Stunden der Gedanken von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Stunden der Gedanken oder Der Weg einer ungewöhnlichen Liebe War da nicht was? Reika blickte auf. Hatte er sich nicht gerade bewegt? Nein, sie musste sich getäuscht haben. Seit Stunden saß sie nun schon in diesem kahlen Zimmer und starrte an den vielen technischen Geräten vorbei auf den Mann, den sie über alles liebte. Als sie vor dieser, ach, sie wusste schon gar nicht mehr wie langen, Zeit diesen Raum betreten hatte, hatte sie schreien wollen. Da lag er: Mitsuo Yamaki, ihr Mann. Er lag nun nach einer Not-OP auf der Intensivstation, an unzählige Geräte angeschlossen und trotzdem konnte keiner garantieren, dass er durchkommen würde. Sie kam sich so hilflos vor. Er kämpfte, dass wusste sie; er bewegte sich zwar nicht, aber sie kannte ihn, er würde sich nicht so einfach geschlagen geben. Und sie konnte nichts anderes tun, als daneben zu sitzen und abzuwarten. Diese Vorstellung ließ sie fast völlig verzweifeln. Doch Reika war bis jetzt in jeder Situation noch Hoffnung und Zuversicht geblieben. ,Jetzt, wo wir so glücklich sind,' dachte sie, ,jetzt kann das Schicksal uns doch nicht auseinander reißen.' Ein kleines Lächeln schlich sich auf Reikas Gesicht, als sie ihm sanft über die Wange strich, um ihm zu zeigen, dass er nicht allein war. Es konnte jetzt nicht zu Ende sein, dafür war ihre gemeinsame Geschichte viel zu ungewöhnlich. Alles begann vor 3 Jahren. Mitsuo Yamaki kam, wie üblich, in der Mittagspause aus seinem Büro runter in die Eingangshalle, um sich ungestört mit seinem besten, und eigentlich einzigen, Freund zu unterhalten. "Hey, hast du aber eine coole Routine drauf!", grüßte ihn dieser. "Wenn ich dich nicht kennen würde, würde ich wahrscheinlich sagen: Guten Morgen, Mr. Bond!" "Saturo, du übertreibst!", bemerkte Yamaki mit einem Lächeln und gesellte sich zu seinem Freund und Kollegen. "Ich erinnere dich an Pierce Brosnan?" "Nein, an Sean Connery," mischte sich Naomi, das Mädchen am Empfang, die eigentlich mit beiden gut zurecht kam, ein, "und zwar in heutiger Fassung!" "Danke, Naomi!", kommentierte Yamaki mit ironischem Unterton. "Aber im Ernst: Ich glaube zu einem ,James Bond' fehlt mir noch einiges." "Na gut," gestand Saturo, "du hast keinen direkten Chef, aber mit Naomi im Vorzimmer wäre eine Grundlage da." "Hey!", protestierte Naomi gleich. "Das meinte ich auch eigentlich gar nicht.", beruhigte Yamaki sie. "Ich meinte eher den Grund, aus dem sich Männer James Bond-Filme ansehen." Mit einem Blick über den Rand der Sonnenbrille signalisierte Yamaki, was er meinte. "Ein Bond-Girl," bemerkte Naomi trocken, "auf 6 Uhr." Die beiden Männer fuhren herum und Yamaki musste sich bei dem Anblick wirklich zusammen nehmen. Vor ihnen stand eine junge Frau, ca. 24/25 Jahre, mit rotbraunen, locker hochgesteckten Haaren und glitzernd verführerischem Make-up. Doch auch ihre Kleidung machte es den Männern schwer Haltung zu bewahren: ein Minirock im Jeansdesign, kniehohe camelfarbene Stiefel und ein rosa schulter- sowie auch bauchfreies Top; ihre Handtasche hatte sie über der Schulter, ihren Ledermantel über dem Arm. "Ich wollte den verantwortlichen Abteilungsleiter sprechen.", begann sie in einem präzisen und überzeugten Ton. "Dann wollen Sie wohl zu mir.", entgegnete Yamaki, der seine gewöhnliche Gelassenheit wiedergefunden hatte. "Was kann ich für Sie tun, Miss...?" "Ootori," unterbrach sie ihn, "Reika Ootori. Aber ich wäre froh, wenn wir das unter vier Augen klären könnten." "Bitte!", gab Yamaki nach und deutete ihr den Weg die Treppe hinauf zu seinem Büro. Auf der zweiten Stufe drehte sie sich noch zu ihm um und meinte sehr abgeklärt: "Ich sollte Sie vielleicht warnen, ich bin seit meinem 6. Lebensjahr Mitglied in einem Karateverein. Also überlegen Sie sich besser, was Sie tun und was Sie lieber lassen." Dann stieg sie überzeugt vor ihm die Treppe hinauf. Yamaki warf einen kurzen Blick zu seinem Freund, der ihm mit einer kleinen, aber unmissverständlichen Handbewegung deutete, dass das eine ziemlich heiße Sache sei. Yamaki verdrehte nur die Augen und folgte dieser fremden Frau die Treppe hinauf. In seinem Büro angekommen schloss Yamaki die Tür hinter sich. "Bitte, setzen Sie sich.", begann er und setzte sich an seinen Schreibtisch. "Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?" "Nein, danke.", erwiderte sie. "Ich möchte diese Sache möglichst schnell klären." "Womit wir bei meiner nächsten Frage wären," fuhr Yamaki fort, "was führt Sie her?" "Die Tatsache, dass ich momentan arbeitslos bin und Sie technische Assistenten bzw. Assistentinnen suchen." Darauf griff sie auch schon in ihre Tasche und reichte ihm eine Mappe herüber. Yamaki nahm sie entgegen und begann die darin befindlichen Führungszeugnisse zu studieren. "Beachtlich!", bemerkte er, eigentlich mehr zu sich selbst als zu ihr. "Hervorragende Abschlüsse, ein Jahr in den USA tätig und die Namen der Firmen, für die sie vorher gearbeitet haben, sind ja auch nicht unbekannt." "Wundert Sie das?", fragte sie etwas herausfordernd. "Nun ja,..." Mit einem Lächeln nahm Yamaki seine Sonnenbrille ab und gab ihr die Mappe zurück. "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass eine Frau mit ihren, naja, Qualifikationen nicht auch auf anderem Gebiet Karriere machen kann." Sein ihren Körper musternden Blick war auch ihr nicht entgangen. Wütend sprang sie auf. "Denken Sie eigentlich, nur weil eine Frau weiß, was ist sie hat, ist sie nur als ,Cover-Girl' zu gebrauchen?" "Ehrlich gesagt: Meistens ja.", konterte er. "Und soll ich ihnen noch was sagen? Der Gedanke war gar nicht so unschön." Wutentbrannt über diese Frechheit verpasste sie ihm eine Ohrfeige und stürmte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter an Saturo und Naomi vorbei. "Schönen Tag noch!", bemerkte sie mit sichtlicher Wut. Kurz nachdem sie zur Tür raus war, kam Yamaki die Treppe runter. "Wow, was war das denn?", fragte Naomi beeindruckt. "Sag mal," wandte Saturo ein, als er Yamakis leicht gerötete Wange bemerkte, "hat sie dir eine gescheuert?" Der Gedanke daran ließ ihn ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. "Ich glaube, wir werden noch eine Menge Spaß an unserer gemeinsamen Arbeit haben.", bemerkte Yamaki nur, ohne eigentlich auf die Frage zu antworten. Reika hatte ihre Wut immer noch nicht verdaut, als sie zu Hause ankam. Sie knallte die Tür hinter sich zu, warf Mantel und Handtasche auf einen Stuhl und ließ sich aufs Sofa fallen. "Was hat dich denn gebissen?", fragte ihre Cousine Akiko, die aus der Küche ins Wohnzimmer trat. "Ach," seufzte Reika, "ich habe mir gerade die Chance auf einen Job verbaut." "Wieso?", fragte Akiko etwas verwirrt und setzte sich zu ihrer Cousine. "Nun, ich habe dem Chef eine geknallt.", antwortete Reika ohne Umschweife. Nun sah Akiko sie völlig fassungslos an. "Aber ich hatte Recht.", bestätigte Reika. "Der Typ hatte so eine ekelhafte Macho-Tour drauf, da konnte man als selbstbewusste Frau gar nicht anders reagieren! Der hat, auf Grund meiner Kleidung, behauptet ich sei ja wohl nur zu einem zu gebrauchen!" "Hat der das so gesagt?", fragte Akiko aufgebracht. "Nein," erwiderte Reika, jetzt anscheinend auch schon etwas beschämt über ihre Reaktion, "aber so hat er's gemeint." "Tja, da ist meine Meinung wieder mal bewiesen!", bemerkte Akiko trocken. "Wir Frauen brauchen keine Männer, wir kommen alleine viel besser klar." "Die Meinung ist ja schön und gut.", meinte Reika und nahm ihre Katze Lynn auf den Arm. "Aber ich brauche einen Job und muss in unserer heutigen Welt da wohl oder übel mit Männern zusammen arbeiten." Sie seufzte resignierend. "Ich muss mich einfach zu beherrschen lernen und über sowas hinweg hören." "Wenn du meinst!", bemerkte Akiko schulterzuckend und ging ans Telefon. "Ich muss mich einfach besser unter Kontrolle haben, was Lynn? Leon?" Reika nahm ihre beiden Katzen in die Arme und begann mit ihnen zu schmusen. "Reika!", rief Akiko aus der Küche. "Telefon für dich!" Reika stand auf und ging Richtung Küche. "Die Firma.", flüsterte Akiko und gab Reika den Hörer. Seufzend nahm Reika den Hörer entgegen. Jetzt würden die sie für ihr Benehmen zusammen falten. "Reika Ootori, guten Tag!", meldete sie sich. "Naomi Takawa, Hypnos Company.", meldete sich eine weibliche Stimme am anderen Ende. "Ich soll ihnen Bescheid geben, dass sie den Job als technische Assistentin bekommen. Sie sollen sich morgen gegen 10 Uhr in der Lobby des Hauptgebäudes einfinden." "Ja, vielen Dank!", erwiderte Reika etwas verwirrt. "Und ganz unter uns," fügte Naomi hinzu, "eine 1A-Reaktion heute! Auf Wiedersehen!" "Wiedersehen." Verwirrt legte Reika den Hörer auf. "So schlimm?", fragte Akiko besorgt. "Im Gegenteil!", antwortete Reika lächelnd. "Die nehmen mich." Wie vereinbart fand sich Reika am nächsten Tag wieder im Hypnos-Gebäude ein. Dort traf sie eine weibliche Angestellte, die sie anscheinend herumführen und einweisen sollte. "Nun, sie sind also die zweite im Bunde.", bemerkte sie während der Tour. "Reika, nicht wahr?" "Ja, richtig.", antwortete Reika, die noch nicht wusste, was sie von der Frau halten sollte. Sie war etwas kleiner als Reika, hatte kurze blonde Haare und wirkte irgendwie ein bißchen unscheinbar. "Ich bin Megumi.", stellte sie sich vor. "Wir werden dann wohl Partnerinnen. Und ich fände es gut, wenn wir auch Freundinnen werden könnten." "Ja, warum nicht, gerne." Reika lächelte. Die Art von Megumi war ihr zwar immer noch etwas suspekt, aber sie hatte etwas, das Reika sagte, dass sie ihr vertrauen konnte. Reika hatte da noch ein paar Fragen: "Könnten Sie..." "Du.", unterbrach Megumi sie sofort. "Als Freundinnen duzt man sich." "Okay. Kannst du mir sagen, wo man hier kostengünstig wohnen kann?", fragte Reika. "Weißt du, im Moment wohne ich bei meiner Cousine, aber der will ich auch nicht länger zur Last fallen." "Kein Problem." Megumi winkte ab. "Als Mitarbeiterin im höheren Stand kannst du ein Zimmer hier im Westflügel beantragen. Ich wohne da auch zusammen mit ein paar anderen. Wir müssen uns zwar ein Bad und eine Kochecke teilen, aber dafür ist es relativ billig und Streit gab es bei uns bis jetzt noch nie ernsthaft." "Das ist ja super!" Reika war erleichtert, das zu hören. "Bei wem müsste ich das denn beantragen?" "Bei unserem Abteilungschef," antwortete Megumi, "Herrn Yamaki." "Oh weia!", seufzte Reika. "Wieso?", fragte Megumi. "Kennst du ihn?" Reika nickte. "Ich hab mein Bewerbungsgespräch mit ihm geführt. Das endete damit, dass ich ihm eine geklebt habe und fluchtartig das Gebäude verlassen habe." Megumi grinste. "Damit hast du besser reagiert als alle deine Vorgängerinnen. Keiner hier, außer Herrn Saturo Maita und Naomi Takawa, kann ihn wirklich leiden. Alles, was weiblich und zwischen 19 und 25 ist, wird von ihm angemacht. Aber was soll man tun? Er ist nun mal der Chef und mich lässt er Gott sei Dank in Ruhe." Das konnte Reika sich problemlos vorstellen und nachdem Megumi ihr alles gezeigt hatte, machte sich Reika mit mulmigem Gefühl auf den Weg zu Yamakis Büro. ,Da wären wir also wieder,' dachte sie, als sie endlose Minuten vor Yamakis Büro stand. Schließlich klopfte sie an. "Herein!", ertönte eine ihr wohlbekannte, gleichgültig klingende Männerstimme. Mit einem unwohlen Gefühl trat Reika ein. "Ach, Sie sind es!", bemerkte Yamaki, als er aufsah, mit wesentlich besserer Laune, als Reika angenommen hatte. "Ja, so sieht man sich wieder.", erwiderte Reika und steckte sich nervös eine Haarsträhne hinters Ohr. "Bitte." Damit bedeutete Yamaki ihr sich zu setzen. "Danke." Immer noch etwas verstört schloss sie die Tür hinter sich und nahm auf dem ihr zugewiesenen Stuhl Platz. ,Warum hat der so gute Laune?', wunderte sie sich. ,Er kann unseren Zusammenprall nicht vergessen haben, worauf wartet er noch? Will er den richtigen Moment abwarten, um mich für die Ohrfeige zusammen zu pfeifen?' "Also, was kann ich diesmal für Sie tun?" Reika war so in ihren Gedankengängen versunken, dass sie bei dieser Frage aufschreckte. "Oh, naja, also ich..." Sie musste sich erst einmal wieder sammeln. Yamaki bemerkte ihre Verwirrung natürlich auch. ,Was hat sie denn?', dachte er und musterte sie heimlich durch die Sonnenbrille. ,So nervös war sie beim letzten Mal nicht.' "Also, es geht um Folgendes," Reika setzte nun an, nachdem sie sich gesammelt hatte, "ich möchte, falls möglich, einen Antrag auf eine Wohngelegenheit im Westflügel dieses Gebäudes stellen." "Na, da haben Sie sich wohl sehr schnell mit Megumi angefreundet, wie?", entgegnete er, während er in seinem Schreibtisch irgendetwas suchte. "Zum einen.", antwortete Reika. "Zum anderen lebe ich momentan bei einer Familienangehörigen, der ich auch nicht länger als nötig zur Last fallen möchte." "Soso," bemerkte Yamaki nebenbei, während er auf irgendeinem Blatt aus seinem Schreibtisch herumkritzelte. "Dann werden wir hier ja jetzt kaum aneinander vorbeilaufen können." Damit schob er ihr das Blatt rüber und hielt ihr einen Kugelschreiber hin. Reika sah verwirrt aufs Papier und staunte nicht schlecht. Sie wurde hiermit aufgefordert, den Antrag für ihr neues Zimmer zu unterschreiben. "Ist das Ihr Ernst?", fragte sie ungläubig. "Ich kann wohl kaum zulassen, dass Sie Ihre Familie belästigen.", entgegnete Yamaki ironisch. "Vielen Dank!" Reika fiel ein Stein vom Herzen, als sie das Formular unterschrieb. "Danke!" Yamaki nahm das Blatt wieder an sich und heftete es weg. "Die Hausordnung für den Trakt hängt aus und für weiteres können Sie sich ja vertrauensvoll an Megumi wenden." "Ich danke Ihnen!" Glücklich sprang Reika auf. "Dafür haben Sie was gut bei mir!" Und damit war sie schon wieder weg. Erst draußen dachte sie über ihre Worte nach. ,Hoffentlich nimmt er das nicht allzu wörtlich.', dachte sie, doch dann machte sie sich schon keine Gedanken mehr darüber und fuhr nach Hause, um ihre Sachen zu holen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)