Des Grafen erste (und wahrscheinlich auch einzige) Weihnacht von CountessvonKrolock ================================================================================ Kapitel 3: Da haben wir die Bescherung! --------------------------------------- Kapitel III: Da haben wir die Bescherung! In der nächsten Nacht erwachte ich nicht gerade sehr... wie soll ich sagen... gesund. In meiner Nase kitzelte es und ich musste niesen. – Na wunderbar! Hatte ich mir zu guter letzt auch noch eine Erkältung eingefangen?! Mein Sarg wurde geöffnet und Sarah blickte durch den kleinen Spalt zu mir herein. „Ist alles in Ordnung, Breda?“, bat sie zu wissen und schob den Deckel noch ein Stückchen weiter beiseite. Ich setzte mich auf und versuchte ihr zu antworten. – Nichts! Kein Ton entwich meiner Kehle! – Also eine dicke Grippe... „Scheint, als wärest du krank, Liebster.“, stellte nun auch meine Frau fest und strich mir durchs Haar. Seufzend nickte ich und lehnte mich ihrer Berührung entgegen. „Und ich dachte immer, Vampire können nicht krank werden...“, murmelte sie. Ja...das dachte ich auch immer...! Sorgsam strich sie mir ein paar Haare aus der Stirn. „Du hast Fieber, Breda.“ Besorgt musterte sie mich. Ich wollte etwas darauf erwidern. Wollte ihr sagen, dass es mir gut ginge und ich mich von einer so kleinen Grippe nicht unterkriegen lassen würde, aber anstelle eines gesprochenen Satzes brachte ich nur lautes Husten hervor. Weihnachten war wirklich nicht meine Zeit... „Ich hole den Professor. Warte hier, ja?“ Ich nickte stumm, als sich mein Hustenkrampf wieder einigermaßen verflüchtigt hatte. Moment mal! Was hatte sie da eben gesagt? - Sie wollte den Professor holen?! Was konnte in drei Nächten eigentlich noch alles schief gehen? Ich hörte Schritte. - Nicht noch jemand...! „Nacht, Paps!“ - Mein Sohn. „Wie geht's dir?“, fragte er, entschloss sich dann jedoch sich nicht mit einer Antwort meinerseits aufzuhalten und gleich weiterzureden: „Obwohl...bei dem, was ihr da gestern im Bad fabriziert habt...“ Er grinste. Hüte deine Zunge, junger Mann!, hätte ich ihn am liebsten ermahnt, doch, wie Sie wohl bereits festgestellt haben, verehrter Leser, fehlte mir die Stimme dazu. Er wollte zu einem nächsten Satz ansetzen, drehte sich dann jedoch um und öffnete die Türe zur Gruft. Sarah trat ein, gefolgt von Professor Abronsius. Wurden meine Sinne schwächer? Oder gar Schlimmeres? Wurde ich etwa ALT?! Ich beschloss vorläufig nicht weiter darüber nachzudenken und meine sich momentan vermindernde Sinnesschärfe auf die Erkältung zu schieben. „Exzellenz.“, begrüßte der Professor mich mit einem höflichen Kopfnicken und trat an meinen Sarg. Auch ich nickte ihm zu, allerdings ohne ein Wort der Begrüßung... – Wie hätte dieses auch wohl lauten mögen? Wahrscheinlich hätte ich Koukol Konkurrenz machen können... Es war ja so deprimierend...! Der Professor hatte eine recht üppige Ledertasche mit sich gebracht, aus der er nun seltsame Gerätschaften herauskramte. „Was ist das?“, fragte Herbert und beugte sich neugierig über die Schulter des Professors. Irgendetwas in seinen Bart hineinmurmelnd schielte er daraufhin zu meinem Sohn. „Eine Art Stethoskop.“, antwortete er dann schließlich und kam mit dem Ding auf mich zu. „Würdet Ihr wohl Euer Hemd ablegen, Exzellenz?“ - Ich sollte was?! War der Professor etwa ein perverser Lüstling?! Oh, ich wusste es! Ich hatte es geahnt, seit ich ihn das erste Mal sah! Wie er meinem Sohn hinterher gestarrt hatte! „Ich muss Eure Atmung kontrollieren.“ - Oh... ähem...das änderte natürlich alles... wenn das so war...hatte ich nichts gedacht! Ich zog also, wie er mich gebeten hatte, mein Hemd aus und gab es Sarah, die sich mittlerweile neben mich gestellt hatte. Er drückte das ‚Ding’ auf meinen Rücken und bat mich tief einzuatmen. Doch schon während der ersten zwei Sekunden, in denen ich eingeatmet hatte, kratzte es schrecklich in meinen Lungen und auch in meinem Hals, sodass ich kräftig husten musste. Professor Abronsius nahm die ‚Gerätschaft’ wieder an sich und setzte eine wissende Miene auf. Er legte sein ‚Utensil’ wieder zurück in seine Tasche und sah mich prüfend an. „Euer Problem ist sonnenklar, Exzellenz.“ – Sonnenklar? War ich so schlimm krank? „Ihr leidet an einer simplen Grippe.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen! Doch schon gleich nach meiner Erleichterung, machte sich wieder ein anderes Gefühl in mir breit... und zwar dieses Gefühl, dass die letzten Nächte – die letzten drei Nächte, um genau zu sein – am meisten zum Einsatz kam... Meinen (nicht vorhandenen) Blutdruck in die Höhe treibende WUT! Denn schon nachdem der Professor sein ‚Etwas’ wieder in seiner Tasche verstaut hatte, kramte er nach seinem Notizblock und kritzelte eifrig ein paar Worte hinein. „Vampire sind also doch in der Lage zu erkranken...“, murmelte er vor sich hin und brachte mich beinahe schier zur Weißglut! Vampire konnten normalerweise nicht erkranken! – Aber das sollte man wohl besser meinem – nicht vorhandenen – Immunsystem erzählen und nicht diesem Fachidioten...! – Verzeihen Sie, verehrter Leser, aber auf dem Gebiet ‚Vampire’ war der Professor wirklich noch nicht sehr bewandert... „Am besten wird sein, wenn Ihr hier liegen bleibt... – Oder doch besser nicht. Hier unten ist es ziemlich feucht und kalt...“ Nachdenklich legte der Professor die Stirn in Falten. „Ich bring dich ins Kaminzimmer!“, frohlockte meine Frau und holte, ohne eine Zustimmung von mir zu erwarten, meinen Morgenmantel. „Ich komme mit!“, rief nun auch mein Sohn und zog an meinem Arm. „Und ich werde Euch eine Medizin brauen, Exzellenz.“ Mit diesen Worten verschwand der Professor in der Tür. Herbert begann bereits wieder zu schmollen, da ich seine helfende Hand abgelehnt, wohingegen ich die Hilfe von Sarah entgegengenommen hatte. Sie half mir, meinen bordeauxroten Satinmorgenmantel überzustreifen und führte mich dann, zusammen mit meinem Sohn ins Kaminzimmer. Dort angekommen, sah ich, dass das Feuer bereits lichterloh und warm brannte. – Zu warm, bemerkte ich, nachdem ich mich in meinen Sessel fallen ließ. – Natürlich mit der nötigen Eleganz, die mir bereits als Kind in die Wiege gelegt wurde. Gerade, als ich Platz genommen hatte, wollte meine Frau mich auch schon mit einer wollenen Decke zudecken. Ich lehnte ab. Mir war warm genug. „Aber Breda, gerade bei Fieber musst du schwitzen, damit die Giftstoffe aus dem Körper dringen können!“, beharrte sie und startete erneut einen Versuch mich zuzudecken. Abermals schob ich ihre Hände beiseite. Hoffentlich mutierte Sarah nicht zu einem zweiten Professor Abronsius! Einer von der Sorte war mehr als genug hier in meinem Schloss! Jedenfalls lehnte ich Dinge ab, wann ich wollte und damit basta! So kam es dann schließlich auch, dass mir so warm wurde, dass ich meinen Morgenmantel und mein Hemd ebenfalls ablegte. Am liebsten wäre ich hinaus in den Schnee gelaufen, jedoch glaubte ich, dass es für meine Gesundheit momentan wohl nicht das Beste gewesen wäre... „Wann machen wir eigentlich die Bescherung?“, schmiss mein Sohn plötzlich ein und eines der wenigen Male war ich ihm dankbar, dass er das Gespräch auf ein anderes Thema brachte. „Ich weiß nicht...“, antwortete ihm Sarah. Kritisch sah sie dann zu mir herüber. „Wenn Breda es schafft, noch heute Nacht, ansonsten morgen.“ – Moment mal! Was sollte das heißen: ‚Wenn Breda es schafft...’? „Was soll das heißen, Sarah? Glaubst du etwa, ich sei zu schwach?“ – Es war doch nicht zu fassen! Die Ader an meiner Stirn pulsierte. Ich ballte die Hände zu Fäusten! Ich war rasend, vor Wut! Selbst meine Stimme schien für kurze Zeit wieder einen Weg gefunden zu haben, zu erklingen. „Beruhige dich doch, Breda. So war das doch gar nicht gemeint...“, versuchte sie mich zu beschwichtigen. – Nichts da! Gestern hatte ich über ihre Bemerkungen noch großzügig hinwegsehen können, aber mich vor allen anderen als ‚schwach’ zu bezeichnen, wo ich es gar nicht war, ging einfach zu weit! Ich erhob mich von meinem Sessel. „Ich will mich aber nicht beruhigen! Das Weihnachtsfest hat mir bis heute nichts als Ärger eingebracht! Erst der Punsch des Professors, dann der Unfall beim Schlittschuhlaufen und jetzt sitze ich hier mit Fieber und muss mir von meiner Frau anhören, ich sei schwach! Am besten wird sein, wenn ihr Weihnachten ohne mich feiert!“ Wutentbrannt stürmte ich aus dem Zimmer und war die Türe hinter mir ins Schloss. Dabei hätte ich fast den Professor umgerannt, aber das störte mich in jenem Augenblick herzlich wenig, lieber Leser! Ich vernahm nur ein leises „Exzellenz?“, dem ich allerdings ebenfalls keine Beachtung schenkte. Wohin rannte ich eigentlich? – Ah, ja... Ich folgte dem Korridor und verschwand hinter einem großen Gemälde, welches eine lange und steile Wendeltreppe verbarg. Ich lief, so schnell ich konnte. So kam ich am ehesten wieder zur Ruhe, konnte meine Wut abbauen... Ich schalt mich selbst, als ich schließlich allein auf dem Balkon des Turmzimmers stand und in die sternklare Nacht blickte. Sarah hatte es sicherlich nicht böse gemeint... sie sorgte sich einfach nur um mich... Warum also musste ich wieder so aus der Haut fahren? Ich seufzte. Die feinen Härchen an meinem Unterarm stellten sich auf, als mich eine kühle Brise umwehte. Ich fror. Süffisant lächelnd beschloss ich, dass dies meiner Genesung keine große Hilfe sein würde... Prüfend legte ich die Hand auf meine Stirn. Trotz der Kälte hier draußen, die mein Gemüt wieder ein wenig abgekühlt hatte, war sie noch immer brennend heiß. Erinnerungen kamen in mir hoch. – War ich vielleicht schon so fiebrig, dass ich im wachen Zustand träumte...? //Der 24. Dezember, Weihnachten. Meine Mutter und ich hatten uns ein kleines Zimmer eingerichtet. Nur sie und ich. Mein Vater hielt nichts von Weihnachten... Dies bedauerte ich sehr. Ich war elf, vielleicht zwölf Jahre alt. Schon lange wünschte ich mir ein kleines Weihnachtsfest. Überall, wo ich mit meinen Eltern hinfuhr, feierten die Menschen dieses Fest. Bekamen Geschenke, zündeten Kerzen an und backten. In vielen Häusern roch es leicht nach Zimt und Plätzchen. ...Nur in unserem nicht... In der Stadt war alles schön geschmückt. Eine Große, mit Äpfeln geschmückte Tanne stand mitten auf dem Marktplatz und ringsherum standen Figuren. In der Mitte stand ein kleiner, mit Stroh gefüllter Korb, in dem ein kleines Kind lag. Ich traute mich nicht, meinen Vater danach zu fragen, aus Angst, er würde mich wieder ausschimpfen. Überall lag Schnee und die anderen Kinder in unserem Dorf bewarfen sich fröhlich quietschend mit den weißen, kalten Bällen. Wie gerne hätte ich damals mit ihnen gespielt... aber ich durfte nicht. ‚So etwas gehört sich nicht für einen zukünftigen Grafen!’, hatte mein Vater gesagt, als ich diesen Wunsch einmal geäußert hatte. Traurig sah ich dann den anderen von meinem Fenster aus beim Spielen zu. Doch einmal, einmal hatte meine Mutter eine Überraschung für mich! Sie wollte mit mir Weihnachten feiern. ’Leider können wir nicht groß feiern, können nicht backen und singen, aber wir können einen kleinen Baum schmücken und ihn hier aufstellen.’, hatte sie gesagt. Ich wusste es noch genau, da es das schönste Geschenk war, was sie mir je hätte machen können. Wir saßen also allein in einem kleinen, versteckten Zimmer in unserem Schloss und schmückten unseren kleinen Baum mit Strohsternen und kleinen Äpfeln, genau, wie auf dem Marktplatz. Sogar ein kleines Geschenk lag unter dem Baum. Meine Augen begannen zu leuchten, als sie sagte, dass es meines sei. Verlegen sah ich daraufhin zu Boden und holte auch ein Geschenk für meine Mutter hinter meinem Rücken hervor. ’Ist das für mich?’ Ich nickte schüchtern und gab es ihr. Sie bedankte sich herzlich und gab mir einen Kuss, als sie mich in ihre Umarmung zog. Neugierig packte ich das Päckchen dann aus und hielt ein Buch in den Händen. Ich las den Titel: ‚Das Christkind’ Fragend sah ich meine Mutter an. ‚Du wolltest doch wissen, warum vor dem großen Baum auf dem Marktplatz das Kind in dem Strohkorb liegt. Ließ das Buch. Dann weißt du es.’ Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich es aufschlug. In dem Buch waren so viele und schöne Bilder... Auch meine Mutter hatte, wie ich bemerkte, ihr Päckchen ausgepackt und hielt es stolz in der Hand. Ich hatte ihr eine kleine Kette gemacht. Als ich mit meinem Vater vor ein paar Tagen wandern gegangen war, fand ich einen violetten Stein in einer kleinen Höhle, die ich ausgekundschaftet hatte und nahm ihn an mich. Irgendwie hatte ich es dann geschafft ein Loch sauber in den Stein zu meißeln, sodass ich ein kleines Lederband durch das Loch hatte ziehen können. Eben dieses Band legte meine Mutter sich gerade um den Hals. ‚Ich danke dir, mein Sohn.’, flüsterte sie tonlos und hatte wohl Mühe ihre Tränen zu unterdrücken. Sie setzte sich auf den Teppich vor den kleinen Baum, breitete ihre langen Röcke vor sich aus und bedeutete mir, dass ich mich mit meinem Buch zu ihr setzen solle, damit wir es zusammen lesen konnten. Doch dazu hatte es nie kommen sollen. Gerade, als ich mich zu ihr setzen wollte, kam mein Vater wutentbrannt in das kleine Zimmer gestürmt. Der kalte Luftzug, den er durch das schnelle Öffnen der Türe verursachte, brachte die kleinen Kerzen an unserem Bäumchen dazu, zu erlischen.   ‚Was soll das werden, Gabriella?!’, schrie er aufgebracht und riss meine Mutter am Arm zu sich hoch. ‚Ich wollte dem Jungen eine Freude machen, Alecsander! Er hatte es sich schon so lange gewünscht!’, schluchzte sie und versuchte uns beide zu verteidigen. – Was ihr leider jedoch nicht gelang. Mein Vater fasste sie grob an den Schultern und schob sie vor sich her aus dem Raum. ‚Und wir sprechen uns später noch, mein Sohn!’, drohte er und knallte die Tür wieder hinter sich zu. Ich vergrub das Gesicht in den Händen. Das war alles bloß meine Schuld...! Ich hatte ja unbedingt Weihnachten feiern müssen! Und nun musste meine Mutter dafür gerade stehen... Ich versteckte das Buch in der hintersten Ecke des Raumes und hoffte, dass mein Vater es dort nicht finden würde. Einige Tage später und nach einer heftigen Standpauke meines Vaters, gingen meine Mutter und ich in unserem Garten spazieren. ‚Hat er dir wehgetan, mein Sohn?’, hatte sie gefragt und sich zu mir herunter gekniet. Ich schüttelte den Kopf. ‚Nein. Er hat nur geschrieen.’ Plötzlich nahm sie mich in ihre Arme. ‚Versprich mir eines, Breda...’ Ich nickte irritiert. ‚Versprich mir, dass du nie wieder Weihnachten feiern möchtest.’ // Ein bitteres Lächeln umspielte meine Lippen. Ich hatte es ihr versprochen, doch würde ich dieses Versprechen heute nur bedingt halten. Eine einzelne Träne rann meine Wange hinunter. Was sie jetzt wohl gerade machte...? War sie vielleicht jetzt gerade, in diesem Augenblick bei mir? „Breda?“ Ich drehte mich um und für einen kurzen Moment dachte ich, meine Mutter stünde vor mir. Doch bereits im nächsten Augenblick sah ich, dass es Sarah war. Langsam drehte ich mich wieder von ihr weg. Sie legte die Arme um mich. „Es tut mir leid...“, flüsterte sie und lehnte ihren Kopf an meinen Rücken. „Nein...“, ich schüttelte den Kopf. „Es muss dir nicht Leid tun. Ich bin derjenige, der sich entschuldigen sollte...Aber...“ Ich hielt inne. „Ich verstehe schon.“ Jetzt trat sie mit einem Lächeln vor mich. „Du bist ganz kalt. Komm wieder mit rein, ja? Wir warten schon alle auf dich und...“, sie kicherte, „Herbert kann es kaum noch erwarten sein Geschenk zu sehen.“ Ich schloss sie in meine Arme. „Geh schon einmal hinein und warte im Korridor auf mich. Ich komme in ein paar Minuten, dann können wir zusammen gehen.“ Sie nickte lächelnd und löste sich aus meiner Umarmung. Dann ging sie wieder hinein. Ich legte den Kopf in den Nacken, um in die Sterne sehen zu können. „Ich wünsche dir frohe Weihnachten, Mutter. Ich hoffe, dir geht es gut im Himmel, denn dort werden wir uns wohl nicht wieder sehen...“, flüsterte ich in die Stille hinein und hoffte, die Botschaft würde sie erreichen. Bevor ich schließlich zu meiner Frau ging, atmete ich noch einmal tief durch und wischte mir eine kleine Träne aus den Augenwinkeln. Sarah erwartete mich scheinbar schon ungeduldig. Sie sagte nichts, als ich bei ihr angelangt war und lief einfach schweigend neben mir her. Sie wusste eben, wann mir nach reden zumute war, und wann nicht. Ich dankte es ihr, indem ich ihre Hand ergriff und meine um sie schloss. Stumm vor uns hin lächelnd gingen wir also gemeinsam zurück ins Kaminzimmer, wo die anderen bereits auf uns warteten. Wir traten in den Raum und fünf Paar Augen sahen uns entgegen. Herbert saß vor diesem Ungetüm von Baum und rüttelte an den einzelnen Geschenken. „Da seid ihr ja endlich! Ich habe die Geschenke schon einmal auf... ähm... Beschädigungen überprüft!“, gab Herbert verlegen von sich und krabbelte vom Baum weg, auf Alfred zu, in dessen Arme er sich sogleich schmiegte. Ich konnte mir ob seiner Ausrede ein kleines Grinsen nicht verkneifen. „Setzt Euch hierher, Exzellenz.“, lächelte der Professor und deutete auf zwei große Kissen direkt neben dem Kamin. Dankbar nickte ich ihm zu. Da Sarah wohl bemerkt hatte, dass ich noch immer leicht fröstelte, obgleich der Wärme hier im Raum, stand sie nochmals auf und holte meinen Morgenmantel. Mit einem tadelnden Blick legte sie mir diesen um die Schultern. Plötzlich stand dann auch noch der Professor wieder vor mir und reichte mir ein Glas mit einer braunen, dampfenden Flüssigkeit. Irritiert blickte ich ihn an. Tee wurde doch normalerweise in einer Tasse serviert... ebenso wie des Professors Punsch... „Eure Medizin.“, antwortete er nur knapp auf mein offensichtlich fragendes Gesicht. „Sie wird Euch sicherlich Eure Stimme wieder vollständig zurückgeben.“ – Wie? Aber, das...das war ja grandios! Schon zu lange vermisste ich den reinen Klang meiner tiefen Stimme! Ich riss dem Professor das Glas aus der Hand und leerte es in einem Zug. – Musste jedoch danach sofort kräftig husten! – Hatte er mir eine Säure zusammengemixt? Diese „Medizin“ war schärfer als alles, was ich bisher gekostet hatte! „Was...was war das?!“, brachte ich, obgleich der Versprechungen des Professors, meine Stimme wieder vollständig zurückzuerlangen, nur krächzend hervor. „Ähm...“ „Jetzt sagen Sie nicht, dass...!“ „Nein, nein!! Es war diesmal kein Punsch... aber...“ „Aber...?“, auch Sarah hatte sich nun in das kleine Gespräch mit eingebracht und sah den Professor mindestens ebenso entgeistert an, wie ich. „Es war dennoch...Rum...gemengt mit Zucker... ein altes Hausmittel.“ – Konnten meine Blicke töten? ...Wohl nicht... der Professor stand noch immer mir gegenüber und sah mich mit einem entschuldigenden Lächeln an. „Aber seid unbesorgt, Exzellenz. Es wird Euch in keinster Weise beeinflussen!“, sprach er schnell und hob abwehrend die Hände. Scheinbar hatte er meinen Todesblick bemerkt... – Gut so! „Bei uns in Königsberg nennt man so eine Mischung einen ‚Grog’. Er hilft wirklich ausgezeichnet bei Erkältungen und befreit die Atemwege.“ – Tze, als ob es so tragisch wäre, wenn ich mal nicht durch die Nase atmen konnte... „Können wir dann jetzt endlich anfangen?“, nörgelte mein Sohn und rutschte ungehalten auf seinem Kissen hin und her. Nun ergriff Magda das Wort: „Herbert hat Recht! Wir sollten endlich mit der Bescherung beginnen!“ Sie sah in die Runde. Mein Sohn sah sie mit großen Augen an, so, als wollte er sagen: ‚Ich will zuerst auspacken!!’ – Nun, scheinbar schien sie ihm seinen Wunsch von den Augen abzulesen, denn ihre ernste Miene verwandelte sich in ein Lächeln. „Herbert, möchtest du vielleicht anfangen?“, säuselte sie, was mich nun meinerseits zum Schmunzeln brachte. Meine Frau schmiegte sich daraufhin noch ein wenig mehr an mich und seufzte leise. Innerlich lächelnd legte ich meinen Arm um sie und strich ihr zärtlich über den Rücken. Die Augen meines Sohnes wurden riesig, als Magda ihre Frage gestellt hatte. Sofort sprang er auf und eilte auf den Baum zu. „Oh, jajajajaja! Welches Geschenk ist meins?“, rief er mit leuchtenden Augen aus und begutachtete jedes Geschenk einzeln. „Tja, mein Lieber, keines.“ Augenblicklich verschwand das Leuchten. Sarah neben mir grinste nur. Was hatte das zu bedeuten? War das ‚Wichteln’ nicht eigentlich so konstruiert, dass jeder ein Geschenk bekam? „Zumindest kein Geschenk, das hier unterm Weihnachtsbaum liegt.“, fuhr Magda fort. „Du wirst dich wohl bis zum Schluss gedulden müssen, doch lass dir gesagt sein: Das Warten lohnt sich!“ Magda grinste. Sie war wohl dazu auserkoren die Geschenke an den jeweiligen zu verteilen und somit war sie wohl auch diejenige, die wusste, wer wen beschenken musste... Ich wollte es verdammt noch mal auch wissen! „Sarah? Möchtest du als nächstes?“, fragte Magda daraufhin und sah meine Frau spitzbübisch an. Ich grinste. Ich hatte mein Geschenk am vorigen Tag bereits hierher gelegt. Nun, lieber Leser, Sie werden sich vielleicht wundern, dass ich diese Kleinigkeit nicht erwähnt hatte, aber wie ich bereits sagte, war es auch nur eine Kleinigkeit. „Ja, gern.“, gab meine Frau zur Antwort und entwand sich aus meiner Umarmung. Sie drückte mir als Entschuldigung sich von mir lösen zu müssen einen Kuss auf die Lippen und ging auf ihre Freundin zu. Diese reichte ihr lächelnd einen roten Umschlag. Gespannt löste Sarah die schwarze Schleife, die den Umschlag umgab und öffnete ihn dann endlich. Aufs Genaueste beobachtete ich ihren Gesichtsausdruck. Als sich ihre Augen plötzlich weiteten und sie mit Tränen in ihnen zu mir herübersah, lächelte ich. „Oh, Breda...“, schluchzte sie und warf sich mir in die Arme. Nun, ich wäre bei diesem Geschenk wahrscheinlich auch angefangen zu weinen. – Als Frau, versteht sich! Wo kämen wir denn da hin, wenn ein Graf wegen eines Geschenkes anfangen würde zu heulen?! „Nur...nur wir beide...?“, fragte sie dann mit, vom weinen brüchiger Stimme. Ich nickte. – Also hatte ihr die Venedigreise für zwei Personen zugesagt. Zufrieden lächelnd lehnte ich mich mit ihr in meinem Arm wieder in die weichen Kissen hinter uns. Wurde jedoch sogleich wieder von Sarah losgerissen, denn nun war es an mir mein Geschenk in Empfang zu nehmen. Magda überreichte mir eine rechteckige Holzschachtel, als ich mich erhoben hatte und auf sie zugekommen war. Neugierig schüttelte ich diese. Vielleicht war darin ja... Ich öffnete das hölzerne Kästchen und fand darin eine verstaubte Weinflasche. Behutsam hob ich sie heraus und wischte die dicke Staubschicht von ihrem Etikett: ,Chateau Chagall 1599’. Fragend sah ich zum Vater meiner Frau hinüber. Dieser grinste. „Ich dachte, du wüsstest einen guten Tropfen zu schätzen, Schwiegersohn.“ Entgegen meiner Natur, die es bestimmte meinen Schwiegervater nicht zu mögen, ging ich auf ihn zu und schloss ihn in eine kurze, aber dennoch kräftige Umarmung, die er freudig erwiderte. Ich nickte ihm noch einmal dankend zu und lies mich dann wieder leise seufzend neben meine Frau sinken. Diese zog mich sogleich zu sich heran und drückte mir, froh darüber, dass ihr Vater und ich scheinbar endlich unsere Feindseeligkeit begraben hatten, einen innigen Kuss auf die Lippen, den ich nur allzu gern erwiderte. Nun war es an Professor Abronsius sein Geschenk zu erhalten. Mit einem lauten Ächzen erhob er sich von seinem Kissen und rieb sich kurz den Rücken, bevor er auf Magda zuging. Diese händigte ihm ein flaches, rechteckiges und in buntes Papier eingewickeltes Päckchen aus und kreuzte dann grinsend die Arme vor der Brust. Offenbar war dieses Geschenk von ihr. „Ooooh, sehr gut, sehr gut! Das kann ich seehr gut gebrauchen! Mein Notizbuch ist schon fast überfüllt! Wem darf ich dafür danken?“, rief er fröhlich aus und sah in die Runde. Als Magda schließlich – noch immer grinsend – vor ihn trat, schien es den Professor wohl plötzlich zu überkommen und er umarmte sie herzlich. Ich musste, ob Magdas verwirrtem Blick leise lachen. Offenbar hatte sie mit vielem gerechnet, jedoch wohl nicht mit einer Umarmung. Als beide sich wieder voneinander gelöst hatten, strich Professor Abronsius, sich verlegen räuspernd, seine Kleidung glatt und machte sich wieder auf den Weg Richtung Kissen. Schließlich hatte der alte Mann sich ächzend wieder niedergelassen und betrachtete neugierig sein neues Notizbuch. – Hoffentlich würde er es nicht gleich an mir anwenden, schoss es mir durch den Kopf... „So, nun bin ich dran.“, verkündete Magda grinsend und wartete darauf, dass sich jemand erhob. Alfred war derjenige. Schüchtern lächelnd ging er zu einem, von einem weißen Leinentuch verdecktem Gebilde. Mit den Worten: „Das ist für dich. Ich hoffe, es gefällt dir.“, zog er das Tuch weg und zum Vorschein kam ein wunderschönes, dunkelgrünes Kleid. Scharf einatmend lief Magda auf dieses, zugegeben, sehr schöne Kleid zu und begutachtete es sprachlos aus der Nähe. Sie berührte den Saum und fühlte die Spitze. Taft. Eindeutig. – Mein geschultes Auge erkannte so etwas. Jahrelange Erfahrung. Oh... als hätte Sarah meine Gedanken lesen können, bedachte sie mich mit einem tadelnden Blick. – Der konnte allerdings auch soviel heißen, wie: ‚Warum schenkst du mir nie solche Kleider?’ Als Mann hatte man es schon nicht leicht... „Danke, Alfred!“ Dieser kam gar nicht erst dazu etwas darauf zu erwidern, denn im Nu fand er sich in den – nicht gerade schwächlichen – Armen Magdas wieder. Ich grinste und sah herüber zu meinem Sohn, der sich mir scheinbar anschloss. „So, Alfred. Und du darfst auch gleich weitermachen.“ Sie ging kurz zum Baum und holte ein Päckchen hervor, das ein wenig dicker war als das, des Professors. Das Papier, das sein Geschenk umgab, war in Windeseile verschwunden. Offenbar war Alfred doch stürmischer, als wir alle gedacht hatten. Ich kicherte in mich hinein. „Die menschliche Anatomie...“, las er leise für sich und hob dann den Kopf, um den Professor anzusehen. Alfred lächelte dankbar und ging auf seinen Lehrmeister zu. Dieser erhob sich erneut von seinem Kissen und ließ sich von dem Jungen – wie er ihn immer so schön nannte – herzlich umarmen. „Nicht so fest, Junge. Mein Kreuz ist nicht mehr das jüngste...“, gab Abronsius gespielt tadelnd von sich und setzte sich wieder. Alfred lächelte entschuldigend und setzte sich gleich danach wieder zu meinem Sohn, mit dem er anschließend zusammen das Buch durchblätterte. Ich wollte nicht wissen, was in Herberts Kopf vorging, als ich mir sein Grinsen besah... „Nun, Yoine, jetzt bist du endlich dran.“, lächelte Magda und gab ihm ein dünnes Päckchen, dass ungefähr DIN A4-Format besaß. Irgendwie hatte ich da so eine Ahnung... „Ooooh, seehr schöön!“, frohlockte Chagall und zeigte allen seine neueste Errungenschaft. Ich behielt Recht mit meiner Vorahnung... Der ‚Playvamp’ - zwar recht unlogisch ein Hochglanzheftchen mit nackten Vampirinnen herauszubringen, aber wer brauchte denn schon Fotos, wenn es Maler und Künstler gab?! Scheinbar freute sich Chagall mehr, als seine Freundin, die ihn ziemlich wütend anfunkelte... „Und was ist jetzt mit meinem Geschenk?“, fragte Herbert und zog einen Schmollmund. Da erhob Sarah sich plötzlich und ging in Richtung Tür. „Komm mit zu deinem Sarg. Dann zeig ichs dir.“, lächelte sie und öffnete die Tür. Der Rest, inklusive mir, machte sich ebenfalls auf den Weg in Richtung Gruft. Jedoch konnten wir mit Herbert nicht Schritt halten, der vor Vorfreude vor uns allen herhüpfte. „Was ist es denn? Nun sagt schon! Ich will es endlich wissen!!“, bat er die ganze Zeit und kam gar nicht mehr zur Ruhe. Endlich in der Gruft angekommen, stellte mein Sternkind sich neben Herberts Sarg und öffnete diesen grinsend. Seine Augen weiteten sich ins Unermessliche, als er sah, was da mit seinem Sarg geschehen war: „Babyblaue Samtbezüge! – Oh, Sarah! Du bist die Größte!“, rief er aus und fiel meiner Frau in die Arme. Lachend schloss sie ihre Arme um ihn und versuchte ihn wieder ein wenig zu beruhigen. Ich für meinen Teil, hielt mich dezent im Hintergrund. Immerhin hatte ich bereits mein Geschenk bekommen. „Komm, Alfi. Wir gehen schlafen! – Guten Tag, allerseits!“, verabschiedete mein Sohn sich und zog seinen Gefährten mit sich in seinen neu bezogenen Sarg. Warum nur, glaubte ich ihm nicht, wenn er sagte, er wolle schlafen?! „Nun, ich denke, ich werde mich dann auch mal zur Ruhe begeben.“, gab auch der Professor bekannt und wünschte allen von uns einen guten Tag. Höflich nickend erwiderte ich seinen Gruß und wiederholte ihn ein zweites Mal bei Magda und Chagall, als auch diese sich von uns verabschiedeten. „Ich denke, wir sollten uns auch in unseren Sarg begeben, meinst du nicht?“, säuselte meine Frau kokett und kam mit wiegenden Hüften auf mich zu. „Sag es keinem, aber ich habe da auch noch so ein kleines Geschenk für dich.“, sie grinste, „Es sei denn, deine Erkältung macht dir noch immer zu schaffen?!“ Ich schüttelte sprachlos den Kopf. Meine Erkältung schien wirklich verflogen. Meine Stimme war wieder voll einsatzbereit, auch, wenn ich mich momentan nicht ganz auf sie verlassen würde, so, wie Sarah mich momentan berührte. Also sah ich zu, dass ich so schnell, wie nur möglich mit ihr zusammen in unserem Sarg verschwand und hob sie auf meine Arme. Fröhlich quietschend schlang sie ihre Arme um meinen Hals und ließ sich von mir tragen. So ging also ein – mehr oder minder – erfolgreiches Weihnachtsfest in die letzten Minuten. Und ich war, ehrlich gesagt, sehr froh, dass es endlich vorbei war! „Bald ist Ostern, Liebster. Ist das nicht schön?“ – Ostern?!?! *~*~* Ende So, ich hoffe, es hat euch gefallen. ^^ Lasst mich doch wissen, ob und wie. ^^ Bis(s) dann!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)