Leben? von Celest_Camui (Just myself?) ================================================================================ Kapitel 1: Lachen ----------------- Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren. Die frische Luft peitschte mir regelrecht ins Gesicht. Doch es störte mich nicht, ganz im Gegenteil. Immerhin bedeutete es, dass ich noch lebte und dies bald nicht mehr der Fall sein würde. Ich war unglaublich ruhig, als ich zielstrebig auf das Geländer zusteuerte und mich davor setzte, um den Sonnenaufgang noch ein bisschen zu betrachten. Es würde eine schöne letzte Erinnerung werden. Ich atmete die kalte, klare Luft ein. Man konnte fast spüren wie der Sauerstoff sich in meiner Lunge freisetzte. Die einzelnen Haarsträhnen, die mir vor der Nase her wehten, als würden sie zu dem Abschiedslied des Windes einen Freudentanz aufführen. Die Sonnenstrahlen blendeten mich und wärmten meine Füße. Wenn das Leben immer so gewesen wäre, würde ich nicht gehen. Ich danke dir Welt. Ich danke dir für dieses wunderschöne Abschiedsgeschenk… Es wurde Zeit… Nein es war schon so lange überfällig… Ich stand auf um den kalten Stahl des Geländers mit meiner Hand zu umschließen und die letzten beschwerlichen Schritte in diesem Leben zu machen. „Was tust du da?“ Dieser Satz kam beinahe aus dem Nichts. Ich erschrak so sehr, dass ich, hätte ich mich nicht festgehalten, vom Dach gestürzt wäre. Nicht weit entfernt von mir lehnte eine junge Frau an dem Geländer. Sie sah in Richtung Tür. Wieso hatte ich sie nicht bemerkt und wie lange war sie schon hier? Der Schreck saß mir noch in den Gliedern. „Willst du mich umbringen?!?“ Elegant dreht sie den Kopf und lächelte mich an. „Das könnte ich dich auch fragen.“ Verwirrt blickte ich in den Abgrund jenseits des Geländers. Ja, eigentlich schon. Ich wollte mich gerade fallen lassen… Wieso habe ich es nicht einfach getan. Nun ja, ich bin schließlich nur ein Mensch, ich habe eben auch Reflexe. „Und wenn schon. Es ist besser jetzt zu gehen.“ Ich blickte nachdenklich in den Himmel. „Ich will nicht noch mehr Schmerz erfahren… Nicht noch mehr Leiden.“ Ein leichter Windhauch umspielte mich, als würde er mich zu sich rufen wollen. Und ich wollte folgen. „Ich ertrage es nicht mehr…“ Ich hörte ein Seufzen. „Ach ja? Ist das so?“ Sie sprach das so gekonnt in einem ironischen Tonfall aus, dass mir fast die Wut hochstieg. „Was weißt du schon? Was soll man tun, wenn man eine miese Kindheit hatte?“ Sie brachte mich wirklich zur Weißglut. Jemand, der so unbeschwert Leute nerven konnte, hatte mit Sicherheit keine Probleme. Ihre erste Reaktion auf meine Frage war ein verwunderter Gesichtsausdruck. Ihre Haare verdeckten eine Gesichtshälfte total. Und sie trug Sommerkleidung. Einen Rock und eine Bluse. Sie war sicher nur zu Besuch. „Du kannst mir nicht sagen, dass es in deiner Kindheit NUR schlechte Dinge gab. Halt dich doch einfach an die schönen Dinge.“ Ich wollte widersprechen, doch dann hätte ich wohl gelogen. Ja, das Meiste meiner Vergangenheit sollte man einfach auslöschen, doch es gab auch vereinzelte Gedanken die mich auf eine Art und Weise glücklich machten. Doch so schnell gab ich mich nicht geschlagen. „Ach ja, ich denke ja auch nicht das jemand wie du nur auf seine, nicht mehr vorhandene, Intelligenz reduzieret werden könnte.“ Ich erwartete halb triumphierend ihre Antwort. Doch nun wandelte sich ihre Mimik in Bewunderung. „Wow. Du bist ein Genie?“ sie blickte seitlich dem Parkplatz vor dem Krankenhaus entgegen. „Sollte man bei deinen Schnapsideen gar nicht glauben…“ Nach einem Räuspern fügte sie noch einen Satz hinzu. „Also ich würde mich freuen, wenn ich so angesehen würde. Aber nicht wegen irgendwelcher Anerkennung. Immerhin kann man mit jeglichem Intellekt der Menschheit Gutes tun… Mich würde das sehr glücklich machen.“ Und auch dieser Punkt ging kampflos an sie. Wie konnte sie nur einfach alles ins Bessere Wenden. Immerhin war auch ich immer glücklich gewesen, wenn ich bei etwas weiterhelfen konnte. Doch…. „Weißt du überhaupt wie es ist, wenn man keine Familie hinter sich hat, keine Freunde?“ Meine Stimme war nun schon viel ruhiger als zuvor. Nun drehte sie sich um und stützte sich mit den Unterarmen auf der Abgrenzung zum sicheren Tod ab. „Man wird im Leben immer wieder neuen Menschen begegnen. Und jeder formt dich ein Stück und macht aus dir das, was du bist. Und du wirst sicher auch wieder verletzt, doch manche Menschen sind es wert zu warten und das zu ertragen, bis man sie findet. Und Familie? Dann… gründe dir doch einfach eine eigene. Wie wär’s?“ Da war wieder dieses offene und erfrischende Lachen. „Pah, wenn die Liebe ein Frosch wäre, würde ich sie den Franzosen ausliefern…“ Sie gab ein gluckendes Geräusch von sich und zuckte, als würde seine keine Luft bekommen. Panisch lief ich auf sie zu und packte sie an den Schultern, um sie zu mir zu ziehen. „Ist mit dir alles in Ordnung? Soll ich einen Arzt holen?“ Dieser klare Blick, die wunderschönen Augen. So tief und fesselnd. Auf einmal prustete sie los und verteilte dabei kleine Speicheltropfen auf meinem Gesicht. Sie lachte aus voller Kehle und reinem Herzen. Ich ließ sie ruckartig los, als ich merkte, dass ich rot wurde und stellte mich wieder an das vorhin noch so bedeutungsvolle und nun so unbeachtete Geländer. Es verblasste einfach in ihrem Glanz. „Na ja… Vielleicht will ich doch noch ein bisschen Leben. Weißt du was, ich mag dich.“ Nach diesem Satz blickte ich sie an. Ihre braunen Haare wehten ihr aus dem Gesicht und ich wusste weshalb sie diese Frisur trug. Sie hatte eine große, schlecht verheilte Narbe auf der linken Gesichtshälfte. Doch für mich machte das keinen Unterschied. Es war die innere Schönheit, die mich fesselte. „Ich mag dich auch.“ Ein Lächeln wie die Sonne und der Mond zusammen. „Und darum will ich dich auch nicht mehr so schnell wieder sehen.“ In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und die Pfleger kamen angerannt. Sie schienen mich gesucht zu haben. Ich wollte dieses Mädchen noch mal ansehen, doch sie war verschwunden. Wo war sie hin? Ich musste sie wieder sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)