Heal my wounds von Schneckenkind ================================================================================ Kapitel 6: Vorfreude +++ Kadaj ------------------------------ Unser Lehrer hatte uns heute Vormittag darüber informiert, dass wir morgen gemeinsam mit der Klasse B3 ins Planetarium fahren würden. Ich war hellauf begeistert gewesen, erstens weil ich schon immer mal in ein Planetarium wollte und zweitens waren in der B3, der Klasse von Yazoo, ein paar echt scharfe Mädels drin, die es abzuchecken galt. Man kann sich meine Freude also vorstellen. Beim Abendessen erzählte ich davon. Dad hatte sich endlich mal aufgerafft und sich Mühe beim Kochen gegeben. Seit Mum verstorben war, hatte er entweder etwas gekocht, was man schnell zubereiten konnte oder aber Loz hatte, wenn er es nicht mehr länger mit ansehen konnte, sich erbarmt und irgendwas zu essen gezaubert. Er war der einzige von uns drei, der Mums Kochkünste geerbt hatte. Wie gesagt, heute gab es etwas anständiges aus Dads Hand und wir saßen alle zusammen im Wohnzimmer am Esstisch und erzählten uns, was am Tag alles so passiert war. »Dad, weißt du, wir fahren morgen ins Planetarium!«, sprudelte es aus mir heraus. Dad sah mich stirnrunzelnd an. »Wer wir? Du? Mit wem denn?«, staunte er, während er seinen Reis löffelte. Loz grinste in meine Richtung und schlug mir sanft über den Kopf. »Kadajs Klasse und die von Yazoo besuchen morgen das hiesige Planetarium.«, sagte er an Dad gewandt. Dieser nickte schließlich verstehend. »Achso. Eine schulische Veranstaltung also. Und du freust dich also schon, Kadaj.«, dabei lächelte er. Ich nickte glücklich. »Ja! Ich wollte ja schon immer mal dahin!«, meinte ich und schaufelte meine Fleischbällchen in mich hinein. Yazoo hielt sich aus dem Gespräch raus, er war gerade mit seiner Misosuppe beschäftigt. Dad sah ihn an. »Und du? Freust du dich nicht auf morgen?« Yazoo richtete den Blick auf ihn. »Naja... eigentlich nicht.« Dads Augen weiteten sich und er wollte wissen, warum nicht, das wäre doch bestimmt eine spaßige Angelegenheit. Yazoo lachte kurz auf. »Thehe, ja klar. Ich hab ja auch so immer Spaß in der Schule. Das ich nicht lache!« Loz sah ihn an. Dad sah ihn an. Ich sah ihn an. Yazoo sah uns an. »WAS?!«, brüllten wir alle gleichzeitig. Das war auch so eine Macke der Familie – jeder dachte die Gedanken des anderen. Sofort brandete Gelächter auf. Nachdem wir uns von diesem Lachflash erholt hatten, aßen wir weiter. Dad erzählte ein wenig von der Arbeit, und das er eine neue Kollegin habe, die ungefähr in Lozs Alter sei und verdammt schusselig noch dazu. »Da kenn ich noch so jemanden!«, grinste ich in meinen Löffel mit Reis. Yazoo sah mich grinsend an. »Meinst du das Viech aus der Bahn?« Ich nickte. Dad wollte dann natürlich wissen, was das für ein Viech sei und ich erklärte, dass es sich um Takahashi Natsumi handelte, eine Klassenkameradin meinerseits. Seltsamerweise war sie die einzige, bei der mein Charme wirkungslos war. Was mich wunderte. Normalerweise fielen die Mädchen bei meinem Anblick reihenweise in Ohnmacht oder bekamen glänzende Augen wenn man mich nur erwähnte. Bei Natsumi passierte nichts dergleichen. Einerseits hatte das ja den Vorteil, das ich mich mal mit einem Mädchen ganz normal unterhalten konnte, ohne zweideutige Angebote zu bekommen. Andererseits krazte ihr Desinteresse an meinem Ego, und das nicht zu knapp. Wenn du gewöhnt bist, das dir die Mädchen zu Füßen liegen und eine das plötzlich nciht ut, dann hinterfragst du das natürlich! »Kadaj? Kadaj! KADAJ!!!«, riss mich Dads Stimme aus meinen wirren Gedanken. Ich sah irritiert auf. »Willst du noch etwas?«, er hielt mir die Schüssel mit den Fleischbällchen hin. Ich schüttelte den Kopf. Da auch Yazoo und Loz keinen Hunger mehr hatten, räumten wir das Geschirr in die Küche. Während Dad spülte und Loz abtrocknete, maschierte ich ins Wohnzimmer, wo Yazoo sich mit einem Buch aufs Sofa verfrachtet hatte. Ich pflanzte meinen Astralkörper neben ihn. »Was is’n das für’n Buch?« Ohne mich anzusehen, antwortete er mir. »Ein Kriminalroman.« Ich runzelte die Stirn, sagte dann aber nichts weiter. So saßen wir rum, ich zappte von einem Kanal zum anderen auf der Suche nach dem langweiligsten Programm und später gesellten sich Dad und Loz zu uns und spielten eine Partie Schach, die Dad – wie sonst auch – gewann. Loz war zwar ein begeisterter Schachspieler und gewann auch gegen mich oder Yazoo des öfteren... aber von Dad wurde er jedes Mal übelst abgezogen. Gegen elf Uhr marschierten Loz und Dad nacheinander ins Bad. Als ich endlich rein konnte, kam Dad an mir vorbei. »Nacht Kleiner!«, sagte er mit einem Lächeln und drückte mich kurz. Ich lies ihn machen, wenn auch verwundert. Er hatte mich schon lange nicht mehr in den Arm genommen. »Nacht, Paps.«, erwiderte ich leise und ging dann unter die Dusche. Als ich fertig war, schaute ich auf dem Weg in mein Zimmer in das von Yazoo, bei dem die Türe aufstand. Während ich geduscht hatte, hatte er sich auf sein Bett begeben, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte nun aus dem Fenster in den pechschwarzen Nachthimmel, an dem hier und da die Sterne funkelten. »Alles klar Yazoo?«, fragte ich ruhig. Er sah zu mir. »Jo. Warum auch nicht.« dann blickte er wieder aus dem Fenster. Ich lief die paar Schrite zu seinem Bett und legte mich neben ihn. »Ich mein ja nur.« Augenblicklich musste ich daran denken, wie es früher gewesen war. Damals, als Mum noch gelebt hatte. Damals hatte sie mit Yazoo und mir im Arm auch auf dem Bett gesessen und wir hatten in den Himmel geschaut, während sie uns eine Geschichte zum einschlafen erzählt hatte. Als ich mich daran erinnerte, musste ich lächeln. »Du Yazoo, weißt du noch wie iwr mit Mum immer am Fenster gesessen haben, abends?« Er grinste. »Klar weiß ich das noch. Und du wolltest nie einschlafen und hast geplärrt, Mum solle noch eine Geschichte erzählen, und noch eine und---« »Noch eine!«, beendete ich seinen Satz. Ich sah aus dem Fenster. »Was die Sterne heute leuchten...« Yazoo nickte. Ich sah ihn an. »Freust du dich wirklich nicht auf morgen?«, fragte ich dann leise. Er starrte weiter aus dem Fenster. »Naja. Also, irgendwie schon. Ich hab mich heute in der Pause mit Takahashi Makoto unterhalten – seine Schwester geht glaub ich in deine Klasse?« Ich nickte. »Ja, Nacchi!« »Genau. Und auf den freu ich mich ein bisschen. Ist ein netter Kerl.« Lächelnd betrachtete ich meinen Bruder. Wenn er sich gut mit diesem Takahashi verstand, konnte mir das nur Recht sein. Ich hatte an diesem Abend das Gefühl, das Yazoo grade dabei war, sich aus dem Loch zu buddeln, in dem er sich vergraben hatte. Ich stand schließlich auf, wünschte ihm eine Gute Nacht, schlurfte in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und legte mich in mein Bett. Zufrieden zog ich mir die Decke bis über die Ohren und schloss die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)