Beichte von Jadis (Confession) ================================================================================ Kapitel 16: an deiner Seite --------------------------- Ich mag das Kappi... irgendwie... ein bisschen... Es ist bis jetzt das längste... Die Lyriks in diesem Teil sind von Revolverheld --> Unsterblich Kapitel 16 ~ an deiner Seite ~ “Die ham dir nen Button geklaut?” fragte Tom amüsiert und ließ sich auf Georgs Bett in dessen Hotelzimmer fallen. “Ja,” bestätigte Alexandra und plötzlich fiel ihr etwas ein “Oh Gott, ist sonst noch alles dran?” Sie drehte sich im Kreis und besah sich von oben bis unten während sie nachsah ob sonst noch irgendetwas fehlte. “Ja, ist denn sonst noch alles dran?” fragte Tom erneut, sprang alarmiert auf und half Alexandra sich abzusuchen. Er begann sie zu kitzeln und das ganze Spiel endete damit, dass die beiden das Gleichgewicht verloren und lachend auf der Matratze landeten. Georg ergriff das Wort, immerhin musste er sich davon ablenken was Tom und Alexandra auf seinem Bett trieben. “Davids Gesichtsausdruck nach Konzertende war zu gut.” Gustav bejahte lachend und zog Heidi zu sich auf den Schoß. “Ich hätte schwören können, dass ich ihn hab schreien hören als du wirklich in die Menge gesprungen bist.” meinte Bill mit einem Grinsen und sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. Alexandra zog Tom das Cappie tief ins Gesicht und setzte sich auf. “Ich glaube, dass mach ich jetzt jedes Mal.” “Nur über Davids Leiche,” kicherte Tom und setzte sich ebenfalls auf, wechselte jedoch sogleich wieder das Thema “Was machen wir morgen eigentlich?” “Nach Hamburg fahren.” sagte Alexandra trocken und richtete ihre Haare. “Und übermorgen?” “In Köln ein Konzert spielen.” antwortete Bill. “Und am Mittwoch?” fragte Tom unbeirrt weiter und Alexandra fragte sich, ob es nicht besser wäre ihm ihren Terminkalender zu überreichen. “Sag bloß, das weißt du nicht mehr?” empörte sie sich statt dessen “Wir fliegen in die Stadt der Liebe.” “Venedig?” runzelte Tom die Stirn und nahm es ihr übel, dass sie das böse F-Wort gesagt hatte. “Paris, du Trottel.” platzte es aus Georg heraus. “Hab ich doch gesagt.” rechtfertigte sich der ‘Trottel’. “Das muss an den Haaren liegen, dass dein Gehirn nicht genügend Sauerstoff bekommt.” “Ich muss los.” unterbrach Bill den aufkommenden Streit und ging zur Tür neben der bereits seine Tasche bereit stand. “Wohin denn?” fragte Tom seinen Zwilling, erntete allerdings nur ein geheimnisvolles Lächeln. “Ich bin verabredet.” “Mit wem?” hakte Filzlöckchen weiter nach. “Boah, nehmt euch ein Zimmer!” platzte Georg der Kragen als ihm das Rumgeknutsche von Gustav und Heidi endgültig auf die Nerven ging. In seinem Zimmer herrschte Zucht und Ordnung, also wieso konnten die nicht einfach alle gehen? Es schien gewirkt zu haben, da Heidi Gustav bei der Hand nahm und aus dem Zimmer führte. “Viel Spaß noch!” rief Tom ihnen hinterher und beobachtete wie Bill die Gelegenheit nutzte um ebenfalls aus dem Zimmer zu schlüpfen. “Bis morgen.” waren seine letzten Worte bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Georg sah abwartend zwischen Alexandra und Tom hin und her. “Und?” fragt er um sie aus der Reserve zu locken. “Und was?” fragte Tom der auf der Leitung zu stehen schien. “Gute Nacht, Georg.” seufzte Alexandra, stand auf und öffnete die Zimmertür vor der sie auf Tom wartete. “Süße Träume, Hasi.” hörte sie Tom noch säuseln kurz bevor etwas von innen gegen die Tür flog und er mit gesenktem Kopf neben ihr auf dem Gang stand. Sie schüttelte belustigt den Kopf und setzte sich in Richtung ihres Zimmers in Bewegung. Tom folgte ihr gähnend. An ihrem Zimmer angekommen wollte sie sich von Tom verabschieden, doch er grinste nur vor sich hin und spielte an dem Stoff seines Ärmels. “Willst du mich nicht rein bitten?” neckte er sie. “Nicht in diesem Leben.” war das einzige annähernd schlagfertige was ihr dazu einfiel. “Ich bin jung, ich kann warten,” ließ er sie wissen “Und bis dahin hol ich mir noch ein oder zwei Groupies.” “Aber bitte seit leise.” flehte Alexandra regelecht, da ihr Zimmer direkt neben Toms lag. Schnurstracks lief er den Gang bis zu Ende, winkte ihr, ohne sich noch einmal umzudrehen, zu und ließ eine erschreckend gute Nachahmung von Anna-Lenas “Tüttelü!” hören bevor er um die Ecke bog und im Treppenhaus verschwand. Kopfschüttelnd fragte sich Alexandra noch weshalb er nicht den Fahrstuhl nahm und trat schließlich in ihr Zimmer mit der Nummer 289. Wie gewohnt war es dunkel im Inneren. Es war ein langer und entsetzlich aufregender Tag gewesen, weswegen Alexandra nicht lange fackelte, ihre Sachen im zu Bett gehen abstreifte und nur mit Unterwäsche bekleidet unter die Decke schlüpfte. Sie atmete den Duft der Bettwäsche ein und stieß die Luft langsam wieder aus. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, war sie schon fast im Reich der Träume, aber nur fast. Sogar durch das geschlossene Fenster hörte sie die vor dem Hotel wartenden Groupies plötzlich kreischen. Vermutlich war Tom gerade da unten aufgetaucht. Sie beschloss es zu ignorieren, da es vermutlich in zwei Minuten eh vorbei sein würde. Die Minuten vergingen ohne dass ein Ende des Kreischkonzertes in Sicht war. Alexandra drehte sich auf den Bauch und steckte ihren Kopf unter das Kopfkissen. Das grenzte ja schon an Lärmbelästigung. Warum unternahm den keiner was? Und als ob das noch nicht genug wäre, drang eine halbe Stunde später ein gedämpftes erregtes Stöhnen an ihr Ohr. Blitzartig saß sie kerzengerade im Bett und lauschte in die Dunkelheit um die Quelle des Geräusches ausmachen zu können. Doch eigentlich wusste sie ganz genau woher es kam. Sie krabbelte ganz nach oben an das Kopfende des Bettes und legte horchend ihr linkes Ohr an die Wand. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. War ja klar. Und dabei hatte sie doch gesagt, sie sollen leise sein. Aber gut, wie lange konnte es wohl noch dauern? Alexandra legte sich wieder hin und starrte abwartend an die Decke. Im Warten war sie gut. Eine viertel Stunde und einen finalen Aufschrei, der aus dem anderen Zimmer an ihre Radartüten drang, später, war es endlich wieder still. Auch das Kreischen draußen auf der Straße hatte aufgehört. Zufrieden kuschelte sie sich ganz fest in ihre Decke und schloss die Augen, nur um das Stöhnen einen Augenblick darauf wieder zu hören, diesmal gemischt mit einem zweiten. Es war unfassbar. Wie viel Stehvermögen hatte der Junge eigentlich? Sie bezweifelte, dass es etwas bringen würde, wenn sie wie eine Bekloppte mit ihrer Faust gegen die Wand hämmern würde. Bei ihrem Glück würde man sie wahrscheinlich noch wegen Lärmbelästigung aus den Räumlichkeiten entfernen. Also starrte sie erneut an die Decke und lauschte ungewollt den Geräuschen der Lust. Sie schellte sich dafür, ihren MP3-Player im Tourbus liegen gelassen zu haben. Und jetzt rüber zu gehen und nach Toms I-Pod zu fragen war wohl auch keine so gute Idee. Bei jedem weiteren Ton der durch die Wand hallte drängten sich immer mehr unschöne Gedanken in ihren Kopf. Wieso musste sie sich auch immer alles bildlich vorstellen? Sie begann Tom dafür zu hassen, dass er ihr dies zumutete. Für sie war Tom Kaulitz ab jetzt der Teufel. Sie waren bei VIVA LIVE. Zumindest glaubte sie es, da das Studio aussah wie die Fabrik bei ihrem ersten Videodreh, aber irgendwie auch tausend Mal schlimmer. Gülcan sah aus wie eine Kräuterhexe und hatte eine riesige Warze auf der Nase. Und als ob das noch nicht genug war, knutschte Tom schon seit geraumer Zeit mit Avril Lavigne rum, die ebenfalls Stargast war. Die Hexe moderierte gerade ihre neue Single an, nachdem sie Alexandra gefragt hatte ob sie genauso viel Angst vorm hässlich sein hatte wie sie. Alexandra hatte ihren Blick nicht von der Warze nehmen können und hatte nur ein “Äh...” gestammelt. Die Single begann zu spielen, Georg holte hinter der Couch einen Playboy hervor und ‘Lovesongs (They kill me)’ von DER neuen deutschen Band begann zu spielen. Moment, das war aber nicht ihr Lied... Das Studio verschwand, der Song wurde lauter und Alexandra öffnete die Augen. Was für ein Traum. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch irgendwann eingeschlafen war, denn als es draußen schon wieder hell wurde, hatte sie die Hoffnung fast schon aufgegeben. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Sie brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass der Song ihr Handy-Klingelton war. Wann hatte sie den denn eingestellt? Sie tastete halb blind nach dem Mobiltelefon und nahm das Gespräch an. “Lexa, wo bleibst du denn?” dröhnte ihr sofort Davids Stimme ins Ohr. Seine Stimme klang gehetzt, wie fast immer “Wir sind schon mit dem Frühstück fertig.” “Wie spät isses denn?” fragte Alexandra verschlafen und wunderte sich wieso man nicht einfach an ihrer Tür geklopft hatte. “Fast zwölf.” Ich bin wach, ich bin wach, sagte ihr Gehirn. “Ich bin gleich unten.” Sie sprang regelrecht aus dem Bett während sie das Gespräch mit David beendete. Ein Glück hatte sie heute Nacht beschlossen noch einmal aufzustehen und ihre Sachen schon zu packen. Umso schneller ging es jetzt. Zehn Minuten später kam sie in den Speiseraum gehetzt und setzt sich an den einzigen freien Platz des runden Tisches. Die waren ja wirklich schon alle fertig, bemerkte sie nach einem prüfenden Blick in die Runde. “Du siehst müde aus.” bemerkte Bill und reichte ihr den Brötchenkorb während sie sich hastig Kaffee eingoss. “Ich hab kaum geschlafen,” meinte Alexandra mit einem Seitenblick auf Tom “Und Tom auch nicht.” “Das stimmt,” bestätigte dieser “aber ich seh nicht so fertig aus wie du.” “Schon mal in den Spiegel geguckt?” wollte Alexandra wissen und fügte aufgrund vieler fragender Blicke hinzu “Tom hat wieder Telefonnummern gesammelt.” “Nicht nur Telefonnummern.” ließ er sie wissen und Alexandra fügte ihrer geistigen Liste ‘Dinge-die-ich-nie-wissen-wollte’ einen weiteren Punkt hinzu. David drängelte sie so sehr, dass Alexandra nur Zeit hatte ihren Kaffee zu trinken und das Brötchen in die Hand nehmen musste während sie vor das Hotel traten und sich kreischenden Fans zeigten. Die fünf gaben ein paar Autogramme, doch als Alexandra mitbekam, dass sich einige schlecht über sie äußerten und sogar ihre Autogrammhefte wegzogen als sie es signieren wollte, reckte sie die Nase so weit es ging in den Himmel und verschwand als erste im Wagen wo sie erst einmal ungestört ihr Brötchen zu Ende essen konnte. Die Minuten zogen sich in die Länge und Tom war der einzige der sich zu ihr auf die Rückbank des Vans setzte. Er winkte noch einmal in die Menge und zog dann die Tür hinter sich zu. “Puh, geschafft.” meinte er als sich der Wagen bereits in Bewegung setzte. Alexandra gähnte eine Bestätigung und beobachte wie Tom sein Handy aus seiner Hosentasche kramte und darauf herum tippte. Ihre Wahrnehmung drohte wieder abzugleiten doch plötzlich wurde das Wageninnere von einem Lied erfüllt wessen Klang ihr noch all zu gut bekannt war. Es kam aus Toms Handy. “Du warst an meinem Handy?!” platzte es aus ihr heraus. “Ich wollte dir nur ne Freude machen.” grinste Tom und leugnete es nicht einmal. “Wann hast du das gemacht?” fragte Alexandra weiter. “Vor ein paar Tagen als du besoffen in der Ecke gelegen hast.” “Hä? Ich hab gar nicht besoffen in der Ecke gelegen.” “Kannst mal sehn wie dicht du warst, wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst.” Er nahm einen Schluck aus der Wasserflasche die in der Lehne des Beifahrersitzes steckte und sah zu ihr herüber. Alexandra war drauf und dran ihm diese zu entreißen, eine Wasserschlacht zu beginnen und ihm das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht zu spülen. Aber sie dachte an die unschönen Wasserflecken auf den Ledersitzen und ließ es bleiben. “Rache ist ein Gericht das kalt serviert wird.” sagte sie statt dessen vielsagend und sah den Rest der Fahrt aus dem Fenster. Als sie den Parkplatz am Stadtrand erreichten, lief der Motor ihres Tourbuses schon und sie brauchten nur noch einzusteigen. Ihr Gepäck war von der Crew bereits hierher gebracht und verstaut wurden. Alexandras erster Weg nachdem sie in das Innere des unauffällig grauen Gefährtes gestiegen war, führte sie in die Küche des komfortablen zweistöckigen Busses. Sie brauchte dringend noch mehr Kaffee oder sie würde im stehen einschlafen. Irgend jemand war tatsächlich klug genug gewesen, hatte voraus geplant und bereits eine ganze Kanne aufgesetzt. Die kleine Küche roch nach dem frisch gebrühten Getränk. Alexandra nahm sich ein Tablett, stellte die Kanne, sechs Tassen, Milch und Zucker darauf und machte sich daran in die zweite Etage zu steigen. Auf der engen Treppe kam ihr ihr heutiger Fahrer entgegen. Sie begrüßte ihn als er die Treppe wieder rückwärts hoch ging um sie vorbei zu lassen. Auf dem Weg in den hinteren Teil des Busses kam ihr auch noch ein aufgedrehter Gustav entgegen. “Ich darf den Bus fahren!” rief er nur noch und war auch schon über die Treppe nach unten verschwunden. Alexandra beschloss, sich darüber nicht zu wundern, dafür war sie zu müde. Sie erreichte den hinteren Teil des Busses und befand sich nun an ihren Lieblingsaufenthaltsort in dem Fahrzeug. Sie nannten diesen Bereich Lobby, auch wenn er keine war. Eine große Eckcouch verlief über drei Seiten des Hecks und hatte einen niedrigen Tisch in ihrer Mitte. Ein Fernseher hing von der Decke und auch eine Spielekonsole war in greifbarer Nähe um die Langeweile vertreiben zu können. Sie waren noch nicht viel mit diesem Bus unterwegs gewesen, aber die meiste Zeit verbrachten sie hier und beobachteten die Außenwelt durch die getönten Scheiben. Alexandra begrüßte Heidi, die schon eher hierher gebracht worden war und setzte sich auf ihren angestammten Platz. Georg hatte bereits sein Notebook ausgepackt und war mit anderen Dingen beschäftigt. Bill versuchte die Musikanlage in Gang zu kriegen und Tom hatte seinen I-Pod bereits angeschmissen und lümmelte neben ihr auf der bequemen Couch. Alexandra war gerade damit fertig jedem eine Tasse vollzugießen als Bill sich rechts neben sie fallen ließ. Er hatte den Kampf gegen die Musikanlage verloren und war auf einen Musiksender im Fernsehen umgestiegen. Gerade als sie die Tassen ansetzen wollten setzte sich der Bus, mehrmals stark ruckelnd, in Bewegung. “Whaaa.” entfuhr es allen gleichzeitig, da sie fast den ganzen Kaffee verschüttet hätten. Ganz zu schweigen von Georgs Notebook, welches fast vom Tisch gerutscht war. “Man, Gustav!” brüllte er durch die Gegend, in der Hoffnung, dass der Angesprochene ihn hörte. Sie fuhren ein oder zwei große Runden auf dem Parkplatz auf dem sie standen und hielten dann wieder an. Kurze Zeit später kam Gustav wieder zu ihnen und musste sich einen bösen Blick von Georg gefallen lassen, den er allerdings nicht bemerkte, da er sich freute wie ein kleines Kind das einen großen Lolli geschenkt bekommen hatte. “Ich hab den Bus gefahren, ich hab den Bus gefahren und ihr ja nicht.” “Toll Hobbit,” sagte Tom der das Musik hören wieder aufgegeben hatte “Wirklich toll. Jetzt hast dus uns allen voll gezeigt.” “Toll, Schatzi.” sagte Heidi wenigstens und fand, dass er sich dafür einen Kuss verdient hatte. Sie war halt die perfekte Freundin. Alexandra gähnte als der Bus, diesmal behutsamer, Fahrt aufnahm und sich Richtung Autobahn bewegte. Eine Weile kämpft sie noch gegen die Müdigkeit an, doch das sanfte Schaukeln, die gemütlich einlullende Wärme und die ruhigen Gespräche der anderen gaben ihr den Rest. Wenn sie nicht bald etwas unternehmen würde würde sie vermutlich vorn über kippen und mit dem Kopf auf der Tischplatte enden. “Rutsch mal n Stück.” verlangte sie von Tom da er noch ein ganzes Stück Platz zwischen sich und Georg hatte. Er schien nicht auf Krach aus zu sein, denn er gehorchte ohne nachzufragen. Kaum hatte sie mehr Platz nahm Alexandra die Füße hoch, winkelte die Knie an und ließ sich langsam nach rechts fallen wo ihr Kopf auf Bills Oberschenkel landete. Sie schloss die Augen und seufzte zufrieden als sie seine Hand auf ihren Oberschenkel spürte. Plötzlich kitzelte sie jemand an den Füßen. Tom! Er war also doch auf Stunk aus. “Au”! rief er als sie nach ihm trat. “Hör auf, Tom.” wies ihn sein Bruder scharf zurecht. “Hör auf, Tom?” fragte dieser empört “Sie hat mich getreten.” “Sei kein Weichei.” hörte man von Georg der dies sagte ohne von seinem Bildschirm aufzublicken. Alexandra hatte die Augen noch immer geschlossen, doch sie konnte sich nur zu gut Toms Gesichtsausdruck vorstellen. Sie lächelte zufrieden, spürte wie ihr jemand durch die Haare streichelte und fiel in einen wohltuenden Schlaf. Sie erwachte weil die gleichmäßige, beruhigende Bewegung des Busses plötzlich aufhörte. Langsam öffnete sie ihre Augen und das erste was sie sah war, dass Tom über Heidi herzufallen schien, die sich mit Händen und Füßen wehrte und fast dem Ersticken nah war weil sie so lachen musste als er sie durchkitzelte. “Gustav!” stieß sie verzweifelt hervor nachdem sie festgestellt hatte dass sie ihren Angreifer nicht abwehren konnte. Alexandras Blick wanderte weiter nach rechts wo Gustav und Georg wie gebannt auf den Fernseher starrten, jeder einen Controller in der Hand, und etwas spielten das aussah wie ‘Need for Speed’. “Ich kann grad nicht,” meinte Gustav und seine Zunge verließ seinen Mund weil er so konzentriert war “Die Runde geht an mich!” “Tom bringt mich um!” quietschtete Heidi regelrecht. “Hinterlass keine Sauerei, Tom.” meinte Georg kühl und rammte Gustavs Fahrzeug. “GEORG!” empörte sich Heidi und sah ein dass ihr wohl niemand helfen würde. Glücklicherweise bekam sie in dem Moment Toms Cappie zu fassen und zog es ihm vom Kopf. Augenblicklich hörte er auf sie zu ärgern und sah wie ein ungläubiges Hundebaby auf ihre Hände mit denen sie sein Cappie weit über ihren Kopf hielt, damit er es nicht erreichen konnte. Er hob beschwichtigend die Hände. “Okay, ich hör auf. Aber gib mir mein Baby wieder!” Heidi war wohl selber noch nicht die Expertin im ärgern, denn sie gab es ihm bereitwillig zurück. Doch es schien gewirkt zu haben, denn nachdem er sein Cappie glücklich wieder an sich nahm und es küsste bevor er es wieder aufsetzte, setzte er sich ruhig hin un machte nichts böses mehr. Er sah in Alexandras Richtung. “Hey, du bist ja wach!” Sie merkte wie Bill sich bewegte. “Das sieht nur so aus.” meinte sie, richtete sich aber kurze Zeit später auf “Was ist eigentlich los?” “Wir stehen im Stau.” beantwortete Bill ihre Frage und Alexandra sah auf die Uhr. Sie hatte über zwei Stunden geschlafen und Bill war die ganze Zeit sitzen geblieben um sie nicht zu wecken? Awww. “Hast du mal nach deinen anderen Kopfbedeckungen geguckt, Tom?” “Wie meinen?” fragte er gehoben und wandte seinen Blick vom Fernseher ab wo Georg Gustav gerade gnadenlos fertig machte, im übertragenen Sinne natürlich. “Deine Cappies. Sind sie noch alle da? Wenn du nicht aufpasst werde ich sie klauen und nach Peru schicken.” Für ein paar Augenblicke sah Tom sie ausdruckslos an und sie war sich sicher, dass er darüber nachdachte wann er seine Cappies das letzte mal gesehen hatte. Das Ergebnis zu dem er gekommen war, schien ihn zu beruhigen, denn er sagte nur: “Witzig, wirklich witzig.” Alexandra lachte kurz und reckte sich anschließend. Was zwei Stunden Schlaf ausmachen konnten. Sie fühlte sich wie ein ganz anderer Mensch. Nach einer halben Stunde des still stehen setzte sich die Blechlawine in der sie sich befanden wieder in Bewegung und rollte langsam vor sich hin. Es dauerte eine weitere halbe Stunde bis sich der Stau komplett aufgelöst hatte und es wieder in normalen Tempo weiter ging. Irgendwie war Alexandra froh die gewohnte Umgebung der WG wieder zu sehen. Sie fühlte sich wohl in der Wohnung in der sie zwei Monate hintereinander gelebt hatte und war die erste die in den langen Flur trat und ihre Koffer hinter sich her zog. Friedliche Stille schlug ihr entgegen. “ÜBERRASCHUNG!!!” schallte es aus dem Wohnbereich und Anna-Lena schob sich in ihr Blickfeld. Alexandra musste sich sehr beherrschen, dass ihr Kinn nicht nach unten klappte. Dabei machte sie nicht gerade einen erfreudigen Gesichtsausdruck und drehte sich schnell zu den anderen. Tom stand mit weit aufgerissenen Augen hinter ihr. Irgendwie machte er den Eindruck als hatte er Tollwut. Heidi stand neben Bill und sah fragend in Anna-Lenas Richtung, wahrscheinlich hatte sie noch nichts von ihr gehört. Gustav ging rückwärts und wollte wahrscheinlich wieder das Weite suchen, hatte seine Rechnung allerdings ohne Georg gemacht der hinter ihm stand und somit den Weg versperrte. Georg sah sich um, musste sich allerdings eingestehen, dass diesmal kein rettender Kuchenteig in der Nähe war. “Hallo Andrea.” meinte Anna-Lena und ging an Alexandra vorbei um sich den Jungs aufdrängeln zu können. Heidi ignorierte sie dabei ebenfalls. “Benjamin hat mich reingelassen. War das nicht nett von ihm?” Benjamin Ebel? Ihr Manager? In Alexandras Top-List verdrängte Benjamin gerade Tom von der Spitze derjenigen die sie für den Teufel hielt. Benjamin Ebel war der Teufel! Alexandra deutete Heidi, deren Gesichtsausdruck jetzt dem Toms glich, ihr zu folgen. “Wie wars in Bremen?” hörten sie Anna-Lena noch nerven bevor sie über die Wendeltreppe verschwanden. “Berlin.” hatte Bill sie noch halbherzig korrigiert und geriet dann außer Hörweite. Alexandra zeigte Heidi Gustavs Zimmer in dem sie ihre Tasche abstellte. Heidis Flieger würde sie morgen früh wieder nach Helsinki bringen. Der restliche Nachmittag und der anschließende Abend wäre bestimmt ein schöner geworden, wäre Anna-Lena nicht gewesen. Nicht genug, dass sie Alexandra herum kommandierte, sich ihren Namen nicht merken konnte oder wollte und an der spannendsten Stelle der DVD ein Gespräch anfing und somit die ganze Stimmung versaute. Nein, damit nicht genug. Sie erzählte ihnen, dass sie zusammen mit ihrer Schwester in eine Wohnung ganz in der Nähe gezogen war. Was hieß, dass sie sich ab jetzt noch öfter sehen konnten. Bill schien der einzige zu sein der sich darüber ansatzweise freute. Alexandra wollte sich übergeben. Anna-Lena war der Teufel. Die WG mutierte immer mehr zu einem Ort an dem sie doch nicht mehr so gerne war. Sie war froh, dass es morgen bei Zeiten nach Köln ging. Und da sie sowieso noch Schlaf nachzuholen hatte war Alexandra die erste die sich verabschiedete und ins Bett ging. Sechs Stunden zusammen mit Anna-Lena waren ungefähr so einschläfernd wie eine Vorlesung über die Exportraten der Mongolei. Georg warf ihr einen flehenden Blick zu. Er war zwischen Anna-Lena und dem turtelnden Pärchen eingekeilt und kam da so schnell nicht weg. Alexandra konnte nichts anderes tun, als ihn mitleidig anzusehen und ihn in ihre Gebete einzuschließen... Die Stille ihres Zimmers legte sich beruhigend auf ihr Gemüt. Wenn man die ganze Zeit nichts anderes als Anna-Lenas nervige Stimme hörte die sich wie ein Wasserfall überschlug, war man sehr dankbar für ein bisschen Stille. Kein Tom, keine Groupies, keine Anna-Lena, der Schlaf konnte kommen. Am nächsten Morgen wartete Alexandra geduldig auf den Rest. Sie saß auf ihrem frisch gepackten Koffer und aß einen Schokoriegel. “Lexa, Lexa, Lexa, tz, tz, tz,” kam Tom kopfschüttelnd die Treppe herunter und schleppte seine Koffer hinter sich her “du denkst auch gar nicht an die armen Fans die dich heut Abend wieder auffangen müssen. Die werden unter deinem Gewicht noch zusammen brechen.” “Sehr charmant.” meinte Alexandra nur und sparte sich ein ‘Guten Morgen’. “Warte, ich helf dir.” meinte Tom nur, nahm ihr den restlichen Schokoriegel aus der Hand und aß ihn auf. Alexandra zuckte mit den Schultern. “Das Verfallsdatum war sowieso abgelaufen.” Tom zog ein Gesicht und Alexandra lachte darüber. Gustav und Heidi waren die nächsten die zu ihnen stießen und mit ihnen auf den Rest warteten. Georg erschien kurze Zeit später und Tom klatschte in die Hände. “So, dann kanns ja los gehen.” “Und was ist mit Bill?” wollte Alexandra wissen und erhob sich. Tom, G-Quadrat und Heidi warfen sich Blicke zu. Alexandra runzelte die Stirn. “Der ist bei Anna-Lena.” sagte Tom. “Freiwillig??” entfuhr es Alexandra ungläubig. “Wir vermuten, er hatte Fieber als er die Entscheidung traf und wusste nicht was er tat.” Alexandra nickte und die Truppe schob sich zur Tür. Der Bus stand vor der Haustür bereit und füllte fast den ganzen Hof aus. Sakis Leute fungierten als Gepäckträger und verstauten dies kurzerhand im Bus. Natürlich führte der erste Weg in die Lobby wo es sich die fünf gemütlich machten und auf Nummer sechs warteten. Gerade als sie Witze darüber machten was Anna-Lena wohl mit ihm angestellt hatte stieß er strahlend zu ihnen und ließ sich wie gewohnt auf seinen Platz fallen. Übermütig gab er Alexandra einen Kuss auf die Wange. Irgendwie machte er einen abgehetzten Eindruck, seine Wangen waren ganz rot, aber auch einen glücklichen. “Alles klar?” wollte Alexandra wissen. “Alles bestens.” versicherte er und holte auch gleich sein Handy heraus um darauf herum zu tippen. Alexandra sah zu Tom. Er zuckte mit den Schultern und fragte in die Runde ob sie bei McDonalds frühstücken wollten. Der Tourbus fuhr einen kleinen Umweg und brachte Heidi zum Flughafen. Sie war vor zwei Wochen sechzehn geworden und durfte nun allein solche Reisen antreten. “Machs gut, Süße.” verabschiedete Alexandra ihre Freundin und drückte sie fest “Bis zum nächsten Mal.” Wie immer, wenn Heidi sich verabschiedet hatte war Gustav für eine gute Stunde nicht ansprechbar und hing den Erinnerungen der letzten Tage nach. Also ließen sie ihn in Ruhe auf seinem Bett im unteren Teil des Busses liegen und Hardrock hören. Er konnte einem aber auch Leid tun. Er würde Heidi erst in acht Wochen wieder sehen. Die Fahrt nach Köln verlief ohne größere Probleme. Was hieß, dass Tom sein McDoof Frühstück bekam und Gustav sein Tief nach einer Stunde tatsächlich überwunden hatte und sie sich gemeinsam eine DVD nach der anderen rein zogen. Als sie direkt zur Arena in Köln fuhren und die Massen an wartenden Fans sahen, die den Tourbus natürlich sofort als solchen erkannten und anfingen lauthals zu kreischen, kam dieses Kribbeln im Bauch wieder und wurde bis zum Auftritt stetig schlimmer. Der Auftritt selber verlief wie die Feuertaufe selber ohne Probleme. Sogar noch besser, da Alexandra diesmal nichts geklaut wurde... Zwei Stunden nach Ende des Gigs kroch Alexandra in ihre Schlafnische im Tourbus und zog die roten Vorhänge zu. Aus einem Netz unter dem kleinen Fenster fischte sie ihren MP3-Player heraus als der Schlafbereich von Stimmen erfüllt wurde. “Nacht Lexa, Nacht Tom, Nacht Gustav, Nacht Georg.” “Gute Nacht, Bill.” antwortete Alexandra mit einem Lächeln und hörte kurz darauf auch Georg und Gustav eine gute Nacht wünschen. Ihr Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. Es war auch jedes Mal das selbe. “Gute Nacht, Johnboy.” beendete Tom die Spielerei indem er alle zum Lachen brachte “Was denn? Ihr habt einfach keinen Respekt mehr vor den alten Klassikern.” Immerhin musste er danach selber lachen. Es wurde still. Alexandra schaltete ihren MP3-Player ein und lauschte den Klängen von ‘Sunrise Avenue’. Sie drehte sich auf die Seite, ließ den heutigen Abend Revue passieren und schlief dabei ein. Paris war unglaublich. Für Alexandra war es das erste Mal, dass sie überhaupt in Frankreich war. Sie konnte ein paar Sätze auf französisch von sich geben, aber für jemanden der fünf Jahre Schulfranzösisch gebüffelt hatte war das nicht viel. Sie glaubte allerdings, dass es den Jungs ähnlich ging. Es war schade, dass sie so wenig von Paris mitbekamen. Am liebsten hätte Alexandra sich in einen Bus gesetzt und eine Sightseeing-Tour gemacht. Aber ihr straffer Zeitplan ließ so etwas natürlich nicht zu. Bis jetzt hatten sie noch nicht einmal den Eifelturm zu Gesicht bekommen. In einer halben Stunde hatten sie ihren ersten Termin um Promotion für ihre neue Tour und das Album zu machen. Sie hatten gerade mal genug Zeit ihre Koffer in die Zimmer zu schaffen und sich frisch zu machen bevor David schon wieder drängelte und auf die Zeit pochte. Alexandra hatte etwas länger gebraucht da einer ihrer Koffer nicht aufgegangen war. Aber sie konnte doch kein Interview ohne ihren Glücksbringer geben. Auf dem Gang wäre sie fast in Bill gerannt der ebenfalls aus seinem Zimmer gestürzt kam und etwas spät dran zu sein schien. “Komm, wir nehmen den Aufzug.” sagte er als Alexandra die Treppe in Angriff nahm und drückte bereits den Rufknopf. “Okay.” konnte Alexandra grade noch sagen bevor die Tür aufschwang und sich ihnen die leere Kabine zeigte. Hastig traten sie ins Innere und Bills lackierter Zeigefinger drückte auf die Taste die den Fahrstuhl ins Erdgeschoss befördern würde. Die Tür schloss sich und die Etagenanzeige sprang fast augenblicklich von 6 auf 5. “Aufgeregt?” fragte Bill nachdem Alexandra schwer geseufzt hatte und übertönte dabei die leise vor sich hin dudelnde Fahrstuhlmusik. “Ein bisschen.” gestand sie obwohl sie schon ein wenig Routine in das geben von Interviews bekommen hatte. Bill wollte etwas erwidern, doch von einer Sekunde auf die nächste erlosch die Beleuchtung im Aufzug und er kam so abrupt zum stehen, dass Alexandra aufgrund ihrer Eigenbewegung in die Knie ging. Auch die Musik hatte aufgehört zu spielen und sie standen nun in der lautlosen Dunkelheit. “Scheiße.” hörte sie Bills Stimme und dachte das Selbe. Sie bemerkte wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. “Hast du Platzangst?” hörte sie Bills besorgte Stimmer erneut dicht neben sich. “Nein, du etwa?” “Nein.” Na, immerhin etwas. Über ihnen flackerte es und eine schwache Notbeleuchtung hüllte sie in blaues Licht. Alexandra sah sich um. Die Anzeige der Etagen war ausgefallen, aber sie nahm an, dass sie zwischen der dritten und vierten Etage stecken geblieben waren. Sie ging zur Schalttafel und betätigte den Notrufknopf. Auch alle anderen Knöpfe probierte sie aus. Nichts geschah. “Scheiße.” fluchte sie und zog das Wort dabei so weit in die Länge bis es fünf Silben hatte während sie gegen die Verkleidung trat. Aber wenigstens saßen sie nicht ganz im Dunkeln. “Kein Empfang.” ließ Bill sie wissen und sah auf sein Handy-Display während er in der Kabine auf und ab ging um es aus allen Positionen zu versuchen. Auch Alexandra kramte ihr Handy aus ihrer Handtasche. “Ich auch nicht.” stellte sie fest. Bill sah sie blinzelnd an. “Geht ja super los, was?” Alexandra nickte nur. Aber wie lange würden sie hier wohl fest sitzen? Als zehn Minuten vergingen setzten sie sich auf den, mit weichen Fußbodenbelag ausgelegten, Boden und lehnten sich gegen die Wand. Alexandra hatte sogar freiwillig eine Runde ‘Marc O’ Polo’ begonnen. Sie war es wert gewesen, auch wenn sie verloren hatte. Den Termin verpassten sie auf alle Fälle. Das war klar. Es brach gerade die zweite Stunde ihrer Gefangenschaft an. Alexandra war ein bisschen weg genickt und ihr Kopf war gegen Bills Schulter gerutscht. Sie hatte ihren MP3-Player wieder ausgepackt und sie teilten sich die Kopfhörer um zusammen ein bisschen Musik zu hören. Bills Haare kitzelten über ihre Haut als sie die Melodie mit summte. [iLass dich einfach fallen Lehn dich einfach nur zurück Nur ein kleines Stück Die Zeit ist unsterblich Der Moment gehört nur uns Ist alles vergänglich Doch dieser Tag verbindet uns Die Zeit ist unsterblich Der Moment gehört nur uns Und nichts ist vergänglich für uns Alexandras Herz setzte einen Schlag aus und ein Kribbeln legte sich in ihre Magengegend, was sie sonst nur von Auftritten her kannte. Sie atmete tief ein und Bills Duft stieg ihr dabei in die Nase. Das Kribbeln wurde nur noch schlimmer. Verwirrt richtete sie sich auf und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Okay, du steckst mit Bill im Fahrstuhl fest. Das ist ein Problem, aber es gibt bestimmt noch unangenehmere Sachen. Und was Bill angeht, ihr wart euch schon 1000 mal so nah, also mach deswegen jetzt nicht so ein Theater. “Alles klar?” fragte Bill plötzlich und Alexandra hoffte, dass sie nicht gerade laut gedacht hatte. “Ganz schön heiß hier drin, oder?” fragte sie und wedelte sich mit der Hand Luft zu. “Findest du? Ich finds ganz angenehm.” Alexandra schluckte. Was war denn plötzlich los? Ihre Gefühle spielten total verrückt. Plötzlich legte Bill seinen Arm um sie und zog sie wieder zu sich. “Liegts etwa an der Gesellschaft?” fragte er und Alexandra fand sich plötzlich so nah an seinem Gesicht wieder, dass diese sich fast berührten. Wow, wer war er? Tom in neuem Outfit? Sie lehnte sich noch näher in seine Richtung. Ihr Herz sprang ihr fast aus der Brust als sein Gesicht sich in ihre Richtung drehte und sie aus seinen unergründlichen Augen ansah. Für einen Augenblick vergaß sie zu atmen, doch dann glitt der Aufzug ruckartig nach unten und auch Musik und Licht sprangen wieder an. Alexandra verlor das Gleichgewicht und musste sich wieder gerade hinsetzen . Sie sah schnell wieder zu Bill, doch er war bereits aufgestanden und beobachtete wie die Anzeige immer mehr in Richtung 0 ging. Alexandras Blick verfinsterte sich kaum merklich. Der Moment war vorbei. Bill reichte ihr seine Hand und half ihr auf. Sie nuschelte ein Dankeschön und klammerte sich den Rest der kurzen Fahrt an ihre Tasche. Der Aufzug bremste ab und kam schließlich zum stehen. Die Tür glitt auf und die erste Person die Alexandra in der Menschenmasse die sie erwartete sah, war ein in Schweiß gebadeter Mechaniker der sich mit einem Tuch die Stirn trocken wischte. Stimmengewirr brandete ihnen entgegen als sie in die Lobby traten. Alexandra merkte kaum, dass auf sie eingeredet wurde, David ihr auf den Rücken klopfte und sich freute, dass es ihnen gut ging. Ihr Blick folgte Bill. In ihrem Kopf ratterte es während sie beobachtete wie er zu Georg und Gustav ging. Sie zwang sich ihren Blick abzuwenden und wäre fast in Tom gerannt der plötzlich vor ihr stand und sie besorgt ansah. “Mir gehts gut.” antwortete sie auf seine ungestellte Frage und versuchte sich an ihm vorbei zu schieben, doch er versperrte ihr den Weg. “Bist du sicher? Du machst einen ziemlich kopflosen Eindruck.” Alexandra redete sich raus und David rettete sie aus der Situation indem er sie aus dem Hotel scheuchte und sie doch noch, wenn auch verspätet, zu dem Promo-Termin erscheinen konnten. Alexandra lief in ihrem Hotelzimmer auf und ab und wusste nicht so richtig was sie tun sollte. Den ganzen Tag hatte sie damit verbracht allen anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, besonders den Menschen deren Nachname mit K beginnt, und jetzt war ihr langweilig. Acht Interviews in Folge waren nervtötend und schlauchten sehr, aber heute wollte sie einfach nicht zur Ruhe kommen. Ihr Blick schweifte über ihre Handtasche. Ein Gedanke drängelte sich in ihren Kopf und bevor sie ihn wieder verwerfen konnte hatte sie sich ihre Tasche geschnappt, den Zimmerschlüssel eingesteckt und war auf den Gang getreten. Sie sah sich nach rechts und links um. Die Luft war rein. Auf Zehenspitzen schlich sie den Gang entlang und kam sich dabei ziemlich dämlich vor. Dem Aufzug schenkte sie keinerlei Beachtung. So ein Ding würde sie nur noch benutzen, wenn es keine andere Möglichkeit gab. An der Treppe angekommen, sah sie gerade noch eine Person auf dem unteren Treppenabsatz verschwinden. Sie beschleunigte ihre Schritte und holte die Gestalt auf Etage 4 ein. Sie hatte einen Kapuzenpullover an und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. “Gustav?” Die Person blieb wie auf frischer Tat ertappt stehen und wirbelte herum. “Lexa?” Alexandra sah Gustavs Kamera die an einem Band um seinen Hals hing und zeigte ihm ihre eigene. “Da hatten wir wohl die selbe Idee.” meinte sie und lächelte. “Scheint so.” “Na dann los.” Das “Bing” des ankommenden Fahrstuhls ließ sie aufschrecken als sie im Erdgeschoss angekommen waren. “Was macht ihr denn hier?” ertönte plötzlich Toms Stimme hinter ihnen. “Das Gleiche könnten wir dich fragen.” meinte Alexandra nachdem sie die erste Überraschung überwunden hatte. “Ich hab zuerst gefragt.” Zur Antwort sahen Alexandra und Gustav sich kurz an und hielten dann synchron ihre Fotoapparate nach oben. “Oh, Sightseeing bei Nacht? Da bin ich dabei.” meinte auch Tom und schloss sich ihnen an. Der Portier verabschiedete sie mit einem “Bon soir!” und sie traten in die warme Nachtluft von Paris. Es hatte etwas verbotenes an sich wie sie sich so ganz ohne Aufsicht aus dem Hotel stahlen um Paris bei Nacht zu erkunden, aber es war schon spät und die Straßen waren fast wie leer gefegt. Was sollte also schon groß passieren? Die drei schlenderten über eine Brücke welche über die Seine führte. Es war eine herrliche Nacht und obwohl Alexandra nur ein T-Shirt trug fror sie nicht. Es dauerte eine Weile bis der Eifelturm sich ihnen zeigte. Es wurde von orangem Licht angestrahlt und sah einfach nur schön aus. Die drei wanderten direkt unter ihm hindurch und Gustav und Alexandra schossen ein paar tolle Fotos. Alexandra vermutete, dass Gustavs Bilder besser sein würden und war ein bisschen neidisch auf seine teure Kamera. “Schade, dass er schon geschlossen ist.” hörte sie Tom sagen und sah ihn nach oben gucken. Gustav sah auf die Uhr. “In fünf Stunden klingelt mein Wecker.” meinte er und sein Wink mit der Holzhütte wurde auch als solcher verstanden. “Okay, gehn wir.” sagte Tom und sie nahmen den gleichen Weg den sie gekommen waren. An einer Zoohandlung verloren sie ein paar Minuten, da Alexandra sich die Nase an der Scheibe platt drückte und die Hundebabys bestaunte. “Die sind ja goldig!” schwärmte sie und musste von den Jungs regelrecht weiter gezerrt werden. Gerade als sie die Brücke wieder überqueren wollten blieb Alexandra abrupt stehen. “Seht mal da hinten!! Das ist doch ein Jahrmarkt.” Komisch, dass ihnen das vorhin nicht aufgefallen war. Direkt am Ufer der Seine stand ein Riesenrad, etliche Verkaufsbuden und ein Kettenkarussell. Alexandra sah bittend in Toms und Gustavs Richtung. “Bitte lasst uns da mal vorbei schauen. Bitteeeee.” Gustav seufzte schwer. “Okay.” Insgeheim wusste er, dass Tom auch ein Rummel-Freak war und außerdem konnte er die beiden da doch nicht allein hingehen lassen. Er war ja so verantwortungsbewusst. Alexandra rannte regelrecht über die Wiese um so schnell wie möglich zu dem gut besuchten Jahrmarkt zu gelangen. Eine gute Stunde verbrachten die drei damit Autoscooter, Riesenrad und Kettenkarussell zu fahren. Als sie gerade gehen wollten entdeckte Alexandra allerdings einen Schießstand der riesige Ice Age-Plüschtiere als Hauptgewinn hatte. “Okay, wer von euch beiden hübschen schießt mir jetzt so ein Plüschtier?” fragte sie voller ernst. Gustav sah ruckartig zu Tom und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. Tom ergab sich seinem Schicksal und probierte sein Glück. “Wir gehen hier nicht eher weg bis ich mein Plüschtier habe, das ist dir hoffentlich klar?” fragte Alexandra nachdem er den ersten Schuss verrissen hatte. “Glasklar.” “Ich hol mir ne Cola.” sagte Gustav in der leisen Vorahnung dass das hier doch noch etwas länger dauern könnte. Als er wieder kam stritten Alexandra und Tom gerade darüber ob der letzte Schuss nun zu weit links oder zu weit rechts eingeschlagen war. “Gustav, hast du noch n paar Euro?” fragte Alexandra und Gustav schüttelte den Kopf. Sie sah zu Tom. “Du hasts versaut.” “Tut mir Leid, ich bin aus der Übung.” “Wie viel Punkte habt ihr denn?” fragte Gustav und lugte über ihre Schultern. “Neun.” sagte Alexandra vorwurfsvoll. “Und wie viel hättet ihr gebraucht?” “Achtzig.” “Oh.” Alexandra bekam für die neun Punkte einen Spongebob Schwammkopf Patrick gereicht und einen kleinen Piraten Schlüsselanhänger. Sie besah sich die Gewinne und reichte Tom den Schlüsselanhänger. “Na ja, die sind ja auch ganz süß.” “Können wir jetzt gehen?” fragte Gustav vorsichtig. “Ich hol uns noch Zuckerwatte.” sagte Alexandra und war in der Menge verschwunden. Fünf Minuten später liefen sie endlich den lang ersehnten Rückweg über die Brücke in Richtung Hotel. Gustav lief vorne weg. “Renn doch nicht so.” rief Tom ihm hinterher und aß den Rest seiner Zuckerwatte. “Bummelt ihr doch nicht so.” sagte Gustav und ging ein paar Schritte rückwärts um mit ihnen reden zu können “Es riecht nach Regen. Ich will nicht dass meine Kamera nass wird.” “Gib sie mir, meine Tasche ist wasserdicht.” sagte Alexandra und warf ihren Holzspieß über das Geländer. “Ich will aber auch nicht nass werden.” meinte Gustav weiter und verschwand schon bald aus ihrem Blickfeld und verschwand in der Nacht. “Fragt sich wer hier n Weichei is.” murmelte Tom und stellte mit Entsetzen fest, dass Alexandra gerade auf das Geländer der Brücke geklettert war und auf einem Stück balancierte was gerade mal so breit war wie ihr Schuh. Geschockt griff er nach ihrer Hand. Unter ihr ging es zwanzig Meter in die Tiefe. “Komm da runter!” forderte er sie leicht panisch auf. “Warum? Komm du doch rauf.” “Lexa, ich meins Ernst. Das ist gefährlich.” Enttäuscht blieb sie stehen und sah ihn an. Seufzend ließ sie sich vom Geländer und in seine Arme gleiten. Für eine Sekunde hielt er sie fest an sich gedrückt bevor er sie langsam auf dem Gehweg absetzte. Alexandra wollte etwas sagen, kam jedoch nicht dazu da sie zu erstaunt darüber war, dass sein Gesicht sich immer näher an ihres beugte. Noch bevor sie sich im klaren darüber war was sie getan hätte prasselte ein Gewitterguss auf sie nieder und ließ sie auseinander fahren. Tom packte ihre Hand erneut und rannte los. Sie hatten die Brücke noch nicht ganz überquert als er es allerdings aufgab. Sie waren bereits jetzt nass bis auf die Knochen. Alexandra lachte. Wassertropfen hatten sich an ihren Nasenspitzen gesammelt, die Haare klebten in dunklen Strähnen zusammen, die Schuhe schmatzen beim gehen leise vor sich hin. Es schüttete wie aus Eimern, Wasser rann in ihren Kragen und lief den Rücken hinunter. Ihr Shirt war morgen sicher zwei Nummern kleiner. “Du hast da was.” hörte sie Toms Stimme und spürte seinen Daumen an ihrer Wange. Stimmt, ihre Wimperntusche hatte sich vermutlich über ihr gesamtes Gesicht verteilt. Aber es war egal, denn in diesem Moment neigte er den Kopf zu ihr herunter und drückte seine Lippen sanft gegen ihre. Sie schloss die Augen und spürte sein Piercing an ihrer Haut. Genau so plötzlich wie es passiert war, war es auch schon wieder vorbei. Tom löste sich von ihr. “Sorry,” sagte er mit seinem typischen Grinsen und Alexandra sah ihn verstört an “mir war grad so.” Er wandte sich nach links und lief einfach weiter, ließ sie im Regen stehen. Ihm war grad so? Sie schluckte und schob diese Aktion auf den hohen Zuckergehalt der Sachen die sie in den letzten Stunden zu sich genommen hatten. Hatte wohl eine Art Zuckerflash der Arme. Sie rannte ein paar Schritte und schloss wieder zu ihm auf. ~ Ende des 16. Kapitels ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)