Seewind von Carnidia (Die Rückkehr des Dämons) ================================================================================ Seewind ------- Salziger Wind des Meeres auf ihrer Zunge. Und darin ein Hauch von Chaos. Er lebte! Der Wind hatte sie nicht betrogen. Zielsicher hatte er sie zu ihm hin geführt. Und jetzt stand sie endlich wieder vor ihm. Dem Zentrum ihres Lebens und der Eigentümer ihrer Gedanken. Der zweite Teil ihres Ich. Doch es zerriss ihr das Herz ihn so zu sehen. So lange hatte sie sich darauf gefreut. Seine Nähe herbei gesehnt. Natürlich hatte sie geahnt, dass er sich nicht im besten Zustand befand, denn sonst wäre er schon längst selbst zurück zu ihr gekommen. Seine Liebe war zu stark, als dass er freiwillig ohne sie leben könnte. Ihr Leben viel zu kurz. Sie hatte sogar fürchten müssen, dass eine der Dämonenjäger- Familien ihn unter ihre Finger bekommen und für immer gebannt hatte. Oder getötet. Wenn das möglich war. Dieses Wissen mochte in ihrer Heimat vergessen worden sein, aber hier wo man so viel mehr über die Kreaturen des Chaos wusste, könnte es durchaus noch vorhanden sein. Kabuto hatte ihr nie verraten, ob ein Dämon für immer ausgelöscht werden kann oder ob es wirklich die einzige Lösung war Orochimaru und Kimimaro ‘nur’ zu bannen. Und sie hatte nicht gefragt. Schließlich vertraute sie ihm. Vielleicht wusste er es auch nicht. In einer inzwischen unbewussten Geste streichelte sie sich über den aufgeblähten Bauch. Und er vertraute ihr. Blind. Deshalb hatte sie ihn gesucht, als ihr klar wurde, dass er wohl nicht von alleine zurückkommen könnte. Trotz ihres Zustandes. Er würde es sicherlich nicht billigen. Eigentlich hatte sie sogar erwartet, dass er sie deswegen rügen würde. Aber dazu war er derzeit wohl nicht in der Lage. Sicher hatte er alles versucht. Seinen hochintelligenten Geist alle möglichen Tricks ausarbeiten lassen. Seine spitze Zunge immer wieder zustechen lassen. Und seine unbekannten Kräfte bis aufs äußerste strapaziert. ... und dann aufgegeben. Es musste eine völlig neue Situation für ihn sein. Außer Orochimaru hatte es nie jemanden gegeben, der ihn im Zaum halten konnte. Denn für Misao hielt er sich freiwillig im zurück. Und selbst die große Schlange hatte er am Ende überwunden und niedergerungen. Hatte ihn und seinen Handlanger in ein altes Gefäß verbannt. Doch nun ... völlig unerwartet ... war ihm wohl dasselbe passiert. Mitfühlender Schmerz schlich sich in Misaos Züge, als sie die Szene betrachtete. Sie konnte die Fesseln nicht sehen, die ihn an den Mast banden. Doch es war unübersehbar, dass sie wirkten. Striemen hatten sich in seine deutlich sichtbaren Hand- und Fußgelenke eingewetzt. Mit weit gespreizten Armen hing er am Holz, das sonst dazu gedacht war die Segel zu halten. Die Kleidung zerrissen und zerfetzt von dem Kampf, den er wohl geführt hatte, bevor er aufgab. Beine und Füße so eng an einander gebunden, dass kein Blatt mehr dazwischen gepasst hätte. Die so typischen, grauen Haare waren etwas länger geworden und hingen ihm wild, vom Wind zerzaust über sein Gesicht. Den Kopf hatte er in endgültig gebrochener Geste gesenkt. Etwas dass Misao bei ihm noch nie gesehen hatte und ihr schmerzhaft ins Herz schnitt. Höhnisch riss der starke Seewind an ihm, als wollte er ihn in die Freiheit locken, obwohl er doch ganz genau wusste, dass Kabuto durch andere als die sichtbaren Mächte an dieses Boot gefesselt war. Bitter lag dieser Anblick auf ihrer Zunge. Doch sie durfte nicht weinen. Es war besser, wenn der Captain dieses Schiffes noch nichts von ihren Absichten erfuhr. Jener kam in eben diesem Augenblick auf das Deck und erblickte die fremde Frau und ihr Gefolge darauf. "WAS TUN SIE AUF MEINEM SCHIFF?", donnerte seine mächtige und befehlsgewohnte Stimme über das Deck und schreckte die Matrosen auf. Misao wusste, dass er verärgert sein musste. Sie hatten sein Schiff mehr oder weniger gekapert. Der Pirat war mit seinen Mannen gnadenlos unterlegen und das war ihm natürlich bewusst. Dennoch legte die Echsenfrau ein sanftes Lächeln auf um ihn milde zu stimmen. "Verehrter Captain. Ich möchte sie bitten den Dämon frei zu lassen." Natürlich war ihr dennoch bewusst, dass diese Forderung eine Frechheit war und nichts geringeres. Der Captain hatte mit Hilfe des Dämons auf einen Schlag das schnellste und schlagkräftigste Schiff im ganzen Ozean erhalten. Seine Bande von zusammengewürfelten Piraten war auf einmal immer siegreich und trug kaum ein Risiko dabei. Nun - umzingelt von Marineeinheiten - wäre es eine Idiotie den Dämon frei zu lassen und sich damit selbst zu entwaffnen. "Ich kann ihnen ein faires Gerichtsverfahren garantieren, wenn sie sich nicht widersetzen." Ihre Augen fixierten den fremden Mann um keine seiner Reaktionen zu verpassen. So sah sie nur aus den Augenwinkeln, wie der Kopf des gebannten Wesens auf dem Hauptmast ob der bekannten Stimme zu ihr hinüber ruckte. Sie konnte fühlen wie schwarze Augen ihren Nacken fixierten. Es kribbelte unglaublich. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt dieses Gefühl erneut spüren zu dürfen. Sie wollte sich umdrehen und endlich wieder in seinen nachtschwarzen Augen versinken. Dämonenaugen. Dennoch war ihr bewusst, dass er ihr nicht zutraute, dass sie ihm helfen konnte. Verzweifelt begann er erneut an den unsichtbaren Ketten zu reißen, die nur ein leises Knistern von sich gaben und ihn erbarmungslos festhielten. Doch er würde nicht von alleine frei kommen. Nun war er der Gebannte. Sie hätte sich auch nicht auf seine Hilfe verlassen. Die junge Echsenfrau hatte einen anderen Plan. Aber sie musste sich jetzt auf den Captain konzentrieren, der nun natürlich seinen Trumpf ausspielte. "DÄMON DER WINDE DER DU DICH UNTER MEINEM BEFEHL BEFINDEST! TÖTE DIESE FRAU UND ALLE, DIE ZU IHR GEHÖREN!", tönte seine Stimme erneut und die Fesseln um Kabuto herum verschwanden. Doch die Echsenfrau machte sich keine Illusionen, er war deshalb noch lange nicht frei. Er war an den Befehl gebunden. Er musste sie töten. Mit einem qualvollen, verzweifelten Aufschrei, der Misao noch Jahre im Schlaf begleiten würde, wurde Kabuto gezwungen auf sie los zu gehen. Seine schwarzen Augen baten sie um Verzeihung. Und die junge Echsenfrau war sich sicher, er hätte sich lieber vorher umgebracht, wenn er nur gekonnt hätte. Doch sie schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln und sprach dann mehr zu dem Captain, als zu dem Dämon. "Winddämon, ..." Sie vermied es seinen wahren Namen zu nennen, es waren schon zu viele die ihn kannten. "... ich befehle dir mich zu schützen, so wie es schon lange deine Aufgabe ist." Es war ... seltsam gewesen sich die ganzen Regeln einzuprägen, denen die Beschwörung eines Dämons offensichtlich unterlag. Und es war erstaunlich, dass man davon in ihrer Heimat so gar nichts wusste. Dort hielt man es zu absurd. Die Wesen des Chaos sollten Regeln unterworfen sein? Doch das war offensichtlich die Bedingung dafür, dass sie in der Natur existieren durften. Als wollte das Chaos jedoch seine nicht vorhandene Struktur rechtfertigen, gab es Tausende davon. Hunderte Sonderregeln und Ausnahme für jede niedergeschriebene. Niemand wusste alle. Aber die Arbeit hatte sich gelohnt. Offensichtlich funktionierte es. Als wäre er gegen eine Wand geprallt, stoppte Kabuto auf einmal. Erst Unglauben, dann Verwirrung und schließlich ein erleichtertes Grinsen, fast schon siegesgewiss, breitete sich auf seinem Gesicht aus. So schnell, dass es kaum erkennbar war, hatte er sich auch schon neben Misao gestellt und es gab keinen Zweifel daran, dass er ihrem Befehl nur zu gerne nachkam. Kurz überzog erschrockene Blässe das Gesicht des Captains. Doch dann schmunzelte er. "Du erhebst also Anspruch auf meinen Dämon?", fasste er zusammen. "Dann müssen wir den Kampf austragen, wie er seit Jahrhunderten Tradition ist." Die junge Frau war schwanger und daher geistig labiler, als normale Menschen. Außerdem war sie noch jung und an ihrer Reaktion konnte er erkennen, dass sie noch nicht lang in die Regeln der Dämonenbeherrschung eingewiesen war. Sie würde kein Problem sein. Dies war ein Kampf der Geistesstärke und der Erfahrung. Kabuto wusste nicht worum es bei diesem Kampf ging und Misao bedauerte dass sie ihn nicht aufklären konnte. Doch instinktiv wusste der Dämon, dass es keinen Kampf gab, bei dem sie in diesem Zustand überlegen sein konnte. "So sei es.", stimmte sie ein und ihr Blick bat ihren Mann, dass er ihr doch Vertrauen mochte. Und dieser nickte. Legte sein und ihr Leben in ihre Hand. Weil er wusste, dass es da schon immer am Besten aufgehoben war. Misao lächelte. Der Kampf war eigentlich ganz einfach. Sie befahlen dem Dämon gegenseitig den anderen Meister zu töten. Und dieser konnte nur einen der beiden ausführen. Es gewann laut dem was sie gelernt hatte, derjenige, zu dem der Dämon länger gebunden war. Und da war auch die Unsicherheit. Was würde hier gelten? Die Zeit in der der Dämon einen echten Pakt mit diesen Meister aufgezwungen bekommen hatte? Oder die Zeit, die er ohne Pakt mit ihr verbracht hatte? Doch Misao wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Entweder es funktionierte oder sie würde Kabuto nie wieder zurück bekommen. Einer der Matrosen, der das Ritual wohl kannte stellte sich hinter Misao auf, um das Kommando zu geben. Der Rest stand gaffend um sie herum. Keiner von ihnen hatte schon einmal gesehen, was jetzt passieren würde. Normalerweise vermieden es die Beschwörer sich gegenseitig öffentlich ins Gehege zu kommen. Die Geheimnisse der Dämonenbeschwörung wurden schließlich gehütet wie ein Schatz. Sonst könnte am Ende jeder Idiot einen Dämon beschwören. Das konnte ja wohl nicht sein. Von diesem Ereignis würden sie noch ihren Kindeskindern erzählen können. Auf das Zeichen des Matrosen hin begannen die beiden zu sprechen. Es war gerade irrsinnig, wie ... einfach das alles anmutete. ""WINDDÄMON! TÖTE DEN FALSCHEN MEISTER!"" Für eine Sekunde wurde Kabutos Blick überrascht, als er von einem zum anderen blickte. Und dann schrie er wieder. Ein Geräusch, das aus dem tiefsten Ursprüngen des Chaos zu kommen schien. Manche Matrosen hielten sich die Ohren zu, als würden sie fürchten, ihr Verstand würde sonst leiden. Misao erschrak. Es war deutlich zu sehen, wie es Kabuto zwischen den beiden Befehlen hin und herzerrte, ja ihn geradezu auseinander riss. Das hatte sie nicht gewusst! Immer wieder lösten sich Fetzen in die eine oder die anderen Richtung und kehrten dann doch wieder zurück. Seine Gestalt hatte er schon lange aufgegeben und war in die unendlich vielfältigen und niemals bestehenden Formen des Chaos zurückgekehrt. Und für keinen der Anwesenden gab es auch nur einen Zweifel, dass er unsägliche Schmerzen litt. Die Befehle folterten ihn. Quälten ihn. Zwangen ihn sich für eine Seite zu entscheiden. Seine scharfen Krallen gruben sich ins eigene Fleisch, als könnten sie damit den Schmerz übertünchen. Sein gezackter Schweif schlug tiefe Kerben in das Schiffsholz, als sich sein Körper in unendlicher Qual über die Planken hin und her wälzte. Dann, plötzlich, als hätte jemand einen Faden durchgeschnitten, hörte es auf. Kabuto erhob sich, stolperte verwirrt ein paar Schritte, kehrte zurück in seine menschliche Gestalt und taumelte dann mehr als er aufrecht ging auf Misao zu. Siegessicher legte sich ein Lächeln auf die Lippen des Captains. Er hatte gewonnen. Misao nahm ihre Niederlage hin. Sie würde ihren Tod gelassen entgegen nehmen. Einzig um das Leben unter ihrem Herzen trauerte sie, dass doch so gar nichts für die Umstände konnte. Kabutos schwarze Augen trafen die ihren und nur Liebe lag darin, als er sie noch einmal ansprach. "Meine Herrin! Mein Herz ... meine Frau. Nun werde ich wieder zu dir zurückkehren." Dann wirbelte er herum und rannte auf den vor Schreck völlig versteinerten Captain zu. "Du Narr! Ich hatte mit dieser Frau bereits einen Pakt geschlossen, als sie noch nichts von meiner wahren Gestalt wusste! Sie nährt mich seit Jahrzehnten und trägt nun mein Eigen, einen Teil von mir selbst, unter ihrem Herzen! Sogar MIR ist die Regel bekannt, dass der Beschwörer den Dämon nicht zwingen darf sich selbst zu töten!" Er bediente sich dabei nicht seiner menschlichen Stimm, sondern sprach angestachelt vom Zorn und unbändiger Wut mit den manigfaltigen Zungen des Chaos auf den verhassten Mann ein. Unendlich schwarze Augen zwangen den Captain ihn an zu sehen. "Du hattest niemals eine Chance. Deine Seele ist nun MEIN!" In vielen Gesichtern der Matrosen stand Entsetzen. Vielleicht begriffen sie erst jetzt mit WAS sie da monatelang gesegelt waren, wie zerbrechlich diese angeblich so sichere Beschwörung wirklich gewesen war. Wie kurz und unsicher ihr eigenes Leben. Denn mit diesen Worten löste der nun freie Winddämon die Fesseln zwischen der Seele des vor Angst schreienden Mannes und seinem Körper, um seine Substanz in sich auf zu nehmen. Dann erst atmete Kabuto erleichtert auf. Zum ersten Mal, seit er in dieser Gegend beschworen worden war, nahm er die frische Seeluft wahr und genoss den streichelnden Wind. Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf seine Züge und nur zu gerne wandte er sich der Frau zu, die ihn schon immer besass. Es war überstanden. Nun war er wieder frei wie der Wind. Nur noch gebunden an sein Herz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)