Brüder von Mono-chan (das letzte Kapitel ist da) ================================================================================ Kapitel 3: Neuigkeiten ---------------------- Im Gegensatz zu Tsubasas verlief Sanaes Heimfahrt alles andere als schweigend, ganz im Gegenteil. Yukari plapperte ununterbrochen, sie wollte alles über das Leben in Brasilien wissen – und Sanae ihrerseits löcherte sie unentwegt, was es neues in Nankatsu gab. Sie waren so in das Gespräch vertieft, dass Sanae es nicht mal merkte, dass Yukari eine andere Strecke fuhr. Erst, als ihre Freundin den Wagen auf einen Parkplatz lenkte, wurde sie aufmerksam. „Hey, wo fährst du denn hin?“ Yukari schmunzelte und stellte den Motor ab. „Sieh dich doch mal um.“ Sanae tat es – und lächelte. „Hier war ich wirklich schon ewig nicht mehr....“ „Eben. Du hast ja noch ein bisschen Zeit, oder?“ „Klar. Meine Eltern sind ja leider erst ab fünf zuhause, und ein leeres Haus ist nicht gerade verlockend.“ „Dachte ich mir.“ „Du kennst mich wie immer viel zu gut.“ „Ich weiß.“ Sanae musste lachen, dann stieg sie aus und ließ den Blick schweifen. „Na?“ Yukari schloss das Auto ab und hakte sich bei ihrer Freundin unter. Sanae atmete die Luft tief ein und ließ den Blick dann über den kleinen Fußballplatz schleifen. „Hier hat sich nicht viel verändert.“ „Was sollte sich schon verändert haben?“ Yukari schmunzelte. „Ein Fußballplatz ist ein Fußballplatz, nicht? Rasen, 2 Tore. Alles beim alten....“ „Stimmt.“ Sanae deutete auf die kleinen Kinder, die sich gerade aus voller Kehle schreiend auf dem Platz verausgabten. „Wenn man von den Spielern absieht.“ „Ja ja, die Zeit vergeht. Hier war das legendäre Spiel, oder?“ „Allerdings. Das erste Duell zwischen Tsubasa und Genzo.... und hier hab ich ihn auch zum ersten Mal spielen sehen.“ „Und schon war's um dich geschehen.“ Yukari knuffte sie leicht in die Seite. „Hattest du gleich Herzchen in den Augen, ja?“ „Yukari, lass das!“ Sanae konnte nicht verhindern, dass sie leicht rot wurde. „Von wegen Herzchen!“ „Sorry.“ Ihre Freundin lachte. „Aber ich konnte nicht widerstehen. Und ehrlich gesagt, hätte ich das damals gerne gesehen.“ „Was? Das Duell oder meine Herzchen?“ „Beides.“ Yukari grinste. „Also hattest du doch welche!“ „Hä?“ „Gerade hast du's zugegeben!“ „Stimmt doch gar nicht.“ „Stimmt wohl.“ „Nein!! Sag mal, warst du früher auch so frech oder hab ich's da nur nicht bemerkt?“ „Du hast es nicht gemerkt.“ Sanae prustete los und umarmte Yukari kurzerhand. „Es tut so gut, dich wiederzusehen, weißt du das?“ „Klar.“ Yukari zwinkerte ihr zu. „Und was das Frech-Sein angeht, ich tue nur meinen Job als beste Freundin.“ „Den machst du verdammt gut.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“ In diesem Moment piepte Sanaes Handy. Sie runzelte die Stirn und zog es aus der Tasche, nachdem sie Yukari losgelassen hatte. „Von Tsubasa?“ Sanae nickte nur. Dann weiteten sich ihre Augen ungläubig. „Das gibt’s ja nicht.“ Sie blickte Yukari an. „Wusstest du, dass Tsubasa kein Einzelkind mehr ist?“ „Klar. Ich hab den Kleinen auch schon persönlich kennen gelernt. Süßer Fratz. Ich glaube, er müsste jetzt zwei Jahre alt sein.“ „Aber....warum wissen wir das noch nicht? Besser gesagt, warum wusste Tsubasa das bis jetzt nicht?“, meinte Sanae fassungslos. „Ich meine.....ein Bruder!!!“ „Keine Ahnung, das musst du schon seine Eltern fragen. Ich weiß nur, dass sie uns alle gebeten haben, es für uns zu behalten, damit er es nicht so erfährt. Sie wollten es ihm selber sagen.“ „Klar, aber....“ Sanae brach ab. „Heute abend lernst du den Kleinen ja auch kennen. Du wirst ihn sicher mögen. Er heißt übrigens Daichi.“ Sanae zögerte, dann begann sie, eine Antwort-SMS zu tippen. „Was schreibst du?“ Yukari lugte ihr neugierig über die Schulter. „Ich sage ab.“ „Was?! Warum das denn? Ich dachte du gehst um sieben gemütlich zu ihm rüber und dann feiert ihr sozusagen seinen Geburtstag und das Wiedersehen und überhaupt....das hast du doch vorhin noch erzählt.“ „Ja. Aber da haben wir beide auch noch nicht gewußt, dass er plötzlich nen kleinen Bruder hat.“ „Und?“ „Ich will, dass er das erst Mal in Ruhe verdauen und den Kleinen auch kennenlernen kann. Ich glaube, da wäre ich heute fehl am Platz. Und meine Eltern waren eh nicht begeistert davon, dass ich gerade mal zwei Stunden zuhause bin und dann schon wieder abhaue.“ „Na hör mal, die sollen gefälligst nicht meckern! Immerhin sind sie nicht zuhause, wenn du nach drei Jahren wieder richtig heim kommst, da haben sie kein Recht sich zu beschweren, wenn du abends weg bist.“ Yukari lächelte. „Aber dass du Tsubasa Zeit geben willst, kann ich nachvollziehen. Wie hat er denn reagiert, hat er das geschrieben?“ Sanae zögerte, dann klickte sie auf Senden und rief Tsubasas SMS erneut auf, bevor sie ihrer Freundin das Handy hinhielt. „Oh.“ Yukari runzelte die Stirn. „Na ja, kurz und sachlich. In Begeisterungsstürme ist er anscheinend nicht ausgebrochen.“ „Kann ich verstehen. Oder hättest du gerne plötzlich einen Bruder vor der Nase, den du nicht kennst?“ „Nein. Aber wie ich Tsubasa kenne, wird er Daichi sicher bald ins Herz schließen.“ Yukari lächelte und hakte sich wieder bei ihrer Freundin unter. „Wirst sehen, alles kein Problem.“ *** Tsubasa seufzte und legte das Handy auf den Schreibtisch. Sanae kam also nicht. Irgendwie hatte er so was fast befürchtet, aber er hatte trotzdem insgeheim auf ihre Unterstützung gehofft. Natürlich konnte er sie verstehen – aber der Gedanke, jetzt den ganzen Abend irgendwie alleine hinter sich bringen zu müssen, gefiel ihm nicht. Ein Bruder!!! Tsubasa blickte sich um. Wenigstens sein Zimmer war unverändert. Er hatte schon Angst gehabt, dass seine Eltern es zum Kinderzimmer für Daichi umfunktioniert hatten, aber die Wahl war dann doch auf das Gästezimmer gefallen. Zum Glück. Er wußte nicht, ob er das sonst auch so ruhig hingenommen hätte, zumindest nach außen. Innerlich fühlte er sich alles andere als ruhig. „Tsubasa? Das Essen ist dann fertig. Kommst du?“, erklang die Stimme seiner Mutter von unten. „Ja, gleich.“ Tsubasa blickte sich ein letztes Mal in seinem Zimmer um, dann ging er die Treppe nach unten. Langsam. Besonders eilig hatte er es nicht im Moment. Er wußte, was seine Eltern von ihm erwarteten, aber dieses Kind – Daichi – war völlig fremd. Warum zum Teufel hatten sie ihm nicht wenigstens früher schon Bescheid gesagt? Ein Brief mit einem Foto, oder ein Telefonat – gut, besonders viel telefoniert hatten sie nicht in den drei Jahren, Ferngespräche nach Brasilien waren nicht gerade billig, aber das wäre doch ein triftiger Grund gewesen. Einfach irgendetwas, damit er jetzt nicht hier stand und plötzlich mit einem 2jährigen.... „Huch!“ Als Tsubasa die Küche betreten wollte, hing plötzlich ein Gewicht an seinem Bein. Verdutzt blickte er nach unten. Daichi klammerte sich weiter an ihm fest und sah strahlend zu ihm auf. „Basa!“ „Äh...“ „Basa!“, wiederholte Daichi mit Nachdruck, während er eine Hand nach oben ausstreckte. Langsam dämmerte Tsubasa, was er wollte. „Mama....könntest du vielleicht....?“ Seine Mutter, die die ganze Zeit über am Herd gestanden hatte, wandte sich um und musste lächeln. „Er will auf den Arm genommen werden. Kein Grund zur Panik.“ Als Tsubasa immer noch keine Anstalten machte, dem Wunsch seines kleinen Bruders nachzukommen, seufzte sie leicht und ging zu den Beiden hinüber. „Na komm, Spatz.“ Sie löste Daichis Griff und hob ihn hoch, was ihm absolut nicht gefiel. Er begann zu weinen, und Frau Ozora redete sanft auf ihn ein, während sie zum Herd zurück ging. Tsubasa wandte sich um und verließ die Küche Richtung Wohnzimmer. Und das jetzt noch einen ganzen Abend lang.....und dann morgen, und übermorgen, und.... Tsubasa verdrängte den Gedanken daran. Erstmal musste er irgendwie durch die nächsten Stunden. Daichis Gebrüll aus der Küche verebbte, anscheinend hatte seine Mutter geschafft, ihn irgendwie zu beruhigen. Wenigstens etwas. Als Tsubasa das Wohnzimmer betrat, wandte sein Vater den Kopf, der bisher auf der Couch gesessen und ferngesehen hatte. „Und? Wie fühlst du dich in deinem alten Zimmer?“ „Gut. Hat sich ja nicht viel veändert.“ Tsubasa setzte sich neben ihn und blickte zum Fernseher hinüber. Die Nachrichten liefen gerade. „Irgendwas spannendes passiert?“ „Nein, nur das übliche.“ Herr Ozora schaltete das Fernsehen aus und schien kurz zu zögern, bevor er weiterredete. „Die Situation ist im Moment nicht einfach für dich, oder?“ Tsubasas Miene verschloss sich, er zuckte mit den Schultern. „Wäre sie für dich einfach?“ „Nein, ich denke nicht.“ Sein Vater seufzte. „Hör zu, ich wollte noch etwas mit dir besprechen. Ich weiß zwar nicht, ob das der günstigste Augenblick ist, aber.....“ Er wurde unterbrochen, als seine Frau erneut zum Essen rief. „Kommt ihr bitte?“ Tsubasa blickte erst zur Küche und dann seinen Vater an. Er war verwirrt – und misstrauisch. „Worum geht’s denn?“ Herr Ozora zögerte wieder, dann lächelte er und stand auf. „Wir reden besser nach dem Essen darüber. Deine Mutter wartet nicht gern, und Daichi noch weniger.“ Er ging Richtung Küche, und Tsubasa folgte ihm nach ein paar Sekunden. *** Als sie gemeinsam in der Küche saßen, drehte sich das Gespräch zu Tsubasas Erleichterung nicht um Daichi. Es gelang ihm sogar, die Anwesenheit seines Bruders für ein paar Minuten zu vergessen, obwohl seine Mutter mit füttern beschäftigt war. Wenn der Kleine zufrieden war, konnte er erstaunlich ruhig sein. Herr Ozora wollte alles über Tsubasas Zeit in Brasilien wissen. „Bist du gut zurecht gekommen? Und wie geht’s Roberto?“ „Am Anfang war es nicht ganz einfach, aber es war dann okay. Und Roberto geht’s gut, seit er den Trainerjob hat machen ihm auch seine Augen keine Probleme mehr.“ „Was hat er denn dazu gesagt dass du wieder zurück geflogen bist?“, mischte sich Frau Ozora ein, während sie Daichi einen neuen Löffel voll Reis in den Mund schob. Tsubasa musste lächeln. „Es war überhaupt erst seine Idee.“ „Was? Wieso?“ „Er hat gemeint, dass mir eine Auszeit ganz gut tut.“, wich Tsubasa aus. „Und die nächste Zeit ist es ziemlich ruhig vom Fußball her, da braucht er mich nicht unbedingt.“ „Und wie lange kannst du bleiben?“ Tsubasa zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung – so lange ich will, glaube ich. Er hat gemeint, ich soll mir so viel Zeit nehmen wie ich brauche.“ Der Blick seiner Mutter wurde besorgt. „Warum Zeit brauchen? Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ „Nein, es ist alles bestens. Ich muss mich nur langsam entscheiden, was ich aus meinem Leben machen will.“ „Ich dachte, das weißt du. Oder hat es dir in Brasilien nicht gefallen?“ „Doch, schon. Aber....“ Tsubasa stockte. „Na ja, ich bin halt in Japan zuhause. Und hier kann ich ja genauso Fußball spielen, oder nicht?“ Seine Eltern musterten ihn nachdenklich und kurze Zeit herrschte Stille. So lange, bis Daichi protestierend mit den Händen auf den kleinen Tisch seines Hochstuhls schlug und zu strampeln begann. Offensichtlich hatte er immer noch Hunger und der letzte Löffel Reis war immerhin schon ganze 2 Minuten her. Frau Ozora lächelte entschuldigend und fuhr damit fort, ihn zu füttern. Tsubasa war für die Gelegenheit zum Themenwechsel ganz dankbar. Er blickte seinen Vater an. „Und du musst Ende der Woche schon wieder weg?“ Herr Ozora nickte. „Ja, leider.“ „Wann bist du denn angekommen?“ „Vor zwei Tagen schon. Anders ging es leider nicht....“ „Klar. Ich bin froh, dass du überhaupt da bist.“ Wieder sagte kurze Zeit niemand etwas, und dieses Mal schien das Thema seinen Eltern unangenehm zu werden. Er blickte von seinem Vater zu seiner Mutter und wieder zurück. „Was ist los?“ Herr Ozora räusperte sich. „Na ja, eigentlich wollte ich nachher mit dir darüber reden, aber eigentlich können wir es auch gleich jetzt machen.“ Er holte tief Luft. „Ich lasse mich in den Innendienst versetzen. Die nächste Reise wird auch die letzte.“ Tsubasa starrte ihn fassungslos an. „Was? Aber....warum? Du hast doch immer gesagt, dass du deinen Beruf als Kapitän nicht aufgeben willst, warum jetzt auf einmal?“ Herr Ozora sagte nichts, aber er blickte zu Daichi hinüber, der selig einen neuen Löffel voll Reis futterte, und das war Antwort genug. Tsubasa fühlte sich plötzlich eiskalt, seine Hände ballten sich unbemerkt zu Fäusten. Dann stand er abrupt auf und verließ ohne ein weiteres Wort die Küche. „Tsubasa! Tsubasa, wo willst du denn hin?“ Keine Antwort. Statt dessen fiel die Haustür ins Schloß. Tsubasa war weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)