Die Feder vom Weißen Phönix von Irrwisch (Die letzte Hoffnung ist ein Abenteuer, das ihm alles nimmt, bei dem er über sich selbst herauswachsen muss, um das zurückzubekommen, was er liebt) ================================================================================ Kapitel 12: Umsonst, alles war umsonst -------------------------------------- Umsonst, alles war umsonst Ich öffnete die Augen. Mir war kalt. Eiskalt. Ich hätte erfrieren können, aber das interessierte mich nicht. Ich war nicht erfroren und mehr war nicht wichtig. Heute musste ich losgehen. Eins war klar, das würde kein Zuckerschlecken werden. Letztes Mal hatte ich nur knapp überlebt, und das wiederum auch nur, weil ich danach ein Feuer gemacht hatte, das einen Wald locker hätte verbrennen können. Jetzt musste ich etwas suchen. Davon hing alles ab. Und ein Jahr mag viel erscheinen, aber so lang ist es nicht. Ich stand auf. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen. Schon lange konnte ich den Anfang nicht mehr sehen. Es war, als wäre er unsichtbar geworden. Nur meine Fußspuren waren noch da. Mein Pfad im Schnee… mein Weg durch die Hölle. Vielleicht meinte der Weiße Phönix mit Hölle diesen Ort. Oder er meinte die richtige Hölle, ich wusste es nicht. Ich konnte meine Füße nicht mehr spüren. Sie waren taub vor Kälte geworden. Vielleicht sogar eingefroren. Ich sah hoch in den Himmel und grummelte leise. Bald würde der Schneesturm losbrechen. Das war nicht gut, vor allem nicht ungeschützt. Aber hier gab es weit und breit keinen Platz, wo ich mich hätte verstecken können. Mir blieb nichts anderes übrig, als mir im Schnee eine Vertiefung zu graben. Aber ich würde jämmerlich erfrieren. Nein, das durfte nicht sein! Wenn ich erfror, dann wäre alles aus. Dann hätte ich mich selbst enttäuscht. Mich selbst verraten. Das durfte nicht geschehen, um keinen Preis der Welt! Es zog und zerrte an mir, alles war weiß. Ich konnte nur mit Müh und Not atmen, die Schneeflocken verklebten mir den Mund und die Nase. Auch sehen ging nicht richtig, aber das spielte keine Rolle, da es außer Weiß nichts zu sehen gab. Ich stolperte über einen Stein, der versteckt im Schnee lag. Den Schmerz, den das hätte verursachen, spürte ich nicht. Ich sah mir meine Füße an. Sie waren blau angelaufen. Das war gar nicht gut. Wann hörte bloß dieser verdammte Schneesturm auf? Ich kämpfte mich tapfer weiter, auch wenn ich schon vollkommen am Ende war. Wenn ich diesen Schneesturm in Ruhe irgendwo abwartete, dann verlor ich wertvolle Zeit. Zeit, die ich nicht hatte. In einem Schneesturm gab es weder Morgen noch Abend, geschweige denn Nacht. Den Tag über war es einfach überall weiß. Ich hoffte, dass der Sturm nicht zu lange dauerte. Dann erschrak ich. Was, wenn ich schon längst am Schwert der Stille vorbei war? Was, wenn es schon lange hinter mir lag? Nein, das DURFTE einfach nicht stimmen! Genau, bestimmt wollte mir mein was weiß ich das nur einreden! Es lag noch vor mir, ganz bestimmt. Weil wenn es das nicht tat, dann würde ich das nicht überleben. Dann WOLLTE ich das nicht überleben. Dann endlich, flaute der Schneesturm ab. Erst bemerkte ich es gar nicht, aber dann, Gott sei Dank, hörte er endlich auf. Ich war bis zu der Hüfte im Schnee eingesunken, aber was soll’s? Jetzt konnte ich endlich wieder sehen, wo ich hintrat! Jetzt würde ich das Schwert der Stille ganz bestimmt nicht mehr verpassen! Die Stimme, die flüsterte, dass es schon längst hinter mir lag, ignorierte ich einfach. Dennoch verschwendete ich einige Zeit damit, meine Füße zu massieren, damit wieder Blut durch sie floss. Und das zeigte dann auch Wirkung. Wenn ich meine Zehen bewegte, spürte ich ein Kribbeln. Ich sprang auf die Beine und schlurfte los. Mehr als Schlurfen war bei den Schneemengen auch nicht drin. Also schlurfte ich durch den Schnee, als ich aus den Augenwinkeln ein Glitzern vernahm. Als ich den Kopf dahin wandte, verstärkte sich das Glitzern. Normalerweise interessierte ich mich nicht für funkelnde Sachen, aber irgendwas schien die Elster in mir erweckt zu haben. Richtungswechsel. Schnee war trügerisch, richtig trügerisch. Ich hatte das Glitzern höchstens auf 200 Meter Entfernung eingeschätzt, aber das war mindestens ein Kilometer. Bei den Schneemassen, durch die ich mich kämpfen musste, war das wahrlich kein Zuckerschlecken. Als ich das Ziel dann doch noch erreicht hatte, war ich vollkommen ausgepumpt. Zum Glück war das hier keine Wüste. Das Glitzern war ein Edelstein gewesen, ein Rubin. Und er steckte im Griff eines… Schwertes! War das das gesuchte Schwert der Stille? Ich wollte grade die Hand nach ihm ausstrecken, als ein Brüllen ertönte. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich aus dem Schnee heraus, solange ich in ihm war, konnte ich nicht Kämpfen. Nur war da kein Gegner. Aber ich hatte mir das Brüllen doch nicht eingebildet! Oder? Ich drehte mich um die eigene Achse. Aber da war nichts, nur Schnee. Unmengen von Schnee. Dann hatte ich mich doch getäuscht. Ich zuckte mit den Achseln. Kann jedem Mal passieren. Ich wandte mich wieder dem Schwert zu. Aber grade, als ich es wieder berühren wollte, erklang wieder dieses markerschütternde Brüllen. Und für einen Augenblick glaubte ich, heißen Atem in meinen Nacken zu spüren. Ich fuhr herum. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Aber da war nichts! Was war nur mit mir los? Konnte man sich ein Brüllen einbilden, von dem einem immer noch die Ohren klingelten? Nein! Aber wo kam es dann her? Meine Augen huschten über das gigantische Schneefeld. Weit und breit nichts Gefährliches. Vielleicht war ich zulange allein gewesen, und meine Fantasie spielte mir Streiche. Ja, so musste es sein. Nun schon zum dritten Mal wandte ich mich dem Schwert um. Und wieder das gleiche Geschehen. Nur war es diesmal keine scheinbare Sinnestäuschung. Das Brüllen war echt! Geistesabwesend fuhr ich herum und riss dabei das Schwert aus dem Felsblock. Nun vor mir war ein Teufel. Ein hübsch hässlicher. Giftgrün, eine Mähne und zwei Hörner auf dem Kopf. Nur halt groß, sehr, sehr groß. Er riss das Maul auf und sein heißer Speichel tropfte mir aufs Gesicht. Hatte der einen Mundgeruch! Ich musste mich zurückhalten, um nicht zu kotzen. Sein rechter Arm schnellte nach mir und ich war nicht schnell genug, um auszuweichen. Das lag vielleicht daran, dass morgen Neumond war. Er schlitzte mir die rechte Seite auf und ich betete, dass die Wunde nicht sonderlich tief war. Als ich auf dem Boden gelandet war, riss er sein gewaltiges Maul auf, um mich zu verschlingen. Ich dachte nicht nach, ich stieß das Schwert in meiner Hand einfach durch sein Herz. Der Teufel starb dadurch zwar, aber die Klinge sprang entzwei. Aber das registrierte ich in diesem Moment nicht. Blut, heißes Blut spritze mir ins Gesicht. Dann fiel der Teufel auf mich und ich verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Als ich wieder aufwachte, spürte ich Blut auf meiner Zunge. Ich befreite mich von dem Koloss und bemerkte erst jetzt, dass die Schwertklinge zerbrochen war. Es war ein sauberer Bruch, ohne Splitter, zumindest sah ich keine. Ich biss mir auf die Lippe. Wie konnte ich mich jetzt nur mit technischen Details befassen? Das Schwert der Stille war entzwei gesprungen! Und der alte Waffenschmied, Totosai, war ebenfalls tot. Und nun? Umsonst, es war alles umsonst gewesen. All mein Schmerz, all mein Leid, all die Entbehrung… alles war umsonst gewesen. Es war vorbei. Ich würde meine Freunde niemals wieder sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)