Nemesis von Chi_desu (ItaSasu) ================================================================================ VI. This time somebody's getting hurt ------------------------------------- Wortkarg wie immer ist Itachi vor einer Weile gegangen. Ich habe keine Ahnung, was er macht, wenn er fort ist. Wie kann man sich an einem Ort wie diesem beschäftigen? Geht er in das Zivilistendorf? Ich bin schon neugierig, aber wenn ich frage, werde ich bloß eine kryptische Antwort bekommen. Eben als ich im Bad war, habe ich festgestellt, dass es hier tatsächlich heißes Wasser gibt. Für mich ist das nach der letzten Zeit ein wahrer Segen und deshalb bin ich jetzt dabei, sämtliche Verbände, Pflaster und anderes von meinem Körper zu entfernen. Im Schneidersitz sitze ich auf dem Bett und bin aus den Ärmeln des Kimono geschlüpft, um den Verband um meine Rechte lösen zu können. Es wurde sich ziemlich gut um mich gekümmert, wie ich feststellen muss, irgendwer hat jede kleinste Verletzung verarztet. Vielleicht fühlte ich mich deshalb so gut, als ich aufgewacht bin. Fragt sich nur, wer das gewesen ist. Vielleicht jemand in dem Dorf, das würde auch erklären, warum meine rechte Hand zwar dick verbunden ist, aber die Finger immer noch in merkwürdigem Winkel abstehen. Ein Medic-Nin hätte den schiefen Bruch gerade richten können. Aber das macht nichts. Ich bin schmerzfrei, damit kann ich gut leben. Der weiße Verband fällt mir in den Schoß. Jetzt fehlt nur noch der um meinen Kopf. Mit den Fingern taste ich ihn ab und suche nach der Stelle, wo er zusammengehalten wird, da öffnet sich die Tür. Itachi ist zurück und sieht mich an. Irgendwo wird mir bewusst, dass ich fast nackt auf dem Bett sitze, der Kimono hängt mir fast bloß noch zur Zierde auf den Hüften. Es ist mir egal. Ich erinnere mich gut daran, was ich durchmachen musste, immer wenn ich mich bei Orochimaru umgezogen habe. Der Typ hatte einen Riecher dafür, wann ich gerade nackt war. Aber ich stelle fest, dass es mir in Itachis Gegenwart völlig gleichgültig ist. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Endlich finde ich den Knoten des Verbands und löse ihn vorsichtig. "Was tust du da?", fragt Itachi. Der weiße Stoff löst sich jetzt von selbst und fällt mir auf die Schultern. "Ich kann schlecht so duschen", antworte ich. Er nähert sich dem Bett und sein Blick ist mir ein komplettes Rätsel. Ich sehe, wie er die Hand ausstreckt und erstarre schier zu Eis, als seine Fingerkuppen kurz über meinen Brustkorb streichen, etwa von der untersten Rippe bis rauf zum Schlüsselbein. Und da greift er nach dem Ende des Verbands, der mir auf die Schultern gefallen ist. Ich will ihn fragen, was das denn soll, da zieht er daran. Der Stoff zieht sich lose um meinen Hals zu und automatisch neige ich meinen Oberkörper in Itachis Richtung. Ich sehe fragend zu ihm hoch und dann kommt er immer näher. Itachi küsst mich. Schon wieder. Aber dieses Mal ist es anders. Ich bin kein Gefangener mehr. Und ich bin nicht mehr wehrlos. Ich bin bei vollem Bewusstsein und könnte mich wehren, wenn ich es wollte. Will ich aber nicht. Stattdessen recke ich das Kinn in die Höhe und dieses Mal bin ich derjenige, der die Grenze überschreitet. Als er von mir ablässt, recke ich mich ein Stückchen vor und küsste ihn erneut. Ich seufze in den Kuss hinein und öffne bereitwillig die Lippen, als seine Zunge sich vortastet. Das hier ist so entsetzlich schlecht und verboten. Das ist nicht mein Bruder, rede ich mir ein, auch nicht der Mörder meiner Eltern, sondern der faszinierende Mann, neben dem ich heute früh aufgewacht bin. Mit der einen Hand hält er immer noch den Stoffverband fest, die andere krallt sich jetzt in meine Haare. Es ist ein grenzwertiges Gefühl, er hat sich so fest in meine Haare gekrallt, dass es wehtut und die Schlinge um meinen Hals wird immer enger. Es tut weh, irgendwo in meinem Bauch, ganz tief drin. Dieser bittersüße Schmerz, was ist das? Es ist neu für mich. Irgendwie passiv sitze ich da, meine Finger haben sich in das Bettlaken gekrallt, und ich lasse ihn, wieder einmal, gewähren. Zu diesem unbekannten Gefühl gesellt sich ein angenehmes Kribbeln hinzu, das über meine Haut kriecht wie winzige Stromstöße und sich schließlich an meiner intimsten Stelle niederlässt und sich zu einem heftigen Pochen wandelt. Und dann, ganz plötzlich, lässt er mich los. Der Verband gleitet durch seine Finger und er macht einen Schritt nach hinten. Sein Blick ruht immer noch auf mir und er sagt atemlos: "Zieh dir was an." Dann dreht er mir den Rücken zu und geht rüber zum Kamin. Verwirrt sitze ich da und ziehe den Stoffstreifen weg. Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken oder glauben oder fühlen soll. Es war bloß ein Kuss und was hat er mit mir angestellt? Wortlos, atemlos stehe ich auf und verziehe mich ins Bad. Kopflos schließe ich die Tür, mache das Wasser an und stelle mich drunter. Im ersten Moment ist es eiskalt, aber das ist mir egal. Ich halte meinen Kopf unter den Wasserstrahl und starre an die gekachelte Wand. Ich stehe völlig neben mir. Ich hasse mich für das, was ich grade getan habe. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr. Ich war wach. Es war meine freie Entscheidung. Wie soll ich je wieder in den Spiegel sehen? Mir ist schlecht. Ich spüre immer noch, wie es war, von ihm geküsst zu werden. Ich kann ihn fast noch schmecken. Das Wasser wird jetzt warm. Ich starre immer noch an die Wand und weiß nicht, wie mir geschieht. Meine linke Hand entwickelt fast ein Eigenleben. Ich fasse mich an und mein Atem geht stoßweise. Was ist mit mir los, dass ein Kuss so einen Sturm der Gefühle in mir weckt? Wie kann ich erregt und von mir selbst angeekelt zugleich sein? In meinem Kopf wiederholen sich die letzten Minuten immer und immer wieder. Sein Kuss, seine Zunge, seine Hand in meinem Haar, der Stoff um meinen Hals, ich fast nackt, sein Blick,… Es dauert nicht sehr lange, bis ich mir selbst einen unruhigen, unbefriedigenden Orgasmus verschafft habe. Meine Knie werden weich und ich lasse mich auf den Boden sinken. Das Wasser prasselt immer noch warm auf mich herab. Ich lehne mich mit dem Kopf an die Wand. Ich halte es nicht mehr aus. Dieser Zustand, die Ungewissheit, meine eigene Unsicherheit und diese verwirrenden Gefühle, ich kann das alles einfach nicht mehr ertragen. Itachi küsst mich, um mir wehzutun und das hat er auch geschafft. Ich habe irrsinnige Schuldgefühle, ich schäme mich und ich frage mich, wie es soweit kommen konnte. Wieso tue ich mir das an? Es tut einfach nur noch weh. Es geht mir nicht gut. Seit Stunden stehe ich am Fenster, sehe dem Schnee beim Fallen zu und grüble. Itachi kommt und geht ohne Erklärung, wenn er da ist, schweigt er mich ohnehin an, also macht es keinen großen Unterschied. Jetzt gerade ist er im Bad und duscht, wärmt sich auf von zwei Stunden, die er draußen in der Kälte verbracht hat. Vielleicht hat er ja trainiert, wer weiß. Schuldgefühle quälen mich und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie konnte das passieren? Es ist gar nicht so lange her, da habe ich mich sogar geweigert, mit Itachi zu sprechen. Und nun? Er küsst mich und mir fällt nichts Besseres ein, als darauf einzugehen. Es gefällt mir. Was bin ich für ein schlechter Mensch. Dass Itachi mich durchschauen kann, weiß ich inzwischen. Er weiß bestimmt, was sein Kuss mit mir macht. Und deswegen tut er es. Bereitet es ihm so viel Freude, wenn es mir schlecht geht? Warum? Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht doch gehen sollte. Ich bin frei, hat er gesagt. Vielleicht war es eine Lüge, aber noch bin ich freiwillig hier. Wenn er mich festhielte, wüsste ich wenigstens, dass ich ein Gefangener bin und an meiner Situation nichts ändern kann. So aber ist es, als würde ich akzeptieren, was er mit mir macht. Wenn ich den letzten Rest an Selbstachtung, den ich noch habe, behalten will, dann muss ich gehen. Auch wenn es sich unfertig anfühlt, auch wenn ich mich nach Itachis Nähe sehne, auch wenn ein Teil von mir bleiben und herausfinden will, was er vorhat, so kann es nicht weitergehen. Ich will bei ihm sein und doch ersticke ich fast an den Schuldgefühlen. Momentan fühlt sich alles einfach nur noch hoffnungslos an. Es geht nicht anders. Die Badezimmertür geht auf und Itachi kehrt zurück in den Raum. Er setzt sich an den Tisch und von seinen nassen Haaren tropft das Wasser auf die Tischplatte. Fasziniert sehe ich ihn an, beobachte wie hypnotisiert, wie ein Wassertropfen nach dem anderen auf dem Tisch landet. Seine Augen sind schwarz. Wie früher. Mit diesen Augen wirkt er nicht wie das Monster, das mir alles weggenommen hat. Ich würde alles geben, um noch einmal in diese Zeit zurückkehren zu können, als ich noch ein Kind war und bei ihm sein konnte. Ich wünschte, ich könnte es immer noch. Mich einfach neben ihn setzen, ihn fragen, woran er denkt und ihm sagen, dass seine Haare immer noch tropfen. Das geht nicht mehr. Wie ich ihn ansehe, verspüre ich eine tiefe, unauslöschliche Sehnsucht nach ihm. Wenn ich ihn wirklich mal gehasst habe, dann ist das bloß noch eine blasse Erinnerung. Nein, inzwischen denke ich… dass ich ihn… immer noch… Nein. Ich darf so nicht denken, nicht einmal mir selbst gegenüber darf ich es eingestehen, denn wenn ich das tue, bin ich verloren. "Itachi", sage ich und er sieht auf. Seine Augen sind so leer. Sein Blick ist erstarrt, kalt und tot. "Ich möchte nach Konoha zurück." Da ist nicht einmal ein Hauch einer Reaktion in seinem Gesicht. Sein Blick ist gleichgültig wie immer. Er schweigt kurz und antwortet dann: "Wir brechen auf, sobald es aufgehört hat, zu schneien." Ist es wirklich so einfach? Ich brauche nur den Wunsch zu äußern und er bringt mich nach Hause? Irgendwie bin ich erleichtert, dass ich es geschafft habe, diese Entscheidung zu treffen. Es ist das Richtige. Das hier quält mich nur. Wieso müssen sich die richtigen Entscheidungen nur immer so verdammt schlecht anfühlen? Es ist mitten in der Nacht und ich stehe wieder einmal am Fenster. Ich habe schlecht geschlafen. Den ganzen Tag lang habe ich bloß rumgesessen oder aus dem Fenster gestarrt, kein Wunder, dass ich nicht müde bin. Ich lag lange hellwach im Bett, lauschte seinem Atem, und wurde von Erinnerungen heimgesucht. Draußen kann ich nicht viel erkennen, aber ich denke, heute Nacht wird es aufhören, zu schneien. Der Schneefall hat merklich abgenommen, die Temperatur sinkt kontinuierlich. Morgen früh können wir los. Ab morgen ist die Zeit mit Itachi vorbei. Freuen kann ich mich nicht darüber. Ich weiß noch immer nichts über ihn. Ich habe keine Ahnung, warum er es überhaupt so weit hat kommen lassen. Warum hat er mich nicht sterben lassen? Warum ist er mir gefolgt, als ich ihm entwischt bin? Und warum hat er mich hierher gebracht, an so einen einsamen Ort? Es liegt wohl an der Uhrzeit, dass ich so seltsames Zeug denke, aber wenn ich nach draußen schaue, in die Finsternis, wohl wissend, dass da nichts als Schnee und Eis ist, kommt mir der Gedanke, dass niemand meine Schreie hören würde. Nein, Unsinn. Wenn er die Absicht hätte, mir irgendwas Schlimmes anzutun, hätte er es schon längst getan. Aber warum bin ich hier? Orochimaru ist tot, das hat er selbst gesagt. Wenigstens von ihm droht mir keine Gefahr mehr. Mag sein, dass die Akatsuki nicht gut auf ihn zu sprechen sind, aber wer sagt eigentlich, dass sie von meiner Existenz oder von der Rolle, die ich bei der Ermordung von Deidara und Kisame gespielt habe, wissen? Itachi hätte mich zurücklassen können. Stattdessen sind wir jetzt hier. Haben in einem Bett geschlafen, haben uns geküsst. Würde er wirklich so viel Mühe auf sich nehmen, um mich zu quälen? Das hätte er auch einfacher haben können. Hasst er mich wirklich so sehr, dass er so weit gehen würde? Ich drehe mich zu ihm um. Im Schein des Feuers wirkt sein schlafendes Gesicht lebendiger, als wenn er wach ist. Wie kann er so ruhig in meiner Gegenwart schlafen? Anfangs war das anders, er wurde doch immer wach, wenn ich zu ihm kam. Wahrscheinlich hat er noch vor mir gewusst, dass mein Wunsch nach Rache erloschen ist. Leise knie ich mich bei ihm hin und sehe ihn an. Seine Hand liegt vor seinem Gesicht und ich nehme sie in meine. Ich weiß, wie leicht sein Schlaf ist und dass er jetzt jederzeit erwachen könnte. Ist mir egal. Im rötlichen Licht des prasselnden Kaminfeuers sehe ich mir seine Hand an, damit ich nicht mehr in sein Gesicht starren muss. Lackierte Fingernägel… wer wohl auf die Idee gekommen ist? Mir wird klar, was ich wirklich verloren habe. Nicht nur die Zeit mit den Eltern, mit dem Clan, auch er ist mir verloren gegangen. Hätte er es nicht getan, dann hätte ich sehen können, wie aus dem Dreizehnjährigen dieser Mann, der jetzt vor mir liegt, geworden ist. Und er hätte sehen können, was aus mir wurde. Wo wären wir heute, wenn er das Uchiha Viertel in jener Nacht nicht in Blut getaucht hätte? Er ist jetzt zwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich wäre er schon von zu Hause ausgezogen. Dass Itachi jemanden liebt, kann ich mir einfach nicht vorstellen. In meiner Vorstellung hätten unsere Eltern ein Mädchen für ihn ausgesucht. Wäre ich jetzt glücklicher, wenn es so gekommen wäre? Natürlich wäre ich das. Ich hätte Eltern, eine Familie, Träume. Aber ihn hätte ich wohl trotzdem nicht mehr. Er hätte sich immer weiter von mir entfernt, wie schon damals, bevor er sie alle umgebracht hat. Es tut weh. Die Sehnsucht, es nochmal machen zu können, nochmal von vorne anfangen zu können, schmerzt mich. Ich möchte wieder Kind sein. Ich möchte noch einmal so naiv und aus ganzem Herzen an ihn glauben und ihn einfach nur lieb haben. Jetzt hasse ich ihn nicht mehr, aber egal ist er mir auch nicht. Da ist irgendwas in mir erwacht, das mir Angst macht. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, wie damals zieht er mich in seinen Bann. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Was ich jetzt fühle, wenn ich ihn ansehe, ist genauso krank wie mein Hass vorher, nur auf eine völlig gegensätzliche Art. Ich wünschte, ich könnte ihn wieder auf so unschuldige Weise lieben, wie ich es damals getan habe. Ich hatte Recht. Heute Nacht hat es wirklich aufgehört zu schneien. Ich habe sogar noch ein paar Stunden Schlaf gekriegt, wurde aber mit dem Sonnenaufgang wach. Es ist ein kristallklarer Tag, die Temperaturen sind ganz erheblich gesunken. Wir werden ohne Probleme bis ins Tal kommen. Meine Haare sind noch etwas feucht vom Duschen, ansonsten bin ich sozusagen reisefertig. Es gibt ja auch keine Sachen, die ich packen könnte. In diesem Raum gehört mir nichts. Weil ich schlecht in dem dünnen Kimono durch den Schnee laufen kann, hat Itachi mir wortlos den Akatsuki Mantel in die Hand gedrückt. Ich ziehe ihn an und bereue es gleich wieder, weil das Kleidungsstück nach meinem Bruder riecht. Itachi steht vor mir und sieht mich an. "Bist du soweit?" Anstatt etwas zu sagen, nicke ich nur, weil ich meiner Stimme nicht vertraue. Er geht mit festen Schritten an mir vorbei. Auf einmal bin ich mir gar nicht mehr sicher. Während der Reise werden wir nicht miteinander reden, schätze ich. Wenn ich meine Fragen je stellen will, dann muss es jetzt sein, oder ich werde nie mehr Gelegenheit dazu haben. "Warte!", sage ich laut. An der Tür bleibt er stehen. "Ja?" "Bevor wir gehen, muss ich dich etwas fragen." Ich stelle mich zwischen ihn und die Tür, sehe ihm direkt in die Augen. Die Frage stellen zu müssen zerreißt mir das Herz, aber ich kann nicht anders. Wenn ich schon sonst keine Antworten bekomme, vielleicht wenigstens diese. "Warum hasst du mich so sehr?" An seinem Gesicht verändert sich gar nichts. Aber er wirkt plötzlich wie erstarrt. Erfroren, mitten in der Bewegung. Warum tut es bloß so weh? Bin ich wirklich so dämlich, dass ich mir gewünscht habe, er würde es leugnen? Vielleicht muss ich es aus seinem Mund hören, damit ich es endlich glauben kann. "Sag es", verlange ich. Er löst sich aus seiner Erstarrung und sieht mir direkt in die Augen. "Wie kommst du darauf, dass ich dich hasse?", fragt er mich mit sanfter Stimme. "Ist das ein Scherz?", schreie ich. "Nach allem, was du mir angetan hast, wie soll ich nicht denken, dass du mich hasst? Ich will nur wissen, warum!" "Warum ist dir das wichtig, Sasuke? Was willst du eigentlich?" Was will ich? Wenn ich es wüsste… "Du schaffst es nicht, mich zu hassen." Nein, das will ich nicht hören! Nicht von ihm! Ich will weg, aber blitzschnell packt er meine Oberarme und hält mich eisern fest. "Nach allem, was ich dir angetan habe, schaffst du es immer noch nicht, mich zu hassen. Warum ist das so, Sasuke?" "Lass mich los!", schreie ich ihn an. Der Schmerz in meiner Brust wird so heftig, dass ich kaum noch atmen kann. Ich muss mich beruhigen, sonst werde ich noch anfangen, zu weinen. Aber die Worte sprudeln wie von selbst aus mir raus. "Wieso muss ich dich hassen? Wieso tust du mir immer wieder weh?" "Hör auf damit!", fährt er mich an und wirft mich mit dem Rücken gegen die Tür. "Du bist nicht der Einzige, der sich quält!" Ich begreife nicht, wie er das meint. Er hat so fest zugepackt, als wolle er meine Arme zerquetschen. Ich versuche, mich seinem Griff zu entwinden, aber es hat keinen Sinn. Er sieht… er sieht wütend aus. So kenne ich ihn gar nicht. "Itachi, lass los!", rufe ich. Er hört nicht auf mich. "Du tust mir weh!" "Ich weiß." Seine Stimme ist bloß noch ein Flüstern und der eigenartige Tonfall bringt mich aus dem Konzept. Ich starre ihn an und sein Blick hält mich gefangen. "Solange du bei mir bist, werde ich dir immer wieder wehtun, Sasuke." Ich weiß, dass es die Wahrheit ist. "So lange", er beugt sich zu mir runter, bis sein Mund dicht an meinem Ohr ist, "bis in deinem Herzen für keinen anderen außer mir mehr Platz ist." Ich kriege Gänsehaut. Das sind so bedeutungsvolle Worte, aber ganz verstehen kann ich sie nicht. Er lässt mich los. In mir wallen so viele Gefühle auf, ich kann einfach nicht mehr klar denken. Ich bin nicht der Einzige, der sich quält? Was für ein übler Scherz! Das alles ist ein schlechter Scherz und zwar auf meine Kosten! "Wenn es das ist, was du willst, dann kannst du jetzt damit aufhören!", fauche ich ihn an. Ich klinge wütend, aber ich bin es eigentlich nicht. Ich brauche nur ein Ventil für diese angestauten Gefühle. "Du warst immer schon der Einzige, an den ich gedacht habe. Du hast mein Leben ruiniert und mich kaputt gemacht, was willst du denn noch? Ich will dieses Leben nicht, das du mir aufzwingst und ich will dich nicht mehr hassen! Du hättest mich am See zurücklassen sollen. Du hättest mich sterben lassen sollen!" Es knallt. Ich sehe seinen zornigen Blick, dann dreht sich alles, Schmerz explodiert in meinem Gesicht und ich pralle mit voller Wucht auf den Boden. Er hat mich geohrfeigt. Und was für eine Ohrfeige das war! Ich setze mich auf, die Hand an meine linke Wange gepresst. Eben war noch Chaos in meinem Kopf und ich glaubte, es nicht zu ertragen, aber jetzt ist da nur noch Stille und die ist noch viel grausamer. Die Wange tut entsetzlich weh und ich schmecke Blut in meinem Mund. Er hat mich geohrfeigt. Nicht geschlagen, denn damit könnte ich umgehen. Wie ein ungezogenes Kind hat er mich gemaßregelt. Aber wenn ich dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, werde ich jetzt eines besseren belehrt. Ich weine. Nicht wegen dem Schmerz, das ist das Letzte, was mich kümmert. Ich weine wegen allem anderen. Weil wir einander nur wehtun. Weil ich in seinen Augen bloß ein Kind bin. Weil mein Herz ihn nicht hassen kann. Weil sein Mantel nach ihm riecht. Weil es vorbei ist, sobald wir dieses Zimmer verlassen. Weil alles so unfassbar hoffnungslos ist. Die Tränen kullern mir über die Wangen und lassen sich einfach nicht stoppen. Ich will nur noch weg von hier. Mich irgendwo einschließen und dieses ganze Unglück vergessen. Mühsam raffe ich mich auf und ziehe mich an der Wand nach oben. Den Mantel will ich nicht mehr, ich lasse ihn mir einfach von den Schultern fallen. Lieber friere ich, als den Weg nach Hause mit seinem Geruch in der Nase zurückzulegen. Verbissen starre ich durch die Tränen hindurch auf den Boden. 'Lass uns endlich gehen', will ich zu ihm sagen. Aber ich vertraue meiner Stimme nicht. Er stellt sich vor mich, ich sehe seine Füße. Dann spüre ich auf einmal seine Hände auf meinem Gesicht. Es tut weh, als er mich da, wo er mich eben noch geohrfeigt hat, plötzlich so sanft anfasst. Er zwingt meinen Kopf nach oben, zwingt mich, ihn anzusehen. Diesen sanften, fast zärtlichen Ausdruck hat er immer in den Augen, nachdem er mir wehgetan hat. Ist mein Schmerz das einzige, was ihm eine Emotion entlocken kann? Er küsst mich, ganz vorsichtig, und ich sehe, dass er dabei die Augen schließt. Und als er wieder ein ganz kleines Stück zurückweicht, ist da mein Blut an seinen Lippen. Ich weine immer noch, lautlos, weil ich es einfach nicht abstellen kann. Er leckt sich mein Blut von den Lippen und er sieht tief bewegt aus. Und dann flüstert er: "Ich hasse dich nicht, Sasuke." Ich wusste es bis eben nicht, aber das ist genau das, was ich von ihm hören wollte. Danach habe ich mich gesehnt, seit sich die Idee, dass er mich hassen könnte, in meinem Kopf festgesetzt hat. "Wir werden nicht gehen. Nicht bevor du es verstanden hast. Du bist der Grund, warum ich…", seine Hand streicht fast fahrig durch mein Haar, "…die ganze Zeit…" Das Ende des Satzes höre ich nicht, weil er mich wieder küsst. Aber anders. Anders als je zuvor. Seine Zunge drängt sich zwischen meine Lippen und ich werde wieder gegen die Tür gedrückt. Eine halbe Ewigkeit dauert es an und anschließend bin ich fast besinnungslos, weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich spüre, wie er meinen Gürtel öffnet. Seine Hand streicht von meinem Schlüsselbein runter über meine bloße Brust, weiter runter über die Bauchmuskeln bis zum Bauchnabel. Ich kratze das letzte bisschen Verstand, das mir noch geblieben ist, zusammen, für zwei schwache Worte: "Itachi… wieso…?" "Du bist so schön", haucht er und es ist das erste Mal, dass ich ehrliche Gefühle in seiner Stimme höre. Aber seine Worte… schön? Ich? Das hört sich so fremd und eigenartig an, ausgerechnet aus seinem Mund. Aus dem Mund des Mannes, zu dem ich so lange aufgesehen habe… der für mich der stärkste, gutaussehendste, liebste Mensch auf der Welt war. Und der meine Bewunderung in nur einer Nacht zerstört hat. Er küsst meinen Hals, saugt sich an einer Stelle fest, wild entschlossen, seine Spuren auf meinem Körper zu hinterlassen. Irgendeine Barriere ist gefallen. Und ich stehe hier und lasse mich vom Mörder meiner Eltern betatschen. "Itachi!", krächze ich. "Ich will das nicht!" Ich will es. Ich will es mit jeder Faser meines Körpers, so sehr wie nie irgendwas zu vor. Ich will nicht, dass er aufhört. Ein einziges Mal will ich ihm nahe sein. Aber meine Eltern… mein Clan… "Ich will das nicht!", protestiere ich nochmal und versuche, ihn wegzuschieben. Er ist stärker und er drückt mich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Seine Hände fassen in meinen Kimono und ich versuche verbissen, ihn davon abzuhalten. Immer wieder winden sich seine Hände aus meinem Griff und fummeln wieder an mir rum. Er ist so… so aufgebracht. Diese Hektik will nicht zu ihm passen. Er küsst mich und ich versuche zu protestieren. Seine Zunge schlüpft in meinen Mund und ich versuche, ruhig zu atmen, um nicht zu ersticken. Ich will das nicht, ich will das nicht, ich will das nicht… wie ein Mantra wiederhole ich die Worte immer und immer wieder in meinem Kopf. Vielleicht kann ich es ja selber glauben, wenn ich es nur oft genug wiederhole. "Wenn du es nicht willst", fragt er mich atemlos, "warum wehrst du dich dann nicht?" Das tue ich doch! Nein, tue ich nicht. Nicht wirklich. Vielleicht könnte ich gegen ihn nicht gewinnen, aber was tue ich denn, um ihn mir vom Hals zu halten? Ich versuche es ja nicht einmal wirklich. Was passiert mit mir? Ich sollte das nicht wollen, ich darf das nicht! Er ist mein Bruder, das hier geht zu weit, viel zu weit. Das ist nicht mehr nur ein Kuss. Das hier ist… Er fährt mit dem Zeigefinger über meine linke Brustwarze und diese flüchtige Berührung jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich gebe ein tiefes, kehliges Geräusch von mir. Was macht er mit mir? Ich weiß doch, dass er gleich wieder aufhören und mich beschämt zurücklassen wird. Wieso kann ich ihn nicht stoppen? Ich will nicht mehr weinen. Aber ich will auch nicht, dass er… Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und sieht mich an. Meine Tränen sind versiegt, vergessen, als er mich angefasst hat. "Was willst du, Sasuke?", fragt er. Ich will nicht mehr leiden. Aber wenn mir seine Nähe ebenso weh tut wie seine Ablehnung, wie soll das funktionieren? "Ich…" "Wenn du gehen willst, dann tu es jetzt", flüstert er. "Ich verspreche, dass ich dich nicht aufhalten werde." Warum bin ich so dumm, ihm zu glauben? Mit ganzem Herzen weiß ich, dass er es ehrlich meint. Dieses Mal darf ich entscheiden, was weiter passiert. Ich darf meine Qualen selbst wählen. "Wenn du bleibst, tue ich dir nur noch mehr weh." Mein Herz schlägt so schnell, als wolle es zerspringen. Es tut weh, tief drin in meiner Brust und in meinem Magen, es ist ein fremder, süßer Schmerz, den ich einfach nicht mehr verleugnen kann. Meine Hand krallt sich an seinem Hemd fest. "Ist mir egal. Dann tu mir weh. Ist mir egal, solange du es bist." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)