soldaten in altertümlich wirkenden Rüstungen, sowie ein älterer Mann, der in einen roten Umhang mit Pelzkragen gehüllt war. Auf seiner Brust glänzte auffällig ein Anhänger an einer Kette. Ein rotleuchtender Rubin von erlesener Schönheit war darin eingefasst. Ihre Stimmen schallten undeutlich die Treppe herab. „... wir können uns noch nicht sicher sein, eure Hoheit- “ „Nein, ich weiß es. Meine Söhne sind tot, ermordet. Und jetzt bin ich im Visier der Attentäter...“ Die Männer versammelten sich vor seiner Zellentür. Einer von ihnen, ein Rothwardone, herrschte ihn an. „Weg von der Tür, Gefangener! Sonst töten wir dich!“ „Diese Zelle sollte doch leer bleiben, warum ist sie belegt“, fragte ihn der andere Soldat. „Das allgemeine Verwaltungschaos, schätze ich. Egal, wir müssen da rein.“ Rahir trat an die hintere Wand zurück. Einer der Soldaten sperrte die Tür auf, worauf alle eintraten. Die vorderste der Wachen, der Rothwardone, drohte ihm mit einer Geste. „Rühr dich nicht vom Fleck, kapiert?“ Der Mann mit dem roten Umhang ging an ihm vorbei, warf ihm einen flüchtigen Blick zu und erstarrte dann. „Haltet ein, Klingen... Das ist er, kein Zweifel...“ Die Soldaten gehorchten ihm aufs Wort. Der Mann trat vor Rahir, um ihn näher zu betrachten. „Ihr seid der Mann aus meinen Träumen. Ein Khajit, mit nur einem Auge... Es war die Vorsehung, die uns hier hergeführt hat.“ Die Soldaten flankierten ihn und beobachteten jede von Rahir’s Bewegungen. „Wer seid ihr“, fragte er unschuldig. Einer der Soldaten schrie ihn an. „Elender Wurm, das ist seine Hoheit, die genau die Gesetze erlassen hat, gegen die du versto- “ Eine Handbewegung des Mannes brachte ihn zum Schweigen. Ruhig und freundlich sprach er zu ihm. „Ich bin euer Kaiser, Uriel Septim. Ich bin auf der Flucht vor Attentätern, die mir nach dem Leben trachten. Durch eure Zelle führt ein geheimer Weg, mit dem die Klingen mich zu retten versuchen.“ Einer der Soldaten, die der Kaiser ‚Klingen’ nannte, flüsterte ihm eindringlich zu. „Eure Hoheit, bei allem Respekt, wir haben nicht mehr viel Zeit!“ Der andere Soldat berührte einen geheimen Schalter in der Wand, worauf ein Teil von ihr zur Seite glitt. Ein finsterer Gang kam zum Vorschein. „Ja, ihr habt recht. Lasst uns gehen.“ „Und was ist mit dem Gefangenen, eure Hoheit?“ „Lasst ihn uns folgen, wenn er will. Ich spüre, dass sein Schicksal mit dem meinigen verknüpft ist.“ Der Soldat sah in ungläubig an, dann folgte er den anderen, die bereits im Gang verschwunden waren. Rahir blieb in der Zelle und sah ihnen nach. Dann schaute er wieder in die gegenüberliegende Zelle. Durandil lag auf dem Boden und schnarchte. Er vermutete, dass er sich tot gestellt hatte und dabei eingeschlafen war. Schulterzuckend betrat er den Fluchtweg, er konnte ohnehin nichts für ihn tun. Geräuschlos folgte er dem Gang, der ihn nach einigen Biegungen schließlich zu einem Portal in ein unterirdisches Gewölbe führte. Das gotische Deckengewölbe war aufwändig verziert und ließ ahnen, dass die Räume unter dem Gefängnis vor langer Zeit edlen Herren als Zuflucht diente. Vorsichtig schritt er durch die uralten Hallen. Seine feinen Khajitohren nahmen sogar das Echo seines Herzschlags wahr. Ebenso hörten sie die Schritte der Gruppe mit dem Kaiser vor ihm. Er trat gerade durch ein weiteres Portal in einen neuen Raum, als er Kampfgetöse wahrnahm. Vorsichtig schlich er sich an und sah, wie die Soldaten einen Kreis um den Kaiser bildeten und mit vermummten Gestalten kämpften. Es waren insgesamt drei Angreifer, und sie waren schnell besiegt. Unerbittlich mähten die ‚Klingen’ mit ihren Katanas die Angreifer nieder, bereit, für ihren Herrn und Kaiser zu sterben. Als der Kampf vorüber war, steckten sie ihre Waffen weg und machten sich daran, eine verschlossene Tür aufzusperren. Erstaunt sah Rahir, wie sich die rotschwarze Rüstung der Angreifer auflöste und nur ein dunkelroter Umhang an ihren Leibern zurückblieb. Während die Wachen mit dem Schloss beschäftigt waren, sprach der Kaiser ihn an. „Wenn ich euch ansehe, dann spüre ich ganz deutlich, dass ihr in dieser Geschichte eine Rolle spielt. Sagt, glaubt ihr an die neun Göttlichen?“ Rahir schüttelte verwirrt den Kopf. „Damit... habe ich mich noch nicht beschäftigt.“ „Ich habe mein ganzes Leben nach ihnen ausgerichtet. Ich werde schon bald vor ihnen Rechenschaft ablegen, wisst ihr? Dies sind meine letzten Stunden, auch die Tapferkeit der ehrenwerten Klingen wird dies nicht ändern. Es gehen mir keine Zeugnisse großer Triumphe voraus, und doch habe ich gut gelebt. Letztendlich bin ich gesegnet unter den Sterblichen. Ein jeder kennt sein Schicksal, aber nur die wenigsten die Stunde, so wie ich. Und meine Stunde steht unmittelbar bevor.“ „Habt ihr keine Angst zu sterben?“ „Nein. Ich vertraue darauf, unter Akatosh’s prüfendem Blick Gnade zu finden. Ich habe nur Angst um das Kaiserreich, das ich zurücklassen muss...“ „Eure Hoheit, der Weg ist frei, kommt schnell!“ Die Klingen setzten ihren Weg mit dem Kaiser in der Mitte fort. Einer von ihnen trat an Rahir heran und drückte ihm eine Fackel in die Hand. „Da, mach dich nützlich. Geh voran und leuchte uns den Weg aus!“ Und zieh die Aufmerksamkeit weiterer Angreifer auf dich, hast du vergessen zu sagen, dachte er, als er losging. Ein schmaler Gang führte sie tiefer in die seit scheinbar ewigen Zeiten verlassenen Gewölbe. Sie kamen in einen weiteren Raum, an dessen Ende eine Gittertür lag. Er sah sie von weitem, zögerte aber. Seine empfindliche Nase sog die Luft ein, seine Katzenohren drehten sich hin und her. „Was ist los, Tiermensch! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Der Soldat hinter ihm stieß ihm den Schwertgriff in den Rücken. Ächzend vor Schmerz ging Rahir weiter. Nach wenigen Schritten geschah, was er geahnt hatte. Links und Rechts von den Brüstungen höher gelegener Etagen sprangen Gestalten, die eben noch unsichtbar dort gelauert hatten. Im letzten Moment konnte er einem Schwerthieb ausweichen. Unter dem nächsten rollte er sich hindurch und schwenkte die Fackel zur Verteidigung. Die Gesichtslosen Angreifer erkannten, dass er die kleinere Bedrohung darstellte und stürzten sich auf die Soldaten. Im darauffolgenden heftigen Kampf gelang es ihnen, die Attentäter zu besiegen, jedoch wurde einer von ihnen tödlich getroffen. Reglos blieb er nach der Schlacht liegen. „Hauptmann Renault... ein ehrenhafter Tod, wie er es sich gewünscht hat.“ Die Soldaten untersuchten ihren Gefallen kurz, schüttelten traurig die Köpfe, um dann ihren Weg fortzusetzen. Der eine machte sich daran, das Schloss zu öffnen, während der andere die Umgebung überwachte. Kaum war die Gittertür offen, eskortierten sie den Kaiser hindurch und danach durch eine weitere Tür. Bevor er ihnen folgen konnte, warf einer der Soldaten die Gittertür vor seiner Nase zu. „Such dir einen anderen Weg, du Unglücksrabe! Dich Halunke hätte es treffen sollen, nicht unseren Hauptmann! Sieh zu, dass du weiterkommst!“ Schon fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss, und ihre Schritte verklangen hinter ihr. Ratlos sah er sich um. Es gab kein Zurück, und einen anderen Weg sah er im Moment auch nicht. Er trat an die Leiche des getöteten Hauptmannes und durchsuchte sie. Als erstes nahm er ihm das Katana aus seinen blutigen Fingern. Die Rüstung war ihm zu klein, das sah er sofort. Dann fiel sein Blick auf die umherliegenden Attentäter. Er zog das Sackleinenhemd aus und warf es weg. Der dunkelrote Umhang kleidete ich wesentlich besser, auch wenn er ihn nicht wirklich schützte. Das Wichtigste waren aber die Stiefel, die seine Füße vor Splitter und scharfen Steinen von nun an schützten. Mit dem Katana in Händen und der neuen Kleidung gefiel er sich gleich besser. „Ich habe zwar keine Ahnung, wer ich bin oder wie ich ihn diese Welt gekommen bin, aber immerhin sehe ich nicht mehr wie ein verlauster Sträfling aus.“ Ein Teil der Wand neben ihm stürzte ein. Hungrige Kellerratten von außergewöhnlich großem Wuchs stürmten heraus. Zähnefletschend nahm er das Katana in beide Hände und griff an. Im Nu lagen die Ratten tot vor seinen Füssen. Neugierig trat er an das Loch. Es führte in ein noch älteres Gemäuer, das ziemlich verfallen war und kurz vor dem Einsturz zu stehen schien. Der Boden bestand aus Erde, die Mauersteine waren nur roh behauen. Es wirkte, als hätte eine Generation auf die Bauwerke der vorhergehenden ihre eigenen gesetzt. Die Decke war sehr niedrig, fast musste er sich bücken. An manchen Stellen hatten Wurzeln Spalten freigelegt, durch die von der Erdoberfläche zaghaft Licht eindrang. Erwartungsvoll spähte er durch die tiefen Risse im Erdreich, musste jedoch feststellen, dass sie als Fluchtweg denkbar ungeeignet waren. Wenigstens bin ich nicht mehr unter dem Gefängnis, dachte er hoffnungsvoll. Sein Blick fiel auf eine Truhe. Neben ihr lag das Skelett eines Menschen, der scheinbar schon vor langer Zeit einen Weg aus diesem unterirdischen Labyrinth gesucht hatte. Die Knochen war bleich und trocken. Neben ihnen lag ein mit Leder beschlagener Schild. Dankbar hob er ihn auf. Die Kiste ließ sich widerstandslos öffnen. In ihr fand er einige wenige Münzen sowie ein paar eigenartig gebogene Metallstifte. ... Dietriche. Ich brauche sie zum Schlossöffnen. Er verstaute alles in den Taschen seiner Kleidung, die ungewöhnlich groß ausfielen, ohne von außen aufzufallen. Verwundert schüttelte er den Kopf und dachte nicht weiter darüber nach. Nach kurzer Suche fand er die einzige Tür, die aus dem Raum herausführte. Sie war verschlossen. Konzentriert benützte er einen der Dietriche und stocherte damit im Schloss herum. Tatsächlich ertönte schon bald ein metallisches Klacken. Die Tür führte ihn in weitere Gewölbe, die alle finster und verdreckt waren. Von Zeit zu Zeit kreuzten Ratten seinen Weg, sehr zum Nachteil der Ratten. Vor einer blieb er stehen. Er befühlte seinen Magen, der sich lautstark zu Wort meldete. Eine Ratte...? Warum eigentlich nicht. Er befühlte sein ausgeprägtes Gebiss und befand, dass es Zeit für eine Mahlzeit war. Eine Zeitlang betrachtete er die tote Ratte in seinen Händen, dann biss er mit zusammengekniffenem Auge zu. Er zwang sich, zu kauen und runter zu schlucken, doch sein verzerrtes Gesicht bewies ihm, dass selbst für die Rasse, der er angehörte, Ratten nicht besonders weit oben auf der Speisekarte standen. Von Ekel erfüllt, verspeiste er seine Beute. Wer weiß, wie lange ich noch hier unten bin, sagte er zu sich selbst. Als er im nächsten Raum um eine Ecke bog, hörte er ein bislang unbekanntes Geräusch. Ein langgezogenes, unmenschliches Stöhnen hallte durch den finsteren Gang. Vorsichtig lugte er um die Ecke. Von weitem sah er eine Gestalt mit ausgestreckten Armen auf ihn zu torkeln. Die Unsicherheit der Schritte war offensichtlich. Ihr Tempo war eher langsam. Mit erhobenem Schild und gezücktem Schwert näherte sich Rahir der wankenden Gestalt. Dann stieg ihm der penetrante Verwesungsgeruch in die Nase, den das Wesen ausströmte. Jetzt sah er, das die Gestalt einmal ein Mensch gewesen sein musste, mittlerweile jedoch bereits an einigen Stellen des nackten Körpers massive Spuren der Fäulnis zeigte. Das Gesicht war kaum noch zu erkennen. Auf den letzten Metern beschleunigte der Zombie plötzlich. Mit den Armen schlug es ungeschickt gegen seinen Schild. Mit voller Wucht hieb Rahir auf das Wesen hin. Ein Arm fiel zuckend zu Boden, was das Wesen jedoch kaum zu beeinträchtigen schien. Erst als er ihm mit einem beherzten Hieb den Kopf abtrennte, sank es zu Boden. Argwöhnisch betrachtete er den vermoderten Körper, der ihn angegriffen hatte. Nichts wie raus hier, bevor ich auch noch so ende... Einige lästige Ratten weiter stieß er auf einen Gang, an dessen Ende er helles Tageslicht sah. Hoffnungsvoll beschleunigte er seine Schritte. Er fand einen Raum, an dessen Decke ein Gitter zu einem höhergelegenen Raum führte. Licht fiel durch das Gitter, er konnte jedoch nicht erkennen, von wo es stammte. Der Raum darüber ließ nicht erkennen, wo er hinführte. Plötzlich schnüffelte seine Katzennase aufgeregt. Unter dem Rost lagen Speisereste, wie angefaulte Kohlköpfe, Käsereste und hartes Brot. Gierig stürzte er sich darauf. Obwohl die Reste nicht grundlos weggeworfen waren, so schmeckten sie ihm doch köstlich im Vergleich zur Ratte vorhin. Was er nicht essen konnte, verstaute er in seinen erstaunlich geräumigen Taschen. Satt und zufrieden setzte er seinen Weg durch das finstere Labyrinth fort. Das Gewölbe veränderte sich, und schließlich stand er in der Öffnung zu einer natürlich gewachsenen Höhle. Sie verbreiterte sich enorm zu beiden Seiten. In der Entfernung hörte er ein Feuer prasseln, sowie Laute in einer quiekenden, unverständlichen Sprache. Behutsam schlich er durch die Schatten, bis er die Quelle der Geräusche erkannte. Grüne, schuppige Gestalten mit eingedrehten Hörnern auf ihren hässlichen Köpfen standen um ein Lagerfeuer herum. Sie trugen schäbige Kettenhemden und notdürftige Lendenschurze. In den Klauen hielten sie rostige Streitkolben. Es waren drei, wobei der dritte von ihnen unbewaffnet war und fast weibliche Züge zu haben schien, wenn man das bei ihrer abstoßenden Hässlichkeit so sagen konnte. Vorsichtig schlich er geduckt an der Höhlenwand entlang. Wenn möglich, wollte er eine Konfrontation vermeiden. Plötzlich hob einer der Goblins den Kopf und sog die Luft geräuschvoll ein. Rahir roch prüfend an seinem Körper. Kein Wunder, wenn mich die riechen... Wie auf ein Kommando begannen die Goblins, auszuschwärmen. Allmählich kreisten sie ihn ein. Rahir veränderte lautlos seine Position. Die Höhle war mit Gerümpel angefüllt, das die Goblins wohl von Raubzügen mit hier her gebracht hatten. Hinter einer Ansammlung von Fässern verbarg er sich und wartete ab. Die Höhle wurde von vereinzelten Fackeln nur dürftig beleuchtet, und offenbar konnten die Goblins nicht ganz so gut im Dunkeln sehen wie ein Khajit. Einer der Goblins blieb stehen. Abwägend hob er seine hässliche Nase, als sich Rahir geräuschlos von hinten näherte, ihn packte, und mit dem Katana die Kehle durchschnitt. Das einzige dabei entstehende Geräusch war ein kurzes Japsen sowie das Plätschern von Blut auf Fels. Der zweite Goblin wurde hellhörig. Zielstrebig näherte er sich der Stelle, an der sein Mitstreiter sein Leben ausgehaucht hatte. Rahir stürmte los und tötete den überraschten Goblin mit einem Hieb. Nun war nur noch einer übrig. Mit erhobenem Schild näherte er sich dem verbliebenen Goblin. Dieser ging langsam rückwärts. „Versuch nur, weg zu laufen“, zischte Rahir. Das Jagdfieber war in ihm entbrannt. Der Goblin blieb stehen und hob den knöchrigen Arm. Blitze umzuckten die Faust, und dann schoss ein greller Strahl in seine Richtung. Dieser traf mit voller Wucht seinen Schild und setzte ihn in Brand. Panisch warf er ihn weg. Das war... Magie! Das Katana mit beiden Händen schwingend lief er los. Der weibliche Goblin versuchte, einen weiteren Blitzspruch zu wirken, doch Rahir war zu schnell. Mit einem gewaltigen Hieb spaltete er das kleine Wesen an der Schulter in zwei Teile, die klatschend zu Boden fielen. Rahir betrachtete die Überreste interessiert. „Erstaunlich... diese Klinge ist wirklich sehr scharf...“ Bei den leblosen Körpern und in den umherstehenden Fässern fand er einige Münzen sowie ein Flasche aus rötlichem Glas, die er schulterzuckend einsteckte. Nach kurzer Zeit kam er zu einer Tür, die ihn wieder in die Gewölbe von vorhin mit den Spitzbögen und verzierten Kuppeln brachte. Dort sah er gerade noch, wie Kaiser Septim und seine verbliebenen Bewacher durch eine Tür traten. „He, ihr da! Ihr müsst mir den Weg hier raus zeigen!“ Verwundert drehten sie sich um. Rahir lief zu ihnen hin. „Da seid ihr ja. Ich dachte, wir hätten euch in dem Chaos verloren.“ Der Kaiser wirkte aufrichtig besorgt. Rahir warf dem Soldaten, der ihn vorher ausgesperrt hatte, einen finsteren Blick zu. „Ja, fast hätte ich mich verlaufen, aber jetzt bin ich ja wieder da.“ „Das muss eine weitere Fügung des Schicksals sein, dass wir uns wieder treffen- “ Der Kaiser erstarrte, als plötzlich von allen Seiten Attentäter in ihrer charakteristischen Vermummung heranstürmten. Rahir und der Soldat nahmen sofort den Kampf auf, während der zweite den Kaiser durch die Tür schob, um ihnen nachher zu helfen. Die Attentäter stürzten sich ohne Vorsicht und todesverachtend in den Kampf, und so starben sie dann auch. Rahir musste feststellen, dass ihm das führen eines Schwertes förmlich im Blut lag und geradezu instinktiv geschah. Wie auch immer meine Vergangenheit aussah, das hier muss ich lange geübt haben... Nacheinander fielen die Angreifer und füllten den Boden. Nach einer Weile begann Rahir, zurückzuweichen und den Soldaten des Kaisers die Schlacht zu überlassen. Bei aller Freundlichkeit... dies ist nicht mein Krieg, und wer weiß, wie er ausgeht... Verstohlen schlich er sich durch die Tür. Sie führte in einen kleinen Raum, in dem sich der Kaiser aufhielt. „Eure Hoheit, wo geht es hier raus?“ Kaiser Septim deutete auf eine weitere Tür. „Hier geht es weiter, aber Baurus hat den Schlüssel...“ „Dann hole ich ihn eben.“ „Wartet!“ Rahir drehte sich um. Der Kaiser nahm die Kette mit dem roten Stein von seinem Hals und reichte sie Rahir. „Nehmt dies. Es ist das Amulett der Könige. Meine Vorfahren tragen es seit Jahrhunderten, und noch nie war es so in Gefahr... Nehmt es und bringt es meinem Sohn Martin!“ Rahir machte ein verdutztes Gesicht, doch der Kaiser sprach eilig weiter. „Ihr findet ihn in der Weynon-Priorei, sie liegt bei Chorrol. Bitte bringt es ihm verlässlich, er wird wissen, was zu tun ist!“ Rahir sah den flehenden Blick des Kaisers, dann fiel sein Blick wieder auf das Amulett. Es schimmerte wie erstarrtes Blut... „In Ordnung.“ Mit einem schnellen Handgriff hängte er es sich um und ließ es unter seiner Kleidung verschwinden. „Jetzt hole ich aber wirklich den Schlüssel.“ Mit diesen Worten wollte er wieder zurück gehen, als einer der Attentäter durch die Tür gestürmt kam und ihn umrannte. Rahir rappelte sich so schnell wie möglich auf, doch es war zu spät. Der Attentäter stieß dem Kaiser die Klinge in den Leib und lachte dabei triumphierend. In dem Moment, als er wieder auf die Beine kam, stürzte Baurus durch die Tür in den Raum. Die Klingen von Rahir und Baurus durchbohrten den Attentäter gleichzeitig. Röchelnd starb er neben dem Kaiser. Verzweifelt fiel Baurus an der Leiche des Kaisers auf die Knie. „Oh nein... wir haben versagt... die Klingen haben... versagt... einen Moment- “ Sein aufgeregter Blick fiel auf Rahir. „Wo ist das Amulett der Könige? Wo ist es hin?“ „Er hat es mir vorhin gegeben.“ Baurus beäugte ihn skeptisch. „Er hat es dir gegeben? Wie seltsam. Er hat dir vertraut, sonst hätte er sich nie davon getrennt. Es heißt, dass in den Adern der Septims Drachenblut fließt. Man erzählt sich, dass sie mehr als gewöhnliche Menschen sehen. Er muss irgendetwas besonderes in dir gesehen haben...“ „Er sagte, ich solle es zu seinem Sohn bringen...“ „Was redest du da? Seine Söhne... sind tot, ermordet wie auch er jetzt.“ „Er sagte was von einem Martin in der Weynon-Priorei, wo immer das sein soll...“ „Weynon-Priorei? Bei Chorrol? Das ist… seltsam. Der Prior dort, Bruder Jauffre, ist auch gleichzeitig der Abt unseres Ordens, der kaiserlichen Klingen.“ Baurus kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Was immer es damit auf sich hat, Bruder Jauffre wird wissen, was das ganze bedeutet. Am besten machst du dich gleich auf den Weg zu ihm.“ Der Rothwardone schritt zur Tür und sperrte sie mit dem passenden Schlüssel auf. Rahir wollte hindurch gehen. An der Schwelle legte ihm Baurus noch einmal die Hand auf die Schulter. „Warte, ich kenne nicht einmal deinen Namen.“ „Rahir. Frag einfach nach dem einäugigen Khajit. Davon wird’s schon nicht so viele geben.“ Baurus lächelte. „Du bist ein starker Krieger, das ist mir aufgefallen. Hast du in Elsweyr als Soldat gedient?“ Rahir zögerte. „Um ehrlich zu sein... kann ich mich an meine Vergangenheit nicht erinnern, an gar nichts.“ Baurus nickte nachdenklich. „Ich habe gehört, dass Krieger, die in vielen grausamen Schlachten kämpfen mussten, irgendwann ihre Erinnerung verlieren, weil sie sie nicht länger ertragen. Vielleicht war es bei dir genauso.“ Rahir sah betroffen zu Boden. „Ja, möglicherweise.“ „Ach ja, noch was.“ Der Rothwardone nahm im das Katana aus der Hand. „Dieses wertvolle Akaviri-Katana wird einen Ehrenplatz in der Sammlung unseres Ordens bekommen. Nimm stattdessen das hier.“ Er griff nach dem kurzen Stahlschwert, das der Kaiser getragen hatte. Etwas enttäuscht nahm Rahir es an. „So ein guter Kämpfer, wie du es bist, kommst du damit auch zu Recht. Hier geht es in die Kanalisation der Kaiserstadt. Nach kurzer Zeit stößt du auf ein großes Gitter, dahinter liegt die Freiheit. Bis dahin wirst du auf nichts übleres als Ratten oder Goblins stoßen.“ Rahir nickte ihm wohlwollend zu. „Was werdet ihr jetzt machen?“ „Die Klingen werden jetzt erst einmal dafür sorgen, dass sich keine Schurken am Leichnam des Kaisers vergreifen können. Dann kommen einige heikle Aufgaben auf uns zu. Das Reich hat keinen Kaiser mehr, und der Thronfolger ist noch nicht gefunden. Jetzt geht es darum, zu verhindern, dass das Reich nicht von innen zerbricht.“ „Na gut. Ich wünsche dir viel Glück.“ „Das wünsche ich dir auch. Und jetzt geh und erfülle dein Schicksal.“ Ohne sich noch einmal umzudrehen, betrat Rahir die Kanalisation. Trübes Wasser plätscherte dahin, in der Ferne ertönte das Quieken der Ratten. Die haben jetzt mir, einem dahergelaufenen Häftling, das wertvollste Artefakt des Kaiserreichs anvertraut, und hoffen darauf, dass ich das richtige damit tue und die Welt rette oder so was... Was für eine verrückte Welt ist das hier eigentlich... Lächelnd hob er das kurze Schwert und stürzte sich auf die Goblins, die noch nicht ahnten, was über sie hereinbrach... Einige Scharmützel weiter erreichte er tatsächlich das breite Kanalrohr, dass ihn ins Freie führte. Das Tageslicht blendete ihn. Einige Momente stand er da und schirmte sein Auge mit der Hand ab, bis er klar sehen konnte. Nach all dem Herumgeschleiche in dunklen Höhlen, Katakomben und Abwasserkanälen raubte ihn die Schönheit der Landschaft den Atem. Er stand inmitten eines weiten, grünen Tals. Nadelwälder schmiegten sich an die sanft geschwungenen Hügelketten, die das Tal einfassten. Blumen und Sträucher blühten, Schmetterlinge flatterten von Blüte zu Blüte. Und rund um die Insel, auf der das Gefängnis stand, floss gemächlich ein dunkelblauer Fluss dahin. Gierig sog er die frische Luft ein. Sie schmeckte wie flüssiger Honig nach all der Zeit, die er in den muffigen Gemäuern verbracht hatte. „So... was mache ich als erstes!“ Seine Hand glitt zu dem Amulett, das er unter der Kleidung trug. „Nein, das kann warten.“ Er atmete tief durch. Er wusste nicht, was das für eine Welt war. Er wusste nicht, wer er selbst war, wo er herkam oder hingehörte, aber... Nachdenklich trat er an das Wasser. Er kniete sich hin und trank es gierig aus seinen hohlen Händen. Seine Kehle war ausgetrocknet, die Wohltat unvergleichlich. Nach dem er seinen Durst gestillt hatte, fiel sein Blick auf die Wasseroberfläche, die sich langsam beruhigte... und sein Spiegelbild. Ein Gesicht, wie eine Raubkatze, nur menschlicher... und mit nur einem Auge. Egal. Ich werde mir mein Leben zurückholen. Ich werde es nützen. Ich werde es leben, unabhängig davon, in was für einer verrückten Welt ich hier gelandet bin. Seufzend richtete er sich auf. Langsam sah er sich um. Dann sah er seine Bekleidung. Diese Kleider sind von einem Attentäter... damit mache ich mich womöglich unbeliebt. Der erste Plan war gefasst. Das erste Ziel, das seinem Dasein einen Sinn gab... Sein Blick wurde von einer dünnen Rauchfahne angezogen. Sie stieg von einer kleinen Insel im Fluss auf. Wo Feuer ist, sind Leute. Wo Leute sind, sind auch Kleider... und auch noch andere Besitztümer, die ich gebrauchen kann. Ein düsteres Lächeln zog über sein Gesicht. Entschlossen umfasste er den Griff des Stahlschwertes. Wie heißt es so schön... Leben... und sterben lassen. Sein Ziel nicht aus den Augen lassend, streifte er den Umhang ab und ließ sich nackt ins Wasser gleiten. Mit Wasser vollgesogen, würde er ihn bei einem Kampf nur hindern. Er behielt nur den Gürtel das Umhangs an, worin das kurze Schwert hing. Den Kopf nur knapp aus dem Wasser haltend, schwamm er in Richtung der kleinen Insel. Als er sich dem Ufer näherte, stieg ihm der Duft gebratenen Fleischs in die Nase, was seine Schwimmbewegungen sogleich beschleunigte. Geräuschlos stieg er aus dem Wasser und suchte Deckung hinter einigen Mauerresten. Es schien, als wäre hier vor langer Zeit ein Bootshaus oder etwas ähnliches gestanden. Hinter die Mauer geduckt, und das Schwert in der Hand, lauschte er den Gestalten am Feuer. „... der alte Sack hat ja gewinselt wie ein Köter, als du ihm gedroht hast, he, he...“ „Hat ihm auch nichts genützt. Aber hör mal, Orrin, müssen wir das mit ihr teilen?.“ „Natürlich nicht. Sie braucht von unserem Nebenberuf nichts zu wissen.“ „Vielleicht sollten wir es ihr trotzdem mal verraten. Vielleicht macht sie ja mit. Zu dritt überfällt es sich sicher leichter.“ „Auf gar keinen Fall, Rhano. So, wie ich sie kenne, hält sie es für falsch. Als ob es viel ehrenwerter wäre, alte Ruinen auf der Suche nach Grabbeigaben zu durchstöbern.“ „Auf jeden Fall ist Wegelagerei sicherer und bequemer...“ Da brauche ich ja nicht einmal Gewissensbisse zu haben, dachte er. Vorsichtig spähte er über die niedrige Mauer aus weißem Kalkstein. Die beiden Banditen schienen mit dem Zählen ihrer Beute beschäftigt zu sein. Rahir schloss sein Auge und atmete tief durch. Dann erhob er sich aus seiner Deckung. Die Banditen bemerkten ihn erst im letzten Moment. Der erste von ihnen, ein Rothwardone, erstarrte vor Schreck, als er sich umdrehte und den fürchterlichen Blick des angreifenden Khajit auf sich spürte. Ein schneller Hieb durch die Kehle ließ ihn röchelnd zu Boden sinken. Der zweite der Schurken, ebenfalls aus Hammerfell abstammend, sprang auf und zog sein Schwert. Rahir parierte die Hiebe das Banditen problemlos. Scheinbar waren es gewöhnliche Strauchdiebe, die bei ihrer Wegelagerei kaum auf Widerstand stießen. Wenige Schwertstreiche später erwischte Rahir ihn am Bein, worauf der Rothwardone sein Schwert fallen ließ und stöhnend in die Knie ging. Blut strömte aus der Wunde oberhalb des Knies. Rahir senkte seinen Kopf, bis er dem verzweifelten Banditen genau in die Augen sehen konnte. Angstschweiß stand auf seiner Stirn, wie er jetzt sah. Rahir flüsterte ihm zischend zu. „Hier bin ich, Cyrodiil...“ Der Rothwardone zitterte vor Furcht. „Nein, bitte... ich ergebe mich...!“ „Jetzt winselt du wie ein Köter!“ Nach diesen Worten rammte Rahir dem Banditen die Klinge bis zum Heft in die Brust. Der sterbende Mann spuckte noch einen Schwall Blut, bevor Rahir ihm seinen Fuß auf die Brust setzte, um das Schwert wieder herauszuziehen. Er stand einfach nur da und betrachtete die beiden Leichen. Langsam kam er wieder zu sich und schüttelte den Blutrausch ab. In mir wohnt eine gewalttätige Seele... Das mit meinem Auge braucht mich nicht zu wundern. Nachdenklich ging er wieder zum Wasser, um das Schwert und seinen Körper vom Blut seiner Gegner zu reinigen. Dann untersuchte er die Leichen. Die Waffen, die sie trugen, waren von minderer Qualität. Er konnte ebenso sein Stahlschwert behalten. Es war deutlich besser als die verrosteten Klingen der Banditen. In einem Lederbeutel fand er die Beute der Banditen, eine Handvoll Münzen sowie einige grüne Edelsteine. Er wusste zwar nicht, was sie wert waren, doch sicher würde er jemanden finden, der sie ihm abkaufen würde. Was ihn aber im Moment noch mehr interessierte, war das gebratene Fleisch, das er vorhin gerochen hatte. Leider fanden sich davon nur noch einige abgenagte Knochen. Schließlich inspizierte er die Kleidung der Banditen. Beide trugen einfache Lederharnische und grobe Hosen. Er zog dem Banditen ohne Loch in der Brust den Harnisch und die Hose aus, wusch im Wasser die Blutspritzer heraus und legte sie an. Etwas störte jedoch. Erzog die Hose wieder aus und betrachtete den Hosenboden. Schließlich nahm er das Schwert und stach ein Loch auf Höhe des Steißbeins hinein. Dort steckte er dann seinen Schweif hindurch, der jetzt frei wedeln konnte. „Steht mir ausgezeichnet.“ Lachend stand er an der Feuerstelle. Er war nach eigenem Ermessen nicht ganz einen Tag hier und hatte bereits ein Verbrechen begangen. Nein, es waren Banditen. Auf die war sowieso ein Kopfgeld ausgesetzt, vermute ich. Er setzte sich ans Feuer. Sein Magen knurrte erneut. Seufzend zog er die Speisereste, die er in den Katakomben gefunden hatte, heraus. Ein Lied pfeifend, spießte er sie nacheinander auf einen Stock auf und hielt sie übers Feuer. Leicht angebraten, besserte sich der Geschmack immerhin etwas. Mit einem der Dietriche öffnete er die Handeisen. Er betrachtete sie noch eine Weile, dann warf er sie im hohen Bogen ins Wasser. An seinen Handgelenken blieben Stellen ausgedünnten Fells zurück. Wie lange habe ich die Dinger wohl schon getragen... ? Nach dem kargen Mahl saß er noch eine Weile am Feuer und hing seinen Gedanke nach. Was fange ich an in dieser Welt... Was kann ich überhaupt? Kämpfen, das kann ich. Rahir erwog seine Möglichkeiten. Zuerst musste er eine Stadt finden. In Städten konnte man Dinge kaufen und verkaufen, sowie Arbeit finden, und wenn es simples Halsabschneiden war. Darin bin ich ja gar nicht schlecht, dachte er, als er die getöteten Gegner betrachtete. Sein Blick schweifte in die Ferne, bis er etwas sah. In der Richtung, in der das Abwasserrohr lag, aus dem er gekommen war, erkannte er die undeutlichen Umrisse einer hohen Mauer im Nebel. Eine Stadtmauer... Er kniff sein Auge zusammen, um mehr erkennen zu können, doch die langsam einsetzende Dämmerung machte dies unmöglich. Es wird bald dunkel. Hier draußen gibt es womöglich noch mehr Strolche. Wenn ich hier bleibe, ereilt mich vielleicht das selbe Schicksal. Als er auf der anderen Seite des Flusses aus dem Wasser stieg, hängte seine nasse Kleidung schwer an ihm. Die ersten Schritte auf dem Trockenem waren mühsam, doch schon bald hatte er seinen Marschrhythmus gefunden und steuerte die sich in der Dämmerung abzeichnenden Umrisse der Stadt an. Sein Weg führte ihn einen sanften, langgezogenen Hügel hinauf, vorbei an den Mauern des Gefängnisses, in dem er am Morgen des Tages noch gesessen war. Nachdenklich betrachtete er das Tor, durch das er gebracht worden musste. Ich kann mich wirklich an nichts erinnern... nicht einmal, wie ich hier hergekommen bin. Kopfschüttelnd ließ er die Anhöhe, auf der das Gefängnis stand, hinter sich. Eine breite, gepflasterte Straße führte vom Gefängnis weg zum Stadttor. Rahir schritt sie entlang, und je näher die Stadtmauer kam, desto höher wirkte sie. Wie ein eherner Steinwall, geschaffen, um Riesen aufzuhalten, ragte sie vor ihm auf. Das muss die Kaiserstadt sein, von der der alte Durandil gesprochen hat. Als er kurz vom dem Stadttor war, musste er den Kopf weit in den Nacken legen, um die Mauerkrone zu erkennen. Links und Rechts des Tores standen Wachen in schwerer Rüstung. Ihr Blick ging stur geradeaus, sie schenkten ihm keine Aufmerksamkeit. Rahir versuchte, ganz ruhig und unbedarft zu wirken, als er an ihnen vorüberging. Im Vorbeigehen warfen sie ihm nur einen flüchtigen Blick zu und wandten sich dann wieder ihrer eintönigen Beschäftigung zu. Das Innere der Kaiserstadt erfüllte ihn mit Ehrfurcht und Erstaunen zugleich. Mehrstöckige Häuser mit prächtigen Fassaden säumten die breiten, sauberen Straßen. Im Zentrum der Stadt überragte ein gigantischer, kühn aufragender Turm wie ein stolzer Wächter alle umliegenden Gebäude. Ein Durcheinander der verschiedenen Rassen und Völker bewegte sich durch die Straßen. Rahir ließ sich von der Masse einfach treiben und lauschte dem Stimmenwirrwarr. Nach der Zeit in den Höhlen und Katakomben wirkte das geschäftige Treiben wie ein nervöser Ameisenhaufen auf ihn. Verwundert sah er die teilweise prächtigen Kleider, die die feinen Bürger der Kaiserstadt trugen. Die Menschen schienen hier wohlhabend zu sein, und zeigten dies scheinbar auch gerne. Die meisten Bürger gehörten dem kaiserlichen Volk an. Der Rest waren Bretonen, Hochelben und Nord. Einige wenige Argonier und Dunmer waren auch unterwegs. Andere Khajit konnte er allerdings keine ausmachen. Die Vielfalt der Eindrücke überforderte ihn fast. Nach einer Weile blieb er stehen, um sich zu orientieren. An den Hauswänden hingen Tafeln mit Aufschriften von Geschäften, wie ihm jetzt auffiel. Vielleicht kann ich hier irgendwo diese Steine zu Geld machen- „Ein Rappenkurier für den Herrn!“ Erschrocken blickte Rahir einen kleinwüchsigen Bretonen an, der ihm ungefragt ein Pergamentstück in die Hand drückte und seinen Weg sogleich fortsetzte. „Die neuesten Nachrichten im Rappenkurier, hört, Leute, und lest den Rappenkurier...“ Verdutzt sah er dem Mann nach, wie er in der Menge verschwand und weitere Exemplare austeilte. Dann sah er das Pergament an. „...der Graufuchs ist immer noch nicht gefasst, trotz fieberhafter Bemühungen der kaiserlichen Wache. Vielleicht ist Hieronymus Lex, der Kommandant der Stadtwache, mit der Angelegenheit wirklich überfordert...“ Sehr interessant... Kopfschüttelnd drehte Rahir das Pergament um. Auf der Rückseite fand er die Darstellung eines Kreises, der ihn sechs Segmente unterteilt war. Die Segmente waren beschriftet. Marktviertel... Tempelviertel... Talos-Platz-viertel... Ein Stadtplan! Lächelnd steckte er das Pergament ein. Dann ging er der Reihe von Geschäften entlang und las die Tafeln. ‚Göttliche Eleganz’... ‚Rindir’s Stäbe’... ‚Jensine’s Gemischtwarenhandel’ Bei dieser Tafel blieb er stehen. Nach kurzem Überlegen betrat er den Laden. Hinter der schweren Holztür verbarg sich ein hoher Raum, angefüllt mit Regalen und Tischen. Stoffballen, Glasviolen, Bücher und viele andere Dinge standen auf ihnen scheinbar wahllos verteilt. Hinter einer Theke kam eine Frau zum Vorschein. Als sie Rahir erblickte, musterte sie ihn argwöhnisch vom Scheitel bis zur Sohle. Ihre Skepsis entging ihm nicht. Tiermenschen sind in diesem Land wohl nicht besonders angesehen... „Wir schließen in Kürze, also wenn ihr euch schnell entscheidet...“ Ihre Stimme klang kalt und abweisend wie ein Stein. Rahir räusperte sich und trat an die Theke. „Kauft ihr auch Sachen an?“ Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Argwohn und Mitleid an. „Kommt ganz darauf an.“ Er griff in den Beutel und streute die grünen Steine auf die Theke. Der Blick von Jensine veränderte sich schlagartig. Sie hob einen nach dem anderen hoch, um sie gegen das Licht der Laterne halten. In ihren Augen blitzte Gier auf. Im nächsten Moment bemühte sie sich wieder, möglichst ausdruckslos zu blicken. „Die sind... etwa fünfzehn Goldstücke wert pro Stück. Was sagt ihr?“ Rahir überlegte kurz. Dann antwortete er. „Zwanzig Goldstücke. Jensine’s Gesicht verhärtete sich. Scheinbar focht sie einen inneren Kampf aus. „Siebzehn. Mehr biete ich nicht.“ „Einverstanden.“ Um 85 Goldstücke reicher, verließ er den Laden. Kaum war er draußen, hörte er das laute Klacken des Türschlosses. Schulterzuckend setzte er seinen Weg durch die mittlerweile vom sternenbedeckten Himmel überspannte Straße fort. Laternen an den Hauswänden warfen trübes Licht auf die Straße. Die Menschen wurden weniger, sie schienen sich allmählich in ihre Häuser zurückzuziehen. Ich sollte mir auch einen Platz zum Schlafen suchen... Ratlos blickte er sich um. Dann wandte er sich an eine der patrouillierenden Stadtwachen. „Verzeiht, könnt ihr mir sagen, wo man hier gut nächtigen kann?“ Die Geringschätzung seiner Rasse war deutlich in den Augen des Soldaten zu erkennen. Gelangweilt begann er zu erklären. „Das beste Haus am Platz ist die ‚Herberge zum Septim’, aber für euch... ist wohl ‚der gefüllte Krug’ besser geeignet. Ist gleich dort am Ende der Straße, dann links.“ Bevor Rahir etwas erwidern konnte, setzte der Soldat seinen Weg schon wieder fort. Achselzuckend folgte er der Beschreibung. ‚Der gefüllte Krug’ erwies sich als düstere, stinkende Kneipe. An den Preisen, ausgeschrieben neben der Eingangstür, sah er, dass sie zumindest billig war. Kann nur besser sein, als das kaiserliche Gefängnis... An der Theke saßen eine Reihe von ungepflegten Gestalten, denen der Wirt, ein fettleibiger, glatzköpfiger vom Kaiservolk, bereitwillig schal riechendes Bier einschenkte. Zwischen einem bereits betrunkenen Bretonen und einer abwesend wirkenden Nord nahm er Platz. Sogleich steuerte ihn der Wirt an. „Seid gegrüßt, Reisender! Was darf ich euch einschenken?“ „Habt ihr außer eurem Bier noch was anderes warmes, Wirt?“ Einige der Gäste, die noch annähernd nüchtern waren, lachten beiläufig. Der Wirt bemühte sich, sie zu ignorieren. „Äh, natürlich. Eintopf mit saftigen Fleischbrocken, die Spezialität des Hauses, kann ich euch anbieten.“ „Dann bringt mir beides.“ Der Wirt räusperte sich. „Sehr wohl. Ihr habt sicher Verständnis, wenn ich im Voraus kassiere? Ihr seid noch kein Stammgast, wenn ihr versteht...“ Wortlos streute Rahir einige Münzen auf die Theke, die der Wirt eilig einsammelte. Momente später standen ein Krug und eine dampfende Schale vor ihm. „Lasst es euch schmecken. Wir haben nicht oft Gäste aus Elsweyr hier in der Kaiserstadt, darf ich fragen, wie eure Reise war?“ Rahir bedachte ihn mit einem eindringlichen Blick aus seinem einzelnen Auge. Der Wirt verstand sofort. „Nun gut, also, wenn ihr noch Wünsche habt, meldet euch...“ Kleinlaut zog er sich zurück und kümmerte sich wieder um seine betrunkenen Gäste. Die warme und mit Gerüchen angefüllte Luft machte ihn schläfrig. Er rieb sich das Gesicht und griff dann gähnend nach einem Holzlöffel, um sein Mahl zu beginnen. Er rührte mehrmals um, bevor er kostete. Nach der notdürftigen Verpflegung des letzten Tages schien ihm der dampfende Eintopf köstlich wie Götterspeise. „Von wegen saftige Fleischbrocken. Ich habe keine gefunden.“ Langsam drehte er sich zu der Frau aus Himmelsrand hin, die neben ihm saß und betrachtete sie genauer. Die scharfen Züge ihres Gesichtes ähnelten den eines Falken und ließen nicht an Entschlossenheit vermissen. Ihr ärmelloses Kettenhemd enthüllte kräftige Arme. Ihre Beine steckten in einer derben Wildlederhose, die schon einiges mitgemacht hatte. Auf ihrem Rücken hing ein kunstvoll verzierter Stahlbogen mit einem gleichartigen Köcher. An der Seite trug sie einen kurzen Dolch. „Wenn ein Wirt in Skyrim seinen Gästen einen so mickrigen Fraß so vollmundig ankündigt, weißt du, was dann mit ihm geschieht?“ Der Wirt schenkte ihr nur einen abfälligen Blick und winkte ab. „Den Wölfen in der Wildnis wird er vorgeworfen, jawohl!“ Schnaubend nahm sie wieder einen Schluck von ihrem Bierkrug. Rahir schüttelte den Kopf. „Also mir schmeckt es.“ Verwundert sah sie ihn an. „Ist das dein Ernst? Da musst du ja einiges gewohnt sein. Ist die Lage in Elsweyr wirklich schon so schlimm?“ Rahir zuckte mit den Schultern und aß wortlos weiter. Als er in der Schüssel umrührte, fiel ihr Blick auf sein Handgelenk. „Aha... Tja, im Vergleich mit der Verpflegung in den Vulkanglasminen von Morrowind ist das hier sicher ein Verbesserung.“ Rahir antwortete, ohne von der Schüssel aufzusehen. „Morrowind? Nie gehört.“ Die Frau stutzte. „Hm, es herrscht das Vorurteil, dass ihr Khajit nicht viel Wert auf Bildung legt, aber die Provinzen von Tamriel wirst du doch kennen? Tja, wenn du kein Sklave warst, bleibt wohl nur noch der kaiserliche Kerker.“ Bei der Erwähnung verschluckte sich Rahir und hustete. „Wusste ich’s doch. Ich bin übrigens Edla Düsterherz.“ Er sah von seiner mittlerweile fast leeren Schüssel auf. „Ich bin Rahir.“ Sie lächelte knapp. „Freut mich. Du wurdest vor kurzem entlassen, vermute ich?“ Rahir schabte den Rest des Eintopfs vom Boden der Schale. „So was in der Art.“ Edla lachte. „So was in der Art? Sag bloß, du bist ausgebrochen. Das ist seit dem großen Jaga Tharn niemanden mehr gelungen.“ „Kann sein.“ Sie stützte ihr Kinn auf die linke Hand und beäugte ihn interessiert. „Und weißt du schon, was du mit deiner neugewonnenen Freiheit anfangen wirst? So, wie du aussiehst, könntest du bei der Kriegergilde anheuern. Die suchen immer Leute mit Mumm.“ Rahir wischte sich den Mund ab und blickte sie wissbegierig an. „Die... Kriegergilde? Wo finde ich sie?“ Sie winkte lachend ab. „Vergiss es. Sie haben hier in der Kaiserstadt keine Niederlassung, und außerdem nehmen sie nur unbescholtene Bürger. Die kahlen Stellen an deinen Handgelenken würden dich verraten.“ Ernüchtert wandte er sich seinem Krug zu. „Mach dir nichts draus. Glaub mir, ist ein schrecklicher Verein. Ich weiß es, ich war selbst einige Zeit Mitglied. Ständig musst du nach der Pfeife irgendeines Provinzkommandanten tanzen. Das ist nichts für Leute, die die Freiheit schätzen, so wie ich.“ Grübelnd starrte er in seinen Krug. „Freiheit... ja, die ist wichtig...“ „Sag ich doch! Was ist das Leben ohne Freiheit wert, ha? Nicht einen Septim. Wenn du nicht frei wie der Wind bist, dann endest du noch so wie die Trunkenbolde hier.“ Mit einer ausladenden Geste deutete sie auf die Gäste der Spelunke. „Wenn die Freiheit so wichtig ist... warum bist du dann hier?“ „Ich habe ein paar Sachen hier in der Stadt veräußert, und jetzt hänge ich hier fest. Um ehrlich zu sein, ich wollte mich hier mit dem Rest meiner Bande treffen. Aber sie tauchen nicht auf.“ „Bande?“ Edla hob die Schultern. „Bande ist eigentlich übertrieben. Zwei freiberufliche Abenteurer, so wie ich. Eigentlich Strolche, aber wir haben schon ein paar Ruinen miteinander ausgeräumt, und bis jetzt waren sie immer zuverlässig...“ Rahir kratzte sich am Kinn. „Wie sahen sie denn aus?“ „Die zwei? Es sind Brüder aus Hammerfell, Rhano und Orrin. Ich habe sie vor drei Tagen das letzte Mal gesehen. Sie wollten irgendetwas auf eigene Faust machen, haben nicht genau gesagt, was. Ich vermute, sie haben ein krummes Ding gedreht und sitzen jetzt in der Patsche.“ Rahir räusperte sich. „Gut vorstellbar.“ „Bei der Gelegenheit. Hättest du nicht Lust, mich zu begleiten? Ich weiß, wo es Burgruinen gibt, in denen prächtige Reichtümer auf verwegene Abenteurer wie uns warten. Du kannst gut mit dem Schwert umgehen, stimmt’s?“ „Woher glaubst du das zu wissen?“ Sie nickte überlegen. „Das ist leicht zu erraten. Dein Schwert trägt frische Scharten, und dein Auge... es wurde durch einen Schwerthieb blind. Nicht unbedingt die Berufsverletzung eines Bauern.“ Rahir sah sie prüfend an. „Und woher weißt du, das du mir vertrauen kannst?“ Sie lächelte geheimnisvoll. „Ich kann Männer gut einschätzen, auch die deiner Rasse, glaub mir.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Und woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?“ Sie hielt seinem Blick stand. „Ich fürchte, dafür kann ich dir keine Sicherheit geben.“ Dann lehnte sie sich zurück. „Ich könnte dir ja mein Ehrenwort als Nord geben, falls das etwas zählt für dich.“ „Behalt dir dein Ehrenwort, ich glaube dir.“ Freudig klatschte sie in die Hände. „Sehr gut! Die beiden Hohlköpfe tauchen sowieso nicht mehr auf. Wirt, bring uns noch jedem ein Bier! Darauf müssen wir anstoßen!“ Gemeinsam leerten sie noch einige Krüge. Die Nacht schritt voran, und bald war ‚der gefüllte Krug’ bis auf die beiden und einige wenige Berufstrinker leer. Edla erzählte wie ein Wasserfall von ihren Taten, ihren Abenteuern und über ihre Heimat Skyrim im hohen Norden von Tamriel. Rahir hörte aufmerksam zu, schließlich galt es, möglichst viel über diese Welt zu lernen. „... und Solstheim, das musst du dir mal ansehen, ist das eine prächtige Stadt! Nicht so groß und protzig wie die Kaiserstadt, aber die Schmiede dort sind die besten, verarbeiten nur edelstes Ebenerz zu Schwertern und Rüstungen. Und die Tavernen schenken ein Bier aus, das ernährt einen gestandenen Nord den ganzen Tag und schützt ihn vor der Kälte, ich sag’s dir...“ Wehmütig ging ihr benebelter Blick in die Ferne. Rahir blinzelte seinen Krug an und wandte sich dann wieder ihr zu. „Du vermisst deine Heimat, nicht?“ Edla schüttelte den starren Blick wieder ab und wischte sich den Mund ab. „Ja, das tue ich. Sogar die Kälte. Wenn ich genügend zusammengetragen habe, dann kehre ich zurück, jawohl... Wie ist es mit dir? Planst du schon deine Rückkehr nach Elsweyr?“ Verlegen drehte er seinen leeren Krug. „Nein... eigentlich nicht.“ In einer übertriebenen Geste hob sie die Arme. „Geht mich ja wirklich nichts an, aber... für euch Khajit ist Cyrodiil kein sonderlich guter Boden. Alle Khajit, die ich kenne, sind entweder in der Diebesgilde oder hausen in den schäbigen Vierteln von Bravil oder Anvil. Wenn du mit einem gewissen Wohlstand in deine Heimat zurückkehrst, wärst du dort ein gemachter Mann...“ Rahir’s Hand zitterte, dann zersprang der Krug zu Scherben, den sie gehalten hatte. Der Wirt, der im Hintergrund gedankenversunken Schalen auswusch, zuckte zusammen. Edla’s Augen wurden groß. „Ich... ich habe keine Heimat.“ Sie sah ihn verwirrt an. „Wie meinst du das? Jeder kommt von irgendwo.“ „Ich kann mich... an nichts erinnern.“ Sie kniff ihre Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Was heißt das, ‚du kannst dich an nichts erinnern’?“ Er seufzte tief. „Was es eben heißt. Das erste, was ich weiß, ist, dass ich im kaiserlichen Gefängnis in einer Zelle zu mir gekommen bin. Und das war heute früh.“ Edla sah ihn an wie einen Geist. Dann trank sie ihren Krug leer. „Das ist eine ungewöhnliche Geschichte. Soll manchmal vorkommen. Ich bin mir aber sicher, dass dein Gedächtnis irgendwann zurückkommt.“ „Hoffentlich“, erwiderte er abwesend. Edla streckte sich gähnend. „Wie dem auch ist, wir sollten zu Bett gehen. Morgen wird ein langer Tag.“ Sie streute einige Münzen auf die Theke, die der Wirt dankbar nickend einsammelte. Rahir tat dies ebenfalls und bezahlte gleich das Quartier für eine Nacht. „Die Treppe hinauf und dann am Ende des Gangs, dort sind die Unterkünfte“, rief ihnen der Wirt nach, während sie die Stufen schwankend erklommen. „Ja, ja, wir sind ja nicht blöd, nur betrunken. Wir finden es schon.“ Vom Bier benebelt, stolperten sie den Gang entlang. Edla öffnete eine Tür. Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um. „Morgen früh, zur ersten Stunde nach Sonnenaufgang, treffen wir uns im Schankraum, einverstanden?“ Rahir nickte müde. „Na dann, eine gute Nacht.“ Sie schloss die Tür hinter sich. Schläfrig ordnete Rahir seinen spärlichen Besitz auf dem Tisch in dem kleinen Zimmer. Dann zog er seine Kleidung, seinen Lederharnisch und die Hose aus. Als er sich ins Bett sinken ließ, kam es ihm vor wie im Himmel. Die weiche Matratze des kleinen Betts fühlte sich eine flaumige Wolke unter seinem Rücken an. Als er sein Auge schloss, fiel er nach kurzer Zeit in einen tiefen, traumlosen Schlaf... Die ersten Sonnenstrahlen fielen schräg in den Raum, als er aufwachte. Staub tanzte im goldenen Licht, das durch die in Zinn eingefassten Glasrauten in sein Zimmer strömte und es mit wohliger Wärme erfüllte. Wie anders war es als am vorigen Tag, an dem er in einem feuchten, finsteren Kerker zu sich kam. Als er sich im Bett umdrehte, spürte er einen kantigen Gegenstand an seiner Brust. Verwirrt tastete er danach. Es war das Amulett, das er nach wie vor trug. Er hob es an und hielt es gegen das Licht. Der Rubin darin funkelte so betörend, als ob lebendiges Blut darin pulsieren würde. Das Blut der Drachen... Nachdenklich ließ er es sinken. Es ist zu mir gekommen... Warum wohl? Was habe ich damit zu tun? Die Geschicke des Kaiserreiches... interessieren mich nicht. In erster Linie will ich überleben. Die trüben Gedanken verscheuchend, stand er auf und wusch sein Gesicht in einem Becken mit Wasser. Dann trat er ans Fenster und öffnete es. Auf den Straßen der Kaiserstadt herrschte bereits reger Betrieb. Karren, beladen mit den unterschiedlichsten Gütern, wurden knarrend ihrem Ziel entgegen gezogen. Geschäftsinhaber machten sich daran, ihre Läden aufzumachen. Tief atmete er die frische Morgenluft ein, dann schloss er das Fenster wieder. Seinen Oberkörper streckend, kam er die Treppe in den Schankraum hinabgelaufen. Mein Rücken ist ein so weiches Lager scheinbar nicht gewohnt... Der Schankraum war leer, bis auf Edla, die an einem der Tische saß und frühstückte. Sie winkte ihn zu sich. „Da ist ja unser Langschläfer! Setz dich her und iss, wir haben einen langen Marsch vor uns.“ Er nahm ihr gegenüber Platz. Auf mehreren Holztellern langen Brot, Käse und verschiedene Früchte bereit. „Lang nur zu. Ist genug für uns beide da.“ Er ließ es sich nicht zweimal sagen. Fast schon gierig schlang er Bissen um Bissen hinunter. Edla, die schon satt war, beobachtete ihn fasziniert. „So eine durchzechte Nacht macht ganz schön hungrig, was? Um ehrlich zu sein, mit einem Khajit habe ich noch nie getrunken. Ihr vertragt aber einiges, wie ich fest gestellt habe.“ Ohne aufzusehen, kaute er vor sich hin. „Wie bist du eigentlich auf mich gekommen? Wäre ein Nord, wie du es bist, nicht besser geeignet als Mitstreiter?“ Edla winkte ab. „Hier, im kaiserlichen Herzland, gibt es nicht viele Nord. Die meisten von ihnen wohnen in den Jerallbergen, an der Grenze zu Skyrim. Außerdem bin ich ein neugieriger Mensch. Ich will mehr erfahren über euch Khajit.“ Rahir hielt mit dem Kauen kurz inne. „Da bist du an den falschen geraten. Ich weiß leider noch weniger über meine Rasse, als du.“ Edla nickte und lächelte dabei geheimnsivoll. „Das kann sein. Ich habe zum Beispiel gehört, dass ihr Khajit beim Liebesspiel besonders hemmungslos seid und dabei auch nicht auf ein Geschlecht festgelegt seid.“ Rahir verschluckte sich. Heftig hustend, kam ein Stück eines Apfels zum Vorschein und kullerte über den Tisch. Dann sah er sie misstrauisch an. „Tatsächlich?“ Edla nickte eifrig. „Oh ja. Ich habe Dinge über deine Rasse gelesen, die ich kaum wiedergeben kann. Ich frage mich, ob ihr wirklich so feurige Liebhaber seid.“ Mit ihrem Blick schien sie ihn durchbohren zu wollen. Sich räuspernd, wich er ihm aus. „Das frage ich mich auch.“ Sie begann, mit den Fingerspitzen auf dem Tisch zu trommeln. „Wenn unser Beutezug erfolgreich ist, und wir zu etwas Geld kommen, um einige Zeit sorgenlos leben zu können... dann können wir das ja nachprüfen.“ Rahir wischte sich den Mund ab und stand auf. Mit gerunzelter Stirn ordnete er seinen Schwertgurt. „Ich glaube, wir sollten aufbrechen.“ Hinterlistig lächelnd stand Edla ebenfalls auf und ging zur Tür. „Ja, das sollten wir...“ Gemeinsam verließen sie den Marktbezirk durch eines der großen Tore, die die einzelnen Viertel miteinander verbanden. Der Bezirk, den sie jetzt durchquerten, beherbergte noch höhere und prächtigere Häuser als der Marktbezirk, wie Rahir erstaunt feststellte. Im Zentrum des Bezirks kamen sie an einem Säulenhain vorbei, in dessen Mitte die steinerne Statue eines Drachen mit ausgestreckten Flügeln stand. Rahir dachte nach und erinnerte sich an den Stadtplan im Rappenkurier. „Das hier ist... der Talos-Platz-Bezirk, richtig?“ „Stimmt. Er ist die nobelste Wohngegend der Kaiserstadt. Hauptsächlich reiche Beamte und wohlhabende Adelige wohnen hier.“ Rahir deutete im Vorbeigehen auf die Statue. „Das ist dann Talos...“ „Ja. Die Kaiserstadt ist Talos, einem der neun göttlichen geweiht. Einige im hohen Rat halten dies übrigens für einen Frevel. Sie finden, die Hauptstadt des Reichs sollte Akatosh, dem Oberhaupt der neun gewidmet sein, doch die Mehrheit war dafür. Es ist letztendlich auch passender, denn Talos ist der Patron der Feldherrn und Krieger. Schließlich hat das Kaiserreich seine heutige Ausdehnung seinen Truppen und nicht seinen Priestern oder den neun zu verdanken.“ Rahir hörte interessiert zu. „Glauben alle Menschen in diesem Land an die Neun?“ Edla antwortete lachend. „Nein, nicht alle, auch wenn der Ältestenrat es gern sehen würde. Vor allem die Dunmer halten nach wie an der Ahnenverehrung fest. Die sind überhaupt eine seltsame Spezies. In Morrowind, ihrer angestammten Heimat, steht alle hundert Schritte eine Ahnengruft, wo sie die Gebeine ihrer Vorfahren verehren.“ „Morrowind? Wo liegt das?“ Edla dachte kurz nach. „Es grenzt an Cyrodiil im Osten. Aber die Insel Vardenfell, die meist gemeint wird, wenn von Morrowind die Rede ist, liegt ganz im Nordosten von Tamriel.“ Sie passierten nun ein weiteres Tor. Dieser Bezirk wurde fast vollständig ausgefüllt von einem riesigen, ovalen Gebäude, an dessen Mauerkronen ein ganzer Wald von Flaggen flatterte. „Warst du schon dort?“ „In Morrowind? Allerdings. Ist aber eine wirklich öde Gegend. Der Großteil der Insel ist von der Asche des ‚roten Berges’ bedeckt, ein riesiger Vulkan im Zentrum. Und erst die Einheimischen! Zum größten Teil Dunmer, die allen Fremdländern höchst misstrauisch gegenüber sind.“ Sie kamen an einem hochgezogenen Tor vorbei, das ins innere des ovalen Gebäudes führte. Edla deutete beiläufig darauf. „Das ist übrigens die Arena, der wichtigste Platz für Schaukämpfe und Wetten in ganz Cyrodiil. Wenn du dich für einen mächtigen Krieger hältst, dann kannst du dich dort versuchen. Dem Großmeister der Arena winkt gewaltiger Reichtum.“ Rahir blieb stehen und sah die Arena bewundernd an. „Wirklich? Das heißt, ich muss dort nur gut kämpfen und werde damit reich...?“ Edla lachte belustigt. „Das haben sich schon viele gedacht. Sie alle wurden mit den Füssen voran wieder rausgebracht. Im Ernst, dafür musst du ein ausgezeichneter Kämpfer sein, und außerdem brauchst du eine starke verzauberte Waffe. Alle Kämpfer der Arena verwenden welche, und manche sind Zigtausend von Goldstücken wert. Wenn ich so eine Waffe besäße, dann würde ich sie verkaufen und mich zur Ruhe setzen, glaub mir.“ Edla ging weiter. Rahir sah sich noch kurze Zeit das imposant aufragende Gebäude an und folgte ihr dann. Schließlich kamen sie zum Westtor der Kaiserstadt. Von der Brücke, die über den See Rumare führte, bot sich ihnen ein packender Ausblick über das Land. Edla zeigte mit dem Arm nach Westen. „Vor uns liegt der große Forst. Dort ist unser Ziel.“ Seufzend sah sie zur Seite. Dort befand sich außerhalb der Stadtmauern ein Pferdegehöft. Braune und gefleckte Pferde grasten friedlich innerhalb der Koppel. „Du hast nicht zufällig 800 Goldstücke übrig?“ Rahir warf einen kurzen Blick in seinen Geldbeutel. „Hm...nein, nur noch 65.“ „Tja, dann werden wir wohl laufen müssen.“ Sie setzte sich in Bewegung. Rahir blickte noch kurz in Richtung des Gehöfts, dann folgte er ihr. „Soviel kostet ein Reitpferd?“ „Allerdings. Egal, die sind eh nicht besonders praktisch. Bei der ersten Begegnung mit wilden Tieren scheuen sie womöglich und werfen dich ab. Auf Schusters Rappen hat auch seine Vorteile.“ Rahir ging neben ihr und nickte. Aber wirklich überzeugt klang das auch nicht... Sie überquerten den See Rumare und kamen an einer kleinen Siedlung am Westufer des Sees vorbei. Die Häuser lagen dicht am Wasser. Ein Steg ragte in den See, und mehrere Boote lagen vor der Bucht. Männer darin warfen Netze aus. Die gepflasterte Straße führte dann leicht bergan. Die vereinzelten Bäume der Westebene wurden allmählich dichter und bildeten von nun an den ‚großen Forst’. Schon bald reichten der Wald aus Föhren, Eichen und Ulmen bis an den Rand der Straße heran. An einer Weggabelung stand ein Wegweiser. Ein Pfeil zeigte nach Süden. Darauf stand geschrieben: Skingrad. Der andere Pfeil zeigte nach Westen, in die Richtung, in die sie gingen. Er sagte: Chorrol. Rahir blieb überrascht davor stehen. „In dieser Richtung... liegt Chorrol?“ „Ja“, antwortete Edla beiläufig. „Überrascht dich das? Ist von deiner Erinnerung noch immer nichts zurückgekehrt?“ Rahir schüttelte den Kopf. „Nein, nicht das geringste.“ „Kopf hoch“, ermunterte sie ihn, „das wird schon wieder.“ Die hohen Baumwipfeln links und rechts des Wegesrands warfen ihre Schatten auf die Straße. Die Sonne, die sich ihrem Höchststand näherte, kroch ganz langsam über die Baumkronen hinweg und funkelte durch die Äste hindurch. „Gehen wir nach Chorrol?“ Edla sah ihn überrascht an. „Nein, unser Ziel liegt wesentlich näher. Was willst du denn dort?“ „Äh, nichts. Aber... wie weit ist es bis dort?“ Edla überlegte. „Wie weit? Ich würde sagen... zu Fuß sind es etwa zwei Tagesreisen, mit dem Pferd eine halbe. Kommt dir der Name etwa bekannt vor? Vielleicht stammst du ja von dort ab!“ Rahir winkte ab. „Nein, es ist nur...im Kerker habe ich jemanden kennen gelernt, der von dort ist“, log er, um keinen Verdacht zu erwecken. So marschierten sie auf der ‚schwarzen Straße’, wie die Verbindung zwischen der Hauptstadt und Chorrol im Kaiserreich genannt wurde. Nach einiger Zeit blieb Edla stehen und betrachtete die umliegenden Baumgruppen genau, als versuchte sie sich an etwas zu erinnern. „Ja, hier ist es.“ Sie bog nach links ab und verließ die Straße, um ihren Weg querfeldein fort zu setzen. „Sag mal, Edla, es gibt hier eine Menge Banditen, die Reisende überfallen, oder?“ Edla nickte. „Wahrlich. Es ist keine gute Idee, unbewaffnet das kaiserliche Herzland zu verlassen. Auf den Hauptstraßen patrouillieren zwar berittene Soldaten, die können aber auch nicht überall gleichzeitig sein. In Wahrheit ist es doch so, dass der Ältestenrat nach außen hin immer so tut, als wäre Cyrodiil zivilisierter als die neueren Provinzen, tatsächlich aber herrscht bereits wenige Kilometer von der Hauptstadt und außerhalb der Grafschaften das Faustrecht. Die kaiserliche Armee kann oder will dagegen nichts tun. Denen ist es doch am liebsten, wenn sie nie aus ihren Garnisonen raus müssen.“ „Na ja... vielleicht sind deine Gefährten, die rothwardonischen Brüder, solchen Banditen zum Opfer gefallen? Das könnte doch sein...“ Edla lachte herzhaft auf. „Die Zwei? Niemals! Die wussten sich ihrer Haut zu wehren, hab da keine Angst. Außerdem waren sie früher selbst Banditen, sie wissen also um die Gefahren der Wildnis. Sie haben mir gesagt, dass sie aber von nun an ein ehrliches Leben als Schatzsucher führen wollen. Gesagt haben sie es zumindest, wobei... egal. Uns zwei wird nichts passieren. Du musst nur deine Augen und Ohren offen halten, dann- “ Sie sah ihn irritiert an. „Tut mir leid, ich meinte... dein Auge offen halten...“ Rahir winkte gleichgültig ab. „Vergiss es.“ „Aber... wie ist das eigentlich, nur ein Auge zu haben? Wie lange hat es gedauert, bis du dich daran gewöhnt hast?“ „Keine Ahnung, ich erinnere mich nicht daran, wie ich bereits gesagt habe.“ Edla schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wie dumm von mir, tut mir wirklich leid- he, da ist es! Wir sind da!“ Aufgeregt lief sie an ihm vorbei und verschwand zwischen den Bäumen. Rahir hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Edla blieb an der Kante eines Erdabbruchs stehen. Von dort aus konnte man die Ruine gut überblicken. Ein hoher Turm von mindestens dreißig Schritten Umfang und aus weißem Kalkstein erbaut, stand vor ihnen. Der obere Bereich war teilweise eingestürzt, das ursprüngliche Dach fehlte vollkommen. An der Seite des Turms standen die Reste von Nebengebäuden, die einst im Schatten des Hauptturmes gestanden waren, die nunmehr aber nur noch in Fragmenten existierten. „Ich habe diese Ruine vor einigen Tagen bei der Jagd entdeckt und mir ihre Stelle gemerkt.“ „Du hast sie nicht gleich durchsucht?“ Edla bedachte ihn mit einem verwunderten Blick. „Man merkt, du hast von diesem Geschäft keine Ahnung. Ohne Mitstreiter, die einem den Rücken decken, ist es sehr riskant, eine Ruine zu durchstöbern. Unter Umständen hat man an den Schätzen, die man entdeckt, nur sehr kurz Freude.“ Rahir’s Blick wurde nachdenklich. „Welche Gefahren erwarten uns denn da drin?“ „Das kann man nie wissen. In vielen Ruinen spukt es, weißt du? Die Geister der früheren Bewohner weigern sich oft, diesen Ort zu verlassen und attackieren Eindringlinge.“ Rahir wurde etwas bange. „Geister? Wie bekämpft man denn Geister?“ Als Antwort zog Edla Düsterherz ihre Dolch aus der Scheide. Er glänzte verheißungsvoll in der Sonne. „Mit einer Waffe aus Silber, wie dieser hier. Ich habe sie eigens für diesen Zweck bei mir. Mit normalen Waffen richtest du nämlich nichts aus gegen Geister.“ Rahir atmete tief aus. „Na, dann bin ich ja beruhigt.“ Edla lächelte. „Mach dir keine Sorgen. Meistens sind es ganz gewöhnliche Widersacher, auf die man in Burgruinen stößt. Nämlich Räuber, die verlassene Ruinen zu ihren Schlupfwinkeln erklären, an denen sie dann ihre Beute lagern.“ „Und genau darauf haben wir es abgesehen?“ Edla nickte anerkennend. „Erraten. Wir Schatzsucher nutzen nämlich eine Lücke im Gesetz. Sie besagt, dass nichts zweimal gestohlen werden kann. Wenn wir also Banditen töten und ihnen ihre Beute abnehmen, handeln wir im Sinne des Gesetzes und dürfen das dabei gefundene auch noch behalten. Außerdem, wie du dir vorstellen kannst, wurden die meisten Burgruinen schon vor langer Zeit geplündert. Es ist also sehr unwahrscheinlich, Besitztümer der ursprünglichen Bewohner zu entdecken.“ Edla suchte eine weniger steile Stelle des Erdabbruchs und schlitterte dort hinunter. Rahir folgte ihr behände. „Woher weißt du, ob nicht eine vollständige Räuberbande uns da drin erwartet?“ „Bei Tag sind die immer auf ihren Raubzügen, und das Versteck wird kaum bewacht. Die haben doch Angst im Dunkeln“, sagte sie spöttisch lachend. Sie näherten sich dem Turm und umrundeten ihn. An einer Seite war er offen. Im Inneren des Turmes führte an den Mauern eine gewundene Treppe nach oben und verlor sich dort. Früher einmal hatte sie wohl in die oberen Stockwerke geführt, die aber schon lange nicht mehr bestanden. Der Steinboden war im Laufe der Zeit von der Natur zurückerobert worden. Gras, niedrige Sträucher und Ginsterbüsche wucherten aus ihm heraus. Am hinteren Ende des Innenraums prangte ein breites, hölzernes Portal. Edla nahm ihren Bogen vom Rücken und betrat vorsichtig das Rund. „Hörst oder riechst du irgendwas, Rahir?“ „Nein, hier ist niemand- einen Moment Mal, ich bin nicht dein Spürhund! Oder hast du mich etwa nur deshalb mitgenommen?“ Sie drehte sich um und sah ihn betroffen an. „Du verstehst mich falsch, wir sollten aber doch deine Fähigkeiten nutzen, oder? Du bist mein gleich berechtigter Mitstreiter, glaube mir!“ Rahir rümpfte die Nase. „Dann frag mich nie wieder so was. Wenn Gefahr droht, erfährst du es schon von mir.“ Grummelnd ging er an ihr vorbei. „Entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen.“ Vor dem Portal blieb er stehen. „Ich verzeihe dir. Es ist nur so... in diesem Land wird meinesgleichen oft genug herablassend behandelt. Das werde ich mir sicher nicht gefallen lassen.“ Sie ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Das ist auch richtig so. Glaub mir, ich schätze dich. Als Khajit, als Weggefährte...“ Sie kam jetzt näher. Mit der anderen Hand glitt sie unter seinem Arm durch und strich von hinten über seine Brust. „... und als Mann“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er schüttelte sie aber ab. Mit beiden Händen packte er den Riegel, der das Portal verschloss. „Dann ist es ja in Ordnung.“ Knurrend wuchtete er den schweren Riegel hoch. Knarrend öffnete sich das Portal. Das Tageslicht fiel einige Schritte weit ins Innere der Ruine, von dort an herrschte aber undurchdringliche Schwärze. Edla trat an ein Fass heran, das neben dem Eingang stand, und nahm eine Fackel heraus. Mit einem mitgebrachten Feuerstein entzündete sie die Fackel. „Ich könnte ja jetzt sagen, ‚geh voraus, ihr Khajit könnt ja ihm Dunkeln sehen’, aber nein. Wir gehen zusammen.“ Trotzig zog sie ihren Dolch. Mit der Fackel in einer Hand und dem Dolch in der anderen, ging sie los. Rahir zog ebenfalls sein Schwert und folgte ihr kopfschüttelnd. Der Eingang mündete in einen langen Gang. An einigen Stellen war ein Teil der Decke herabgestürzt und lag in Trümmern herum. Manchmal wucherten sogar die Wurzelstränge von Bäumen durch die Öffnungen. An anderen Stellen hatte sich scheinbar durch Erdverschiebungen der Boden gehoben oder abgesenkt und die Platten, die den Boden bildeten, zerbrochen. „Es brennen keine Fackeln. Hier ist also niemand.“ Edla schüttelte langsam den Kopf. „Das muss nicht sein. Manche Banditen besitzen Ringe der Infravision, Artefakte, die ihnen das Sehen in der Dunkelheit ermöglichen. Oder sie haben Zauberer in ihren Reihen, die derartige Sprüche beherrschen.“ Rahir erinnerte sich mit schaudern an die Begegnung mit der Gobelinschamanin in der Höhle unter dem kaiserlichen Kerker. Der Gedanke, gegen bewaffnete Feinde antreten zu müssen, schreckte ihn nicht. Gegner, die ihm unbekannte Magie benutzten, schon eher. Der Gang machte einige Biegungen und führte sie schließlich in einen großen Raum. Edla blieb abrupt stehen, als sie den Schein eines Feuers im hinteren Bereich der Halle wahrnahm. Eilig ging sie hinter einer Ecke in Deckung. Rahir ging an ihr vorbei. „Warte hier.“ Sie hielt ihn am Arm fest. „Was hast du vor? Wo willst du hin?“ „Wir sollten doch meine Fähigkeiten nutzen, oder? Und ich entscheide, dass wir das jetzt tun.“ Sie ließ ihn seinen Arm wieder los. „Wenn du mit der Fackel in der Hand hineinmarschierst, wissen die im Nu, wo du bist. Ich kann mich anschleichen und sie überraschen. Du wartest hier. Wenn du Kampfgeräusche hörst, eilst du mir zur Hilfe, verstanden?“ Sie nickte verdrießlich. „Ein guter Plan, aber sag mir, wer hat dir eigentlich das Kommando gegeben?“ Er sah sie scharf an. „Ich kann jederzeit gehen, wenn du willst.“ Sie seufzte resignierend. „Na gut. Ich bin einverstanden. Wir führen deinen Plan aus.“ Er nickte ihr noch zu, dann schlich er los und verwandelte sich in einen ebenso lautlosen wie tödlichen Schatten in der Finsternis. Sobald er den Leuchtkegel der Fackel verlassen hatte, passten sich seine Khajitaugen nach wenigen Momenten der Dunkelheit an. Von da an nahm er seine Umgebung in Blautönen wahr. Geräuschlos bewegte er sich durch die Halle. Sie war wesentlich höher als der hier her führende Gang. In der Halle standen Steintruhen reihenweise nebeneinander. Sie waren mit Schriftzeichen in einer ihm unbekannten Sprache versehen. Rahir vermutete, dass es sich steinerne Sarkophage handelte. Immer näher kam er dem für ihn grell flackernden Feuer. Er erkannte jetzt, dass insgesamt vier Personen um das Feuer herum auf Schemeln saßen. Sie waren umgeben von Fässern und Truhen, die scheinbar ihren Besitz beherbergten. Er konnte jetzt hören, das sie schmatzend aßen. Trotzdem ihn die Dunkelheit verbarg, so nutzte er doch jede Deckung, als er sich ihnen näherte. Als er nur noch etwa ein Dutzend Schritte von der Gruppe entfernt war, hielt er geduckt inne und beobachtete sie. Ich kann nicht alle auf einmal angreifen... Ich muss mir einen heraussuchen. Er kniete hinter einem Sarkophag und wartete spähend. Schließlich verließ einer der vier Banditen seinen Platz, um sich etwas von den umstehenden Fässern zu holen. Rahir setzte sich lautlos in Bewegung... Laut knirschend biss der Ork in der Eisenrüstung von der gebratenen Keule ab. Seine Kumpanen schmatzen fast genauso laut. Während des Sprechens fielen große Krümel aus seinem Mund. „He, Leute, habt ihr schon das Neueste gehört? Angeblich wurden die Klippenläufer in Morrowind ausgerottet, könnt ihr euch das vorstellen?“ „Ach, Luronk, du glaubst aber auch jedes Ammenmärchen. Wo doch jedes Kind weiß, dass die Klippenläufer niemals- “ Der Dunmer verstummte plötzlich, als von der Seite ein ersticktes Würgen erklang. Die drei sahen sich an. Dann zogen sie wortlos ihre Waffen und standen auf. Rahir schleppte den zuckenden Körper von den Fässern weg. Er hörte das leise Röcheln seines Opfern und das Gurgeln des Bluts in der durchtrennten Kehle des Mannes. Als er in der Bewegung einen Blick über die Schulter seines Opfers warf, sah er, dass die anderen drei alarmiert waren. Gewarnt ließ er den Körper fallen und suchte Deckung. Einer der Banditen holte einen Ring aus einem Beutel und steckte ihn an. „Da ist er! Auf ihn!!“ Rahir erstarrte. Trotz der völligen Dunkelheit steuerte der Ork in der Eisenrüstung ihn zielstrebig an. Anstatt sich weiter zu verstecken, ging er in Kampfposition. Der Ork trug einen Beidhänder, den er gegen ihn schwang. Rahir wehrte den Hieb mit seinem kurzen Schwert ab. Einen Moment glaubte er, sein Arm würde aus dem Gelenk gerissen, so heftig war der Aufprall. Vor Schmerz ächzend, taumelte er zurück. Der Ork setzte sofort nach. Nur seine enorme Beweglichkeit konnte verhindern, von dem gewaltigen Schwert gespalten zu werden. Funkenstiebend traf es auf einen Steinsarg. Mit einem schnellen Stoß traf er den Ork an der Brust, prallte jedoch an seinem eisernen Harnisch ab. Der Ork, der sein riesiges Schwert noch nicht unter Kontrolle hatte, versetzte ihm einen Faustschlag mit seinem eisernen Handschuh. Tränen schossen Rahir in die Augen. Er schmeckte Blut, das aus seiner Nase lief. Fast stürzte er rückwärts hin, gerade noch konnte er sich fangen. Schon verfolgte ihn der Ork und hob erneut seinen Beidhänder. Rahir ließ sich auf den Boden fallen und wimmerte vor Schmerz. Der Ork sah dies mit Genugtuung und hob den Beidhänder über seinen Kopf, um ihn mit aller Wucht zu treffen. Ganz plötzlich schnellte Rahir hoch und stieß ihm seine Klinge zwischen Brustharnisch und Schulterstück in die sich öffnende Lücke. Der Ork riss die Augen auf. Klirrend fiel sein Schwert zu Boden, als ihm Rahir die Klinge noch tiefer hineinrammte. Vor Schmerz röchelnd, fiel der Ork auf die Knie. Rahir zog sein Schwert aus der Wunde, um es ihm von oben in den Kragen seiner Rüstung ins Herz zu stoßen. Schwer atmend zog er es heraus und ließ den toten Ork umfallen. Er wischte sich das Blut von der Nase, um zu beobachten, wie Edla im Schein des Feuers mit einem anderen Banditen kämpfte. Sie schien gerade die Oberhand zu erringen, als- Rahir duckte sich blitzschnell, als er den Fackelschein zu seinen Füssen wahrnahm. Und tatsächlich sauste eine Schwertklinge wenige Haaresbreiten über seinen Kopf hinweg. Als er sich umdrehte, attackierte ein wutentbrannter Rothwardone ihn mit einem Anderthalbhänder. Er war wesentlich schneller als der Ork, und Rahir hatte alle Mühe, die Hiebe zu parieren. Abwechselnd schlug er mit dem Schwert und dann wieder mit der Fackel nach ihm. Der Zorn verzerrte sein Gesicht. „Verfluchtes Vieh von einem Khajit... stirb endlich!“ Mit der Fackel traf er ihn an der Hand. Stöhnend musste er das Schwert fallen lassen. Im nächsten Moment erwischte ihn der Schwertknauf im Gesicht. Vor Schmerzen blind, fiel er hin. Als er sein Auge wieder öffnete, stand der Rothwardone über ihm und holte zu einem Stich aus. Er verharrte in der Bewegung, als- Als ihn ein Pfeil in die Kehle oberhalb seines eisernen Kragens traf. Gurgelnde Geräusche von sich gebend, sank er auf die Knie. Schwert und Fackel ließ er fallen, seine zitternden Hände tasteten nach dem Pfeil in seinem Hals. Rahir kam wieder auf die Beine und baute sich vor dem röchelnden Rothwardonen auf. Sein finsterer Blick fiel auf ihn. „Wie war das... ein ‚Vieh’ hast du mich genannt!?“ Mit einem Ruck riss er ihm den Pfeil aus der Kehle. Eine Fontäne dunklen Blutes schoss heraus, dann brach er zusammen. Rahir betrachtete den zuckenden Körper mit Genugtuung. Dann drehte er sich um. Einige Meter entfernt stand Edla und ließ den Bogen langsam sinken. Sie eilte zu ihm. „Hast du was abgekriegt? Dein Gesicht... es blutet. Komm näher, ans Feuer.“ Fast widerwillig folgte er ihr und setzte sich auf eines der Fässer, während sie seine Wunden untersuchte. Als er sich entspannte, spürte er erst den Schmerz in seinem Gesicht und auf seiner Hand. „Auaaa!“ „Die Nase ist wohl gebrochen. Warte mal...“ Edla begann, in ihren Taschen zu kramen. „Ich müsste noch ein paar Heiltränke hier irgendwo haben...“ Rahir blinzelte, dann griff er in seinen Lederbeutel. Nach kurzem Suchen zog er eine kleine Flasche aus rötlichem Glas hervor. „Meinst du etwa so was?“ Edla sah von ihrer Tasche hoch. „Hm? Ja, genau. Trink ihn!“ Achselzuckend zog er den Korken aus der Flasche und leerte sie in einem Zug. Die Flüssigkeit, die zugleich süß und doch geschmacklos war, lief wie wässriger Honig seine Kehle hinab. Augenblicklich spürte er die erquickende Wirkung. Als er auf seine Hand sah, konnte er beobachten, wie die verbrannte Haut innerhalb von Sekunden wieder gesundete. Auch der Schmerz in seiner Nase verschwand. Er befühlte sie und stellte fest, dass sie wieder heil war. „Tolles Zeug.“ Edla packte ihre Tasche wieder ein. „Zweifellos, und für jeden Abenteurer unverzichtbar. Bist du wieder ganz hergestellt?“ „Ich denke schon.“ „Ich will auf Nummer sicher gehen.“ Sie betastete erneut sein Gesicht, seine Nase, sein Wangen... bis ihre zärtlichen Finger seinen Hals erreicht hatten. Verstört sprang Rahir auf und machte einige Schritte von ihr weg. „Sei beruhigt, es geht mir gut.“ Etwas enttäuscht drehte sie sich zu ihm um. „Ich war nur besorgt. Es ist auch für mich lebenswichtig, dass du kampfbereit bleibst. Sag bloß, das war dir unangenehm...“ Trotzig verschränkte er die Arme. „Nein, es ist... ich will nur nicht, dass mir jemand so nahe kommt, noch nicht... verstehst du?“ Seufzend nickte sie. „Ich verstehe.“ Dann stand sie auf uns klatschte unternehmungslustig in die Hände. „Na, dann wollen wir mal sehen, was wir hier an praktischen Dingen finden.“ Zuerst durchsuchten sie die Fässer und Truhen in dem Raum. In ihnen fanden sie Goldstücke, Schmuck und andere Wertgegenstände, die von den Banditen erbeutet worden waren. Dann machten sie sich daran, ihre gefallenen Feinde zu entkleiden. Rahir legte die Eisenrüstung des Rothwardonen an. Sie hatte ziemlich genau seine Größe. Dann nahm er das Schwert, das neben dem Körper lag. Er wog es in der Hand und stellte fest, dass es von Länge und Gewicht perfekt zu seinen Proportionen passte. Zur Probe schwang er es mehrmals und lauschte dem Singen der Klinge. „Endlich, so was suche ich schon sehr lange!“ Rahir drehte sich zu Edla um, die einen Ring an ihrer Hand betrachtete. „Das hier... ist ein Ring der Infravision. Wenn ich ihn trage, kann ich ihn schwärzerster Dunkelheit sehen!“ Rahir ging auf sie zu. „So wie ich.“ „Allerdings. In Zukunft wirst du nicht mehr alleine vorpreschen müssen. He, die steht dir hervorragend.“ Er sah an sich herab. „Solange sie verhindert, dass mich ein Schwerthieb spaltet, ist es gut.“ Probehalber klopfte sie gegen seine Brust. „Das wird sicher nicht so schnell passieren.“ „Willst du keine von den Rüstungen anlegen?“ Sie schüttelte missmutig den Kopf. „Nein. Die passen mir sowieso nicht, außerdem habe ich nicht das Talent, um schwere Rüstungen zu tragen. Du offenbar schon.“ „Findest du? Und was hat das mit ‚Talent’ zu tun?“ „Alles hat mit Talent zu tun! Glaubst du, dass es Zufall war, das du zu diesem Schwert gegriffen hast? Ich zum Beispiel fühle mich in einem schweren Brustharnisch eingeengt und unbeweglich. Ich verzichte gerne auf die bessere Panzerung zugunsten meiner Gewandtheit. Wir wissen automatisch, wozu wir begabt sind, und wozu nicht. Talente, die uns fehlen, müssen wir irgendwie anders ausgleichen.“ Sie deutete auf den Ring an ihrer Hand. „So wie dieser Ring zum Beispiel. Ich besitze nur sehr geringes Talent für die geheimen Künste, deshalb hätte es für mich keinen Sinn, einen Spruch der Infravision zu lernen. Ich könnte ihn nur kurze Zeit nutzen, und dann wäre die magische Kraft in mir erschöpft. Also muss ich mich mit einem verzauberten Gegenstand behelfen.“ Rahir lauschte interessiert. „Wir könnten also... alle unsere Waffen und Rüstungen verzaubern, wie diesen Ring?“ Edla schüttelte betrübt den Kopf. „So einfach ist es leider nicht. Verzauberungen können nur von den Mitgliedern der ‚geheimen Universität’ in der Kaiserstadt gewirkt werden. Und nur hochrangige Anhänger der Magiergilde finden dort Einlass.“ „Also müssen wir Leuten, die solche Gegenstände besitzen, erschlagen und sie ihnen abnehmen.“ Edla lachte. „So ungefähr. Aber sei gewarnt, das Rechtssystem in Cyrodiil ist ziemlich rigoros. Jetzt verschwinden wir aber besser von hier, bevor der Rest der Bande aufkreuzt.“ Beladen mit ihrer Beute, verließen sie die Burgruine. Edla orientierte sich kurz, dann marschierten sie in die Richtung, in der sie wieder auf die Straße stoßen würden. „... denk daran, du darfst niemanden einfach so angreifen. Entweder du kämpfst aus Notwehr, oder du provozierst solange, bis du angegriffen wirst, verstanden?“ Rahir nickte. „Eine dritte Möglichkeit ist, jemanden zu ermorden, ohne dass er um Hilfe rufen kann oder jemand dich dabei sieht... aber so was tut eigentlich nur die Dunkle Bruderschaft oder die Mora Tong.“ Rahir kratzte sich am Kopf. „Hm... und wer ist das schon wieder?“ Edla schüttelte lachend den Kopf. „Schön langsam müsstest du dich aber wieder an irgendwas erinnern!“ Rahir hob hilflos die Schultern. „Ist schon gut, ist schon gut. Also, die Dunkle Bruderschaft ist eigentlich die Assassinengilde. Ihre Mitglieder haben mehr oder weniger das ‚Recht’, zu morden. Also, strenggenommen nicht, aber ihre Aktivitäten werden vom Ältestenrat geduldet. Eigentlich sind sie ein Ableger der Mora Tong, die nur auf Morrowind vorkommen, und dort hochoffiziell Hinrichtungen vornehmen. Im Gegensatz dazu ist die Bruderschaft aber eher weltlich ausgerichtet, sprich gewinnorientiert. Sie nehmen nämlich von jedem, der sie bezahlen kann, Aufträge entgegen.“ Rahir hob eine Augenbraue. „Das klingt doch nach einer interessanten Arbeit.“ „Schlag dir das gleich wieder aus dem Kopf. Es heißt, die Mitglieder der Bruderschaft opfern ihre Seelen irgendeiner finsteren Gottheit, und außerdem vollführen sie abscheuliche Rituale. Glaub mir, mit denen willst du nichts zu tun haben.“ Nach einiger Zeit kamen sie wieder auf die Straße, die sich anmutig durch den Wald wand. „Weil du vorhin von einer Gottheit gesprochen hast, außerdem hast du die ‚neun Göttlichen’ erwähnt... würdest du mir das auch noch erklären?“ Edla seufzte tief. „Ich komme mir immer mehr wie eine Fremdenführerin vor. Du kannst dich an gar nichts erinnern, nicht wahr?“ Rahir schüttelte traurig den Kopf. „Meine Erinnerung... ist noch immer nicht zurückgekehrt.“ „Na gut. Aber nur unter einer Bedingung.“ Ihr Blick verriet einiges. „Und das wäre?“ „Das wäre, das du heute Nacht nicht so abweisend zu mir bist... einverstanden?“ Er erwiderte ihr hinterlistiges Lächeln und nickte. Sie klatschte fröhlich in die Hände. „Also, da hätten wir mal die sogenannten ‚Neun göttlichen’, bestehend aus Akatosh, Talos, Zenithar, Dibella, Mara, Arkay, Stendarr, Julianos und... hm, der neunte fällt mir nicht mehr ein. Egal, sie bilden die offizielle Religion des Kaiserreiches, die aber nicht von allen...“ Die Sonne sank langsam tiefer während am Horizont die Umrisse der Kaiserstadt Form annahmen. Die Straße wand sich das Hügelland hinab und erreichte schließlich den See Rumare, an dessen Ufern sie entlang gingen, auf die große Westbrücke zu. Edla unterdessen erzählte ausdauernd nun schon seit Stunden, während Rahir konzentriert lauschte. Er versuchte, sich so viel wie möglich zu merken, um so viel als möglich über diese seltsame Welt zu erfahren. „... soviel zu den vierzehn verschiedenen Daedrafürsten, die fast ausschließlich von ihren Anhängern in der Wildnis verehrt werden.“ Sie machte eine kurze Pause. Rahir brummte der Kopf von all den Erklärungen. „... habe ich irgendwas vergessen? Ich glaube nicht. Ach ja, wir Nord verehren den Gott Krom, sonst niemanden.“ Rahir blickte verdutzt. „Das ist alles?“ „Ja. Wir Nord mögen es simpel.“ „Ganz im Gegensatz zu den Leuten in dieser Provinz.“ Die Sonne versank nun hinter den Wäldern der Westebene und warf dabei ihr rotglühendes Licht auf die leicht gekräuselte Seeoberfläche. Schließlich kamen sie zum Stadttor und passierten die wie immer gelangweilten Stadtwachen. Die Straßen der Kaiserstadt waren schon weitgehend zur Ruhe gekommen, als die beiden in das Marktviertel kamen. Nur noch wenige Bürger waren hier unterwegs. „Komm, Rahir, vielleicht erwischen wir noch einen Ladner, um unsere Schätze zu versilbern!“ Zielstrebig steuerte Edla einen bestimmten Laden an. Als sie die Pforte aufdrückte, kam ein pausbäckiger Waldelf hinter einer Reihe von Regalen zum Vorschein. „Ich begrüße euch in Thoronir’s fruchtbarem Münzbeutel, was kann ich für euch tun, verehrte Edla Düsterherz?“ Rahir beugte sich zu Edla hin. „Die Knalltüte kennt dich?“ „Ja“, flüsterte sie zurück, „wir haben schon öfters Geschäfte miteinander gemacht.“ Sie stützte sich mit beiden Händen auf die Theke und sah ihm bedeutungsvoll in die Augen. „Werter Thoronir, ich bin mir sicher, dass ihr etwas für mich tun könnt.“ Sein Blick fiel auf Rahir. „Heute in charmanter Begleitung, wie ich sehe?“ „Aber natürlich. Das ist Rahir, mein neuer Kumpane.“ „Sehr erfreut, auch ihre Bekanntschaft zu machen. Ohne Zweifel, die Männerwelt kann sich glücklich schätzen, euch um sie zu haben, werteste Edla.“ Sein Grinsen klebte wie Honig. Rahir griff sich an den Kopf. Edla wog den Beutel noch einmal in der Hand, nachdem sie den ‚fruchtbaren Münzbeutel’ verlassen hatten. „Das Gesülze war ja schrecklich“, bemerkte Rahir entgeistert. „Das kannst du laut sagen. Die Bosmer haben zumeist nicht alle Äste am Baum, aber er zahlt die besten Preise für Waren von zweifelhafter Herkunft, deswegen gehe ich meistens zu ihm.“ Rahir nickte. Er sah, wie die Stadtwachen begannen, die Laternen an den Häuserwänden anzumachen. Mittlerweile überzog ein dunkelblauer, sternklarer Himmel die kaiserliche Hauptstadt. „So, und jetzt zurück in den ‚gefüllten Krug’. Ich sterbe fast vor Hunger.“ „Mir geht es nicht anders“, erwiderte Rahir. Eine der Stadtwachen musterte ihn mit einen herablassenden Blick im Vorbeigehen. Rahir begann leise zu knurren. Edla packte ihn am Arm und zog ihn weg. „Leg dich bloß nicht mit denen an. Du warst doch bereits im Kerker, du willst sicher nicht noch einmal dahin!“ „Hast du gemerkt, wie er mich angesehen hat?“ Rahir spuckte voller Verachtung aus. „Tja, ein Khajit in einer Rüstung ist schon etwas ungewöhnlich. Wenn er dann auch noch nur ein Auge hat, erregt er nun mal Aufsehen. Gewöhn dich besser dran.“ Rahir sah verärgert zu Boden. Denen werde ich’s noch mal zeigen... Im ‚gefüllten Krug’ herrschte bereits reges Treiben. Die meisten Tische waren besetzt, und das Bier floss in Strömen. Der rundliche Wirt kam kaum nach mit den Bestellungen. Man verstand sein eigenes Wort kaum. Die beiden setzten sich an einen der letzten leeren Tische. Rahir machte sich auf, etwas zu Essen und zu trinken zu holen, während Edla am Tisch wartete. Unterdessen er an der Theke wartete, traf ihn so mancher verwunderter Blick der Gäste, die sich sogleich abwandten, sobald er ihn erwiderte. Schließlich kehrte er mit einem beladenen Holztablett an den Tisch zurück. Sogleich machten sie sich über die Speisen her. Während sie aßen und tranken, fiel ihm auf, dass ein schon ziemlich betrunkener, verwahrloster Mann vom Kaiservolk ihn mit seinem finsteren Blick bedachte. Rahir versuchte, ihn zu ignorieren. Irgendwann brüllte er ihm etwas zu. „He, Miezekatze, Tiere fressen unter dem Tisch, nicht darauf!“ Seine Zechkumpanen lachten polternd auf. Rahir schnellte ihn die Höhe, doch Edla hielt seine Hand auf dem Tisch. „Fang keinen Streit an, das sind die doch gar nicht wert.“ Sein Blick heftete sich auf den betrunkenen, lallenden Mann. Zähneknirschend setzte er sich langsam wieder. „He, Einauge, seltsam genug, dass ihr Kleidung tragt, und jetzt auch noch Rüstungen!“ Wieder ertönte schallendes Gelächter aus der angeheiterten Runde. Bevor Rahir etwas erwidern konnte, stand jetzt Edla auf. „Haltet eure Schandmäuler, ihr Trunkenbolde, sonst wird es hier ungemütlich!“ Das Gelächter verstummte. Der Störenfried schaute verdutzt drein. Erst einige Momente später fand er seine Sprache wieder. Die Lautstärke in der Spelunke war inzwischen merklich gesunken, der Streit zog die Aufmerksamkeit der Gäste allmählich auf sich. „Schlimm genug, dass sie Khajit hier reinlassen, muss man sich hier auch noch von Nordweibern beschimpfen lassen.“ Der Mann stand auf, und mit ihm erhob sich der Rest der Bande. Stechende Blicke wurden ausgetauscht. Mittlerweile bemerkte auch der Wirt die bevorstehende Konfrontation. Er kam herbeigelaufen und stellte sich zwischen die Parteien. Energisch hob er die Arme. „Wenn ihr euch prügeln wollt, dann bitte draußen, aber nicht hier drin, verstanden?“ Der streitsuchende Anführer der angetrunkenen Bande stieß ihn beiseite und ging auf Rahir und Edla zu. „Verschwinde, fetter Wirt, sonst bekommst du auch eine Abreibung. Das machen wir unter uns aus.“ Der Wirt ergriff hektisch die Flucht. Rahir spannte seine Muskeln an und bereitete sich auf einen Kampf vor. Inzwischen war es fast still in der Spelunke, alle Augen waren auf die Streitparteien gerichtet. Edla ließ ihre Fingerknöchel knacken. „Wenn ihr so scharf darauf seid, bitte. Kommt nur her!“ Der Anführer setzte sich in Bewegung, erstarrte dann aber, als er mitbekam, dass ihm keiner seiner Kumpanen folgen wollte. Sein Blick wurde unsicher. Plötzlich ging ein Raunen durch den Gästeraum. Die schweren Rüstungen der kaiserlichen Legionssoldaten schepperten durch den Raum, mit dem Wirt im Schlepptau. „Im Namen des Kaisers, haltet ein! Wer wagt es, Aufruhr zu üben?“ Die Wachen umringten Edla und Rahir. Einer wollte ihn schon am eisernen Kragen packen. „Nein, die waren es! Sie haben mich auch bedroht!“ Die Wachen sahen sich an. „Wirklich? Nun, betrunkenes Pack, hinaus mit euch, oder wir nehmen euch mit und lassen euch in Ketten legen. So könnt ihr dann in Ruhe ausnüchtern.“ Die Kumpanen des Störenfrieds waren bereits auf dem Weg zur Tür, als auch er, wortlos und einen giftigen Blick in Richtung der beiden abschickend, sich verdrückte. Die versammelte Gästeschar betrachtete fasziniert den Vorgang. „Von nun an herrscht Ruhe, verstanden?“ Augenblicklich wandten sich sämtliche Gesichter von den Soldaten ab. Sie nickten noch einmal dem Wirt zu, dann verließen sie die Kneipe. Dann kam der Wirt händeringend zu ihrem Tisch. „Bitte verzeiht den Zwischenfall, Vlanarus Kvinchal und seine Zechbrüder sind wirklich eine Qual. Ich hoffe, euch trotzdem auch in Zukunft als Gäste begrüßen zu dürfen. Als kleine Wiedergutmachung geht die heutige Übernachtung auf Kosten des Hauses.“ „Ist schon gut, es ist ja keinem was passiert“, beruhigte ihn Rahir. Sich mehrmals verbeugend, entfernte sich der Wirt wieder. Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, gingen sie nach oben. Edla öffnete ihre Tür. Rahir ging vorbei, doch sie hielt ihn zurück. „Warte, wir müssen doch noch die Goldstücke aufteilen. Komm rein!“ Sie setzten sich an den Tisch in ihrem Quartier. Aus einem Lederbeutel leerte sie ihr gesamtes Geld auf die Tischplatte. Edla begann, zwei gleiche Summen heraus zu zählen. Rahir starrte auf das Geld. „Dieser Schuft... wie kann er es wagen...“ „Edla sah auf. „Hä? Ach so, der Trunkenbold von vor hin. Vergiss ihn einfach.“ Rahir schüttelte den Kopf. „...ich werde dafür sorgen, dass meine Rasse mehr Respekt erfährt... das schwöre ich...“ „Sei lieber froh, dass die Wachen rechtzeitig eingeschritten sind. Hätte der Kampf schon begonnen, wären wir alle in den Kerker gewandert, ohne Unterschied.“ „Mich wundert, dass sie überhaupt so schnell da waren.“ Edla lachte während es Zählens. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Wachen bei den Ladenbesitzern und Gasthausbetreibern eine ‚Sondersteuer’ einheben. Deshalb sind sie vielleicht besonders bemüht.“ „Wirklich? Was geschieht, wenn ein Geschäftsmann nicht zahlt?“ Edla schichtete konzentriert Münzstapel aufeinander. „Hm? Ach, nichts dramatisches. Nur, das sie erst auftauchen, wenn der Ärger vorbei ist, und nicht schon vorher.“ Rahir stutzte. „So ist das also.“ „Fertig. Das ist dein Anteil.“ Rahir füllte die Münzen in seinen Lederbeutel. Edla stand auf und umrundete ihn. Während er den vollen Beutel an seinem Gürtel befestigte, begann sie, die Schnallen seines Brustharnischs zu öffnen. „Was tust du da?“ Sie zog den Plattenharnisch hoch und stellte ihn beiseite. „Das Ding stört doch nur.“ Ihre Hand glitt in sein Hemd, gleichzeitig begann sie seinen Hals zu küssen. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist...“ „Und ob es eine gute Idee ist...“ Er stand auf und schon drängte sie ihn in Richtung des Betts. Mit den Kniekehlen stieß er gegen den Rand und fiel nach hinten. Sogleich war sie über ihm und küsste ihn heftig. „...aber... du bist ein Mensch... und ich... bin ein Khajit...“ Auf ihm kniend, richtete sie sich jetzt auf und begann, ihr Kettenhemd abzulegen. „Das macht gar nichts. Wenn du wüsstest, was ich schon alles zwischen den Beinen gehabt habe...“ „Ach, so ist das?“ Er drehte sich, so dass sie jetzt auf dem Rücken lag. An beiden Händen hielt er sie fest. Ernst sah er ihr ins Gesicht. „Du willst also bloß Trophäen abhaken, richtig? Nicht mit mir!“ Verärgert stieg er von ihr runter und lief zur Tür. „Warte! So hab ich das nicht gemeint!“ Schon knallte hinter ihm die Tür. „Ach, verdammt...“ Über sich selbst verärgert schlug sie sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Ich und mein vorschnelles Mundwerk...“ Noch lange lag er wach in seinem Bett und starrte an die Decke. Wut und Schuldgefühle wechselten sich in seinem Inneren ab. Was fällt ihr ein... Mich wie ein Stück Fleisch zu behandeln... Andererseits... Vielleicht war ich zu grob. Eine Frau wäre nicht schlecht... Aber sie sollte nicht nur meinen Körper sehen, sondern auch meine Gefühle achten... Und eine Khajit sein, wie ich. Er betastete sein Gesicht, fühlte das Narbengewebe, dass sich über sein Gesicht zog und die Stelle, an der wohl einmal sein linkes Auge gewesen war, jetzt bedeckte. Wenn mich überhaupt eine will, so entstellt wie ich bin. Er stand auf und ging ans Fenster. Kalte Luft strömte herein, als er es öffnete. Über der Kaiserstadt hing ein makelloser Sternenhimmel. Es gibt so viele Menschen, wie Sterne am Himmel, in diesem Land. Vielleicht... ... finde ich ja eine Gefährtin. Er verriegelte die Fenster wieder und legte sich hin. Gedankenfetzen der heutigen Erlebnisse zogen undeutlich an seinem inneren Auge vorbei, während er auf den Schlaf wartete, der schließlich sanft seinen dunklen, weichen Mantel über ihn ausbreitete... Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als er erwachte. Nach ihrem Stand war es schon die dritte Stunde des Tages. Gähnend rieb er sich das Gesicht und stand auf. Nachdenklich betrachtete er seine Kleidung, die er in der Ruine gefunden hatte. Was für Fetzen... kein Wunder, dass die Leute auf mich herabsehen. Mit der Rüstung kann ich auch nicht ständig rumlaufen. Widerwillig legte er die löchrigen Sachen und verließ sein Zimmer. Draußen auf dem Gang stand sein Harnisch neben der Tür. Edlas Zimmer war abgeschlossen, wie er feststellte. Achselzuckend verstaute er seine Rüstung in seinem Zimmer und verließ die zu dieser Tageszeit beinahe leere Kneipe. Trübe Wolken bedeckten den Himmel über Cyrodiil. Nur hin und wieder tat sich ein Spalt auf, durch den sie ihre Strahlen auf die Stadt werfen konnte. Zielstrebig suchte er seinen Weg durch die Menschenmenge zu einem Geschäft, dass ihm in Erinnerung geblieben war. Energisch drückte er die Pforte zur ‚göttlichen Eleganz’ auf. „Seid gegrüßt, ich bin Earana. Welchen Wunsch- “ Als sie seine abgerissene Erscheinung registrierte, verschwand augenblicklich ihre freundliche Miene. Als er seinen wohlgefüllten Geldbeutel auf den Tresen fallen ließ, war sie plötzlich wieder da. „Äh, ja, ihr habt mein Geschäft aufgesucht, weil ihr wisst, dass ihr hier die besten und feinsten Kleider bekommt, nicht wahr?“ Sie zeigte ihr geschmeidigstes Lächeln. „So ungefähr. Was könnt ihr mir empfehlen?“ Eine Stunde später verließ er den Laden. Nun trug er ein Wams aus dunkelrotem Samt mit Goldknöpfen und Brokatverzierungen, dazu eine Hose aus schwarzem Streichgarn, sowie passende Wildlederschuhe. Fast platzte er vor Stolz, als er so durch die Straßen schritt. Manche Bürger drehten sich sogar um nach dem einäugigen Khajit, der wie ein Adeliger gekleidet daherschritt. So, jetzt schaue ich mir mal die Stadt an. Er zog den Stadtplan auf dem Rappenkurier hervor und studierte ihn. Nach kurzem Überlegen steuerte er das Verbindungstor zu seiner linken an. Der Elfengartenbezirk schien, ähnlich wie der Talos-Platz-Bezirk, eine noble Wohngegend zu sein. An den Fassaden hingen die Standarten mit den Wappen der verschiedenen Adelsgeschlechter. Prächtige Fassaden kündeten von dem Reichtum der Bewohner. Auf den Straßen waren nur wenige Bürger zu sehen, und wenn, dann waren sie in edelsten Zwirn gewandet. Hier falle ich ja kaum auf, dachte er verschmitzt. Nun ja, bis auf mein Auge. Der nächste Bezirk war der Tempelbezirk. Im Zentrum der wenigen Wohnhäuser stand ein rundes Gebäude. Interessiert betrat Rahir es. Sein Inneres war leer, bis auf einen umzäunten Bereich in der Mitte. Eine Vertiefung befand sich dort im Boden, und gleich darüber klaffte ein Loch in der Kuppel. Ratlos sah er sich in dem kahlen Raum um. Nach einer Weile betrat eine Frau vom Kaiservolk den Tempel, näherte sich ehrfurchtsvoll dem umzäunten Areal und stand dort eine Weile im Gebet versunken. Als sie sich daran machte, zu gehen, entschloss Rahir sich, sie anzusprechen. „Verzeiht, Herrin, aber... ich bin erst vor kurzem in dieser Provinz angelangt, und kenne mich mit den Gebräuchen hier nicht aus. Sagt, wem der Neun ist dieser Tempel hier geweiht?“ Sie sah ihn gütig und nachsichtig an. „Ihr irrt euch, Herr. Dieser Tempel ist keinem von den Neun geweiht. Es ist dies der Drachenfeuertempel. Es heißt, wenn das Reich in großer Not ist, dann kommt ein wahrer Nachfahre der Septims und entzündet die Drachenfeuer. Solange sie brennen, kann das Reich nicht untergehen, heißt es- “ Sie stockte. Verbitterung zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Wie furchtbar das ganze nicht ist. Wir haben keinen Kaiser mehr, und auch keine Kunde von seinen Söhnen.“ Rahir überlegte, dann fiel es ihm wieder ein. „Ach ja, ich hörte es... der Kaiser wurde ja ermordet.“ „Alle sprechen über den Mord am Kaiser. Wir haben keinen Kaiser, und auch keinen Thronfolger! Wie soll es nur weitergehen!“ Sie schien nun den Tränen nahe. Rahir versuchte, sie zu beruhigen. „Seid unbesorgt, ich bin mir sicher, dass... dass... dass alles wieder in Ordnung kommt. Ich habe gehört, dass seine Hoheit noch einen Sohn hat, der wird bestimmt bald auftauchen und den Thron übernehmen.“ Ehrliche Überraschung zeigte sich auf dem Gesicht der Frau. „Seid ihr sicher? Ich habe noch nichts derartiges gehört, aber... ich will es euch glauben. Das wäre... unsere Rettung. Mögen die Neun euch und das ganze Reich beschützen.“ Freundlich nickend ging sie wieder ihrer Wege. Geistesabwesend trat Rahir an das Zentrum des Tempels heran. Einen Herr hat sie mich genannt... Gedankenverloren tastete er nach seinem Anhänger. Er schien beinahe heiß auf seiner Haut zu werden, hier, an diesem geheiligten Ort. Fast musste er sich beherrschen, ihn nicht hervorzuziehen. Ärgerlich schüttelte er die drängenden Gedanken ab. So ein Quatsch... alles Aberglaube der törichten Menschen hier... Drachenfeuer, Drachenblut und so’n Kram... lächerlich... Entschlossen wandte er sich ab und ging zum Ausgang. In der Tür blieb er noch einmal stehen. Eine unwiderstehliche Macht schien ihn zu zwingen, seinen Blick noch einmal auf die Stelle, an der das heilige Drachenfeuer brennen sollte, zu richten. Und dann schien es ihm, als würde eine hohle, uralte Stimme in seinem Kopf sprechen... „Es ist dein Schicksal... den Nachfahren reinen Blutes... zu finden...“ Verwirrt drehte er sich nach allem Richtungen, dann verließ er bestürzt den Ort. Fast wie in Trance stieß er das Tor zum nächsten Bezirk auf. Er fand sich in einer Grünanlage wieder. Sträucher und andere blühende Gewächse, in geordneten Reihen gepflanzt, erfreuten hier Auge und Nase. Tief durchatmend, spazierte er ziellos durch den Baumgarten-Bezirk. Die Statuen längst verblichener Persönlichkeiten, die sich mit ihrem Wirken zum Wohle Tamriels verewigt hatten, zogen seinen Blick auf ihn. Das war wohl eine Halluzination... Oder die Leute hier haben mich mit ihrem törichten Glauben schon angesteckt. Aber andererseits... Wenn es wahr ist? Und ich den Thronerben finde? Vielleicht steht dann eines Tages auch eine Statue von mir hier... Er musste bei dem Gedanken lächeln. Allmählich beruhigte ihn die harmonische Atmosphäre hier, und seine Gedanken kamen zur Ruhe. Noch eine Weile lustwandelte er zwischen den Sträuchern und Beeten, bis er den Bezirk verließ. Von weitem hörte er schon das Gewässer rauschen, als er das Hafenviertel betrat. Der Geruch von Fisch und alten Holzkähnen stieg ihm in die Nase. Ein hoher Leuchtturm überragte das Hafenviertel, um seine Aufgabe, Schiffe sicher den Niben hinaufzuführen, zu erfüllen. Einige Schiffe lagen vor Anker. Fracht wurde aus- und andere wieder eingeladen. Braungebrannte Seemänner und –frauen stolzierten auf und ab und überwachten die Hafenarbeiter beim Löschen der Fracht. Es war ersichtlich, dass sie sich auf festem Land unwohl fühlten und so bald wie möglich wieder in See stechen wollten. Rahir merkte, wie ihm der Magen knurrte. Der Sonne nach war es schon die dritte Stunde des Nachmittags. Er schnupperte aufmerksam. Wenn es ein Gasthaus in der Nähe gab, würde er es riechen. Und tatsächlich... Ein zu einem Wirtshaus umfunktionierter Schoner lag am Kai. Über eine festmontierte Planke gelangte Rahir an Bord. Der Gastraum war entsprechend klein, und wohlgefüllt. Er erwischte noch einen Platz an den runden Tischen, die an den aus den Planken ragenden Masten montiert waren. Er bestellte sich eine kräftige Mahlzeit. Neben ihm saß ein Mann in einer hellen, verzierten Rüstung. Er fiel auf unter den ganzen normal gekleideten Bürgern. In der gepanzerten Faust hielt er einen Bierkrug. Sein Gesicht drückte Missmut aus. Rahir lauschte den Gesprächen der Leute um ihn. Seine feinen Ohren nahmen selbst Wörter vom anderen Ende des Gastraumes wahr. „Schau, dort drüben sitzt Hieronymus Lex. Er ertränkt wohl seinen Ärger über den Graufuchs, he, he.“ Rahir spitzte die Ohren. Er erinnerte sich an den Artikel aus dem Rappenkurier. Sein Tischnachbar starrte immer noch bitter ins Leere. „Verzeiht, ihr seid doch der Kommandant der kaiserlichen Legion vor Ort, wenn ich mich nicht irre?“ Rahir bemühte sich, sich möglichst gewählt auszudrücken. Hieronymus Lex schaute überrascht von seinem mittlerweile leeren Bierkrug auf. „Wie? Was? Ach ja, ich bin der Kommandant, Hieronymus Lex, das ist richtig. Was kann ich für euch tun?“ Rahir machte ein besorgtes Gesicht. „Ich bin erst seit kurzem in der Kaiserstadt, um einige, äh, wichtige Geschäfte zu tätigen. Und nun ist mir diese Geschichte vom Graufuchs zu Ohren gekommen. Ich wollte nur wissen, ob ich mir Sorgen- “ Das Reizwort zeigte sofort Wirkung. „Ha! Dieser... Graufuchs ist ein stinknormaler Dieb, sonst nichts! Die Leute schreiben ihm übernatürliche Fähigkeiten zu, wie lächerlich! Glaubt mir, schon bald wird er in Ketten liegen, wie ein ganz gewöhnlicher Verbrecher!“ Rahir räusperte sich. „Nun, bis jetzt läuft er frei rum. Die Zeitungen schreiben über seine Untaten- “ „ –die wir schon bald beenden werden. Es ist nichts besonderes an ihm, seid dessen versichert. Man erzählt sich, er könne sich unsichtbar machen und ähnlichen Hokuspokus. Einige Leute glauben sogar, er wäre der Anführer der Diebesgilde, dass ich nicht lache! Könnt ihr euch einen Haufen dreckiger Diebe vorstellen, die eine Gilde gründen wollen? Ein absurder Gedanke!“ Rahir machte ein unschuldiges Gesicht. „Es gibt also keine... Diebesgilde?“ Lex winkte verächtlich ab. „Dieses Gerücht ist kaum auszurotten. In den anderen, barbarischen Provinzen mag das Verbrechen derart wuchern, wie zum Beispiel in Morrowind, diesem verkommenen Fleck Erde. Aber sicher nicht hier in Cyrodiil. Das wird die kaiserliche Legion nie zu lassen, zumindest nicht unter meiner Führung! Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, mein Dienst beginnt bald wieder.“ Hieronymus Lex verließ nun den schwimmenden Gasthof. Rahir und einige andere Gäste sahen ihm verdutzt hinterher. Nach der ausgiebigen Mahlzeit machte sich Rahir wieder auf den Weg. Selbst im Hafenviertel kehrte allmählich Ruhe ein, während er das Tor zur Stadtmauer ansteuerte. Die Sonne glühte bereits hellrot über dem Horizont, als er durch den Talos-Platz-Bezirk bummelte. Von weitem erkannte er eine Gestalt- Edla Düsterherz. „He, ich hätte dich fast nicht wiedererkannt. Edle Gewänder, du hast die Goldstücke gut angelegt!“ „Danke für das Kompliment“, erwiderte er kurz angebunden. Edlas Gesicht wurde wieder ernst. „Das gestern... es tut mir leid. Es war dumm von mir.“ Rahir schaute verlegen in die Luft. „Halb so schlimm. Ich habe es längst vergessen.“ Edla atmete tief aus. „Gut. Übrigens... ich habe einen lukrativen Auftrag für uns an Land gezogen! Gehen wir ein Stück, ich erkläre es dir!“ Im Marktbezirk war es mittlerweile ziemlich ruhig. Die Läden hatten geschlossen und die Gasthäuser füllten sich. Wachen patrouillierten jetzt, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, verstärkt durch die Straßen. „Wir sollen also das Haus eines reichen Adeligen bewachen?“ Edla nickte eifrig. „Genau. Er sammelt wertvolle Artefakte, was genaueres hat er zu mir nicht gesagt. Er hat jetzt was besonders wertvolles erworben, und ist der Meinung, die Diebesgilde hätte es auf ihn abgesehen. Er ist sich ziemlich sicher, dass sie heute Nacht kommen.“ „Na, wenn das so ist, dann hole ich mal Rüstung und Schwert.“ Das geht leider nicht“, seufzte Edla, „das ist eine der Bedingungen für diesen Auftrag. Sein Haus ist voller wertvoller Möbel, die keinesfalls beschädigt werden dürfen. Wir dürfen also keine Waffen mitbringen.“ Rahir schüttelte verständnislos den Kopf. „Und wenn die Einbrecher Waffen haben? Wie stellt er sich das vor?“ „Nun ja, es ist ein ungeschriebenes Gesetz der Diebesgilde, dass bei ihren Aufträgen niemand getötet werden darf. Deshalb sind sie meistens unbewaffnet.“ Er hob eine Augenbraue. „Woher kennst du dich eigentlich so gut aus mit diesen Leuten? Warst du etwa selbst bei ihnen Mitglied?“ Edla lachte amüsiert. „Nein, wo denkst du hin! Als Abenteurerin hat man nun mal verschiedene... Kontakte.“ „Ich verstehe. Wann geht es los?“ „Wir sollten schon dort sein. Also lassen wir ihn nicht länger warten!“ Edla klopfte an die Tür eines der größeren Häuser im Elfengartenbezirk. Nach einer Weile öffnete ein kleinwüchsiger Dunmer von untersetzter Gestalt. Misstrauisch lugte er durch den Türspalt. „Wer seid ihr?“ Edla räusperte sich. „Verehrter Herr Athram, wir haben heute miteinander gesprochen, ihr erinnert euch doch?“ Der Mann schien eine Weile zu überlegen. „Ach ja, ihr seid Edla Düsterherz, die Abenteurerin. Kommt nur herein.“ Sie trat ein, und Rahir folgte ihr. Der Dunkelelb bekam große Augen, als er den Khajit erblickte. „Wer ist das? Davon habt ihr nichts gesagt!“ Rahir starrte ihn argwöhnisch an. Edla stellte sich vorsichtshalber zwischen die beiden. „Das ist mein Mitstreiter, er ist vertrauenswürdig, glaubt mir!“ Der Dunmer rümpfte die Nase. „Nun, wenn ihr das sagt... In meiner Heimat sind Khajit Sklaven, ich hoffe, er gehorcht euch gut.“ Rahir wollte schon die Hand nach dem sich umdrehenden Dunkelelb ausstrecken, als Edla ihn zurückhielt. „Beruhige dich, es geht um einen Haufen Geld“, zischte sie ihm zu. Rahir knurrte verärgert. Murrend folgte er ihnen. „Wenigstens stinkt euer Khajit nicht, sonst hätte ich ihn nicht in mein Haus gelassen.“ Ein weiteres Male musste sie ihn zurückhalten, während sie dem Dunmer antwortete. „Er ist wirklich verlässlich, seid versichert!“ Der Hausherr, Ulen Athram, führte sie durchs Haus und zeigte ihn alle Räume. „Es befinden sich in diesen Schränken äußerst wertvolle Sammlerstücke, unter anderem Kunstgegenstände aus Vulkanglas, Dwemer-kunstwerke, importiert aus Vardenfell, und außerdem einige sehr seltene Ayleiden-artefakte. Sie sind mein ganzer Stolz. Ich habe vor, sie außer Landes zu bringen, aber die Organisation des Transports dauert noch etwas.“ Staunend betrachteten sie die Schaukästen und Vitrinen. Der glänzende und funkelnde Inhalt musste etliche Tausende von Goldstücke wert sein. Ulen Athram wirkte mit den Nerven am Ende. „Die Beschaffung einiger dieser Gegenstände erfolgte... wie soll ich sagen... über teilweise nicht ganz einwandfreie Kanälen. Es ist zu befürchten, dass jemand das Wissen um meinen Besitz der Diebesgilde zu kommen hat lassen. Diese Halunken dürfen niemals etwas davon zurü- ich meine stehlen, jawohl! Bewacht die heutige Nacht mein Haus, dann sollt ihr jeder fünfhundert Goldstücke bekommen.“ Der Dunkelelb rieb sich die müden Augen. „Ich war schon ganz krank vor Sorge. Auf die kaiserliche Legion ist kein Verlass, die sehen zu, wie ehrenwerte Bürger bestohlen werden. Ich bin froh, dass ihr den Auftrag übernehmt. Ich werde mich nun zur Ruhe legen. Weckt mich, wenn irgendwas geschieht!“ Edla und Rahir standen im Obergeschoss des Hauses, in dem Raum, in dem die wertvollsten Stücke lagerten. Verblüfft betrachteten sie die versperrten Schätze. „Dieser aufgeblasene Schnösel... wenn du mich nicht zurückgehalten hättest- “ „ –dann hättest du uns einen ebenso lukrativen wie einfachen Auftrag vergeigt. Du solltest mir dankbar sein.“ Edla bedachte ihn mit einem strengen Blick. Rahir war immer noch etwas verbittert. „Mich wundert überhaupt, dass er uns die Behütung seiner Schätze anvertraut. Wie ist er überhaupt auf dich gekommen?“ „Ich habe einen gewissen Ruf aus meiner Zeit bei der Kämpfergilde.“ Rahir nickte übertrieben. „So, so. Deshalb nimmt er auch an, du hältst dir einen Khajit als Sklaven. Das scheint in seiner Heimat ja der letzte Schrei zu sein.“ Edla grinste hinterlistig und packte ihn mit Daumen und Zeigefinger am Kinn. „Wenn du wirklich mein Sklave wärst, dann hätte ich dich gestern abend zum Dessert verspeist.“ Rahir wehrte ihre Liebkosung ab. „Ach was. Glaubst du wirklich, dieser Auftrag wird einfach?“ „Klar. Wir müssen nur unsere Präsenz zeigen. Die Diebe der Gilde mögen Experten im Anschleichen und Schlösserknacken sein, Schwierigkeiten gehen sie aber immer aus dem Weg.“ Rahir schnaubte resignierend. „Wenn du meinst. Was machen wir jetzt?“ Edla verschränkte die Arme und setzte einen selbstbewussten Gesichtsausdruck auf. „Mein Plan ist simpel. Du überwachst das Obergeschoss, ich das untere.“ „Das ist alles?“ „Das ist alles.“ Er zuckte mit den Achseln und begann seinen Rundgang. Edla ging die Treppe hinab. Die Stunden vergingen. Mittlerweile kannte er jeden Zeremonialdolch, jedes Rüstungsteil und jeden religiösen Gegenstand von unbekannter Bedeutung auswendig. Immer öfter musste er gähnen. 500 Goldstücke... Hier liegen Zigtausende rum. Na ja, ist immer noch besser, als Ruinen plündern. Ein gepolsterter Diwan glotzte ihn verlockend an. Es kostete ihn Mühe, sich seiner Einladung zu erwehren. Einfach hinlegen und ausstrecken... Er schüttelte den Kopf heftig und gab sich selbst einige Ohrfeigen. Viel munterer wurde er dadurch auch nicht. Ich brauche frische Luft... Gähnend trat er an einen Fensterladen und öffnete ihn. Der schwarze Nachthimmel hing bedeckt über der Stadt. Auf den Straßen herrschte Ruhe. Nur die fernen, langsamen Schritte einer einzelnen Stadtwache hallten durch den Bezirk. Wird eh Zeit, dass hier mal gelüftet wird, so, wie es hier muffelt. Rastlos lief er im Zimmer im Kreis und machte einige Turnübungen, um seinen Kreislauf auf Touren zu bringen. Plötzlich fuhr sein Kopf herum und fixierte das Fenster. Der Wind bewegte es leicht hin und her. Er blinzelte. Hm... ich höre wohl schon Gespenster... Über sich selbst verwundert, schüttelte den Kopf. Er machte mehrere Kniebeugen, was seine Gelenke zum knirschen brachte. Als er aufhörte- Knirschte es schon wieder. Verdutzt sah er sich um. Was zum Teufel... ? „Edla? Bist du das?“ Keine Antwort. Er sah sich in den umliegenden Räumen um. Nichts. Dann trat er ans Treppenhaus. „Edla?“ „Was gibt’s?“ „Äh... nichts. Wollte nur wissen, ob bei dir alles in Ordnung ist.“ „Hier unten ist alles unverändert.“ „Gut.“ Sich am Kopf kratzend, ging er wieder zurück. Er schloss das Fenster und sah sich genau um. Das ist sicher die Müdigkeit... Sein Blick fiel auf einen Stuhl. Ich setze mich nur kurz hin... Wunderbar weich gepolstert war er, als er sich auf ihn niederließ. Seine Beine dankten es ihm, ihm nicht mehr in den Bauch stehen zu müssen. Langsam entspannten sich seine Gliedmaßen. Er fixierte die Vitrine ihm gegenüber. Ein besonders schöner Vulkanglasdolch lag darin. Die Vitrine wurde unscharf vor seinem Auge. Er rieb sich sein Auge, ohne Wirkung. Hä...? Wie das Flimmern großer Hitze breitete sich die Unschärfe über die Vitrine aus. Dann ertönte ein leises Geräusch, wie ein Kratzen... Verwundert stand er auf. Während er sich der Vitrine lautlos näherte, nahm das Flimmern in der Luft langsam Konturen an. Das gibt’s doch nicht...! Fassungslos beobachtete er das Phänomen. Dann ertönte ein Klicken. Schließlich hob sich der Vitrinendeckel wie von Geisterhand. Sein Auge wurde immer großer. Als dann der Vulkanglasdolch aus der Vitrine herausschwebte, stürzte er sich auf die Gestalt... „Aaaargh!“ Alarmiert von dem Aufschrei, fuhr Edla herum. „Rahir? Was ist los?“ Wie als Antwort ertönte ein lautes Poltern, gefolgt von einem Klirren. Sie rannte los. Als sie den Raum erreichte, sahen ihre verblüfften Augen, wie Rahir mit einem unsichtbaren Wesen rang. Auf dem Boden lagen die Scherben der Vitrine, in die sie zuvor gestürzt waren. Jetzt wälzten sich die beiden auf den Boden. Das einzig sichtbare von seinem Angreifer war der grün schillernde Glasdolch, den es in der Hand hielt. Er hielt die Hände des unsichtbaren Angreifers gepackt, doch der leistete heftigen Widerstand. Mehrmals wechselte die Oberhand, und Edla konnte nur dastehen und zusehen. „Versuch, ihm den Ring von der Hand zu ziehen“, schrie sie ihm zu. Rahir hörte es und griff mit beiden Händen nach einem Arm des Angreifers. Er war nun oben und blockierte ihn mit seinem Gewicht. Der Ellbogen der Gestalt drückte sich in sein Gesicht, während er mit aller Kraft nach seinen Fingern griff. Der Eindringling schlug wild um sich und versuchte, ihn von sich zu stoßen, doch Rahir war am Ende stärker. Schließlich rollte ein glänzender Ring durch den Raum und unter einen Schrank. Rahir blickte ihm verdutzt nach. Dann sah er, was unter ihm lag. Es war... eine Kahjitfrau. „Du mieses Arschloch!!“ Ihr Ellbogen traf ihn heftig am Kinn. Einen Moment lang sah er Sterne. Sie nutzte diese Gelegenheit, ihn von sich zu stoßen. Dann sprang sie auf in Richtung Fenster, doch Edla kam ihr zuvor. Kampfbereit hob sie die Fäuste. „Komm nur her, Miezekatze, wenn du was aufs Maul willst!“ Die Khajit knurrte und fletschte die Zähne. Sie trug dunkle, körperbetonte Lederkleidung, die charakteristische Diebeskluft, die auch schon sichtlich ramponiert war. Langsam umkreisten sich die beiden. Sie hielt immer noch den Dolch in ihren Händen. „Wa-was ist den hier los? Oh nein, sie sind hier!!“ Ulen Athram stand, mit einem Nachthemd bekleidet, in der Tür. Auf seinem Gesicht begann der Zorn die Überraschung zu verdrängen. „Elendes Gesindel von Tiermenschen, ihr werdet jetzt sterben!!“ Die Khajit, genauso wie Rahir, drehten sich in seine Richtung. Der Dunmer reckte seinen linken Arm empor, und eine Aura dunkler Energie umgab ihn. Darauf hin öffnete sich am Boden vor ihm ein kleines Tor zur Hölle. Fahles, gespenstisches Licht quoll heraus und tauchte den ganzen Raum in ein schauriges Violett. Eine Kreatur erwuchs aus dem Höllenschlund. Eine verzerrte Gestalt, gekleidet in eine unheimliche Rüstung aus Stacheln, geronnenem Blut und erstarrtem Grauen stand nun im Raum. Das schwarze Gesicht zeigte ein teuflisches Grinsen, und in Händen hielt es ein Schwert von deformierter Bösartigkeit. „Vernichte die Khajit!!“ Das beschworene Wesen folgte dem Befehl sofort und schritt erbarmungslos auf den am Boden liegenden Rahir zu. Edla sah dies mit Grauen. „Nein! Er gehört zu mir! Lasst ihn in Frieden!“ Ulen Athram winkte verächtlich ab. „Diese Tiermenschen stecken immer unter einer Decke. Nicht umsonst werden sie in meiner Heimat unterdrückt!“ Die schaurige Gestalt, die das pure Böse ausstrahlte, kam finster grinsend immer näher. Rahir sah sich verzweifelt nach einer Waffe um, vergebens. Die Khajit erfasste die Situation und sprang mit einer Hechtrolle an dem Wesen vorbei. Vor dem Dunmer kam sie wieder auf die Beine und rammte ihm den Glasdolch in die Brust. Ein markerschütternder Schrei ertönte. Die Kreatur aus der Hölle löste sich augenblicklich in Rauch auf, als der Dunkelelb sterbend zusammenbrach. Entgeistert starrten alle drei den Körper an, der jetzt auf dem Boden lag. Stille herrschte, alle waren wie erstarrt. Dann ertönten Schritte. Die Schritte schwerer Stiefel. „Die Stadtwachen, sie müssen seinen Schrei gehört haben! Nichts wie weg!“ Die Khajitfrau versuchte erneut zu fliehen, doch Edla stellte sich erneut ihr in den Weg. „Nichts da, hier geblieben! Die Wachen können dich gleich mitnehmen!“ Dann standen sie mit gezogenen Schwertern in der Tür. Einer von ihnen prüfte den Leichnam des Dunmers. „Er ist tot. Keine Bewegung, ihr Gesetzesbrecher!!“ „Ihr? Das muss ein Missverständnis sein. Sie war es!“ Edla deutete auf die Khajit. „Typisch für euch Räubergesindel, euch jetzt gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Für wie dumm haltet ihr uns eigentlich?“ Die Wachen kamen langsam näher. Rahir und Edla sahen sich fassungslos an. „Nicht mit mir.“ Die Khajit drängte sich an Edla vorbei und öffnete das Fenster. Schwungvoll sprang sie hinaus. „Na, wenigstens haben wir einen Teil der Bande. Auf sie, Männer!“ Ohne lang zu überlegen, sprang Edla ihr nach. Rahir war blitzschnell auf den Beinen und folgte ihr. Die Wachen beugten sich aus dem Fenster und hörten nur noch eilige Schritte in der Finsternis. Verärgert rannten sie zurück zur Treppe. Atemlos rannte Rahir Edla hinterher, und die wiederum der Khajit. Im Eiltempo passierten sie das Tor zum Marktviertel. Schließlich schaffte er es, zu ihr aufzuschließen. „Was war das jetzt?“ „Was meinst du? Sie halten uns für Mörder, ganz einfach.“ „Aber... aber...“ „Frag nicht, hol lieber deine Sachen aus dem ‚gefüllten Krug’! Wir müssen weg!“ Unterdessen Edla sich in einer finsteren Ecke versteckt hielt, kam Rahir mit seinen Habseligkeiten aus der Taverne heraus. Atemlos kauerten sie hinter einem Mauervorsprung. „Was sollen wir jetzt tun?“ Edla schnaubte. „Gute Frage. Als erstes müssen wir aus der Stadt verschwinden.“ Auf jede Bewegung achtend, schlichen sie im Eiltempo durch die schwach beleuchteten Gassen des Marktviertels. „Wir müssen das Stadttor erreichen, bevor die Wachen uns in der ganzen Stadt zur Fahndung ausgeschrieben haben“, rief sie, während sie lief. Plötzlich hielt blieb Rahir stehen. „Sieh mal, da vorne!“ Edla strengte ihre Augen an, dann sah sie es ebenfalls. Die Khajitfrau von vorhin schlich durch eine Gasse vor ihnen. Eilig verfolgten die beiden sie. Edla holte ihren Bogen vom Rücken und legte einen Pfeil auf sie an. „Keine Bewegung!!“ Die Khajit erstarrte. Langsam drehte sie sich um. Auf ihrem Gesicht zeigte sich aber keine Furcht. Selbstbewusst verschränkte sie die Arme. „Das Grinsen wird dir noch vergehen. Wegen dir- “ Edla stoppte, als sie ein ächzen hinter sich hörte. Aus ihren Augenwinkel sah sie, wie eine Gestalt Rahir von hinten festhielt und würgte. „Wenn du auf mich schießt, ist er tot, nicht wahr, Uzul?“ Edla schnaubte verächtlich. Der Ork, der Rahir mit dem Stiel seiner Streitaxt an der Kehle hielt, grinste hämisch. „Tja, eine klassische Pattsituation, würde ich sagen. Was machen wir jetzt?“ Die Khajit kratzte sich am Kopf. „Ich weiß nicht, was ihr tut, aber wir werden fliehen.“ „Uns bleibt auch nichts anderes übrig. Sag ihm, er soll Rahir loslassen!“ „Wenn du deinen Bogen wegsteckst!“ Grollend hängte sie ihn wieder um. Auf einen Wink hin ließ der Ork Rahir frei. Keuchend hielt er sich die Kehle. Von der Ferne ertönten die schweren Schritte eiserner Stiefel. Sie sahen sich an. Einmütig und ohne den geringsten Verdacht zu erregen, schritten die vier durch das Nordosttor der Kaiserstadt. Die Wachen am Tor blickten nur kurz auf, als die bunt gemischte Truppe vorbeizog. Als die Stadtmauer hinter ihnen kleiner wurde, beschleunigten sie ihre Schritte und verließen die gepflasterte Straße. Sie steuerten das Ufer des Rumare- See an und ließen dabei die drohende Silhouette des kaiserlichen Kerkers rechts liegen. „So ein Mist...“ Die Khajit fluchte leise vor sich hin. Der Ork, der abgetragene Fellkleider trug, kombiniert mit einzelnen Rüstungsteilen aus Stahl, ging schweigend neben ihr und trug seine gewaltige Streitaxt auf der Schulter. „Wer seid ihr beiden eigentlich“, fragte Rahir und durchbrach die Stille. „Das könnte ich genauso gut euch fragen“, blökte sie ihn wütend an. „Also, ich bin Rahir, und das ist Edla Düsterherz, meine Kumpanin.“ Die Khajit seufzte kopfschüttelnd. „Ihr beiden seid vielleicht ulkig. Ich bin Shamada, und das ist Uzul gro- Grulam.“ Der Ork nickte nur bedächtig. „Was hattest du denn vor in dem Haus von Ulen Athram?“ Shamada grinste belustigt. „Du bist wohl nicht von hier, was? Etwas stehlen, was denn sonst. Was man als Mitglied der Diebesgilde halt so tut.“ Sie senkte ihren Blick. „Als ehemaliges Mitglied der Diebesgilde“, fügte sie traurig hinzu. Rahir schaute verständnislos drein. Ein fahler Mond lugte verstohlen zwischen Wolkenfetzen hindurch, als sie das Ufer des Rumare-See erreichten. Edla machte eine nüchterne Bestandaufnahme. „Wir müssen so schnell wie möglich die Stadtinsel verlassen. Die Brücke und die umliegenden Straßen werden von der Legion kontrolliert, wir müssen also schwimmen.“ Shamadas Augen funkelten zornig. „Hat dich irgendwer zur Anführerin ernannt?“ Edla hielt ihrem aufbegehrenden Blick stand. Momente später ließ Shamada ihren sinken. „Andererseits... wollte ich gerade dasselbe vorschlagen. Komm, Uzul, hinein ins Wasser.“ Nacheinander glitten sie ins kalte Nass. Nur der Mond beobachtete, wie sie den See durchschwammen. Die Morgendämmerung kroch träge über die Lande, als sie auf der anderen Seite des Sees müde und klitschnass aus dem Wasser stiegen. Geduckt näherten sie sich der Straße, die sich an das Ufer des Sees schmiegte und ihn fast zur Gänze umrundete. Aufmerksam achteten sie auf Anzeichen berittener Legionssoldaten, die im Auftrag des Gesetzes auf den Straßen patrouillierten. Hastig übersetzten sie die breite Straße und ließen das gut überschaubare Areal schnell hinter sich liegen. Erst im Schutze des Waldes blieben sie stehen und rangen nach Luft. „So, dass wäre geschafft. Wir sind in Sicherheit“, sagte Rahir erleichtert. Shamada sah ihn finster an. „Einen Dreck sind wir in Sicherheit. Es fängt gerade erst an.“ Verwundert sah er Edla an. „Ich fürchte, sie hat recht. Wir haben nach Ansicht der Wachen ein schweres Vergehen begangen, noch dazu an einem reichen Adeligen.“ Edla schnaubte verächtlich. „Wenn im Hafenviertel die Leiche eines Rumtreibers mit einem Dolch im Rücken gefunden wird, rührt die Legion keinen Finger. In unserem Fall wird sie aber nicht so nachsichtig sein.“ Rahir schüttelte den Kopf. „Aber... was tun wir jetzt? Warum musstest du ihn auch gleich umbringen?“ Vorwurfsvoll blickte er Shamada an. „Ich hatte keine Wahl, du Schlaumeier. Er hat einen Daedrafürsten beschworen. Die Beschwörung hätte solange angehalten, bis wir getötet wären, oder eben er.“ Seufzend setzte sie sich auf den weichen Waldboden. Sie rieb sich ihre müden Augen, während Uzul, ihr schweigsamer Begleiter, unablässig nach Gefahren Ausschau hielt. „Ich würde sagen, wir sollten fürs erste zusammen bleiben. Gemeinsam haben wir bessere- “ Shamada unterbrach Edla aufbrausend. „Was? Auf keinen Fall! Ihr beide seid schuld, dass wir in dieser Patsche sitzen! Wärt ihr nicht gewesen, ich hätte meinen Auftrag für die Gilde erfüllen können und alles wäre in bester Ordnung!“ Rahir stützte die Arme in die Hüften und drohte mit dem Finger. „In bester Ordnung? Für dich vielleicht! Wenn der alte Geldsack bemerkt hätte, dass unter unseren Augen einer seiner Schätze geklaut worden ist, dann hätte er halt nur uns diesen, diesen... Daedra auf den Hals gehetzt!“ Shamada fuhr erbost hoch. Der Ork an ihrer Seite griff demonstrativ nach seiner Axt. Rahir ballte die Fäuste. Mit mahnenden Worten ging Edla dazwischen. „Jetzt beruhigt euch gefälligst! Die Legion und unsere Streitigkeiten sind das kleinere Problem, ihr Holzköpfe! Kapiert ihr nicht, was auf uns zukommt? Es war ein reicher Adeliger aus Morrowind, den du erdolcht hast, Shamada! Ich wette, seine Verwandten haben die Mora Tong bereits mit unserer Verfolgung beauftragt. Wenn die uns erwischen, werden wir uns noch wünschen, wir würden bloß im kaiserlichen Kerker sitzen!“ Betretenes Schweigen herrschte. Den Blick trotzig zu Boden gerichtet, setzten die drei sich nieder. Edla lehnte sich an einen Baum und ließ ihren Blick in die Ferne schweifen. „Mein Plan lautet, dass wir uns als erstes nach Bruma durchschlagen. Ich kenne dort ein paar Leute, bei denen wir uns vorübergehend verstecken können. Auch ist die Präsenz der Legion soweit im Norden geringer als im Herzland.“ Rahir schaute verdrossen zu ihr auf. „Und dann?“ Edla atmete tief aus. „Wir warten. Vielleicht wächst ja schon bald Gras über die Sache. Ansonsten können wir ja immer noch über den fahlen Pass gehen und die Grenze überqueren, und von dort aus nach Flusswald oder weiter nach Weißlauf reisen.“ Shamadas Gesicht zeigte Bestürzung. „In dieses grässliche Land? Niemals!“ Rahir blickte sie fragend an. „Was ist denn dort so schlimm?“ Shamada schnaubte verächtlich. „Es gibt wohl nur wenige Gegenden in Tamriel, in denen Tiermenschen wie wir noch mieser behandelt werden, als in Cyrodiil, und eine davon ist zweifellos Himmelsrand.“ Rahir legte den Kopf schief und sah Edla an. „Stimmt das?“ Sie verschränkte seufzend die Arme. „Ich muss zugeben, meine Landsleute, die Skyrim noch nie verlassen haben, sind anderen Rassen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen, insbesondere den Tiermenschen...“ Shamada gestikulierte übertrieben. „Und wie! Mit den Orks aus Wrothgaria stehen sie seit Jahrhunderten auf Kriegsfuss, und Khajit werden bei denen noch nicht einmal als Sklaven gehalten, sie braten und fressen Leute wie uns!“ Edla hob abwiegelnd die Hände. „Na, na, so schlimm ist es aber auch wieder nicht.“ Shamada schnaubte. „Auf jeden Fall schlimm genug.“ Rahir griff sich an den Kopf. „In Ordnung, jetzt seid mal ruhig. Also, Skyrim ist für uns kein so guter Platz. Wir gehen erst mal nach Bruma, und dort sehen wir weiter, alle einverstanden?“ Edla nickte beiläufig, und Shamada schließlich auch. Nur der Ork rührte sich nicht. Rahir sah ihn genauer an. „Äh, Uzul... was ist deine Meinung?“ „Ich gehe dort hin, wohin Shamada geht“, war die knappe Antwort. Rahir nickte vorsichtig. „Na gut. Das wäre dann ja beschlossen.“ Edla holte einen Mantel hervor und warf ihn über. „Wir sollten hier unser Lager aufschlagen. Es wird hell, und wir sollten nur bei Nacht reisen. Ich übernehme die erste Wache.“ Seufzend betteten sich die anderen, so gut es ging, auf den Waldboden. Rahir versuchte zu schlafen, was ihm aber kaum gelang. Die Ereignisse der zurückliegenden Nacht gingen ihm immer wieder durch den Kopf. Kaum in Freiheit... und schon wieder auf der Flucht. Shamada schlief schnarchend, während der Ork mit offenen Augen an einem Baum neben ihr lehnte. Edla umrundete lautlos ihr Lager und hielt Ausschau. „Du kannst wohl auch nicht schlafen, was?“ Uzul bedachte ihn mit einem müden Blick. „Ich bin sehr wohl müde, ich muss aber auf Shamada aufpassen. Wenn sie dann wach ist, dann werde ich schlafen.“ Rahir nickte verständnisvoll. „Aha...ihr seid aber nicht verwandt, oder? Geht ja auch kaum.“ „Uzul und Shamada sind Geschwister, wenn auch nicht vom Blute.“ Die schwarzen Augen des Ork gingen scheinbar ins Leere und blinzelten noch nicht einmal. Achselzuckend drehte Rahir sich um und versuchte erneut, zu schlafen. Kalte Hände griffen nach Rahir. Er wollte schreien, doch die selben Hände hielten ihm nun den Mund zu. „Edla! Was ist los?“ „Du bist dran mit Wacheschieben, das ist los.“ Gähnend setzte sie sich an das kleine Feuer, das nun in ihrer Mitte brannte. Rahir hielt seine steifen Finger darüber. „Ah, das ist eine gute Idee.“ „Wirf ein Auge besonders auf unsere ‚Freunde’.“ Sie deutete auf die beiden, die jetzt beide lautstark schnarchten. Rahir sah die zwei nachdenklich an. „Traust du ihnen?“ Edla schüttelte langsam den Kopf. „Sie sind von der Diebesgilde, was naturgemäß keine sehr vertrauenswürdige Institution ist. Andererseits haben sie bekanntermaßen einen gewissen Ehrenkodex. Sie werden uns also nicht gleich im Schlafe die Kehlen durchschneiden.“ Rahir seufzte erleichtert. „Na ja, zumindest etwas.“ „Obwohl, die Orks stehen im Ruf, barbarisch zu sein.“ Rahir sah sie schief an. „So barbarisch... wie die Nord, die Leute wie mich auffressen?“ Edla lachte, dann schüttelte sie den Kopf. „Das ist doch nur ein Vorurteil- ja, ein Vorurteil, so ähnlich wie, dass Orks Barbaren sind. Sorgen macht mir eher sie, schließlich ist sie eine- “ „-eine Khajit, wolltest du sagen?“ Edla stoppte ihm Satz, dann sprach sie zögernd weiter. „Versteh mich bitte nicht falsch, ich will dir damit nichts unterstellen, aber... Khajit gelten nun mal als... als...“ „Als verschlagen und hinterlistig? Tja, vielleicht ist das ja auch nur ein Vorurteil.“ Edla lächelte beschämt. „Wahrscheinlich. Die Menschen haben Vorbehalte gegen deinesgleichen. Dabei ist es bloße Armut, die sie zur Diebesgilde und zur dunklen Bruderschaft treibt, und nicht naturgegebene Bösartigkeit.“ Schweigend sahen sie ins Feuer. Schließlich legte sich Edla hin und schlief ein. Zuerst murrte sie im Schlaf, dann zog sie blitzschnell den Glasdolch und hielt ihn Rahir an die Kehle. „Immer mit der Ruhe, bring mich nicht gleich um!“ Seufzend ließ Shamada den Dolch sinken und setzte sich auf. „Mit dem Dolch sind heute schon genug Leute umgebracht worden.“ Shamada verzog das Gesicht. „Musst du mich daran erinnern?“ „Tut mir leid.“ Seufzend betrachtete sie den Dolch und sah, wie sich das Licht darin brach. „Alles nur wegen diesem verdammten Ding.“ „Du hattest den Auftrag, das Ding zu stehlen?“ „Ja. Der alte Ulen Athram hat ihn nämlich selbst rauben lassen, und zwar einem reichen Sammler aus Skingrad. Der wiederum hat sich an die Diebesgilde gewandt. Sie haben mich geschickt, ihn zurück zu holen, ich sollte ihn aber auf keinen Fall dabei töten. Was mir ja nicht ganz gelungen ist.“ Rahir ließ den Kopf sinken. „Die Sache tut mir leid, aber...“ Sie winkte ab. „Ist schon in Ordnung. Du hast deine Arbeit getan, und ich meine.“ „Hm... der Ork, also, Uzul, ist er dein...“ „Mein Beschützer? So kann man es nennen. Und verbindet eine lange Geschichte...“ Rahir zuckte mit den Schultern. „Ich hab Zeit.“ Sie sah ihn entgeistert an. „Glaubst du, ich erzähl dir einfach so meine Lebensgeschichte?“ Rahir schaute bestürzt, sie seufzte tief. „Na gut. Als ich noch ein Kind war, haben meine Eltern mit mir unsere Heimat, die Ebene von Anequina, verlassen. An die Stadt Orcrest, in der ich geboren bin, kann ich mich kaum erinnern.“ „Warum seid ihr ausgewandert?“ Sie schaute ihn verdutzt an. „Das fragst gerade du? Willst du dich lustig machen über mich?“ „Nein, nein! Es ist nur so, dass... ich mein Gedächtnis verloren habe. Und zwar vollständig.“ Shamadas Augen wurden groß. „Vollständig? Das heißt, du weißt nicht, woher du kommst?“ „Richtig. Meine Erinnerung beginnt am Morgen vor drei Tagen. Da bin ich in einer Kerkerzelle erwacht.“ „Aha. Daher auch die Spuren an deinen Handgelenken.“ Rahir rieb sich die angesprochenen Stellen, als könnte er die Ringe ausgedünnten Fells dadurch zum Verschwinden bringen. „Ja... aber erzähl mir mehr von unserer Heimat. Ich weiß ja so gut wie nichts darüber.“ „Na gut. Elsweyr gehörte schon vor meiner Geburt zum Kaiserreich. Sie sagten, sie würden uns Zivilisation und Kultur bringen, haben sich aber nicht dafür interessiert, ob wir so was nicht schon haben, oder ob wir das überhaupt wollen.“ Ein Anflug von Groll huschte über ihr Gesicht. „Jedenfalls haben die kaiserlichen Gesandten das Land aufgeteilt und geordnet, mit anderen Worten, sie haben es den Bauern weggenommen und den Besitz auf wenige Großplantagen verteilt, auf denen die ursprünglichen Besitzer arbeiten durften, für einen Hungerlohn natürlich.“ Rahir lauschte gespannt. „Und deshalb habt ihr Elsweyr verlassen?“ „Meine Familie war eine der vielen Leidtragenden. Sie sahen keine andere Möglichkeit, als nach Cyrodiil zu gehen. Auf der Reise nach Norden wurden wir von Banditen überfallen. Meine Familie- “ Sie zögerte. Nach einer Pause sprach sie weiter. „Nur ich habe überlebt, ich versteckte mich im Wald. Ich hätte nie überlebt, wenn mich nicht Uzul gefunden hätte.“ Lächelnd blickte sie auf den Ork, der friedlich neben ihr schlief. „Ich kann mich noch erinnern, was er als erstes zu mir gesagt hat. Er sagte: ‚Du bist allein, und ich bin es auch. Am besten gehen wir von hier an zusammen.’ Und so war es dann auch. Er war Vater und Mutter für mich, er hat mir beigebracht, wie man kämpft und überlebt.“ Rahir nickte. „War es auch seine Idee, sich der Diebesgilde anzuschließen?“ „Nein. Ich hatte es satt, arm zu sein und heimatlos durchs Land zu ziehen. Mein Talent zum stehlen habe ich bald entdeckt. Böse Zungen sagen, uns Khajit liege es im Blut, und vielleicht haben sie ja recht. Jedenfalls war ich in der Gilde ziemlich erfolgreich. Schließlich habe ich sogar für ihn sorgen können und konnte ihm so einiges zurückgeben, was ich ihm verdanke.“ Die beiden sahen schweigend ins das kleine, prasselnde Feuer. „Was verbindet eigentlich euch zwei?“ „Mich und Edla? Tja, als ich aus dem Gefängnis kam, habe ich sie getroffen. Sie hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihr Ruinen plündern will. Es scheint mir ein ganz gutes Geschäft zu sein.“ „Vor allem ein gefährliches. Vielleicht hast du auch so dein Auge verloren.“ Rahir griff sich ins Gesicht. „Ja, vielleicht.“ „Du solltest jetzt schlafen. Der Tag dauert nicht mehr lang, und bis nach Bruma ist es noch ein breiter Weg.“ Die Sonne näherte sich langsam dem Horizont. Vögel sangen, und in der Ferne brüllte irgendein Tier. Shamada spitzte die Ohren. Ihnen würde kein sich nähernder Feind entgehen. Ihr Blick fiel auf den schlafenden Rahir. Während die Zeit verging, zogen die verschiedensten Gedanken durch ihren Kopf. Bei einem musste sie schmunzeln, vertrieb ihn dann aber durch heftiges Kopfschütteln. „Er gefällt dir, was?“ Erschrocken drehte sie sich um. „Uzul! Du solltest doch schlafen.“ Der Ork hatte die Augen halb geöffnet. Shamada wandte sich von ihm ab, sie fühlte sich ertappt. „Ich kenne dich gut genug, um es zu merken.“ „Hä? Von was sprichst du“, entgegnete sie trotzig. Uzul lächelte und nickte ihn Rahirs Richtung. „Ach was. Er ist ein Holzkopf, er ist an unserem Unglück schuld.“ „Ein Unglück kann sich im nachhinein auch als Glück herausstellen.“ „Du und deine weisen Sprüche. Ich habe allen Grund ihn zu hassen, außerdem... ist er hässlich! Er hat nur ein Auge und das Gesicht voller Narben.“ „Und warum siehst du ihn dir dann die ganze Zeit schon so genau an?“ Shamada knurrte vor sich hin. „Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich dich gefunden habe. Du warst ein liebliches, kleines Kind. Doch heute... bist du eine Frau. Und... du wirst mich nicht immer haben.“ Bestürzt drehte sie sich um. „Was sagst du da? Du... du hast mir versprochen, dass wir immer zusammenbleiben und gegenseitig auf uns aufpassen!“ Der Ork lachte leise. „Ja, das habe ich dir versprochen. Aber das werde ich nicht immer halten können.“ Sie vergrub ihren Kopf in ihren Armen, als könnte sie auf diese Weise allem Unbill der Welt entfliehen. „Du darfst mich nicht allein lassen“, schluchzte sie leise. Uzul setzte sich auf und legte den Arm um sie. „Ach, meine kleine Shamada. Es wird Zeit, das du dir jemanden von deiner Art suchst.“ Sie hob ihren Kopf und sah ihn an. Tränen liefen über ihr Gesicht. „Aber du bist von meiner Art!“ Uzul schüttelte nachsichtig den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich meine so was wie ihn.“ Er deutete auf den schlafenden Rahir. „Jemand wie ihn... weißt du eigentlich, warum ich dich damals aufgelesen habe?“ Sie sah ihn mit roten Augen an und schüttelte den Kopf. „Weil... weil ich wie jeder Ork, Mensch oder Elb das Bedürfnis hatte, für jemanden zu sorgen, für jemanden da zu sein. Das wirst auch du spüren. Eines Tages wirst du das unstete Leben aufgeben und eine Familie gründen, dass weiß ich genau.“ Sie schniefte und zog Rotz auf. „Ich und eine Familie gründen... wer will den schon eine erbärmliche Diebin wie mich.“ „Vielleicht ein hässlicher Ruinenräuber wie er.“ „Jetzt reicht es aber. Leg dich hin und schlafe. Ich wecke dich früh genug zum Wachehalten.“ Uzul kniff sie noch einmal zärtlich in die Wange, dann legte er sich hin. Shamada wischte sich verärgert ihre Tränen ab. Ihr Blick fiel wieder auf Rahir und blieb länger an ihm hängen, als ihr selbst es recht war. Dann zwang sie sich, wegzuschauen. Schließlich stieg ihr ein Geruch in die Nase. Ein Geruch, so fein, das sonst niemand außer ihr ihn bemerken hätte können. Er kam aus Rahirs Richtung, wie sie feststellte. Und er löste ein seltsames Gefühl in ihr aus... Erschaudernd sprang sie auf und lief in den Wald. Sie rannte mehrmals um das Lager im Kreis, dann erst kehrte sie zurück. Als sie sich wieder ans Feuer setzte, fiel ihr Blick wieder unwillkürlich auf den Khajit. Sie dachte wieder an Uzuls Worte. Vielleicht ein hässlicher Ruinenräuber... wie er... Kaum war die Schwärze der Nacht hereingebrochen, setzten sie sich auch schon in Bewegung. Schon bald setzte heftiger Regen ein und prasselte erbarmungslos auf die vier herab. Sie alle zogen die Kapuzen ihrer Mäntel über den Kopf, nur Rahir besaß keinen. Er zitterte vor Kälte. Seine Eisenrüstung schützte ihn nicht vor der Nässe. Uzul gab Shamada einen Stoß, woraufhin sie aus ihrem Fundus einen Ersatzmantel herauszog und ihn Rahir reichte. Er sagte kein Wort, lächelte sie aber dankbar an. Sie lächelte zurück und sah dann angestrengt zu Boden. Es entging ihr nicht, dass Uzul sie von der Seite zufrieden ansah. Allmählich veränderte sich die Landschaft. Die Bäume wurden niedriger, der Boden felsiger. Schon bald sahen sie die Jerallberge vor sich im Nebel aufragen. Das Gelände stieg nun stetig bergan. Schnee lag in immer größeren Flecken am Wegesrand, bis er schließlich eine geschlossene Decke formte, die alles einhüllte und verbarg. Die Luft wurde kälter; kleine Schwaden entwichen bei jedem Atemzug. „Mit etwas Glück erreichen wir Bruma kurz nach Sonnenaufgang“, sagte Edla und unterbrach damit die Stille, die seit Stunden unter den einförmig dahinmarschierenden Weggenossen herrschte. Uzul griff nach seiner Axt, als er das Heulen von Wölfen vernahm. „Sie greifen keine Gruppen von Reisenden an. Nur Einzelne sind in Gefahr“, beruhigte ihn Edla. „Außer sie haben großen Hunger“, erwiderte er, ohne den Blick von der Ferne, aus der das Heulen kam, zu nehmen. „Das da oben, das ist Bruma!“ Shamada zeigte mit dem Finger. Der Weg wand sich nun in ungleichmäßigen Serpentinen einen steilen Hang hinauf. Auf dem Höhenrücken, in dessen Verlauf der Hang abflachte, ragten die Mauern einer Stadt in die beginnende Dämmerung. „Ja, das ist Bruma. Der südlichste Vorposten von Himmelsrand, wie wir manchmal sagen“, sagte Edla, und Wehmut klang in ihren Worten mit. Die Sonne stieg gerade in der Ferne über der Kaiserstadt auf und beendete eine bitterkalte Nacht. Der Weißgoldturm ragte wie ein mahnender Finger in die Höhe und war selbst von hier gut zu erkennen. Die Torwachen, die gerade die Wachablösung gehabt hatten, nahmen kaum Notiz von der buntgemischten Schar, die nun die Stadt betrat. Als sie vorbei waren, folgte eine der Wachen ihnen in die Stadt, bog dann aber in Richtung des Schlosses ab. Rahir betrachtete erstaunt die ungewöhnlichen Häuser in Bruma. Sie alle waren aus dicken, mit verschlungenen Symbolen verzierten Holzbalken gefertigt. Ihre Fundamente aus Stein waren wuchtig und schienen tief in die Erde zu reichen. Edla erklärte ihm die Architektur. „Wegen der Kälte sind die Häuser zum Teil in den Boden hineingebaut. Wenn ich den Baustil so sehe, muss ich an meine Heimatstadt Windhelm denken. Wenn man genau hinsieht, erkennt man aber den nibenesischen Einfluss.“ „Was ist denn das für ein Protzbau?“ Rahir deutete auf ein Gebäude, dessen Hauptturm die gesamte Stadt überragte. „Das ist die Kapelle von Talos, eine der Errungenschaften des Kaiserreiches. Nichtsdestotrotz verehren nach wie vor viele Nord hier unseren Gott Krom und pfeifen auf die Neun.“ Edla führte sie zu einem der geduckt gebauten, massiven Holzhäuser hin. Über der Tür hing ein Schild: ‚Olavs Streu und Bräu’. „Ich kenne Olav seit vielen Jahren. Hier können wir günstig und unauffällig absteigen.“ Edla stieß die dicke Holztür auf. Das Innere des Gasthauses wurde nur von wenigen Kerzen erleuchtet, so dass fast Dunkelheit herrschte. Ein Kamin strahlte wohltuende Wärme aus. Intensive Gerüche der einfachen, aber herzhaften Küche der Nordleute stiegen ihnen in die Nase. Der Wirt, ein rundlicher Nord mit schütterem blonden Haar und einer ausgeprägten, rötlichen Nase warf der bunt gemischten Schar zuerst einen skeptischen Blick zu, begrüßte sie dann aber überschwänglich, als er Edla erkannte. „Entweder täuschen mich meine Augen, oder das ist leibhaftig Edla Düsterherz. Sei willkommen, du und deine Freunde.“ Sie alle setzten sich an einen Tisch, heilfroh, der Kälte entkommen zu sein. Ihre Mäntel hingen zum trocknen am Kamin. Olav brachte ihnen allen eine anständige Mahlzeit nach Nordart sowie einen Krug Bier. Dann setzte er sich zu ihnen. Zu dieser Tageszeit war das Gasthaus von ihnen abgesehen leer. „Du warst schon seit Monaten nicht mehr in Bruma. Sag, was hat dich hierher verschlagen?“ Edla setzte den Bierkrug ab und wischte sich den Mund ab. „Ich war ziemlich beschäftigt. Du glaubst nicht, wie viele verlassene Verliese auf eine Abenteurerin wie mich warten. Und wie sieht es bei dir aus? Gibt es Neuigkeiten hier in Bruma?“ „Nun ja, es ist nach wie vor kalt, wenn auch nicht ganz so kalt wie in Haafingar, der Herkunft meiner Vorfahren. Sonst hat sich in deiner Abwesenheit nicht viel getan. Wie ich sehe, hast du einige Mitstreiter um dich geschart. Habt ihr hier in der Gegend ein bestimmtes Ziel?“ Edla räusperte sich und tauschte Blicke mit den anderen aus. „Nun, so was in der Art. Zuerst müssen wir uns aber ausruhen, wir haben eine beschwerliche Reise hinter uns.“ Olav nickte bedächtig. „Muss wirklich sehr beschwerlich gewesen sein, eure Reise. Ihr seid sogar nachts marschiert, was ja nicht gerade... üblich ist.“ Wachsam schielte er zur Tür. Dann beugte er sich vor und sprach leiser weiter. „Man erzählt sich so einiges. Kann es sein, dass ihr in Schwierigkeiten geraten seid?“ Edla dachte angestrengt nach, wie viel sie ihm verraten konnte. Die anderen sahen gebannt zu. „Tja... sagen wir mal, wir möchten unsere Anwesenheit nicht an die große Glocke hängen.“ Olav hielt den Kopf schief. „Ich weiß ja nicht, ob es etwas mit euch zu tun hat, aber gestern ist ein berittener Eilbote die Silberstraße heraufgekommen und hat Kunde zur Gräfin gebracht.“ „Die Wachen am Tor haben uns jedenfalls nicht behelligt, aber hab Dank für deine Auskunft. Du hast doch Zimmer frei für uns vier?“ „Für Edla Düsterherz und ihre Freunde doch immer! Kommt, ich zeige sie euch.“ Die kleinen, karg möblierten Räume strahlten Schutz und Geborgenheit aus, fand Rahir. Ein Reisender, der die Herbergen des kaiserlichen Herzlandes oder die des wohlhabenden colovianischen Hochlandes gewohnt war, hätte die Nase gerümpft ob der muffigen und nicht gerade sauberen Kammern. Doch für Rahir und die anderen waren diese Zimmer ein Palast, nach der letzten Nacht im ‚großen Forst’, wie die Wälder nördlich des Herzlandes allgemein genannt wurden. Kaum, dass Rahirs Haupt das Kissen berührte, dämmerte er auch schon weg. In seinen wirren Träumen erschienen ihm seine Weggefährten der letzten Tage ebenso, wie Personen, an die er sich nicht erinnern konnte, die ihm völlig fremd waren... und doch irgendwie vertraut wirkten. Ein Gesicht tauchte in dem Durcheinander aus verschütteten Erinnerungen besonders häufig auf. Es war das Gesicht der jungen Khajitfrau, Shamada. Sein Magenknurren beim Aufwachen zeigte ihm an, dass es inzwischen später Nachmittag war. Die Zimmer hatten wegen der bitteren Kälte, die hier das meiste Jahr herrschte, keine Fenster, doch er war sich ziemlich sicher. Noch etwas benommen, schlüpfte er in seine Kleider. Der Gastraum war mittlerweile gut gefüllt. Hauptsächlich Nord waren es, und einige Dunmer und Bosmer, die tranken und scherzten. Nicht wenige der Gäste drehten sich in seine Richtung um und beäugten den Fremdling misstrauisch. Er war der einzige Khajit, so weit er das sah. Seine Weggefährten schienen noch zu schlafen, so vermutete er, denn keiner von ihnen war im Gastraum. Am Ende eines nicht vollbesetzten Tisches nahm er Platz. Die Nord an dem Tisch, die sich bis dahin lautstark unterhalten hatten, verstummten mit einem Male. Rahir spürte ihre stechenden Blicke auf sich. „Sag Mal, Logvaar, kannst du dich daran erinnern, der Miezekatze erlaubt zu haben, sich hier her zu setzen?“ „Nein, Regnar, beim besten Willen nicht.“ Rahir drehte seinen Kopf langsam in ihre Richtung. „Sprichst du mit mir?“ „Seht mal, er beherrscht sogar unsere Sprache!“ Abschätziges Gelächter brandete auf. Rahir war in Sekundenschnelle auf den Beinen und packte den Streithans nun am Kragen. Er hielt ihn sich dicht vors Gesicht, so dass er genau in sein einzelnes Auge blicke konnte. „Na, na, immer mit der Ruhe! Auseinander, ihr beiden!“ Olav kam hinter der Schenke hervor und trennte die beiden. „Regnar, du Einfaltspinsel, fang keinen Streit mit meinen Gästen an. Er hat ein Quartier hier und genauso ein Recht, hier zu sein wie du, verstanden? Wenn du dich nicht benehmen kannst, solltest du lieber nach Hause gehen!“ Murrend wandte sich Regnar ab und ging Richtung Tür. Der Wind zog durch den Raum, in dem Moment, in dem sie hinter ihm zufiel. Rahir setzte sich wieder hin. „Verzeiht seine Unverschämtheit, aber wenn er etwas getrunken hat, dann sucht er manchmal Streit.“ Rahir winkte ab. „Halb so schlimm. Das passiert mir öfters.“ Er saß vor einem Bier Krug, während der Rest der Gäste ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Diese Bauerntölpel... eines Tages werden sie alle Respekt vor mir haben, das schwöre ich... „Wie ich beobachtet habe, habt ihr bereits Bekanntschaft mit der Gastfreundschaft hier gemacht.“ Rahir sah von seinem Krug auf. Ein vornehm gekleideter Nord setzte sich gegenüber von ihm hin. „Mein Name ist Tolgan, Majordomus von Gräfin Carvain, der Fürstin der Region von Bruma. Und ihr...?“ „Ich bin Rahir, der einäugige Khajit. Was kann ich für euch tun?“ Der Nord namens Tolgan drückte sich für einen Vertreter seines Volkes außergewöhnlich vornehm aus. „Nun, ich hoffe, dieses unangenehme Erlebnis hat euren Eindruck von unserer schönen Stadt nicht vermiest?“ „Ach was. Sagen wir, ich wurde schon darauf vorbereitet, dass die Sitten hier etwas... rau sind, zumindest Leuten wie mir gegenüber.“ Tolgan machte ein betroffenes Gesicht. „Ja, leider sind wir noch ein gutes Stück entfernt von der Weltoffenheit, wie sie zum Beispiel in der Kaiserstadt herrscht.“ Als Rahir dies hörte, musste er leise lachen. Tolgan quittierte dies mit einem verdutzten Gesichtsausdruck. „Nicht unbedingt...“ „Äh... wie dem auch sei, Rahir... der Grund für unseren Plausch ist, dass die Gräfin euch und eure Freunde zu einer Audienz empfangen will.“ „Wie kommt sie auf uns? Und um was geht es dabei?“ „Das werdet ihr von der Gräfin persönlich erfahren. Bei der Angelegenheit ist Diskretion sehr wichtig.“ Rahir leerte seinen Krug und stellte ihn danach mit einem Geräusch des Wohlbehagens wieder ab. „Ich nehme an, es ist keine Bitte, dass wir kommen sollen...“ Tolgan lächelte förmlich. „Wie ich sehe, verstehen wir uns richtig. Man könnte sagen, die Gräfin besteht darauf, euch zu empfangen. Als Geste des Entgegenkommens darf ich euch dieses Präsent überreichen, und zwar mit den besten Wünschen der Gräfin.“ Tolgan legte einen prall gefüllten Lederbeutel auf den Tisch. Münzen schepperten darin. Rahir richtete seinen Blick angestrengt auf den Beutel, als könne er durch bloßes Anstarren die Goldstücke darin zählen. „Wir haben nun die vierte Stunde... wenn ihr und eure Begleiter die Freundlichkeit hätten, zwischen der fünften und sechsten Stunde bei ihr im Schloss zu erscheinen? Gehabt euch bis dahin wohl.“ Der Nord stand auf und verließ gemessenen Schrittes das Gasthaus. Rahir blickte ihm kopfschüttelnd nach. „So ein Schnösel.“ Mit einer Hand wog er den Beutel. Sich misstrauisch umschauend, verstaute er ihn bei seinen Sachen. Dann schritt er zum Kamin, nahm seinen Mantel vom Haken und verließ das Gasthaus. Ziellos schlenderte er durch die Straßen von Bruma. Die Stadt war in mehreren Terrassen in den Hang am Fuße der Jerallberge gebaut. Steile Treppen verbanden die einzelnen Terrassen. Von der obersten, auf der sich die Garnison und das Schloss der Gräfin befand, konnte man die Stadtmauern überblicken. Die Sicht reichte weit bis in die nibenesische Senke hinein. Dann ließ er seinen Blick über die schmalen Gassen zwischen den dicht beieinander stehenden Häusern schweifen. Unter den wenigen Menschen, die sich bei der Kälte ins Freie wagten, erkannte er eine wieder. Eilig lief er die Stufen hinab. „Da bist du ja, Edla. Ich dachte, du würdest noch schlafen.“ Die Nord winkte ab. Sie wirkte nervös. „Ich bin schon eine Weile auf den Beinen. Stell dir vor, die Wachen wollten mich nicht aus der Stadt hinaus lassen, nannten mir aber keinen Grund dafür! Es wundert mich, denn, wenn sie schon Kunde von den Vorwürfen gegen uns hätten, dann hätten sie uns wohl gleich festgenommen. Sehr seltsam, das ganze...“ Rahir verschränkte die Arme. „Ich habe eine Ahnung, was los ist. Sag mal, du wolltest dich nicht zufällig aus dem Staub machen?“ Edla machte ein betroffenes Gesicht. „Für was hältst du mich? Nein, um Krom’s Willen, ich wollte mir nur ein paar Pferde für uns ansehen im Gestüt vor der Stadt, das war der Grund.“ „So, so. Jedenfalls weiß ich den Grund, warum wir hier festgehalten werden.“ Auf dem Weg zurück zu ‚Olavs Streu und Bräu’ erzählte er ihr von seiner Unterredung mit Tolgan. „Tolgan, dieser eitle Geck. Er ist der engste Vertraute und Ratgeber der Gräfin. Sie selbst gilt als durchtriebener Machtmensch, der alles tut, um seine Ziele zu erreichen. Wir sind wohl Gefangene hier, bis wir wissen, was sie von uns will.“ Rahir trat durch die Tür. Shamada und Uzul saßen an einem Tisch und blickten erstaunt auf, als sie die beiden sahen. „Da seid ihr ja. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“ Die beiden setzten sich an ihren Tisch und erklärten ihnen die Lage. Shamada geriet außer sich. „Wir sind also Gefangene? Was fällt ihr ein?“ Rahir wiegelte ab. „Beruhige dich lieber. Wir könnten schon in Ketten liegen, wäre das besser? Bald wissen wir, was los ist.“ Shamada schnaubte verächtlich. „Können wir nicht irgendwie fliehen?“ „Da sehe ich wenig Möglichkeiten“, sagte Edla niedergeschlagen. „Das Nordtor wird ebenso wie das Osttor gut bewacht. Selbst wenn es uns gelingen würde, in den vereisten Jerallbergen können wir nicht lange überleben. Und weiter südlich sucht womöglich schon die Legion nach uns.“ Rahir stand auf und blickte zur Tür. „Am besten, wir lassen die Gräfin nicht länger warten und finden es ganz einfach heraus.“ Die vor dem Schlosstor aufgestellten Soldaten prüften sie mit strengen Blick und ließen sie alle Waffen ablegen, bevor sie die Vorhalle zu Schloss Bruma betreten durften. Schon die hochaufragende Vorhalle beeindruckte sie. Lange Banner hingen herab und kündeten vom Ruhm vergangener Adelsgeschlechter. An allen Türen, die von der Eingangshalle wegführten, standen Wachen, die ihren Dienst mit ernster Miene erfüllten. Die Thronhalle wurde von im Raum verteilten Kerzenständern in ein anheimelndes Licht getaucht. Es fiel ihnen auf, dass hier an den Wänden entlang Vitrinen und Schaukästen standen. Ihr Inhalt schimmerte matt im Kerzenlicht. Es waren ohne Ausnahme altertümliche Rüstungsteile und Waffen aus einer längst vergangenen Epoche. Shamadas Mund wurde wässrig. Ihr Blick wurde wie hypnotisch angezogen. „Bei der Maske des Graufuchses... ich weiß nicht, was das für Kram ist, aber... so gut, wie er gesichert ist, muss er ein Vermööögen wert sein.“ „Das kann man laut sagen.“ Aus dem von schummrigen Kerzenlicht erfüllten Halbdunkel trat eine Frau in einer prachtvollen Robe hervor und auf die Schar zu. Alle drehten sich zu ihr um. Sie war von fortgeschrittenem Alter, doch immer noch schön und anmutig. Ihre Züge verrieten Entschlossenheit und Beharrlichkeit. „Dies sind alles Artefakte aus der ersten Ära, als Reman Cyrodiil Krieg gegen die Akaviri führte, um den Grundstein für das heutige Kaiserreich zu legen. Ich bin Gräfin Narina Carvain, und ihr seid...“ Ihr Blick traf einen nach dem anderen von ihnen. „... Rahir, ein Khajit und geschickter Kämpfer. Edla Düsterherz, die beste Bogenschützin von ganz Skyrim. Shamada, die Diebin, und Uzul gro-Grulam, Ork und Axtkämpfer.“ Ihnen allen stand der Mund offen. Schließlich brachte Edla zuerst ein Wort heraus. „Woher...“ „Woher ich das alles weiß? Nun, ich habe Kundschafter nicht nur in dieser Region, müsst ihr wissen. Ich weiß auch, dass ihr vier wegen eines abscheulichen Vergehens in der Kaiserstadt gesucht werdet.“ Die Gräfin trat an eine der Vitrinen heran und betrachtete den darin liegenden Akaviri-schild genauestens. Ohne aufzusehen, sprach sie weiter. „Wenn ich euch der kaiserlichen Legion überantworte, erwartet euch im besten Falle ein ziemlich langer Aufenthalt im Kerker. Im schlimmsten Falle- “ Sie richtete ihren durchdringenden Blick wieder auf die vier. „– das Schafott.“ Rahir, Edla und Shamada schluckten tief, nur Uzul blieb nach außen hin gelassen. Gräfin Carvain begann, sie zu umrunden. „Das muss aber nicht so sein. Mein Einfluss bei der Legion geht soweit, dass ich die Aufzeichnungen über diesen unangenehmen Vorfall verschwinden lassen kann.“ Rahir machte ein missmutiges Gesicht. „Dafür erwartet ihr aber etwas von uns, nicht wahr?“ Die Gräfin lachte verhalten. „Allerdings, werter Rahir. Ich kenne eure Talente und Fähigkeiten. Deshalb weiß ich, dass ihr dort erfolgreich sein werdet, wo schon viele andere gescheitert sind. Ihr habt die Schaukästen ja schon bemerkt.“ Die Vier sahen sich noch einmal um. „Ich bin im Besitz der umfangreichsten Sammlung von Akaviri-artefakten in ganz Cyrodiil, wenn nicht sogar in ganz Tamriel. Selbst der kaiserliche Hof beneidet mich um meine wertvollsten Stücke.“ Sie lächelte kurz verschlagen. „Nun ja, der hat im Moment wohl andere Sorgen. Wie dem auch sei, ein Stück fehlt mir noch. Und ihr werdet es für mich finden.“ Ihr eindringender Blick fiel auf die Vier. „Es geht um den draconischen Stein des Wahnsinns. Er ist ein Amulett, dass der Legende nach seinen Träger vor den verschiedensten Giften schützen soll.“ „Und wo sollen wir ihn suchen“, fragte Edla, deren Neugier nun geweckt war. „Ihr kennt sicher den fahlen Pass, der über die Jerallberge nach Skyrim führt. Laut einigen Schriftstücken, die Abenteuer im meinem Auftrag gefunden haben, liegt dort in den Bergen eine Festung versteckt, die von den Akaviri damals als geheimer Kommandostützpunkt eingerichtet wurde. In den Aufzeichnungen steht von einem Boten geschrieben, der damals die Kunde von den Bewegungen der Armee Reman’s dorthin hätte bringen sollen. Scheinbar ist er unterwegs umgekommen, da die Aufzeichnungen abrupt enden. Jedenfalls könnt ihr dieser Abschrift eine ungefähre Wegbeschreibung entnehmen. Hier.“ Sie reichte ihnen ein Pergament. Edla nahm es entgegen und steckte es ein. „Das Amulett hat die Form einer zusammengerollten Schlange, wenn man den zeitgenössischen Beschreibungen glauben darf. Reman Cyrodiil selbst soll es vergeblich gesucht haben. Er selbst war ja versiert im herstellen von magischen Reliquien . Das ‚Amulett der Könige’ soll eine seiner Arbeiten sein.“ Rahirs Auge wurde groß. Sein Atem stockte. Mit aller Macht kämpfte er gegen die Bestürzung an. Unwillkürlich hob er seine Hand und griff nach dem Amulett, dass er unter seiner Kleidung trug. „Geht es euch gut?“ Die Gräfin sah ihn genau an. „Hm? Äh, ja, Gräfin... es ist... nichts... nichts weiter.“ „Gut. Habt ihr sonst noch Fragen?“ Shamada verschränkte die Arme. Ihr Blick strahlte Trotz aus. „Ja. Eine. Was ist, wenn wir nicht wollen?“ Die Gräfin sah sie mit gespieltem Erstaunen an, wie jemand, der ein Kind ein unanständiges Wort hat sagen hören. „Das ist ganz einfach. Ich lasse euch in Ketten legen und zur Kaiserstadt verfrachten. Und glaubt ja nicht, ihr könntet bei eurem Auftrag verschwinden. Meine Soldaten kennen die Jerallberge gut genug, um euch zu finden. Solltet ihr tatsächlich ein Versteck dort finden, müsst ihr dort wohl für immer ausharren, oder ihr seid für den Rest eures dann nur noch kurzen Lebens auf der Flucht. Entscheidet euch.“ Shamada knurrte ihn sich hinein und richtete ihren Blick zu Boden. Edla räusperte sich. „Also gut, Gräfin Carvain... wir sind mit dem Handel einverstanden. Eines bleibt aber noch zu klären. Was gibt es für uns als Belohnung?“ Die Gräfin schmunzelte. „Die Geschichten über euch, Edla Düsterherz, scheinen nicht übertrieben gewesen zu sein. Nun, ihr bekommt das wertvollste überhaupt, euer Leben und die Freiheit, ist das nicht genug? Nun gut, als kleine Aufwandsentschädigung sollt ihr nachträglich noch einmal fünfhundert Goldstücke bekommen. Ihr könnt auch alles, was ihr in der Festung findet, für euch behalten, außer natürlich den Stein des Wahnsinns.“ Edla nickte langsam. „In Ordnung. Morgen früh brechen wir auf.“ Sie waren heilfroh, wieder die frische, kalte Abendluft zu atmen und ihre Waffen am Körper zu spüren. Auf dem Hauptplatz blieben sie stehen. Edla nahm das Gold und teilte es unter ihnen auf. „Die Läden sollten noch offen haben. Besorgt euch alles, was ihr brauchen könntet. Vergesst nicht auf genügend Heiltränke! Die Sache wird nicht ungefährlich.“ Dann zerstreuten sie sich. Rahir kam vor einem Laden zum stehen, der sich ‚Hammer und Axt’ nannte. Neugierig trat er ein. In der Schmiede im Inneren stand ein Nord mit verschwitzten und vom Russ der Esse angeschwärzten Gesicht an einem Amboss und hämmerte eine Metallplatte in Form. Als Rahir näher trat, hörte er damit auf. Mit einem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. „Ich bin Fjotreid, der Schmied. Was kann ich euch anbieten?“ Rahir ließ seinen Blick durch Raum schweifen. Auf Regalen lagen Schwerter, Äxte und Bögen, sowie Rüstungsteile aus poliertem Stahl. Der Geruch von geschmolzenem Metall und glühenden Kohlen stieg ihm in die Nase. Er dachte an die abgetragene Eisenrüstung, die er dem Banditen abgenommen hatte. „Tja... ich könnte eine Rüstung gebrauchen. Was könnt ihr mir empfehlen?“ Fjotreid musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle. „Nun, für einen Khajit seid ihr kräftig gebaut. Ich erkenne, dass ihr für schwere Rüstung begabt seid. Wie wäre es mit einer Rüstung aus hochwertigem Stahl, nach Nordart vergütet?“ Rahir begann zu grinsen. Einige Minuten später steckte er in einem Stahlharnisch, mit dazu passenden Beinschienen und Panzerhandschuhen. Begeistert betrachtete er sich selbst, während der Schmied von ihren Eigenschaften schwärmte. „... beachtet auch die Lamellen im Bereich des Unterleibs. In vielen Rüstungen auf dem Markt könnt ihr euch kaum bücken, mit dieser schon! Und trotzdem seid ihr auch an dieser Stelle gegen Schwerthiebe geschützt. Außerdem gebe ich mein Wort, dass die Rüstung nie rostet, bei pfleglicher Behandlung, versteht sich.“ Sein Auge glänzte, unterdessen er in der Rüstung alle denkbaren Bewegungen probierte. „Und auch die Größe passt perfekt, wie für euch geschmiedet.“ Rahir strahlte übers ganze Gesicht. „Kann ich sie gleich anlassen?“ Fjotreid lächelte zufrieden. „Aber natürlich. Das macht dann...“ Seine Stirn warf Falten, während er angestrengt rechnete. „... eigentlich vierhundert Goldstücke, aber weil ihr mir sympathisch seid, sagen wir dreihundertsechzig.“ Rahir kratzte sich am Kopf. Das ist fast mein ganzes Geld... „Würdet ihr das hier in Zahlung nehmen?“ Rahir zog seinen alten Eisenharnisch hervor. Fjotreid betrachtete ihn skeptisch. „Na ja... ich kann euch dreißig Goldstücke dafür nachlassen, aber mehr beim besten Willen nicht.“ Als er den Laden verließ, spiegelten sich die letzten Strahlen der Abendsonne in der polierten Oberfläche seiner Rüstung. In einem Gemischtwarenladen erstand er für seine letzten Goldstücke noch zwei Heiltränke, dann kehrte er wieder in das Gasthaus, in dem sie wohnten, zurück. Als er durch die Tür trat, ging ein Raunen durch die Schar der Gäste. Ein Recke in glänzender Rüstung war hier wohl nur selten zu Gast. Ohne den Leuten, denen teilweise der Mund offen stand, auch nur einen Blick zu schenken, steuerte er den Tisch an, an dem die anderen bereits beim Abendessen saßen. Auch in ihren Gesichtern stand die Verwunderung geschrieben. „Die muss ja ein Vermögen gekostet haben“, brachte Edla erstaunt hervor. „Zweifelsohne. Jetzt bin ich blank, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Shamada starrte ihn an, bis es ihm auffiel. In dem Moment wandte sie sich wieder ihrer Schüssel zu. „Da brauchen wir ja keinen Feind mehr zu fürchten“, sagte Uzul fröhlich. „Apropos Feind. Edla, du kennst diese Gegend besser als wir. Mit was müssen wir rechnen?“ Die Nord legte ihren Löffel neben die leere Schüssel. „In den Jerallbergen treiben um die Jahreszeit hungrige Wolfsrudel ihr Unwesen. Sie trauen sich nicht nahe an menschliche Behausungen heran, aber weiter nördlich müssen wir mit einem Angriff rechnen. Außerdem...“ Sie senkte ihre Stimme. „... soll es am fahlen Pass Trolle geben. Auch wenn ich noch nie einen dort gesehen habe.“ Sie seufzte. „Aber ich habe auch nicht nach versteckten Festungen gesucht, sondern immer nur den kürzesten Weg genommen.“ Uzuls Miene erstarrte. Seine schwarzen Augen verengten sich zu Schlitzen. Shamada sah ihn nervös an. „Was ist, Uzul? Diese Trolle... wie gefährlich sind die denn?“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe bereits mit welchen gekämpft. In den Drachenschwanzbergen, bei Orsinium... es sind schreckliche Kreaturen. Höher als ein Mann, und so stark wie zwei Ochsen. Wo sie mit ihren Pranken hinschlagen, wächst so schnell kein Gras mehr.“ Shamada schluckte tief, und Rahir machte ein besorgtes Gesicht. Dann räusperte er sich. „Egal, ich werde euch beschützen. Mit meiner Rüstung bin ich im Nahkampf- “ „Wer sagt, das ich deinen Schutz brauche“, entgegnete Shamada scharf. „Mit was ich nicht fertig werde, das übernimmt Uzul, stimmt’s?“ Überlegen lächelnd sah sie den Ork an. Der jedoch bedachte sie mit einem strengen Blick. „Na, na, kleine Dame, nicht so vorlaut. Wir können seine Hilfe auf jeden Fall brauchen. Außerdem ist er sicher der bessere Kämpfer als ich. Er ist jung und kräftig, wie du zugeben musst.“ Beleidigt legte sie ihre Ohren an. „Ach was. Du steckst ihn doch allemal in den Sack.“ Uzul lachte herzhaft auf. „Schön wär’s, aber die Zeiten sind vorbei.“ „Ich habe für diesen Zweck einen Köcher prallvoll mit Dwemer -Pfeilen erstanden. Sie richten großen Schaden an, selbst bei einem Troll. Nur, wenn es nicht anders geht, dürfen wir uns mit ihnen auf einen Nahkampf einlassen“, schärfte Edla ihnen ein. „Und jetzt sollten wir alle zu Bett gehen. Wir brechen vor Anbruch des Tages auf.“ Rahir ordnete die Teile seiner Rüstung gewissenhaft neben seinem Bett. Stolz betrachtete er sie. Mit dieser Montur wird mich niemand mehr dumm anquatschen. Scheinbar habe ich sogar... ... Shamada gefallen. Seufzend dachte er an die junge Khajitfrau. Ich mag ihr ja gefallen haben... Leiden kann sie mich deswegen auch nicht... Kopfschüttelnd vertrieb er den Gedanken und legte sich hin. Lange Zeit konnte er nicht einschlafen und lauschte dem Wind, der durch die Ritzen im Dach des Holzbaus pfiff. Manchmal erinnerte ihn das Pfeifen an das Geheul hungriger Wölfe. Als er schließlich einschlief, fand er sich in einer schneebedeckten Ebene wieder. Er träumte, mit einem ganzen Rudel von ihnen zu kämpfen. Doch je mehr er von ihnen erschlug, desto mehr kamen nach. Als er letztendlich doch siegte, stützte er sich erschöpft auf sein Schwert. Kaum war er wieder zu Atem gekommen, hörte er das furchterregende Brüllen herannahender Trolle... Heftiges Klopfen weckte ihn. Durch die Tür drang dumpf die Stimme von Edla Düsterherz. „Mach dich bereit. Wir brechen bald auf.“ Schlaftrunken wälzte er sich aus dem Bett. Bibbernd raffte er seine Kleidung zusammen, um sie unter der Stahlrüstung anzuziehen. Am Ende warf er den Mantel über. Er überprüfte noch kurz sein Inventar, dann verließ er die kleine Kammer. Uzul saß in Gedanken versunken an einem Tisch und prüfte die Schneide seiner Axt auf Scharten. Edla stand daneben und ordnete noch einmal die Pfeile in ihrem Köcher. Shamada stand am Kamin, in dem noch etwas Glut glomm, und wärmte sich die Finger. „Was für eine furchtbare Kälte. Wie kann man es hier nur aushalten!“ Edla bedachte sie mit einem müden Blick. „Es kommt dir deshalb so kalt vor, weil das Land deiner Vorfahren ein heißes Klima besitzt. Warte erst einmal, wie es auf der Passhöhe oben wird.“ Wie als Antwort erschauderte Shamada. Rahir stellte sich neben sie an den Kamin. „Willst du vielleicht den Mantel zurück“, fragte er vorsichtig. „Nein, behalt ihn ruhig“, erwiderte sie knapp und ging vom Kamin weg zu den Tischen. Betrübt ließ Rahir den Blick sinken. Frischer Schnee lag in den Straßen von Bruma. Die Morgendämmerung setzte gerade ein, als sie das Nordtor erreichten. Die Wachen verfolgten aufmerksam ihre Schritte die Stadt hinaus. Der Schnee knirschte unter ihren Füssen. Edla und Shamada trugen neue Pelzstiefel, wie ihm jetzt auffiel. Die beiden Frauen gingen vor ihm, Uzul, der Ork, an seiner Seite. Seine Axt trug er über die Schulter gelegt und hatte sie so jederzeit griffbereit. „Sie ist manchmal etwas grob zu den Leuten, in ihrem Inneren hat sie aber ein weiches Herz.“ Rahir sah Uzul erstaunt an. „Hm? Na ja, du musst es wissen, du kennst sie ja schon ziemlich lange.“ Uzul nickte langsam. „Oh ja. Seit sie so- “, er senkte eine Hand auf Hüfthöhe, „ –groß ist. Bei Clavicus` Maske, seither sind tatsächlich schon wieder zwölf Sommer ins Land gezogen.“ Er seufzte, während er die Axtschulter wechselte. „Auch wenn es dir noch nicht aufgefallen ist, aber sie mag dich.“ Rahir blieb abrupt stehen. Uzul drehte sich zu ihm um. „Alles in Ordnung mit dir?“ Er schüttelte verwirrt den Kopf. „Mit mir schon. Aber wie kommst du darauf?“ „Na ja, weil du plötzlich stehen geblieben- “ „Nein, nein, das meine ich nicht. Das mit ihr... !“ Er deutete hektisch auf die beiden Frauen, die schon einige Wegbreit Vorsprung hatten. „Ach das. Ich habe es ihr angesehen.“ Irritiert ging er weiter. „Da habe ich aber einen ganz anderen Eindruck.“ Uzul winkte lässig ab. „Sie will es sich noch nicht eingestehen, aber es ist so, glaub mir.“ „Wenn du es sagst...“ Er merkte, wie er unter seinem Fell rot wurde. „Gib ihr nur etwas Zeit, aufzutauen. Dann lernst du ihre freundliche Seite kennen.“ Edla drehte sich zum wiederholten Male um. „Was ist da los? Wir müssen doch zusammen bleiben“, murmelte sie ärgerlich. „Lass sie doch. Die müssen vielleicht Männerkram besprechen“, meinte Shamada. Edla schnaubte abfällig. „Ts, Männer. Die bringen die meiste Zeit das Maul nicht auf, außer sie sind unter sich. Dann hören sie gar nicht mehr auf zu schwatzen.“ Shamada runzelte die Stirn. „Übrigens... dieser Rahir... du kennst ihn ja schon länger...“ „Wieso? Was ist mit ihm?“ „Na ja... ich meine, können wir ihm trauen?“ Edla lachte herzhaft auf. „In Wahrheit kenne ich ihn genau zwei Tage länger wie du. Ich habe bereits an seiner Seite gekämpft, das genügt mir. Im Laufe meines Lebens habe ich gelernt, Männer einzuschätzen. Für eine Frau, die das Leben als umherziehende Kämpferin gewählt hat, eine lebenswichtige Fähigkeit.“ Die ganze Zeit schon spielte sie nervös am Griff des Glasdolchs herum, der an ihrem Gürtel hing. „Und? Wie schätzt du ihn ein?“ Edla setzte eine ernste Miene auf. „Er ist ein unerschrockener Kämpfer und hat trotz seiner Jugend schon viele Schlachten hinter sich, auch wenn er sich nicht daran erinnern kann. Er hat den Tod schon oft genug gesehen, daran habe ich keinen Zweifel.“ Shamada machte ein besorgtes Gesicht. „Heißt das, er ist... gewalttätig?“ Edla nickte energisch. „Ich möchte ihn nicht zum Feind haben. Aber sonst... irgendwie habe ich das Gefühl, er will eigentlich gar kein Krieger sein. Ich glaube, er hat ein schlimmes Erlebnis in seiner Vergangenheit, mit dem er nicht fertig wird. Möglicherweise will er sich gar nicht erinnern...“ Shamada hörte ihr aufmerksam zu. Sie schien angestrengt zu überlegen. „Und... was gibt es sonst noch so über ihn zu sagen?“ Edla blickte sie erheitert an. „Er scheint dich ja aufrichtig zu interessieren? Warum fragst du ihn nicht einfach selbst?“ Shamada begann zu stottern. „Aber... das geht doch nicht, ich meine... ich kann doch nicht...“ Edla winkte ab. „Sicher kannst du. Gerade in unsicheren Zeiten darfst du dich als Frau nicht unterkriegen lassen und musst energisch sein! Wenn dir ein Mann gefällt, dann nimm ihn dir einfach. Das ist das erste, das junge Nordfrauen in meiner Heimat Skyrim lernen.“ Shamada blickte angestrengt zu Boden. Sie brachte gar kein Wort mehr heraus. „So wie ich. Als mir danach war, holte ich ihn in mein Gemach, um mit ihm zu verkehren.“ Shamada machte ein bestürztes Gesicht. „Du hast was...?“ Edla lächelte belustigt. „Warum denn nicht?“ Sie stotterte erneut. „Aber... er ist ein... und du... bist eine...“ „Ach was, wir Nordfrauen sind nicht wählerisch, was die Rasse betrifft. Aber keine Angst, es ist dann nichts passiert. Er wehrte sich und ging wieder.“ Die Khajitfrau atmete auf. „Na dann...“ Edla kniff die Augen zusammen. „Hm... du wirst doch nicht eifersüchtig werden? Sei beruhigt, ich mache ihn dir nicht streitig.“ Während die Nordfrau leise lachte, wurde Shamada immer peinlicher zu Mute. Schließlich drehte sie sich um und rief: „Wo bleibt ihr denn, geht ein bisschen schneller!“ Der Pfad, den sie beschritten, wurde immer schmäler, bis er sich schließlich im Schnee verlor. Edla blieb stehen und holte die Abschrift hervor, die ihnen die Gräfin mitgegeben hatte. Konzentriert las sie darin. „Ich dachte, du kennst den Weg über den fahlen Pass“, fragte Rahir argwöhnisch. Edla blickte genervt vom Pergament hoch. „Der fahle Pass ist nicht einfach ein Trampelpfad,“, erklärte sie ihnen, „er ist eher ein Einschnitt in den Jerallbergen, eine Abflachung der Berggipfel, über die man leichter nach Himmelsrand gelangt, als wenn man versucht, die Berge direkt zu überqueren.“ Seufzend schaute sie wieder ins Pergament. „Dieser Einschnitt erstreckt sich über eine halbe Tagesreise, was unsere Suche nicht gerade einfacher macht. Wartet mal.“ Neugierig blickten die anderen ihr über die Schulter ins Pergament. „Hier ist die Rede von einer Landmarke, einem markanten Felsen, an der sich die Akaviri- Truppen orientiert haben. Das kann nur...“ Sie drehte sich nach verschiedenen Richtungen. „... der Drachenklauenstein sein, genau!“ „Der... was?“ Shamada kratzte sich verwirrt am Kopf. „Der Drachenklauenstein ist ein Monolith, der schon so manchen Wanderer im dichten Schneetreiben den Weg gewiesen hat. Ich weiß, wo er ist. Folgt mir einfach!“ Munter setzte die Nord ihren Weg fort, die anderen trotteten hinten drein. Nach einem steilen, kräfteraubenden Anstieg kamen sie auf eine mit Felsbrocken übersäte Hochebene, in deren Zentrum ein in den Himmel ragender Monolith stand. An seiner Rückseite suchten sie Schutz vor dem stärker werdenden Wind. Im Schutze des Felsens holte Edla erneut die Beschreibung hervor. „Hm... er schreibt hier, dass er sich von der Felsnadel gen Westen gewandt hat, zu einer Statue... einer Statue? So was habe ich hier nie gesehen, seltsam...“ Uzul schielte nach der Sonne, die hinter den dichten Wolken kaum zu erkennen war. „Dort ist Westen.“ „Guter erkannt, Uzul. Ich kann den Stand der Sonne zwar nicht erkennen, aber ich weiß, in welcher Richtung Bruma liegt.“ Uzul lächelte verschmitzt. „In meiner Heimat Wrothgaria habe ich oft die Berge zwischen Norvulk und Portdun überqueren müssen. In schlechtem Wetter die Himmelsrichtung abzulesen war da lebensnotwendig.“ „Gut. Gehen wir- “ Sie wurde unterbrochen von durchdringenden Wolfsgeheul. Es kam ganz aus der Nähe, wie sie bestürzt feststellen mussten. Mit angehaltenem Atem starrten sie in das Schneetreiben. Die Sicht betrug kaum mehr als dreißig Schritte. Fast gleichzeitig zogen sie ihre Waffen. Rahir nahm seinen Anderthalbhänder in beide Hände. Uzul hielt seine Axt zum Angriff bereit. Edla legte einen Pfeil auf die Sehne und spannte den Bogen leicht an. Shamada sah sich verwirrt um, bevor sie schließlich ihren Glasdolch aus dem Gürtel zog. Er kam ihr in ihren Händen fast mickrig vor. „Bildet einen Kreis um den Stein, wendet ihnen nie den Rücken zu“, rief Edla aus. Dann tauchten die ersten Schemen aus dem Schneetreiben auf. Die Nord ließ einen Pfeil von der Sehne schwirren. Ein gequältes Jaulen erklang. Kurz darauf kam der Rest des Rudels herangestürmt. Eilig zog sie den nächsten Pfeil aus dem Köcher. „Wartet, bis sie uns erreicht haben. Sie versuchen immer, einen einzelnen Gegner zu isolieren.“ Rahir spürte, wie ihm heiß wurde, als er die geifernden Wölfe auf sie zu stürmen sah. Der Griff seines Schwertes schien fast unter seinem Griff zu glühen. Sein Auge wurde immer größer, als ihn schließlich der erste der Wölfe ansprang. Wie ein losschnellender Pfeil machte er einen Ausfallschritt und traf den Wolf noch ihm Sprung mit der Klinge. Eine rote Wolke versprühend landete das Tier im Schnee. Uzul stieß einen wütenden Kampfschrei aus, als er seine Axt gegen die zähnefletschenden Angreifer schwang. Edla legte blitzschnell und beherrscht neue Pfeile auf und schickte sie den sie umkreisenden Wölfen entgegen. Einige Male wurde ihr Ziel nur noch wenige Schritte von ihr entfernt und mitten im Lauf von einem tödlichen Pfeil getroffen. Shamada stand inmitten des Kampfes und blickte sich aufgeregt um. Uzul und Rahir wehrten die Wölfe im Nahkampf ab und bildeten gleichsam einen Schutzwall um sie, wie sie bemerkte. Ist vielleicht auch besser so. Mit dem kurzen Dolch kann ich eh nicht viel- Der Aufprall von etwas großem, schwerem riss sie zu Boden. Die Luft wich aus ihren Lungen. Sie versuchte sich, auf den Rücken zu drehen, spürte dann jedoch den heißen Atem des Wolfs im Nacken. Instinktiv stellte sie sich tot, und tatsächlich ließ der Wolf von ihr ab und stürzte sich knurrend auf das nächststehende Opfer. Und zwar Rahir, der gerade den letzten ihn angreifenden Gegner getötet hatte. Shamada schrie noch, und er drehte sich zu ihr um. Als der Wolf zum Sprung ansetzte, geschah alles ganz langsam vor ihren entsetzen Augen. Rahir wandte sich um, erkannte die Gefahr jedoch nicht mehr rechtzeitig. Der Wolf, ein riesenhaftes Exemplar und wahrscheinlich der Anführer des Rudels, traf ihn und warf ihn mit der Wucht seines Gewichtes zu Boden. Von Panik erfüllt, sah sie sich um. Uzul war selbst noch in einen Kampf verwickelt, und Edla suchte, den Bogen angelegt, nach Zielen. Sie werden es nicht rechtzeitig sehen... ! So schnell sie konnte, raffte sie sich auf. Der Schnee knirschte unter ihren für ihre Wahrnehmung viel zu langsamen Schritten. Sie hörte, wie die Krallen des Wolfes über seinen Harnisch schabten. Blutgierig schnappte er mit seinem geifernden Maul nach seinem Gesicht, erwischte aber nur seine gepanzerten Hände. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sie endlich hinter dem Wolf stand, um ihm den Dolch in den Rücken zu rammen. Mit aller Kraft stieß sie ihn ihm zwischen die Rippen. Ein ohrenzerreißender Heuler erklang. Der Wolf schüttelte sich, versuchte, die Quelle des Schmerzes loszuwerden, doch vergebens. Durch die Wucht seiner Krämpfe wurde sie zu Boden gestoßen. Nun ließ der Wolf von Rahir ab und wandte sich ihr zu. Verzweifelt und vom Schock gelähmt, versuchte sie, rückwärts zu kriechen, während ein knurrender, blutüberströmter Alptraum, dem ein Dolch aus dem Rücken ragte, auf sie zu ging. Ein Ruck ging durch den massigen Körper, bevor er zur Seite umfiel. Ein Pfeil ragte aus seiner Stirn. Rahir saß an den Monolith gelehnt. Edla kniete bei ihm und sah ihm in die Augen. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir? Sonst gebe ich dir einen Heiltrank.“ Er hob den Blick vom Boden und sah sie an. „Nein, nein, es geht mir gut. Dank dem hier.“ Mit der rechten klopfte er sich an die Brust. Sein Harnisch war von den Kratzspuren verunziert. „Eigentlich schade. Na ja, wirklich schön sind sie nur neu...“ „Vergiss den Harnisch, wichtig ist, dass dir nichts geschehen ist“, tadelte ihn Edla. Uzul hielt nach weiteren Angreifern Ausschau, doch es kamen keine mehr. Das Wolfsrudel lag tot um sie herum verstreut. Shamada hockte im Schnee und starrte zu Boden. Uzul ging, die Axt immer noch in Händen, zu ihr hin. „Bist du wirklich unversehrt?“ Sie stand auf und atmete tief durch. „Ja. Mir ist nichts passiert.“ „Den Neun sei gedankt. Rahir geht es auch gut.“ Sie fuhr herum. Ihn hatte sie komplett vergessen. Eiligen Schrittes lief sie zum Monolithen. Neben ihm setzte sie sich in den Schnee. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. „Ich muss mich bei dir bedanken. Du hast mir das Leben gerettet.“ Sie blickte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Ihre Lippen zitterten leicht. „Ach... halb so wild. Eigentlich... war es ja Edla.“ „Trotzdem. Ohne dich hätte er mir den Kopf abgebissen.“ Sie nickte nur, dann stand sie auf und ging zu dem toten Wolf, in dessen Rücken noch der Dolch steckte. Mit grimmigen Gesicht zog sie ihn heraus und säuberte ihn im Schnee, darauf bedacht, vor den anderen ihre Tränen zu verbergen. Sie blieben nun dicht zusammen. Edla trug ihren Bogen in der rechten, und auch Uzul hielt seine Axt bereit. Aufmerksam beobachteten sie die verschneite Landschaft, während ihr Weg sie westwärts führte. Sie sprachen wenig, zu aufgewühlt waren sie noch von der Konfrontation mit dem Wolfsrudel. „Da vorne... da muss es sein.“ Uzuls nebelgewohnte Augen erkannten die Umrisse eines versteinerten Riesen, der sein Schwert zum Himmel empor streckte. „Kaum zu glauben... ich frage mich, wie sie diese Statue hier rauf bekommen haben.“ Der steinerne Wächter, ihrer Schätzung nach etwa so hoch wie vier Männer, überragte von seinem Sockel aus die raue Berglandschaft. Es wirkte, als sei ein Heer aus grauen Riesen vorbeigezogen, und einer von ihnen blieb zurück, um für immer auf dem fahlen Pass Wache zu halten. Ungläubig versammelten sie sich unter der Statue, nicht ohne weiterhin auf Geräusche herannahender Gefahren zu achten. „So... laut Beschreibung müssen wir uns jetzt nach Norden wenden. Los geht’s.“ Ohne sich lang aufzuhalten, setzten sie ihren beschwerlichen Marsch fort. Der Schnee machte jeden Schritt anstrengend und verlangsamte sie, als wolle er sie daran erinnern, dem Berg Respekt zu zollen. Steil bergan ging nun ihr Weg, und nach kurzer Zeit endete er an einer nahezu senkrechten Felswand. Ratlos blickten sie an der Mauer aus Granit empor. „Sollen wir uns jetzt in Vögel verwandeln“, fragte Shamada verdrießlich. Edla konsultierte nochmals die Wegbeschreibung, fand aber keinen Fehler. „... hier ist von einer ‚unterirdischen Passage’ die Rede, aber er sagt nicht genau, worum es sich handelt. Wir müssen die Wand absuchen. Haltet nach Höhlen, Einschnitten oder anderen Öffnungen Ausschau!“ Uzul und Shamada tasteten sich langsam nach links, während Rahir und Edla die rechte Seite absuchten. Nach kurzer Zeit hörten sie einen Ruf. „Hier ist es! Hier geht es weiter!“ Der Ork und die Khajit liefen herbei. Alle vier standen nun vor einer Pforte, die direkt in den Fels gebaut war. Der aus dem Stein gehauene Türrahmen wies verschnörkelte Verzierungen auf, ähnlich denen auf den Sammlerstücken in Schloss Bruma. Rahir drückte den uralten Knauf, der sich jedoch nicht rührte. Angestrengt versuchte er es noch mal, diesmal gab die Tür knirschend nach. Schließlich bekamen sie die Tür soweit auf, sodass sie einer nach dem anderen durch den Spalt schlüpfen konnten. Rahir zwängte sich als erster hindurch. „Da drin ist es stockfinster.“ Er nahm sein Schwert vom Rücken und sah sich genau um. Die Pforte war in einen Höhleneingang gebaut, der in einen grob behauenen Schacht führte. Er war breit genug, dass drei Männer nebeneinander marschieren konnte. Dies war wohl ein wichtiger Verbindungsweg zu Zeiten des großen Krieges in der ersten Ära gewesen, so vermutete er. Spuren am Boden bewiesen, dass wohl auch einmal Karren hier durchgefahren waren. Nach ihm kam Edla nach. Sie trug nun ihren Ring der Infravision, wodurch sie ebenso gut wie ein Khajit im Dunkeln sah. Dann folgte Shamada nach, und schließlich der Ork. Edla wandte sich an Uzul. „Brauchst du eine Fackel?“ Lächelnd hob er die Hand. Am Ringfinger der rechten Hand trug er einen Ring wie Edla. „Ein vernünftiger Abenteurer verlässt das Haus nie ohne“, sagte er grinsend. Aufmerksam auf Geräusche lauschend, schlichen sie durch die künstlich angelegte Höhle. Plötzlich knirschte es unter Rahirs Stiefel. Er bückte sich, um den Gegenstand zu untersuchen, den er gerade zertreten hatte. „Ein... Knochen. Ein menschlicher Knochen.“ Dann sahen sie, dass in einer Vertiefung der Wand ein fast vollständiges Skelett lag. Es trug noch die charakteristische Rüstung der Akaviri- Truppen. Seine Hand hielt etwas umklammert. Vorsichtig griff Rahir danach. Es war eine Schiefertafel. „Diese Schriftzeichen... solche waren doch auch auf den Kunstgegenständen bei der Gräfin?“ Edla kniete sich neben ihm hin. „Stimmt. Das ist wohl der Bote, der uns die Wegbeschreibung hinterlassen hat.“ Shamada trat von einem Fuß auf den anderen. „Wir sollten sehen, dass wir weiterkommen, sonst enden wir noch uns so wie er.“ Rahir steckte die Tafel zu seinen Sachen. Dann richteten sich die beiden wieder auf. „Warum so nervös? Warst du etwa noch nie in einer Höhle?“ „Klar war ich schon in Höhlen“, erwiderte sie ärgerlich, „meine Lieblingsorte waren es aber noch nie.“ „Die Wahrheit ist, sie hat Angst vor Ratten, und die gibt’s hier bestimmt.“ Shamadas giftiger Blick für Uzul funkelte selbst noch in der bläulichen Dunkelheit unübersehbar. „Musstest du das erwähnen“, zischte sie ihn an. Der Ork zuckte nur mit den Achseln. Edla setzte den Weg fort, und der Ork folgte ihr mit erhobener Axt. Rahir ging neben Shamada. „Ist das wahr?“ Die Khajit blickte schmollend zur Seite. „Ich hasse diese Biester, sie sind einfach nur grauenhaft.“ Er überlegte, ob er ihr von seinem kulinarischen Erlebnis in bezug auf Ratten erzählen sollte, vermied es dann aber. „Na ja... es gibt wohl gefährlichere Monster als Ratten.“ Shamada schüttelte den Kopf. „Gefährlicher vielleicht, aber nicht ekliger.“ „So eklig war die gar-“ Er stoppte mitten im Satz. Shamada blickte ihn fragend an. Noch bevor er etwas sagen konnte, hörten sie Edla rufen. Nach der tiefen Finsternis der unterirdischen Passage kam ihnen das Tageslicht einen Moment grell vor, doch ihre Augen gewöhnten sich schnell wieder. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel, die trüben Wolken nahmen ihr jedoch den Großteil ihrer Kraft. Die Pforte, durch die sie den Tunnel verließen, führte in einen schmalen Einschnitt zwischen den Bergen. Steilaufragende Felswände und schroffe Mauern aus nacktem, eisüberzogenem Fels zeigten die Unüberwindlichkeit der umliegenden Gipfel. Der Weg, durch den sie gekommen waren, war der einzige, der in diese Schlucht führte. Vorsichtig stolperten sie die Geröllhalde hinab, die sich vor der Pforte zum Tunnel gebildet hatte. Die Zeit hatte die ursprünglich angeschüttete Rampe völlig erodiert und in loses Gestein umgewandelt. Schließlich erreichten sie festen Fels. „Da, ich kann es schon sehen!“ Shamada deutete mit dem Finger in Richtung einiger Mauerreste, die in der Mitte des Einschnitts lagen und von früheren Zeiten kündeten. Die Vier gingen in zwischen den niedrigen Mauerstücken umher. Außer ihnen und den Fundamenten war nichts mehr übrig, das von den früheren Bewohnern kündete. Shamada durchsuchte alle Ecken, ohne Ergebnis. Uzul und Rahir blickten sich ratlos um. „Wenn das hier alles ist, was von der Festung übriggeblieben ist, dann war unsere Reise wohl vergebens.“ Niedergeschlagen trat Rahir einen Stein mit dem Fuß weg. Uzul schüttelte den Kopf. „Die Gräfin war sich ganz sicher, dass die Festung noch stehen würde. Wie sie wohl reagiert, wenn wir mit leeren Händen- “ „Hier her, Leute!“ Die Drei drehten sich um und folgten Edlas Stimme. Hinter einer hochaufragenden Felsstufe, die sie mühsam erkletterten, fanden sie die Nordfrau. Sie stand am Fuße eines Turmes, dessen Mauerkrone teilweise bereits eingestürzt war. Als sie sich von ihrer Position umdrehten, erkannten sie erst den geschwungenen Pfad, der sich, um die schroffen Felsen windend, von der Festung in den Taleinschnitt hinunterwand. Uzul pfiff durch die Zähne. „Diese Anlage ist aus strategischer Sicht hervorragend geplant. Der Weg ist schwer zu entdecken und leicht zu verteidigen.“ Edla sondierte mit wachem Blick die Umgebung, während sie antwortete. „Das hat den Akaviri- Truppen letztendlich auch nichts genützt. Am Ende wurde ihr Land vom Kaiserreich verschluckt, so wie später ganz Tamriel.“ „Tja, die Segnungen des Kaiserreichs haben eben wirklich auch den letzten Winkel erreicht.“ Rahir und Shamada untersuchten die angeschlossenen Gemäuer der Festung. Die Seitengebäude standen zum Teil noch. Allem Anschein waren in ihnen vor langer Zeit eine Stallung sowie eine Großküche mit angeschlossenem Lagerraum untergebracht gewesen. Aber außer durchgerosteten Töpfen, Tierknochen und aufgelassenen Feuerstellen fanden sie nichts interessantes. „Da war auch nichts“, sagte Shamada zu den anderen betrübt, „vielleicht gibt es ja einen anderen- “ Sie erstarrte, als sie einen grauenhaften Schrei wie von einem riesigen Tier hörte, der durch den Taleinschnitt hallte und von den Wänden als Echo zurück kam. Entsetzt sahen sie sich an. Edla sprach nur ein Wort. „Trolle! Mir nach!“ Sie flohen in die leerstehenden Gemäuer. Eilig zogen sie ihre Waffen. „Achtet auf die Eingänge! Sie müssten klein genug sein, um ihnen Einhalt zu gebieten.“ Angespannt warteten sie in der Mitte des Raumes. Schon spürten sie schwere Schritte, die den Boden zum Erzittern brachten, gefolgt von wütendem Röhren. Edla zielte mit dem Bogen ruhig und konzentriert auf einen der beiden Eingänge. Rahir hielt sein Schwert vor sich. Sein Blick verriet Nervosität in Erwartung des unbekannten Feindes. Shamada stand neben ihm. In einer Geste der Hilflosigkeit zog sie ihren Dolch. „Erinnere mich daran, dass ich mir eine größere Waffe suche“, sagte sie zu Uzul, dem keine Aufregung anzusehen war. „Bleibt ruhig, ihr beiden. Hier drin sind wir sicher. Wenn wir etwas warten, verschwinden sie- “ Die beiden Khajit zuckten zusammen, als ein massiges Ungeheuer gegen die Türeinrahmung prallte. Staub rieselte von der Decke. Die ausdruckslosen, schwarzen Augen glotzten dumm in den Raum. Der Körper des Wesen war nicht nur übermannshoch, sondern auch breit und äußerst kräftig. Eine Feldschlacht gegen den beharrten Riesen wäre wohl angesichts seiner rohen Kraft aussichtslos. Das Ungeheuer nahm einen weiteren Anlauf, diesmal brachen einige Stücke aus dem Mauerwerk heraus. Edla ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Das Wesen zuckte nur kurz, als er in seiner Schulter stecken blieb, dann rammte es die Türeinfassung ein weiteres Male. Diesmal brachen weitere Steine heraus, der Durchgang würde bald groß genug für ihn sein. „Keine Panik“, sagte Edla und versuchte, das wütende Knurren des Monsters zu übertönen, „das haben wir gleich.“ Sie zielte einige Sekunden und schickte dann den Pfeil auf die Reise. Der Troll taumelte, bevor er mit dem Pfeil zwischen den Augen nach hinten hin fiel. Erleichtert atmeten sie aus- - als ein weiterer Troll durch den Türrahmen brach. Staub und Steine flogen durch den Raum. Erschrocken stürzten sie zur Seite, als das riesenhafte Ungetüm in ihre Reihen fuhr wie Donnerhall. Edla wollte sogleich einen Pfeil aus dem Köcher ziehen, doch ein Prankenhieb des Ungetüms schleuderte sie quer durch den Raum. Die anderen Drei lagen noch benommen am Boden, als sich das Ungetüm nach ihnen umdrehte. Uzul war als erster wieder auf den Beinen. Brüllend schwang er seine Axt nach dem Troll, der vor ihm zuerst zurückwich, dann aber zum Gegenangriff überging. Ein wuchtiger Hieb schlug dem Ork die Axt aus der Hand und ließ ihn zurücktaumeln. Hilflos blickte er nach der Axt, die unerreichbar weit weg lag. Der Troll stürmte bereits auf ihn zu- - als ihn von hinten eine Schwertklinge traf. Verärgert brummend drehte er sich nach seinem Angreifer um und fand einen Khajit vor. Das Monster blickte auf seinen Gegner herab, die Wunde im Rücken schien ihn kaum zu beeinträchtigen. Rahir starrte seinen riesenhaften Gegner bangend an. Dann rammte er ihm schreiend und mit Anlauf das Schwert mit beiden Händen in den Leib, wurde jedoch vorher von den riesigen Pranken gepackt und zu Boden geschleudert. Hart schlug er auf, die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Der Troll sah das Schwert in seinem Leib ratlos an, zog es aus der Wunde und warf es achtlos weg. Dann schickte er sich an, den vor ihm liegenden Khajit zu zermalmen, kam jedoch jaulend zum Stehen, als Uzul ihm die Axt in den Rücken schlug. Der Ork wollte sie hinausziehen und nachsetzen, wurde jedoch von dem sich umdrehenden Troll weggeschleudert. Das Monster brüllte fürchterlich und versuchte dabei in seiner ungelenken Art, sich von dem Schmerz zu befreien. Wie ein Tanzbär drehte er sich im Kreis, dabei nach der Quelle seiner Pein suchend. Bis er Edla vor den Bogen kam, die nun wieder auf den Beinen war. In ihrem blutenden Gesicht zeichnete sich Genugtuung ab, als sie den Pfeil los ließ. Der Troll erstarrte, und fiel dann wenige Sekunden später, mit einem gefiederten Pfeilende im Gesicht, polternd zu Boden. Rahir kam keuchend auf die Beine und tastete nach seinem Schwert. Dann näherte er sich vorsichtig der Tür. Behutsam schielte er um die Ecke nach beiden Richtungen. „Nichts zu sehen. Seid ihr alle in Ordnung?“ Shamada, immer noch den Dolch haltend, stand bei Uzul. Der Ork lehnte an der Wand und hielt sich die Rippen. Edla wischte sich das Blut aus dem Gesicht und ging zur Tür. „Du bist verletzt.“ „Ist nur ein Kratzer. Ich sehe nach, ob die Luft wirklich rein ist. Kümmre dich um Uzul.“ Das Gesicht des Orks war schmerzverzerrt. Shamada hielt angsterfüllt seine Hand. „Bitte stirb nicht, Uzul... bitte...“, flehte sie tränenerstickt. „Ach was... so leicht werdet ihr mich nicht los“, antwortete er schmerzhaft hustend. Rahir löste vorsichtig die Brustplatte seines Harnisches ab, dann betastete er seinen Rumpf. „Was tust du da? Hast du davon überhaupt eine Ahnung?“ Shamada warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Uzul stöhnte vor Schmerz auf. „Es sind einige Rippen gebrochen, aber weiter nichts ernsthaftes. Ein Heiltrank wird ihn wieder aufrichten.“ Rahir zog eine Flasche aus rotschimmernden Glas aus seiner Tasche und hielt sie dem Ork an die Lippen. Er trank sie prustend aus. „Woher kennst du dich damit aus?“ Rahir zuckte mit den Schultern, während er dem Ork wieder die Brustplatte anlegte. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich hab ich das schon mal gemacht. Geht’s dir schon besser?“ Uzul nickte. „Die Schmerzen... lassen bereits nach. Helft mir auf die Beine.“ Mit vereinten Kräften stellten sie ihn wieder auf die Füße. Schmerzverzerrt wies er ihre Hände von sich. „Ich... ich kann alleine gehen, danke... wo ist meine Axt?“ Rahir zog sie dem Troll aus dem Rücken und reichte sie Uzul. Dieser nahm sie seufzend an sich. „Es braucht schon mehr als einen stinkenden Troll, um einen Sohn der Drachenschwanzberge umzuhauen“, brummte er ärgerlich. „Willst du dich wirklich nicht ausruhen?“ Besorgt stützte sie ihn am Arm. Uzul wies ihre Hilfe sachte zurück. „Es geht schon. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto besser. Bitte lass mich.“ Leicht verärgert sah sie ihm hinter her, als er durch die Tür ging. „Müssen Männer immer so stur sein?“ Verstimmt blickte sie Rahir an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. Edla stand auf dem Platz vor dem Turm und hielt den Bogen gesenkt. „Es sind keine weiteren Monster in der Nähe. Suchen wir den Eingang, bevor sich das ändert.“ Das Innere des Turms war bis auf einige leere Tonkrüge leer. Bald entdeckten sie die Pforte zur eigentlichen Festung, die offenbar in die Tiefe gebaut war. Edla rüttelte an der Klinke, doch sie rührte sich keinen Millimeter. Grübelnd betrachtete sie das Schloss. „Hm... scheint versperrt zu sein.“ Shamada drängte sich an ihnen vorbei. „Lasst mich das machen, ich kann das!“ Aus ihrer Tasche holte sie einige feine Metallstifte. Nach kurzem Überlegen wählte sie den passenden Dietrich aus und begann, in dem Türschloss herumzustochern. Nach kurzer Zeit ertönte ein sattes Klicken. „Geschafft!“ Ohne großen Widerstand schwang die Tür auf. Das fahle Tageslicht fiel einige Schritte weit in die Dunkelheit hinein, um dann von der undurchdringlichen Schwärze verschluckt zu werden. Das Innere der Akaviri- Festung wies die Merkmale ihrer fremdartigen Kultur auf. Obwohl zur damaligen Zeit Krieg geherrscht hatte, so hatten sich die Erbauer doch die Zeit genommen, die Wände der Korridore mit den Symbolen ihrer Kultur auszuschmücken. Offenbar hatten sie mit einem Sieg gerechnet, und der darauffolgenden dauerhaften Verwendung der Anlage. Doch die Akaviri- Streitmacht war nun Geschichte, und einzelne Knochen von wahrscheinlich an Krankheiten gestorbenen Kriegern lagen in den Gängen umher. Der Korridor führte sie zu einer Brücke, die eine darunter liegende Halle überspannte. Kisten, Krüge und Truhen, allesamt zerbrochen und leer, lagen dort unten verstreut. Es schien, als hätte jemand, verzweifelt auf der Suche nach Nahrung und Medizin, hier gewütet. Shamada betrat die Brücke zuerst. Als sie ein Klicken hörte, stoppte sie in der Bewegung. Ihr Blick drückte Entsetzen aus. Rahirs feine Ohren hörten das Auslösen der Falle. Sofort riss er sie um. Die schweren, dornenbewehrten Baumstämme schwangen über sie hinweg ins Leere. Uzul und Edla wichen erschrocken zurück. Als Shamada ihre Augen wieder öffnete, blickte sie Rahir genau ins Gesicht. Nach einigen wortlosen Sekunden zischte sie ihn an. „Geh runter von mir, du erdrückst mich!“ Eilig raffte er sich auf. Betreten putzte sie sich den Staub von ihrer Kleidung, dann sprach sie verlegen und ohne ihn anzusehen. „Danke, dass du mich... gerettet hast...“ Rahir kratzte sich verschämt am Hinterkopf. „Das war die Revanche für die Sache... mit dem Wolf.“ Uzul kam herbeigelaufen. „Was für ein Glück, dass Rahir das gemerkt hat! Du bist doch nicht etwa unvorsichtig geworden, oder?“ Er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, um dann über die an Ketten hängenden Baumstämme zu klettern. Grummelnd folgte sie ihm. „Ts... die ‚große Meisterdiebin’ fällt auf eine plumpe Falle herein...“ Die nächste Halle war größer als die vorherige und bot einen schaurigen Anblick. Zwischen etlichen Säulen, die die hohe Decke stützten, lagen Berge von Knochen verstreut. Viele der Skelette trugen noch die charakteristische Akaviri- Rüstung und hielten auch Waffen in den knöchernen Händen. Vorsichtig schritten sie durch dieses Massengrab und steuerten den hinteren Bereich der Halle an, wo ein Gang aus ihr herausführte. Shamada blieb stehen und näherte sich einem der Skelette. „Was machst du da? Komm besser wieder her!“ Sie winkte ab und begann, die Knochen beiseite zu schieben. „Vielleicht finde ich was wertvolles, was unseren Salär etwas aufbessert. Von der geizigen Gräfin haben wir ja nicht viel zu erwarten.“ Edla blickte sich besorgt nach ihr um. „Was tut sie da? Sie sollte die Ruhe der Toten nicht stören. Dieser Ort ist unheimlich, wir sollten so schnell wie möglich wieder verschwinden.“ Mit der Zunge im Mundwinkel, versuchte sie, das wertvoll aussehende Akaviri- Katana aus der Skeletthand zu lösen. „Na los... gib schon her... das brauchst du eh nicht- “ Pures Entsetzen ließ sie aufspringen, als die Hand Widerstand leistete. Mit vor Schrecken offenem Mund wich sie vor dem Skelett zurück, dass langsam auf die Beine kam. „Komm schon, Shamada, wir sollten uns- “ Uzuls Gesicht gefror mitten im Satz, als er wahrnahm, wie sich aus den Knochenbergen um sie herum ein Skelett nach dem anderem erhob. „Bei den Neun- was ist das?“ Fassungslos zogen sie ihre Waffen. Im Nu sahen sie sich von einer untoten, klappernden Armee eingekreist. Die Skelette trugen kurze Katanas, teilweise auch Schilde, und auf den Köpfen Helme, wie Rahir sie bei den kaiserlichen Klingen gesehen hatte. Tonlos fauchend und unablässig klappernd und knirschend näherten sie sich mit fahrigen Bewegungen. Uzul umklammerte seine Axt mit fester Hand. „Na, dann wollen wir mal sehen, aus welchem Holz ihr geschnitzt seid!“ Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf den ersten Gegner. Ein gewaltiger Axthieb ließ das Skelett in seine Einzelteile zerfallen. Auch Rahir ging zum Angriff über. Der erste untote Feind parierte seinen Hieb mit dem Schild, der nächste hob jedoch seinen ausgebleichten Schädel von den knöchernen Schultern. Edla legte blitzschnell einen Pfeil auf die Sehne. Klappernd prallte er von den Knochen ab und fiel zu Boden. Sie verzog das Gesicht. „Das habe ich befürchtet...“ Mit einer schnellen Bewegung hängte sie sich ihren Bogen wieder auf den Rücken, um in der nächsten Sekunde dem Hieb eines Skelettkriegers auszuweichen. Ein weiterer griff sie an, doch sie glitt zur Seite und brachte das Skelett mit einem wuchtigen Tritt gegen seinen Schild ins Taumeln. Wie eine Tänzerin wich sie den Schwertstreichen geschmeidig aus. Gerade hatte sie sich unter einem Hieb hinweggeduckt, um dann eine der Säule zwei Schritte hinaufzulaufen. Dort stieß sie ich ab und landete einen Wirbeltritt gegen den Kopf des Skeletts, das klappernd zusammenfiel. Ein weiteres Katana, das gegen sie geschwungen wurde, ergriff sie nach dem Ausweichen, um damit den Hieb eines der zahllosen Angreifer zu parieren. Geschickt focht sie mit dem Schwert des von ihr ergriffenen Gegners, um ihn dann selbst mit einem Tritt zu zerschmettern. Der Kreis der Angreifer wich einen Moment zurück, als sie, ein weiteres Katana ergreifend, in Position ging. „Kommt nur her, ihr Gerippe!“ Fauchend und Zischend verengten die Angreifer den Kreis wieder. Die beiden Katanas wie eine Furie schwenkend, kämpfte sie sich durch ihre Reihen. Mit vernichtender Präzision teilte sie beidhändig Hiebe nach allen Richtungen aus. Die Wucht von Rahirs Streichen schlug den Skeletten oft gleich den Arm vom Körper, und nicht selten spaltete er ganze Schilde. Das Schwert in seinen Händen schien lebendig zu werden und sich selbstständig eine Schneise der Verwüstung durch die Gegnerschar zu suchen. Es klang wie Donnerhall, wenn Uzuls Axt auf einen der knöchernen Gegner herabfuhr. Ausgebleichte Splitter flogen umher, während er mit wuchtigen Hieben die Reihen der Angreifer lichtete. Shamada hatte sich inzwischen von einem besiegten Gegner einen Streitkolben sowie einen Schild geholt. Die Hiebe damit abwehrend, schlug sie ein Skelett nach dem nächsten mit dem schweren Streitkolben auseinander, nach jedem Schlag mit zusammengebissenen Zähnen murmelnd. „... verdammte Biester... ich bin... doch Diebin... und keine Kämpferin...“ Schließlich legte sich der Kampflärm. Schwer atmend sahen sie sich um. Der Boden der Halle sah aus wie zuvor, nur das jetzt die ganzen Skelette auseinandergeschlagen umherlagen. Tief ausatmend ließ Edla die beiden Katanas sinken. „Kein Wunder, dass die den Krieg verloren haben.“ Arglos suchte sie sich zwei intakte Schwertscheiden aus den Knochenhaufen heraus. Mit einem Gurt befestigte sie die beiden Schwerter griffbereit auf ihrem Rücken. „Beeindruckend, wie du gekämpft hast“, sagte Rahir, nicht ohne Bewunderung in der Stimme. Edla winkte geschmeichelt ab. „Wir Nord lernen den Umgang mit allen möglichen Waffen schon als Kind. Für uns ist das selbstverständlich.“ Die beiden Schwerter auf dem Rücken, ging sie zum weiterführenden Gang. Rahir sah ihr anerkennend nach. Atemlos, Schild und Streitkolben immer noch hochhaltend, kam Shamada zu ihm. „Und... was ist mit mir?“ Verwirrt drehte er sich zu ihr um. „Hä? Ach, ich hatte keine Gelegenheit, dich...“ Mit missbilligendem Gesicht hängte sie sich den Schild auf den Rücken und den Streitkolben an den Gürtel. Dann folgte sie Edla. „Was ist jetzt wieder... ?“ Uzul klopfte Rahir auf die Schulter, der ihr ratlos nachblickte. „Sie will deine Bewunderung, merkst du das denn nicht?“ Verdutzt blickte er den Ork an. „Sie? Meine... aber, wieso...“ Uzul lachte nur. „Recht schnell von Begriff scheinst du ja nicht zu sein. Du solltest mal sehen, wie sich dich anblickt, wenn du gerade wegschaust. Mach dir nichts draus, du wirst es schon mitkriegen.“ Leise lachend ging er weiter und ließ den verwirrten Khajit zurück, bis er ihm kopfschüttelnd folgte. Der Gang führte sie in einen kleinen Raum, der den hintersten Winkel der Festung darstellte. Schränke, Tische und ein Bett waren aufgestellt und sammelten seit Jahrhunderten Staub. Vorsichtig näherten sie sich dem provisorisch eingerichteten Raum. Er wirkte, als sei er erst vor kurzem verlassen worden. Auf dem größten der Tische lag eine Karte von Cyrodiil, wie sie feststellten. Shamada schreckte zurück, als sie körperlose Konturen, die in der Luft flimmerten, wahrnahm. „Ein... ein Geist!“ Ihrer aller Augen richteten sich auf den Mann, dessen durchsichtige Konturen sich vor dem Tisch abzeichneten. Er trug eine Rüstung, ähnlich der Skelettkrieger, nur prächtiger ausgeführt. Er stand über dem Tisch gebeugt und schien die Karte zu studieren. Selbst als Geist waren die Sorgenfalten auf seiner Stirn zu erkennen. Langsam drehte er sich zu den Vier um und begann, mit hohler, düsterer Stimme zu sprechen. „Ich habe euch schon erwartet. Nun, wie sieht es aus an der Front? Wie tun sich unsere Krieger gegen Remans Heer?“ Ihnen allen klappte beinahe gleichzeitig die Kinnlade herunter. „Aber der Krieg ist doch schon- “ Rahir brachte Edla mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Äh, Kommandant... wie soll ich sagen...“ Der Geist verschränkte die Arme. „Ich habe bereits einen weiteren Boten geschickt. Ich dachte schon, ihr wärt tot. Nun sprecht. Was hat euch Kommandant Aurelius mitgegeben? Hoffentlich gute Kunde. Ich fürchte...“ Der Geist seufzte erschreckend menschlich und voller Sorge. „... ich fürchte, dass sich das Blatt gegen uns wendet. Seit Fürst Vivec uns vom Nachschub über das Meer abgeschnitten hat, sind keine Vorräte mehr eingetroffen. Wenn es so weiter geht, dann weiß ich nicht, wie lange unsere Truppen noch durchhalten werden können.“ Rahir kramte in seiner Tasche nach der Schiefertafel. Zögernd näherte er sich dem Geist und hielt sie ihm hin. Dieser griff danach und begann zu lesen. „... was? Das ist ja schrecklich, aber... kein Zweifel, das ist Aurelius’ Handschrift. Wenn die Front zusammengebrochen ist, dann...“ „... dann ist der Krieg verloren.“ Rahirs Stimme klang heiser. Der Geist blickte ihn resignierend an. „Verloren?“ Rahir nickte traurig. „Ja, verloren. Und zwar seit tausend Jahren.“ „Aber...“ Der Geist blickte sich verwirrt um, als sähe er den Ort zum ersten Male. „Seit tausend Jahren... Das bedeutet, dass meine Soldaten alle schon lange tot sind... und ich auch...“ Seufzend ließ er die Schiefertafel sinken. „Ich habe unserem Fürsten geschworen, diese Festung zu halten und den Feldzug gegen Reman Cyrodiil ehrenhaft zu Ende zu führen... in den glorreichen Sieg... oder die völlige Auslöschung... das ist jetzt wohl geschehen. Ich habe meinen Eid erfüllt, nun kann meine Seele endlich ruhen...“ Die Schiefertafel fiel zu Boden und zerbrach. Er blickte nach oben und breitete die Arme aus. Punkte aus Licht stiegen aus ihm auf. Seine Konturen verblassten. „... ich werde nun meinen Kameraden folgen... was ich schon vor tausend Jahren hätte tun sollen...“ Noch einmal strahlte er auf, dann herrschte wieder Dunkelheit. Nur ein Häufchen Staub blieb zurück. Shamada näherte sich der Stelle und bückte sich. Als sie wieder aufstand, hielt sie einen Ring in Händen. Er hatte die Form einer zusammengerollten Schlange. „Das muss er sein... der drakonische Stein des Wahnsinns...“ Schweigend verließen sie den unheimlichen Ort, der so vielen pflichtbewussten Kriegern zum Grab geworden war. Als sie das fahle Tageslicht wieder erblickten, galt ihre erste Sorge der Anwesenheit von Trollen, es waren jedoch keine mehr da. Mit eiligen Schritten strebten sie den Ausgang des Tales an. „Ich finde das irgendwie traurig...“ Rahir sah Shamada an. „Was meinst du?“ „Du weißt schon... der Kommandant, der über den Tod hinaus hier ausgeharrt hat... seinem Befehlshaber treu bis ins Grab.“ Langsam nickte er. „Ja, es war ihm wichtiger, als alles andere... die Treue bis in den Tod...“ Nachdenklich blickte er zu Boden. Sie sah ihn von der Seite an, versuchte, seine Gefühle zu erraten. Sie versuchte, seine Geschichte, seine Vergangenheit zu erahnen, an die er sich selbst nicht mehr erinnern konnte. Oder nicht mehr erinnern wollte. Als sie die unterirdische Passage auf der anderen Seite verließen, hing die Dämmerung bereits tief über dem Himmel von Cyrodiil. Ihr Rückweg war, von fernem Wolfsgeheul abgesehen, ereignislos. Die letzten Sonnenstrahlen verblassten gerade, als sie das Osttor von Bruma unter den aufmerksamen Blicken der Wachen passierten. Die Gräfin Carvain kam, von einem Bediensteten verständigt, die Treppe herab in den Thronsaal. Verheißungsvoll empfing sie die Vier. „Wie ich gehört habe, wart ihr erfolgreich! Nun, lasst sehen, was ihr gefunden habt.“ Rahir nahm den Ring aus der Tasche und reichte ihn der Gräfin, die gierig danach griff. Ihr Mund stand offen, als sie dass Schmuckstück aus der Nähe betrachtete. „ ...kein Zweifel, das ist er... sehr gute Arbeit, damit ist meine Sammlung um ein besonderes Stück reicher. Tolgan wird euch entlohnen. Ach ja, ich werde, wie versprochen, die Legion verständigen, den dunklen Fleck in eurer Vergangenheit zu tilgen. Ihr könnt jetzt gehen.“ Sie wandten sich um und verließen den Thronsaal, in dem die Gräfin zurückblieb, und sich an ihrem neuestem Schatz zu ergötzen. „Na ja, ich wurde schon besser entlohnt für Suchaktionen“, murrte Edla, bevor sie den Bierkrug ein weiteres Mal ansetzte. „Wir sind jetzt freie Leute, vergiss das nicht. Das ist wertvoller als Gold“, erwiderte Rahir. Olavs Schenke war mittlerweile gut gefüllt. Die Gäste nahmen inzwischen kaum noch Notiz von den Fremdlingen. Uzul, der sich einen Nachschlag vom Wirt geholt hatte, speiste immer noch schmatzend und rülpsend, während Shamada neben ihm saß und trübsinnig in ihren Krug starrte. Rahir leerte seinen Krug und stellte ihn ab. „Tja... und was werdet ihr beiden jetzt machen?“ Uzul sah von seinem Essen auf. „Wir zwei? Hm, gute Frage... Shamada kann wohl nicht mehr zur Diebesgilde zurück... außer, sie leistet beim Doyenne das entsprechende Bußgeld für ihr ‚Missgeschick’, was aber unsere Finanzen im Augenblick deutlich übersteigt. Ansonsten müssen wir halt wieder durchs Land ziehen, wie früher, immer auf der Suche nach unserem Glück. Was sagst du dazu, Shamada?“ Sie schreckte von ihrem Krug hoch. „Hm? Was?“ Uzul betonte übertrieben jedes Wort. „Ich sagte, dass wir wieder durchs Land ziehen werden und uns von Rahir und Edla wohl trennen müssen, da stimmst du mir doch zu, oder?“ „Was? Willst du das einfach so bestimmen?“, entgegnete sie ärgerlich. Uzul lächelte verschmitzt. „Nein, nein, wie kommst du darauf? Ich dachte nur, du willst lieber wieder unabhängig und frei sein...“ Sie brummte verärgert. „Ach was... ich meine, wir sind doch ein eingespielter Trupp, wir könnten doch... also...“ Uzul schaute sie erwartungsvoll an. „... also... wir könnten doch zusammenbleiben, eine Weile zumindest...“ Uzul schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Krüge sprangen. „Na, dann ist es wohl beschlossen. Ich hoffe nur, du verträgst dich mit den beiden, besonders mit Rahir, he, he!“ Shamada blickte angestrengt in ihren Krug. Ihr Gesicht wurde rot unter dem Fell. Uzuls vom Bier hervorgerufene Offenheit war ihr sichtlich peinlich. „Klingt nach einer guten Idee... was sagst du, Edla?“ Rahir blickte sie fragend an. Die Nord erwiderte seinen Blick mit gespielter Betroffenheit. „Was ich dazu sage? Ich sage, es sogar eine sehr gute Idee. Olav, bring uns noch eine Runde, darauf müssen wir anstoßen!“ Die Planken unter seinen Füßen schienen sich zu bewegen, als er zu seiner Kammer wankte. Uzul und Edla hatten noch einige Runden zur Feier ihres Zusammenschlusses ausgegeben. Inzwischen war es nach Mitternacht, und nun suchten sie vom starken Nordbier benebelt ihre Zimmer auf. Er tastete benommen nach dem Türgriff und drückte ihn hinunter. Bevor er eintrat, sah er noch durch sein trübes Auge, wie Edla und Uzul mit unsicheren Schritten an ihm vorbeigingen. Der Ork sang dabei lautstark ein Lied aus seiner Heimat, in dem es um kalte Herbststürme und verrauchte Schenken ging. Die Nordfrau blickte zu Boden, und fast wirkte sie traurig in all der ausgelassenen Stimmung. Vielleicht erinnert sie sich an Himmelsrand, ihre Heimat, dachte er. Als letztes kam Shamada an ihm vorbei, blieb dann aber stehen. Mit einer Hand stützte sie sich an der Wand ab. Aus glasigen Augen betrachtete sie ihn wie das Schloss an einer Schatztruhe, das es zu knacken galt. Sie sagte irgendetwas, das jedoch im Gesang des Orks, der durch die halboffene Tür drang, unterging. Dann packte sie ihn ungeschickt mit der rechten am Genick und zog ihn zu sich heran. Rahir spürte ihre Lippen auf seinen. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand einen feuchten Schwamm ungeschickt auf den Mund drücken. Als sie ihn wieder los ließ, fiel sie fast auf den Hintern. Mühsam rappelte sie sich auf und torkelte zu ihrem Zimmer. Rahir stand noch einen Moment da und starrte ins Leere. Dann schloss er kopfschüttelnd die Tür und legte sich hin. Während er hinwegdämmerte, konnte er bereits nicht mehr sagen, ob das Ereignis gerade wirklich oder nur in seiner Vorstellung passiert war... Am nächsten Morgen versammelten sie sich zu einem wortkargen Frühstück im Gastraum. Alle wurden von Kopfschmerzen, verursacht durch das schwere Bier, geplagt. Nur Uzul schien unbeeinträchtigt und wirkte fröhlich. Rahir saß Shamada gegenüber, die jedoch seinen Blick mied. Das Gewicht des Amuletts um seinen Hals wurde ihm an diesem Morgen wieder bewusst. Wie ein Mühlstein hing es an seinem Hals... „Ich werde dann mit meinem letzten Geld die Unterkunft bezahlen. Wenn jemand eine Idee hat, wie wir zu Geld kommen, nur heraus damit.“ Edla wirkte nachdenklicher als sonst. Müde blickte sie in die Runde. „Ich habe eine Idee...“ Seine eigenen Worte klangen ihm fremd, als spräche jemand anderes für ihn. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Unsicher sprach er weiter. „Als erstes... sollten wir nach Chorrol gehen.“ „Und dann? Kennst du dort jemanden bestimmten?“ Rahir schüttelte den Kopf. „Nein... aber wir... ich meine, ich muss dahin. Ich kann es euch jetzt noch nicht sagen. Wenn wir die Stadt verlassen haben, erkläre ich es euch.“ Edla hob eine Augenbraue. „So, so... nun, du wirst deine Gründe haben. Im Moment ist Chorrol genauso gut wie jeder andere Ort. Was sagt ihr?“ Uzul und Shamada blickten sich kurz an, und nickten dann matt. Nach einer herzlichen Verabschiedung durch Olav passierten sie das Osttor und nahmen gleich die Abkürzung über den steilen Hang südwärts. Durch die karg bewaldeten Ausläufer der Jerallberge würden sie in Kürze auf die ‚orange Straße’ nach Chorrol kommen. Rahir überlegte sich, wie er es ihnen erklären sollte. Einstweilen gingen sie schweigend durch das von niedrigen Sträuchern und knorrigen Bäumen dominierte Gelände. Weiter unter sich erkannten sie bereits die sich durch den großen Forst windende orange Straße. Er räusperte sich und sprach schließlich Shamada an. „Sag mal... das gestern Nacht...“ Sie horchte auf. „Ja, was war da?“ „Hm... ich schätze, nichts...“ Nur noch wenige hundert Schritte trennten sie von der breiten, gepflasterten Straße. Rahir blieb stehen. „Wartet. Ich muss euch was sagen.“ Die drei blieben ebenfalls stehen und blickten ihn erwartungsvoll an. „Habt ihr schon mal was vom ‚Amulett der Könige’ gehört?“ Edla kratzte sich am Kinn. „Die Gräfin hat es erwähnt. Soweit ich weiß, ist es eines der Insignien des Kaisers von Tamriel.“ Shamadas Augen weiteten sich. „Du willst es stehlen, richtig? Aber warum gehen wir dann nach Chorrol, dafür müssen wir zur Kaiserstadt!“ Edla schenkte ihr einen mitleidigen Blick. „So ein Unsinn. Der Kaiser trägt es immer, und jetzt, wo er tot ist, hat es der Ältestenrat sicher irgendwo in den Tiefen des Kaiserpalastes verstecken lassen. Dort kommt niemand rein.“ Shamada kniff verärgert die Augen zusammen. „Das ist kein Unsinn! Dem Graufuchs ist es gelungen, in den Kaiserpalast einzudringen und von dort die Schriftrolle der Älteren zu stehlen!“ Edla winkte verächtlich ab. „Ts, auf solche Geschichten gebe ich nicht viel...“ „Sie ist wahr, er hat sie mir persönlich erzählt- “ „Jetzt seid mal still, ihr beiden!“ Rahir war selbst von seiner lauten Stimme überrascht. Die zwei sahen ihn verdutzt an. „Ich brauche es nicht zu stehlen... ich habe es bereits, und zwar hier.“ Mit einer Hand zog er das Amulett aus seinem Harnisch hervor. Es glänzte verlockend in der Sonne, das Licht brach sich in seinen Facetten. Alle drei machten pfeifende Geräusche des Erstaunens. „Was für ein Klunker... der muss ein Vermögen wert sein“, sagte Shamada pfeifend. Edla trat näher heran und betrachtete es genau. „Es hat in der Tat große Ähnlichkeit mit dem Amulett der Könige... das kann es aber unmöglich sein. Woher solltest du es haben!“ Rahir schüttelte seufzend den Kopf. „Die Wahrheit ist, ich wurde aus dem Kerker nicht entlassen. Ich bin geflohen.“ Ungläubig schüttelten sie ihre Köpfe. Er fasste zusammen, was er seit seinem Erwachen in der Zelle bis zu Tod des Kaisers erlebt hatte. Fassungslos lauschten sie seinen Ausführungen. „Du hast den Mord am Kaiser miterlebt... das ist unglaublich!“ Edla griff sich an Stirn. „Du willst es also diesem Martin, seinem angeblichen Sohn bringen?“ Rahir nickte stumm. „Aber.. wieso verschachern wir das Ding nicht einfach? Was geht uns das Kaiserreich an? Also, mir hat es bis jetzt nichts gebracht, der Teufel soll es holen“, sagte Shamada aufgebracht. „Nicht so hastig. Wir werden keinen Händler finden, der es nehmen würde, und wenn uns die Legion erwischt, hängen sie uns den Mord am Kaiser an. Ich will gar nicht wissen, welche Strafe darauf steht“, wies Edla sie zurecht. „Verdammt, wenn ich noch bei der Diebesgilde wäre, könnten wir zu einem der Hehler gehen“, knurrte Shamada. „Ich bezweifle, dass irgend ein Händler nur annähernd so viel Gold hat, wie es wert ist. Außerdem muss letztendlich Rahir entscheiden, was damit passiert. Ihm gehört es ja“, sagte Edla nickend. „Nein. Mir gehört es nicht. Es gehört dem Thronfolger, er wird es bekommen.“ Kaum hatte er ausgesprochen, wunderte er sich über seine eigenen Worte. Es war, als hätte das Amulett selbst durch ihn gesprochen... „Ja, das tue ich“, sagte er, um die vorhergehenden Worte zu bekräftigen. „Ich kann aber nicht von euch verlangen, dass ihr mitkommt. Mein Schicksal ist mit dem Amulett verknüpft, mich hat es aus dem Kerker in die Freiheit geführt. Und außerdem kann es gefährlich werden. Der letzte Träger des Amuletts wurde ermordet, sein Besitz scheint nicht ohne Risiko zu sein.“ Rahir sah ihnen nacheinander ins Gesicht. Sie schienen zu überlegen. „Also, ich komme mit dir. Glaubst du im Ernst, ich lasse dich zum Helden werden, und dich den ganzen Ruhm alleine einheimsen?“ Die Nordfrau sah ihn selbstbewusst lächelnd an. Auf sie konnte er sich verlassen, das wusste er. „Und ihr beiden? Wollt ihr mich auf dieser gefahrvollen Reise begleiten?“ Shamada sah betreten zu Boden. Dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. „Klar gehen wir mit! Es gibt sicher eine Belohnung oder so was. Daran wollen wir natürlich eine Beteiligung, damit ich nicht mehr einbrechen und stehlen muss, und überhaupt...“ Sie drehte sich verwirrt um zu Uzul, der bis jetzt geschwiegen hatte. „... vorausgesetzt, du bist dafür...“ Der Ork legte sich die Axt auf die andere Schulter und lachte vergnügt. „Irgendwer muss doch auf euch beiden Tollpatsche aufpassen, und das bleibt wohl an mir hängen, wie es aussieht!“ Erleichtert sah er sie an. „Ich danke euch jetzt schon. Ich bin froh, diesen Weg nicht alleine gehen zu müssen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)