Mal ganz sorglos von Chibichi (Fanfics rund um die Sorglospunks) ================================================================================ Kapitel 6: Märchenhafter Ausflug -------------------------------- Es war einmal eine sorglospunkige Band, die wahnsinnige Hits ihr Eigen nennen durfte, aber immer noch auf den großen Durchbruch wartete. Zwar hatten sie schon viele Konzerte gegeben und nach jedem eine Vielzahl von neuen Fans verbuchen können, aber sie hatten auch derbe Rückschläge erlebt: wie ein abgekartetes Spiel mit einem Bandwettbewerb und einer 100€-Teilnahmegebühr (und glaubt mir, diese Veranstalter würden dafür noch in der Hölle schmoren), fliegende Tomaten, Werwölfe, Angstzustände und die Erkenntnis, dass sie Ruhm und Ehre erneut nur im Traum erlangt hatten. Aber trotzdem gab die Band nicht auf, denn ein Plattenvertrag konnte ja bereits an der nächsten Ecke auf sie warten. Rein theoretisch hätte ich ihnen mit Leichtigkeit einen solchen beschaffen können, bin ich doch der Teufel höchstpersönlich und die Vorsitzende des überhaupt größten Plattenlabels Unterwelt Records GmbH & Co KG, aber auch ich muss mich an gewisse Regeln halten. Keine Seelen, kein Plattenvertrag, so einfach ist das. Obwohl ich gerne eine Ausnahme gemacht hätte, aber dann würde mein schwarzes Telefon niemals mehr still stehen und jeder nun seelenlose, dafür aber verdammt reiche und berühmte Star würde sich bei mir beschweren. Und dann wären die nervigen Schrei-Teenies sogar noch mein kleinstes Problem… Also musste sich die Band da doch alleine (zwar mit ein wenig teuflischer Unterstützung, aber wirklich nur auf Sparflamme) zum großen Durchbruch durchschlagen. Und so war es auch an diesem Tag in der Sorglospunk-WG. „Wir brauchen dringend ein neues Konzert“, lag Easy der Bandmanagerin in den Ohren. Immerhin wollte sie ihren neuen Song an einem richtigen Publikum testen. „Ich weiß…“, seufzte Nifen. „Aber es gibt zurzeit keine gute Angebote.“ Eine dicke Flaute, die sich als eine Bietkrise bei eBay herausstellte, hatte sich breit gemacht. Die letzte Auktion war einem Spaßbieter zum Opfer gefallen, der aber sofort nach Auktionsende auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Jack, das musikalische Multitalent, sah von ihrer Schlagzeug-Zeitschrift hoch und erkundigte sich: „Gibt es echt gar nichts? Nicht einmal aus dem Spam-Filter?“ Easys meist quengelig vorgetragener Wunsch, ein weiteres Konzert zu geben, sorgte dafür, dass niemand in der WG mehr seine Ruhe hatte. Und außerdem war ein gehöriges Loch in der Bandkasse zu stopfen, verursacht von einem gefaktem Bandcontest und einem vollautomatischen Dosenöffner für Katzen. Da war es besser noch einmal nachzuhaken. Die Bandmanagerin schüttelte traurig den Kopf. „Nein, auch die Spam-Mails helfen nicht weiter.“ Die Frontfrau der Band sah hoffnungsvoll zu mir herüber und bettelte: „Chiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii…“ „Nö, nö, nö, nichts Chiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii…“, sagte ich bestimmt. „Ich habe eine höllische Woche hinter mir und bin froh über ein bisschen Ruhe.“ Schließlich wusste ich genau, dass die viele Extra-Is hießen: Kannst du nicht bitte, bitte deine teuflischen Beziehungen spielen lassen und uns einen Auftritt verschaffen? Und ich hatte echt genug um die Ohren gehabt. Zig verschiedene Wahlen, den Super Bowl und Ende des Monats standen dann noch die Oscar-Verleihungen an. „Ach Mensch…“, murmelte Easy klagend. „Teufel, bitte schön“, grinste ich und nippte an meinem Pink Devil . Chris hatte nämlich einige Cocktailrezepte von Umeko bekommen und probierte diese gerade mit viel Elan und Begeisterung aus. Noch zwei Rezepte mehr und ich hatte alle Farbvarianten des Devils durch. Bevor Easy etwas erwidern konnte, rauschte ein pfeilschneller Federwusch durch das offene Fenster und stieß dabei fast mit Abranka zusammen, die erschreckt ihr Glas Great Idea fallenließ. Das gefiederte Etwas setzte zum Sturzflug über den Wohnzimmertisch an, fegte dabei die von Jack liebevoll gebastelten Cocktailschirmchen zu Boden und landete schließlich auf meinem Knie. Verdutzt erkannte ich in dem zerzausten Federwusch eine Brieftaube, die mir ungeduldig einen Brief in den Schoß schmiss und sofort wieder losflatterte. Ich konnte mir schon ausmalen, was in dem Brief stand, ehe ich überhaupt den Umschlag geöffnet hatte, und seufzte leise. „Schlechte Nachrichten?“, erkundigte sich Jack und stellte ihr Glas mit Apple Jack zur Seite. Zögerlich schüttelte ich den Kopf und faltete die dichtbeschriebenen Zettel auseinander. „Nicht direkt…“ „Was ist denn dann los?“, fragte Nifen, die bei Chris an seiner improvisierten Bar auf einen neuen Citrus Surprise wartete. „Eine na ja… Band braucht dringend meine Hilfe“, erklärte ich, nachdem ich einige Zeilen gelesen hatte. „Dann war’s das wohl mit meinem freien Tag.“ Easy zog es vor, mit leicht beleidigter Miene ihren Cocktail Easy does it zu schlürfen, als anzumerken, dass die Sorglospunks bei dieser Konzertflaute auch etwas Hilfe bräuchten. Abranka warf einen neugierigen Blick auf den kritzlig geschriebenen Brief. „Welche Band ist es denn dieses Mal? Die Killerpilze? Debbie Rockt?“ „Nein… Es sind die Bremer Stadtmusikanten“, erwiderte ich langsam. „Ach“, ließ Chris verlauten, während er gekonnt Nifens Cocktail durchschüttelte. „Gibt es jetzt auch eine Band, die sich nach einem Märchen benennt?“ Erneut schüttelte ich den Kopf. „Es ist keine neue Band, das sind die echten Bremer Stadtmusikanten.“ Jetzt konnte die sorglose Frontfrau doch nicht mehr schweigen, sondern sprang aufgeregt vom Sofa und rief: „Du meinst, die echten Stadtmusikanten? Einen Esel, eine Katze, einen Hund und einen Hahn? Die echten aus dem Märchen?“ „Jep, genau die“, bestätigte ich grinsend. „Und die sitzen gewaltig in der Patsche. Die Räuber haben eine einstweilige Verfügung erwirkt, damit sie ihr Räuberhaus im Wald zurückbekommen. Und nun müssen die Bremer Stadtmusikanten wohl einen neuen Unterschlupf finden.“ Jack sah etwas irritiert aus und fragte: „Dann sind die ganzen Märchen also wahr?“ „Wow! Bitte, nimm uns mit. Ich wollte schon immer mal echte Märchenfiguren kennenlernen“, bettelte Easy und hibbelte um den Tisch. „Na ja, okay…“, tat ich ihr den Gefallen. „Ich kümmere mich erst um die Wohnsituation der Musikanten und wenn dann noch Zeit bleibt, zeige ich euch das Märchenland.“ „Klasse!“, jubelte Easy und der Rest der Sorglospunks schien einem kleinen Ausflug ins Märchenland auch nicht abgeneigt zu sein. Wenige Minuten später saßen alle erwartungsvoll im teuflischen Wunderauto, das inzwischen den Weg zur Sorglospunk-WG ja bereits sehr gut kannte und selbstständig aus der Unterwelttiefgarage gekommen war. Schwefel sei Dank ist der Weg ins Märchenland nicht sonderlich weit, man muss nur durch Es-war-einmal fahren und bei und-wenn-sie-nicht-gestorben-sind-dann-leben-sie-noch-heut einfach links abbiegen, schon ist man da. Mit quietschenden Reifen hielten wir vor dem Räuberhaus im Wald, in dessen Vorgarten ein heftiger Streit ausgefochten wurde. Der Räuberhauptmann brüllte erbost vor sich hin und gestikulierte wild mit einem amtlichen Schreiben des Königs (keine Ahnung, welcher das beurkundet hatte, schließlich gab es im Märchenland beinahe an jeder Ecke ein Schloss, in dem ein König thronte), während der Esel laut schrie und drohend schnaubte. Die drei anderen Räuber machten Bekanntschaft mit den restlichen Stadtmusikanten, beziehungsweise mit dem Gebiss des Hundes, den Krallen der Katze und dem Schnabel des Hahns. In diesem Durcheinander mischte sofort auch Easy mit, die blitzschnell aus dem Auto gesprungen und zum Tumult gerannt war, und trat einem Räuber vor das Schienbein, weil er den pickenden Hahn mit einer Gerte abwehren wollte. „RUHE!!!“, rief ich in den Lärm. „Räuber auf die linke Seite, Musikanten auf die rechte Seite, aber mal zackzack hier!“ Wenigstens im Märchenland wurde die Autorität des Teufels noch richtig anerkannt und die Streithähne trennten sich, um auf ihre Seite des Vorgartens zu gehen. Easy reihte sich auf der rechten Seite mit ein, schließlich gehörte sie ja auch zu den Musikern. Jack, mit Kiwi auf dem Arm, und Chris stellten sich dann auch aus reiner Sympathie neben ihre Künstlerkollegen. „Also, ich werde mir jetzt dieses Dokument mal genauer anschauen und ihr gebt Ruhe, verstanden?“, bestimmte ich und riss dem Hauptmann die einstweilige Verfügung aus der Hand. Sorgfältig studierte ich das königliche Schriftstück, während Nifen und Abranka über meine Schultern mitlasen, schließlich hatten sie ja auch ihre Erfahrungen mit kleingedruckten Zusatzpassagen von Texten gemacht. Der König (scheinbar der Nachbar vom König Drosselbart) hatte unmissverständlich festgelegt, dass das Räuberhaus den Räubern zugesprochen werden sollte und die Bremer Stadtmusikanten ausziehen mussten, sollten sie nicht drei Aufgaben lösen können. „Okay, im Moment gehört euch das Haus“, wandte ich mich an den Räuberhauptmann, der sofort mit seiner donnernden, tiefen Stimme jubilierte. „Aber wenn die Stadtmuskanten drei Aufgaben erfüllen, müsst ihr wohl eine WG gründen. Und mich soll der Teufel holen, wenn sie das nicht schaffen.“ Diese Redewendung benutze ich gerne, wenn ich mir einer Sache sehr sicher bin, sonst müsste ich mich ja selber holen. Breit grinsend blickte ich zu den vier musikalischen Tieren hin. „Los, wir haben eine Mission zu erfüllen.“ „Wir kommen mit!“, verkündete Easy. „Schließlich müssen Musiker zusammen halten.“ „Moment, was für Aufgaben sind das denn?“, hakte Jack nach. Ihr schwante schon Schlimmes, wie riesige Haufen Stroh zu Gold zu spinnen. Chris blickte neugierig auf die Verfügung. „Müssen wir etwa gegen Drachen oder so kämpfen?“ „Nein, nein, alles Pillepalle“, antwortete ich. Abranka nickte: „Zuerst sollen wir jemanden von dem Zauber einer bösen Fee befreien und die anderen Aufgaben lassen sich auch leicht lösen.“ „Na dann aufi!“, rief Easy und setzte sich in Bewegung, so dass einen Augenblick später drei Sorglospunks, eine Bandmanagerin, eine Muse, der Teufel, ein Bandmaskottchen und vier Stadtmusikanten quer durch das Märchenland zottelten. „Wen sollen wir denn erlösen? Schneewittchen? Dornröschen? Die Schwanenprinzessin?“, löcherte Chris uns während der Reise. Scheinbar wäre er sehr froh darüber, eine Prinzessin in Nöten zu retten. Umeko hätte es bestimmt nicht gefallen, dass er nur jene Prinzessinnen aufzählte, die durch einen Kuss entzaubert wurden. „Weder noch“, bemerkte Nifen knapp. Wir behielten lieber für uns, dass wir den Froschkönig befreien oder zumindest der verzogenen Prinzessin dabei auf die Sprünge helfen sollten. Schließlich waren weder Frösche noch verzogene Prinzessinnen jedermanns Geschmack. Irgendwann erreichten wir das Schloss, auf dessen Wappen eine goldene Kugel prangte. Der Touristikverband des Märchenlandes hatte vor einiger Zeit darauf bestanden, dass die Wappen ortsunkundigen Besuchern sofort offenbaren sollten, in welches Märchen sie da gerade reinplatzten. Also war im Aschenputtel-Gebiet ein Schuhwappen, bei Schneewittchen ein Apfelemblem, bei Rumpelstilzchen eine goldene Spindel und so weiter. Allerdings konnten nun auch die Sorglospunks sofort sagen, wo wir uns befanden. „Sagt nicht, dass wir dem Froschkönig helfen sollen“, beschwerte sich Chris, der sich von seinen Prinzessinnenträumen gerade verabschiedete. „Ich werde ganz bestimmt keinen Frosch küssen“, erklärte Jack bestimmt. Easy verzog das Gesicht. „Und ich auch nicht.“ „Ihr müsst ihn ja nicht küssen“, beschwichtigte die Muse. „Bringt doch die Prinzessin dazu.“ „Wir müssen uns schließlich ans Drehbuch halten. Es heißt ja nicht: Der Froschkönig heiratete seine Jack oder seine Easy…“, mischte ich mich ein. Das musikalische Multitalent wirkte schon etwas gelassener und murmelte: „Okay, damit kann ich leben. Wo steckt denn die Prinzessin?“ Nifen zeigte zum Schloss. „Sie ist bestimmt da drin. Wo sollte eine Prinzessin denn sonst sein.“ „Überlasst das mir“, sagte Easy zu den Stadtmusikanten. „Ich bring die Prinzessin schon dazu, den Frosch zu küssen, dann müsst ihr eine Aufgabe weniger erledigen.“ Und schon stürmte sie in das Schloss, dicht gefolgt von Jack und Abranka, die Easys Einfälle in die richtige Bahnen lenken wollten. Wir anderen schauten uns kurz fragend an und liefen zur Sicherheit lieber auch hinterher. Bei Easy konnte man ja nie wissen. Die stürmische Frontfrau hatte auch die Prinzessin mitsamt Frosch im Schlafzimmer aufgestöbert, wo der verzauberte Prinz zum Austausch für die goldene Kugel ja übernachten durfte. Und gerade hielt sie den Frosch der Prinzessin unter die Nase und redete munter auf sie ein: „Los, küss ihn! Mach schon, nur ein kleiner Kuss, dann verwandelt er sich in einen schönen Prinzen. Drück ihm schon einen Schmatzer auf und ich lass dich wieder in Ruhe!“ Jack, froh darüber, dass sie so ein glitschiges Tier nicht küssen musste, feuerte sie noch weiter an. „Küss ihn! Küss ihn! Küss ihn doch!“ Die verzogene Prinzessin war kurz vor einem Nervenzusammenbruch und kreischte, während der Frosch ihr ins Gesicht gehalten wurde. „Iiiiiiiih! Igitt! Tu ihn weg! Lass mich in Ruhe! Iiiih! Bääääh!“ In ihrer Verzweiflung boxte sie wild um sich und schlug Easy dabei den Frosch aus der Hand, der mit einem lauten Flatsch gegen die Wand klatschte und zum Fussboden glitt. Allerdings lag eine Sekunde später kein ekliger Frosch auf dem weißen Teppich, sondern ein schöner, stattlicher Prinz, der seine Beule am Kopf vorsichtig betastete. Easy sprang vor Freude in die Luft und jubelte: „Geschafft!!“ „Na ja, die Aufgabe können wir wohl abhaken“, bemerkte Nifen leise, während ich den ersten Punkt der Liste durchstrich. Geplant war zwar ein Kuss, aber wenn es auch so ging. Na ja… Wir machten uns also weiter auf den Weg zur zweiten Aufgabe, die uns in eine andere Ecke des Märchenlandes führte. „Und was sollen wir nun machen?“, fragte Easy voller Tatendrang. Die Bandmanagerin schaute kurz zu meiner Liste und grinste: „Erbsenzählerei!“ „Hä?! Erbsenzählerei?“, echote Jack verwirrt. „Wir helfen Aschenputtel. Die Tauben sind krank und wir springen für sie ein. Also sortieren wir die Erbsen aus der Asche, sonst kommt das arme Ding nicht zum Ball“, erklärte ich. Der Prince of Punk war nicht so begeistert und meinte: „Das klingt aber nach einer langweiligen Aufgabe.“ Die Erweckung von Dornröschen wäre ihm da doch um einiges lieber gewesen. Als wir am Anwesen von Aschenputtels Vater ankamen, sahen wir gerade noch, wie die Kutsche mit der bösen Stiefmutter und den Stiefschwester zum Ball abfuhr. In der Küche fanden wir dann das verweinte und mit Ruß verschmierte Mädchen, das auf allen Vieren in der Asche hockte und Erbsen einsammelte. „Keine Panik, Aschenputtel, wir helfen dir und du machst dich für den Ball fertig“, tröstete Chris sie, der jetzt wenigstens ein kleines bisschen den Helden spielen konnte. Das Mädchen schaute unsere merkwürdige Truppe erstaunt an und schniefte: „Danke, ihr seid meine Rettung. Ich wäre sonst niemals bis zum Ball fertig geworden.“ Während sie sich den Schmutz abwusch und zum Zauberbäumchen eilte, das ihr ein traumhaftes Ballkleid schenkte, verteilten wir uns in der Küche und sammelten die Erbsen auf. Es war eine sehr ermüdende Arbeit, denn die böse Stiefmutter hatte es dieses Mal mit den Erbsen und der Asche sehr übertrieben. Drei Stunden später waren alle Erbsen in einem großen Korb, die Küche war aschefrei, aber wir waren umso schmutziger. Sogar jede einzelne Feder des Hahnes war mit Asche überzogen. Wenigstens hatte Aschenputtel einen schönen Abend gehabt. Und wir mussten uns nur noch um die letzte Aufgabe kümmern. „Was kommt den jetzt? Abendessen kochen für die sieben Zwerge? Frau Holle beim Betten machen helfen?“, erkundigte sich Jack unwirsch und wischte sich den Schmutz von den Händen. „Nein, viel einfacher“, bemerkte ich. „Wir brauchen nur drei goldene Haare zu besorgen.“ Chris sah deprimiert und pessimistisch zu mir herüber. „Von wem denn? Von einem bandfressenden Monster vielleicht?“ Die lange Putzaktion hatte gewaltig auf die Stimmung geschlagen. „Nein, viel, viel, viel einfacher“, grinste Abranka. Nifen nickte fröhlich: „Von jemandem, den wir kennen, und der uns die Haare einfach so überlassen wird.“ „Von wem denn?“, fragte Easy neugierig. Ich grinste breit und tippte mir an die Nasenspitze. „Von mir natürlich.“ „Wie?“ Das musikalische Multitalent blickte mich fragend an. „Von dir? Seit wann hast du denn goldene Haare? Die sind doch rot.“ „Na ja“, erklärte ich. „Vor langer Zeit waren goldene Strähnen total modern, also hatte ich auch welche. Aber nachdem dieser Glücksknabe drei meiner Haare bekommen hatte, wurde es gang und gäbe, dass ständig irgendwelche Leute die Aufgabe bekamen, drei Haare von mir zu holen. Also habe ich die Strähnen abgeschnitten und gut versteckt. Ich lass mir doch nicht ständig meine Haare ausreißen.“ Nach einiger Zeit kamen wir an das kleine Häuschen, wo ich in einer Schatulle unter dem Bett meine goldenen Haare aufbewahrte. Vor dem Häuschen saß eine ältere Frau in einem gemütlichen Gartenstuhl und sprang sofort auf, als wir näher kamen. „Mäuschen!“, rief sie und eilte uns entgegen, um mich überschwänglich zu umarmen und mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Irritiert blieben die Sorglospunks samt Crew und Stadtmusikanten stehen und starrten auf diese Szene. Na ja, es kommt ja auch nicht alle Tage vor, dass der Teufel höchstpersönlich Mäuschen genannt, umarmt und geküsst wird. Aber so sind Großmütter nun einmal. „Hallo Oma“, lächelte ich, als ich wieder Luft nach der erdrückenden Umarmung bekommen hatte. „Oma?!?“, wiederholten alle wie aus einem Munde. Oma lachte: „Natürlich Oma. Selbst der Teufel hat doch eine Großmutter. Und eigentlich bin ich sehr bekannt, schließlich komme ich in einigen Märchen vor.“ Das stimmte. Allerdings sind die Märchen sehr ungenau. Die Gebrüder Grimm hatten sich mehrere kreative Freiheiten genommen und mich als männlich und menschenfressend dargestellt, während Oma eine liebe Frau war, die mir in meinen Seeleneinkäufen dazwischenfunkte. Okay, das hat sie auch… Zumindest am Anfang, aber nach so langer Zeit hatte sie sich an meinen Job gewöhnt und mischte sich nur noch selten ein. „Wow, Sie sind wirklich die Oma von Chiiiii?“, fragte Easy nach und schüttelte Oma die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Easy.“ „Aber das weiß ich doch, schließlich…“, begann Oma, doch ich raunte ihr schnell ein „Pst!“ zu. Also beendete sie den Satz anders: „…schließlich hat Mäuschen mir schon von euch erzählt.“ Puh, gerettet. Beinahe hätte sie vom Weltendekonzert erzählt, denn Oma hatte dieses Ereignis ja in der ersten Reihe live miterlebt und später ausgiebig mit der Band geredet. Auf Omas Drängen hin betraten wir alle das Häuschen und nahmen in der Küche Platz, wo sie uns mit frischen Plätzchen und Kuchen solange drangsalierte, bis alle pappsatt waren. Mit vollem Bauch angelte ich die Schatulle unter dem Bett in meinem Zimmer hervor. Schließlich besuchte ich Oma so oft es ging und blieb dann gleich länger bei ihr. Grinsend holte ich drei goldene Haare daraus hervor und verkündete den Bremer Stadtmusikanten: „Von nun an habt ihr auch ein Anrecht auf das Räuberhaus. Alle drei Aufgaben sind erledigt.“ Also machten wir uns wieder auf den Rückweg, während Oma am Gartentürchen stand und uns nachrief: „Auf Wiedersehen. Bis bald einmal! Pass auf dich auf, Mäuschen!“ Die Räuber nahmen die Nachricht, dass sie nun eine WG mit den Stadtmusikanten gründen mussten, recht gefasst auf. Irgendwie würde man sich schon arrangieren. Die neue Wohngemeinschaft wurde gebührend mit einem Lagerfeuer gefeiert. Die Bremer Stadtmusikanten trugen auch ihren Hit „Wau, Miau“ vor. Und natürlich sah Easy das als Chance an, ein kleines Sorglospunk-Konzert zu geben. So wurden kurzerhand die Instrumente von den Stadtmusikanten ausgeliehen und Easy schmetterte den Song „Allein zu Haus“, den sie ja schon länger unbedingt einmal vor einem Publikum singen wollte. Als die letzten Töne des Songs verklungen waren, verkündigte Easy: „Und nun ein neues Lied, extra für euch!“ Und Abranka durfte daraufhin nur noch so mit Ideenblitzen und Inspirationskonfetti um sich werfen, damit die Band mit Easys Gesang auch mitkam. „Es war einmal, es war einmal so fangen alle Märchen an Es war einmal, es war einmal Was war denn mal? Was kommt dann? Frau Holle, die guckt zu ihrem Fenster raus Rotkäppchen geht mit dem bösen Wolf nun aus Spieglein, Spieglein an der Wand wer ist die beste Band im ganzen Land? Die Sorglospunks! Die Sorglospunks! Wir sind drei Musikanten und komm'n aus Schwabenland Wir sind drei Musikanten und besuchen heut das Märchenland Wir sind die wohlbekannten Sorglospunks bei den Bremer Stadtmusikanten Dornröschen schläft seit ner Ewigkeit der gestiefelte Kater quatscht die ganze Zeit lockt die Hexe ins Pfefferkuchenhaus Rapunzel kommt nicht aus dem Turm heraus Spieglein, Spieglein an der Wand wer ist die beste Band im ganzen Land? Die Sorglospunks! Die Sorglospunks! Wir sind drei Musikanten und komm'n aus Schwabenland Wir sind drei Musikanten und besuchen heut das Märchenland Wir sind die wohlbekannten Sorglospunks bei den Bremer Stadtmusikanten Der Froschkönig plantscht im See herum Aschenputtel ackert sich ganz krumm Rumpelstilzchen sitzt auf dem Dach Wer küsst nur Schneewittchen wach? Spieglein, Spieglein an der Wand wer ist die beste Band im ganzen Land? Die Sorglospunks! Die Sorglospunks!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)