Live Like A Vampire von Forest_soul ================================================================================ Kapitel 33: † Dark Memories † -33- -Special- -------------------------------------------- Special: Hígekis Vergangenheit Der Wind peitschte mir unsanft ins Gesicht. Doch es war mir egal. Ich wartete und wartete. Wann würde der Doktor die Türe öffnen? Wann würde ich sie wieder sehen? Meine Eltern lagen schon seit Stunden in dem spärlich beleuchteten Zimmer. Unserem Wohnzimmer. Und ich durfte nicht zu ihnen. Diese Stunden kamen mir vor wie Tage. Ich bemerkte das Zittern meiner eigenen Hand überhaupt nicht mehr. Genauso wenig hatte ich Hunger oder Durst. Das Einzige, das zählte, waren meine Eltern. Niemand konnte mir bis jetzt sagen, woran sie litten. Ihr Fieber kam und ging, scheinbar grundlos. Mir – mir ging es die gesamte Zeit über gut. Ich durfte nicht ins Haus. Und während der Zeit des Wartens ging ich auch nicht zu meinem Lehrmeister, er selbst hatte gesagt, ich bräuchte nicht zu kommen. Längst brachte es keine Ablenkung mehr, die kleinen Steine vor meinen Füßen vor mich hin zu treten. Nichts konnte meine Sorgen lindern. Und dann ging die Türe auf. Mein junges Herz sprang vor Aufregung und Nervosität. In welchem Zustand würden sie sich befinden? Waren sie wach? Waren sie am Weg der Besserung? Der Arzt trat vor mich. Ich blickte auf den kleineren Mann hinunter, doch seine Miene ließ mich nichts Gutes ahnen. Für diesen Gesichtsaudruck hätte ich ihn umbringen können. Er zerschlug sofortig all meine Hoffungen. „Es tut mir Leid… Sie… Sie können sich noch verabschieden..“, er schritt an mir vorbei. Doch meine Welt blieb stehen. Verabschieden? Meine Füße trugen mich nur langsam in das stickige Zimmer, in dem meine Eltern … schliefen. Ihre Gesichter sahen friedlich aus. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Haut seltsam blass. Meine Augen nahmen alles nur verschwommen wahr. .. Der Arzt fühlte sich nicht mehr verantwortlich. Ließ mich alleine mit meinen toten Eltern. Später würden Leute vorbeikommen, um sie zu holen. So lange hatte ich noch Zeit. Ich verschloss die Türe und fiel vor ihrem Totenbett auf die Knie. Wie viele Stunden vergingen, weiß ich nicht mehr. Das Aussehen meiner Eltern veränderte sich rasch und mir wurde zunehmend schwindeliger. Ich musste weg. Weit fort von all dem. Gerade als ich wieder auf meine Beine kam, klopfte es. Blass öffnete ich die Türe. Vor mir standen zwei Herren. Ich grüßte knapp. Hörte aber keines der Worte, die sie sprachen. Auf Baren trugen sie die Menschen, die alles waren, was ich hatte, aus dem Haus. .. Ich sah mich um. Nichts mehr erinnerte mich an das, was ich schon von Kind auf gewohnt war. Jedes Zimmer wirkte neu, oder fremd, jetzt da meine Eltern nicht mehr lebten. In meinem Inneren sträubte sich alles gegen die Gedanken, die jedoch Realität waren. Was sollte ich tun? Ich war Sechzehn. Und ich war alleine. ... Ich musste weg. Zumindest für eine Weile. So packte ich schnell einen Rucksack und verließ das Haus rennend. Mein Herz schlug wild. Draußen war es längst dunkel. Es musste Nacht geworden sein. .. „Du hast es aber eilig…“, eine weiche Stimme drang durch die Nacht bis zu mir. Ich hielt an. Keuchte leise. Mein Atem bildete feine Wölkchen in der kalten Luft. Ich konnte den Fremden erst ausmachen, als er in das Licht einer Öllaterne trat. Ich starrte ihn an. Er musste reich sein. Seine langen schwarzen Haare wallten über seine Schultern. Er trug ein weißes Hemd, einen schwarzen Stoffmantel und jede Menge Schmuck. Was suchte ein Adeliger so spät nachts in einer Gegend wie dieser? Ich selbst war nicht besonders reich.. ich war froh, dass ich in eine Lehre gehen konnte. Gemeinsam waren meine Eltern und ich immer mühsam über die Runden gekommen. Im Vergleich zu ihm musste ich wie ein Straßenjunge ausgesehen haben. Ich starrte ihn an, wusste nicht, was ich zu sagen hatte. „Du bist nicht besonders gesprächig…“, er trat an mich heran, beugte sich ein wenig vor und zog die Luft scharf ein. Sein Blick verfinsterte sich mit einem Mal. Ich wich zurück. Was wollte der Fremde? „Deine Eltern sind also vor einigen Stunden gestorben.“, meinte er ruhig. In seinen Augen glänzte eine seltsame Traurigkeit. Ich stockte. Sofort liefen Tränen über meine Augen. Mir war egal, woher er es wusste. Aber er schien meinen Schmerz zu verstehen. Also nickte ich, fiel vor ihm auf die Knie in den Staub der Straße. Mein knielanger Mantel wirbelte die oberste Schicht Erde des Weges auf, die mich für kurze Zeit umgab, bevor sie wieder zu Boden sank. Die Hände schlug ich vor mein Gesicht. Der Fremde sollte mich nicht weinen sehen. Da fühlte ich, wie er mit seiner Hand durch meine schwarze Mähne strich. Die Berührungen taten gut. „Du musst deine Tränen nicht verstecken…“, meinte er. Seine Stimme erwärmte meine Seele. Ich sah mit verweintem Blick zu ihm hoch. Sein Blick war einfühlsam. „Was soll ich denn jetzt machen?“, mehr als diese Frage brachte ich nicht zu Stande. .. „Wenn du möchtest, kannst du mit mir kommen… du bekommst gut bezahlte Arbeit und eine eigene Wohnung. Du wirst auch nicht mehr alleine sein...“ Wohin sollte ich denn? Ich wollte dieses Leben hinter mir lassen. Ich rappelte mich wieder auf und nickte erneut. Der Fremde zog einen Handschuh aus und reichte mir seine Hand. „Ich heiße Kyôfu… schön, dich willkommen heißen zu dürfen!“ Ich nahm zittrig an. Graute ihm nicht vor meiner staubigen Hand? „Hígeki… ich… bin unendlich dankbar..“, ich verbeugte mich kurz. Ich wusste noch nicht, was mich erwarten würde. Aber es konnte nicht schlimmer sein, als die Situation, in der mich mein Schicksal heute Abend zurückgelassen hatte. .. Ein Monat war vergangen. Kyôfu hatte mir geholfen, meinen Schmerz zu vergessen.. zumindest zu verdrängen. Er überließ mir ein Quartier nahe seiner Villa. Wir alle wohnten hier in dieser Gegend. Wir lernten, andere Leute zu beschützen. Andere lernten auf Auftrag zu töten. Das waren unsere Aufgaben. Ich musste jedoch nicht töten. Ich hatte es abgelehnt und beschränkte mich darauf, Leute zu bewachen. Wann immer jemand bereit war, Geld für Begleitschutz zu zahlen, wurde einer von uns ausgesucht, um diese Arbeit zu übernehmen. Die Auftragsmörder bekamen mehr bezahlt, aber das war mir egal. Woher Kyôfu jedoch das restliche Geld, das unglaublich viel sein musste, herbekam, erfuhr ich nie. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm, doch er erzählte auch niemals, wohin ihn seine nächtlichen Spaziergänge führten. Und ich fragte auch nicht weiter nach. Ich war dankbar und wollte mich nicht in sein Leben einmischen. In meiner Freizeit war ich immer bei ihm. Wir verstanden uns gut. Er schien so viel vom Leben zu wissen. Und er erzählte oft unglaubliche Geschichten. Er wurde ein Freund. Ich wurde älter und stärker. Und eines Tages verliebten wir uns. Es blieb unser Geheimnis. Niemand durfte je davon erfahren. Bis ich eines Abends Probleme mit einem Auftrag bekam. Denn die Frau, die ich beschützen sollte, wurde von drei, mit Messern bewaffneten, Männern überfallen. Ich gab mein bestes. Doch mein Kollege und ich schafften es nicht, gegen sie anzukommen. .. Es war ein seltsames Gefühl, als das lange Küchenmesser in meinem Bauch steckte. Ein ziehender Schmerz war erst fast unmerklich und schwoll dann an. Der Angreifer zog es zurück. Und ich kippte vorne über in die Erde. Alles um mich wurde leiser. Ich konnte noch sehen. Doch die Geräusche um mich waren dumpf. Ich konnte hören, wie sie die adelige Dame erstachen, sah wie sie neben mir zu Boden ging. An ihrer Kehle glänzte ein langer roter Schnitt. Ihre leeren Augen starrten in meine. Und ich konnte noch ausnehmen, wie die Diebe mit all ihrem Geld und Schmuck verschwanden. Mein Kollege lief. Er hatte sich anscheinend rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Mir wurde schwarz vor Augen. .. Und dann ließ der Schmerz nach. War nicht mehr fühlbar. Ich war mit 21 Jahren gestorben. Endlich würde ich meine geliebten Eltern wieder sehen. Wie sehr ich sie vermisst hatte… .. Doch dann öffnete ich die Augen. Sah direkt in Kyôfus Gesicht. Er lächelte wehmütig. „Hígeki… endlich bist du wach..“, meinte er und strich mir über die Stirn. Ich keuchte entsetzt auf. „Ich bin nicht tot?“, sofort durchzuckte mich ein seltsamer Schmerz. Hektisch blickte ich an mir hinunter. Das Laken unter mir war voll mit Blut. Ich tastete an meinen Bauch, doch dort war nur eine kleine, fast verheilte Wunde zu sehen. .. „Wie lange war ich bewusstlos?!“, japste ich ungläubig. „Drei Tage.“, antwortete er etwas karg. In drei Tagen wäre meine Wunde nie und nimmer verheilt. Und wieso war ich am Leben? Ich stütze mich auf. Griff dabei auf etwas Seltsames. Es fühlte sich an wie… Federn? Und langsam wurde es mir klar. „Du.. hast mich gebissen?“, erkannte ich und sah ihn mit glasigen Augen an. Er senkte den Kopf leicht und nickte. .. Darüber hatten wir gesprochen. Auch wenn unsere Liebe groß war. Ich hatte mich dafür entschieden, niemals ein Vampir zu werden. Sollte mir etwas zustoßen, hätte er mich sterben lassen sollen. „Wieso?“, meine Stimme klang heiser. .. „Hígeki.. ich.. als ich dich dort liegen sah… ich wollte dich nicht verlieren…“, er konnte mir nicht in die Augen sehen. Ich sah stumm an ihm vorbei. .. Zeit verging. Ich versuchte damit zu leben. Gab mein bestes um mich dem Leben eines Vampirs anzupassen. Doch Alles in mir sträubte sich dagegen. Es war nicht einfach, Menschen zu töten. Ich tat es auch meistens nicht. Tagelang trank ich kein Blut, bis Kyôfu für mich auf die Jagd ging. Er verzweifelte langsam. Es tat ihm wohl sehr weh, mich so schwach zu sehen. Und ich war wütend auf ihn. Wütend darauf, dass er mich nicht zu meinen Eltern gelassen hatte. Unsere Liebe litt darunter. Sie wurde schwächer. Wir trafen uns nachts immer seltener und hörten auch auf miteinander zu sprechen. Ich wollte sterben. Wollte ausprobieren, was passieren würde, wenn ich kein Blut mehr trank. Doch er zwang mich dazu. Flößte mir die rote Flüssigkeit mit Gewalt ein. Ich sollte nur am Leben bleiben. Er hoffte darauf, dass ich dieses Leben eines Tages akzeptieren würde. Doch zwei Jahre vergingen und mein Zustand hatte sich noch nicht verbessert. An einem Abend... im Nachhinein denke ich, Kyôfu hatte mich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben gehabt. Sein Blick war anders. Und auch die Art, wie er mit mir umging. Er betrat meine Wohnung. Anstatt mich zu begrüßen, fuhr er mir ins Haar und zog mich daran grob zu Boden. Ich verstand die Welt nicht mehr. Dieses Wesen hatte mir noch nie wehgetan. Wieso jetzt? Hatte ich mich so schrecklich benommen? Hatte ich mich so falsch verhalten? Er drängte mich an die Wand. Ich hatte keine Chance. Mein ausgemergelter Körper war viel zu schwach, als das ich ihm etwas entgegen bringen hätte können. Brutal drückte er meine Beine auseinander. Ich bekam große Angst vor ihm. Er wirkte nicht mehr wie früher. Mir kam es vor, als wäre er eine ganz andere Person. Ich begann zu zittern, schlug mit den Flügeln. .. Alles ging so schnell. Noch bevor er mir etwas angetan hatte, griff ich nach allen Seiten, bis ich endlich einen Gegenstand in die Finger bekam. Es war ein Brieföffner, der bei unserer Rangelei zu Boden gefallen war. Ich streckte ihn schützend vor mich und spürte einen Widerstand. .. Kurz schloss ich die Augen und verstand die Welt nicht mehr. Alles war viel zu schnell und doch so unerträglich langsam vergangen. Als ich die Augen öffnete, sah ich, wie sich Kyôfu vor Schmerz krümmte. Ich hatte ihm das Herz durchbohrt. Ich war der Mörder meines Schaffers. Aber ich verspürte in dem Moment keine Spur von Trauer. Ich wolle nur weg. So ließ ich ihn sterbend zurück und rannte so weit wie möglich. .. Lange Zeit dachte ich, er wäre damals gestorben.. Erst Jahrzehnte später erfuhr ich, dass ich ihn damals nicht getötet hatte. Ich hatte Angst... und ich hoffte, ihn nie wieder sehen zu müssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)